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Erbengemeinschaft als Erschließungsbeitragsschuldner

Für den Straßenausbau sollten Anwohner tief in die Tasche greifen. Doch ein Gericht stoppte die Kommune: Deren Rechnung für den Erschließungsbeitrag war falsch.

Übersicht

Zum vorliegenden Urteil Az.: 2 S 1380/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
  • Datum: 18.03.2025
  • Aktenzeichen: 2 S 1380/24
  • Verfahrensart: Berufung
  • Rechtsbereiche: Erschließungsbeitragsrecht / Kommunalabgabenrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Eine Miteigentümerin eines Grundstücks (Flst.-Nr. 1407), die gegen einen Erschließungsbeitragsbescheid vorgeht.
  • Beklagte: Die Gemeinde, die den Erschließungsbeitrag für die Herstellung eines Teilstücks der Straße „Am ….“ festgesetzt hat.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Eine Gemeinde (Beklagte) setzte für die Herstellung einer Straße einen Erschließungsbeitrag fest. Zunächst wurde der Bescheid an die Erbengemeinschaft adressiert, der das betroffene Grundstück (Flst.-Nr. 1407) gehört. Nachdem die Gemeinde erkannt hatte, dass eine Erbengemeinschaft nicht direkt Schuldner sein kann, erließ sie neue, gleichlautende Bescheide gegen die einzelnen Mitglieder der Erbengemeinschaft persönlich, darunter die Klägerin. Die Klägerin wehrte sich gegen diesen Bescheid. Das Verwaltungsgericht gab der Klage statt. Die Gemeinde legte daraufhin Berufung beim Verwaltungsgerichtshof ein.
  • Kern des Rechtsstreits: Es ging darum, ob der Erschließungsbeitragsbescheid, den die Gemeinde gegen die Klägerin als Miteigentümerin erlassen hat, rechtmäßig ist und ob das Urteil der Vorinstanz, das diesen Bescheid aufhob, Bestand hat.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Die Berufung der Gemeinde wurde zurückgewiesen.
  • Folgen: Das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe, das den Bescheid gegen die Klägerin aufgehoben hat, ist somit bestätigt. Die Gemeinde muss die Kosten des Berufungsverfahrens tragen. Eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht ist nicht zugelassen.

Der Fall vor Gericht


Erschließungsbeitrag für Straße: VGH bestätigt Rechtswidrigkeit wegen fehlerhafter Abschnittsbildung und Kostenermittlung (Az. 2 S 1380/24)

Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 18. März 2025 die Berufung einer Gemeinde gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zurückgewiesen.

Richter weist fehlerhaften Erschließungsbeitrag ab. Entsetzter Gemeindevertreter mit Straßenplan. Urteil zu Erschließungskosten.
Symbolbild: KI generiertes Bild

Damit ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, wonach ein Erschließungsbeitragsbescheid für die Herstellung eines Teilstücks der Straße „Am …“ rechtswidrig war und aufgehoben wurde. Die Gemeinde muss nun die Kosten des Berufungsverfahrens tragen. Eine weitere Berufung (Revision) wurde nicht zugelassen. Kern des Streits war die Frage, ob die Gemeinde die Erschließungskosten korrekt ermittelt und abgerechnet hat.

Ausgangslage: Streit um Erschließungsbeitrag für Grundstück einer Erbengemeinschaft

Im Mittelpunkt des Rechtsstreits stand ein Grundstück (Flurstück-Nummer 1407) in der betroffenen Gemeinde, gelegen an der Straße „Am …“. Dieses Grundstück befand sich im Eigentum einer ungeklärten Erbengemeinschaft. Zu dieser Gemeinschaft gehörten die Grundstückseigentümerin, die das Verfahren führte, ihre Schwester und ihre mittlerweile verstorbene Mutter. Ein weiterer hälftiger Miteigentumsanteil gehörte bis zu ihrem Tod ebenfalls der Mutter.

Die Gemeinde hatte Arbeiten an einem Teilstück der Straße „Am …“ durchgeführt und wollte die dafür entstandenen Erschließungskosten auf die Anlieger umlegen. Grundlage hierfür war die Erschließungsbeitragssatzung (EBS) der Gemeinde in der Fassung von 2010.

Erster Beitragsbescheid an die Erbengemeinschaft – Ein rechtliches Problem

Zunächst erließ die Gemeinde am 17. November 2016 einen Erschließungsbeitragsbescheid über 66.377,16 Euro. Dieser Bescheid war direkt an die „Erbengemeinschaft O…/E-…/A…“ adressiert und wurde jedem Mitglied der Erbengemeinschaft einzeln zugestellt. Gegen diesen Bescheid legte der Anwalt der späteren Klägerin im Namen der gesamten Erbengemeinschaft Widerspruch ein.

Kurz darauf erkannte die Gemeinde jedoch ein Problem: Sie erfuhr von einem Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen (vom 20.01.2016, Az. 5 K 2590/14), das besagte, dass eine Erbengemeinschaft als solche nicht Schuldnerin eines Erschließungsbeitrags sein kann. Beitragspflichtig sind immer die einzelnen Miterben als Miteigentümer des Grundstücks.

Korrektur des Beitragsbescheids: Einzelne Miterben statt Erbengemeinschaft als Schuldner

Aufgrund dieser Erkenntnis änderte die Gemeinde ihr Vorgehen. Am 6. Dezember 2016 erließ sie drei separate, inhaltlich identische Erschließungsbeitragsbescheide. Jeweils einer ging an die Grundstückseigentümerin, ihre Schwester und ihre Mutter. Jeder dieser neuen Bescheide enthielt den wichtigen Zusatz: „Dieser Bescheid ersetzt den Bescheid vom 17.11.2016.“ Die Beitragshöhe blieb zunächst unverändert bei 66.377,16 Euro pro Bescheid, wobei die Miterben als Gesamtschuldner haften sollten (d.h., die Gemeinde kann den vollen Betrag von jedem Einzelnen fordern, muss ihn aber insgesamt nur einmal erhalten).

Widerspruch und Klageverfahren: Grundstückseigentümerin wehrt sich gerichtlich gegen Erschließungskosten

Die Grundstückseigentümerin legte auch gegen den an sie persönlich gerichteten Bescheid vom 6. Dezember 2016 rechtzeitig Widerspruch ein. Dieses Widerspruchsverfahren zog sich hin. Erst am 10. August 2022 entschied das Landratsamt Karlsruhe über den Widerspruch. Es wies den Widerspruch nicht nur zurück, sondern erhöhte den geforderten Erschließungsbeitrag sogar auf 67.368,98 Euro.

Gegen diesen Widerspruchsbescheid erhob die Grundstückseigentümerin Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe. Ihr Hauptziel war die vollständige Aufhebung des Erschließungsbeitragsbescheids vom 06.12.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 10.08.2022.
Zusätzlich stellte sie Hilfsanträge: Sollte der Bescheid nicht aufgehoben werden, beantragte sie, die Gemeinde zu verpflichten, den Beitrag aus Billigkeitsgründen zu erlassen (also auf die Zahlung zu verzichten), oder zumindest über ihren Antrag auf Billigkeitserlass neu zu entscheiden.

Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe: Aufhebung des Bescheids wegen Fehlern bei Abschnittsbildung und Ermittlungsraum

Das Verwaltungsgericht (VG) Karlsruhe gab der Klage mit Urteil vom 20. Februar 2024 (Az. 12 K 3055/22) im Hauptantrag statt. Es hob den Erschließungsbeitragsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vollständig auf.

Die Begründung des Verwaltungsgerichts war eindeutig: Die Gemeinde habe bei der Berechnung des Beitrags schwerwiegende Fehler gemacht.

  1. Fehlerhafter Ermittlungsraum: Die Gemeinde habe das Gebiet, dessen Grundstücke von der Erschließungsanlage profitieren und daher zu den Kosten herangezogen werden (den sogenannten Ermittlungsraum), nicht korrekt bestimmt.
  2. Rechtswidrige Abrechnung eines Teilstücks ohne Abschnittsbildung: Die Gemeinde habe nur ein Teilstück der Straße „Am …“ abgerechnet. Dies sei zwar grundsätzlich möglich, erfordere aber nach dem Erschließungsbeitragsrecht (§ 130 Abs. 2 BauGB) eine formelle Abschnittsbildung durch die Gemeinde. Eine solche Abschnittsbildung, bei der klar definiert wird, welcher Teil einer Erschließungsanlage separat abgerechnet wird, habe die Gemeinde jedoch nicht vorgenommen. Die Abrechnung nur eines Teilstücks ohne formelle Abschnittsbildung sei daher rechtswidrig.

Aufgrund dieser Fehler war der gesamte Erschließungsbeitragsbescheid nach Ansicht des VG Karlsruhe rechtswidrig und musste aufgehoben werden. Auf die Hilfsanträge bezüglich des Billigkeitserlasses kam es daher nicht mehr an.

Berufungsverfahren vor dem VGH Baden-Württemberg: Gemeinde ficht Urteil an

Mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe wollte sich die Gemeinde nicht zufriedengeben. Sie legte Berufung gegen das Urteil beim Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg ein, der nächsthöheren Instanz. Die Gemeinde war offenbar der Ansicht, dass ihre Beitragsberechnung und die Abrechnung des Teilstücks korrekt waren.

Entscheidung des VGH Baden-Württemberg: Berufung der Gemeinde erfolglos – Erschließungsbeitrag rechtswidrig

Der VGH Baden-Württemberg prüfte die Argumente der Gemeinde und die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe. Mit Urteil vom 18. März 2025 (Az. 2 S 1380/24) kam der VGH jedoch zum selben Ergebnis wie die Vorinstanz: Die Berufung der Gemeinde wurde zurückgewiesen.

Dies bedeutet: Das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe ist bestätigt und nun rechtskräftig. Der Erschließungsbeitragsbescheid vom 06.12.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.08.2022 ist und bleibt aufgehoben. Die Grundstückseigentümerin (und ihre Miterben) müssen den geforderten Erschließungsbeitrag in Höhe von 67.368,98 Euro nicht zahlen.

Entscheidungsgründe des VGH: Bestätigung der fehlerhaften Kostenermittlung und Abrechnung eines Teilabschnitts

Obwohl der VGH seine detaillierten Gründe im vorliegenden Auszug nicht explizit nennt, folgt aus der Zurückweisung der Berufung, dass der VGH die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe teilt. Die fehlerhafte Bestimmung des Ermittlungsraums und insbesondere die rechtswidrige Abrechnung eines Teilstücks der Straße ohne die erforderliche formelle Abschnittsbildung durch die Gemeinde waren ausschlaggebend für die Bestätigung der Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheids. Die Gemeinde hat die gesetzlichen Vorgaben des Baugesetzbuchs (§§ 127 ff. BauGB) und ihrer eigenen Erschließungsbeitragssatzung bei der Beitragsfestsetzung nicht eingehalten.

Kostenentscheidung und Ausschluss der Revision: Gemeinde trägt Verfahrenskosten

Als unterlegene Partei im Berufungsverfahren muss die Gemeinde die Kosten des Verfahrens tragen. Dies umfasst sowohl die Gerichtskosten als auch die notwendigen Auslagen der Grundstückseigentümerin (insbesondere Anwaltskosten) für das Berufungsverfahren.

Der VGH hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, der höchsten Instanz in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, nicht zugelassen. Das bedeutet, dass das Urteil des VGH endgültig ist und die Gemeinde keine weiteren Rechtsmittel dagegen einlegen kann. Der Rechtsstreit um diesen spezifischen Erschließungsbeitragsbescheid ist damit abgeschlossen.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil verdeutlicht, dass bei Grundstücken im Eigentum einer Erbengemeinschaft nur diese Gemeinschaft als Ganzes (und nicht die einzelnen Erben) der korrekte Adressat für Erschließungsbeitragsbescheide ist. Werden Bescheide fälschlicherweise an einzelne Miterben statt an die Erbengemeinschaft gerichtet, sind diese rechtswidrig. Von besonderer Bedeutung ist auch, dass ein Ersatzbescheid den ursprünglichen Bescheid aufhebt, selbst wenn dies nicht ausdrücklich erklärt wird. Das Urteil stärkt die Rechtsposition von Erbengemeinschaften gegenüber Kommunen bei der Beitragserhebung.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet „rechtswidrige Abschnittsbildung“ im Zusammenhang mit Erschließungsbeiträgen?

Wenn Ihre Gemeinde eine Straße oder einen Weg erstmalig endgültig herstellt (erschließt), kann sie dafür von den Anliegern Erschließungsbeiträge verlangen. Manchmal wird aber nicht die gesamte Straße auf einmal fertiggestellt und abgerechnet, sondern nur ein bestimmter Teil, ein sogenannter Abschnitt. Die Gemeinde legt dann fest, welcher Teil der Straße als eigener Abschnitt gilt und abgerechnet wird. Dies nennt man Abschnittsbildung.

Wie funktioniert die Abschnittsbildung normalerweise?

Stellen Sie sich eine sehr lange Straße vor, die über mehrere Jahre hinweg Stück für Stück ausgebaut wird. Es wäre oft unpraktisch und auch für die Anlieger unzumutbar, mit der Abrechnung zu warten, bis die gesamte lange Straße fertig ist. Deshalb erlaubt das Gesetz der Gemeinde, selbstständige Teile (Abschnitte) der Straße separat abzurechnen, sobald diese Teile fertiggestellt sind und die Grundstücke dort erschließen.

Wann ist eine Abschnittsbildung korrekt?

Eine Abschnittsbildung ist nur dann korrekt (rechtmäßig), wenn sie nach sachlichen und nachvollziehbaren Kriterien erfolgt. Die Gemeinde darf die Grenzen eines Abschnitts nicht willkürlich festlegen. Wichtige Kriterien sind:

  • Tatsächliche Erschließungswirkung: Der Abschnitt muss für sich genommen eine Erschließungsfunktion haben. Das bedeutet, die anliegenden Grundstücke müssen über diesen Abschnitt tatsächlich erreicht und genutzt werden können.
  • Räumlicher Zusammenhang: Der Abschnitt sollte eine sinnvolle räumliche Einheit bilden. Oft orientiert sich dies an Kreuzungen, Einmündungen oder natürlichen Grenzen.
  • Technische Merkmale: Manchmal spielen auch technische Aspekte eine Rolle, z.B. unterschiedliche Ausbaustandards oder die Art der Entwässerung.
  • Zeitliche Abfolge: Oft wird ein Abschnitt gebildet, der in einem bestimmten Zeitraum fertiggestellt wurde.

Ein Beispiel: Eine lange Dorfstraße wird in drei Bauphasen über mehrere Jahre ausgebaut. Die Gemeinde kann dann für jede Bauphase einen eigenen Abrechnungsabschnitt bilden, sobald dieser fertig ist und die dortigen Grundstücke erschließt. Eine korrekte Abschnittsgrenze könnte beispielsweise eine Straßeneinmündung sein, ab der die nächste Bauphase beginnt.

Was bedeutet „rechtswidrige Abschnittsbildung“?

Eine Abschnittsbildung ist rechtswidrig, wenn die Gemeinde die Grenzen des abzurechnenden Abschnitts willkürlich oder sachfremd festlegt. Das ist der Fall, wenn die oben genannten Kriterien nicht beachtet werden.

Beispiele für eine mögliche Rechtswidrigkeit:

  • Die Abschnittsgrenze wird mitten durch Grundstücke gezogen, ohne dass es dafür einen technischen oder räumlichen Grund gibt.
  • Ein Abschnitt wird so klein gebildet, dass er keine eigenständige Erschließungsfunktion mehr hat.
  • Die Grenzen werden nur gezogen, um bestimmte Grundstücke gezielt von der Beitragspflicht auszunehmen oder einzubeziehen, ohne sachlichen Grund.

Welche Folgen hat eine fehlerhafte Abschnittsbildung?

Eine rechtswidrige Abschnittsbildung führt dazu, dass der darauf basierende Erschließungsbeitragsbescheid ebenfalls rechtswidrig ist. Wenn die Gemeinde den abzurechnenden Bereich (den Abschnitt) nicht korrekt festgelegt hat, ist die gesamte Berechnungsgrundlage für die Beiträge der Anlieger in diesem Abschnitt fehlerhaft. Das kann bedeuten, dass der Bescheid aufgehoben werden muss. Die Gemeinde müsste dann gegebenenfalls eine neue, korrekte Abschnittsbildung vornehmen und auf dieser Grundlage neue Bescheide erlassen.

Für Sie als Anlieger ist es daher wichtig zu verstehen, wie der Abschnitt, für den Sie einen Beitrag zahlen sollen, gebildet wurde und ob dies nachvollziehbar und sachgerecht erscheint.


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Welche Rolle spielt die Erschließungsbeitragssatzung (EBS) einer Gemeinde bei der Erhebung von Erschließungsbeiträgen?

Die Erschließungsbeitragssatzung (EBS) ist das zentrale Regelwerk Ihrer Gemeinde für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen. Man kann sie als das „Grundgesetz“ für die Finanzierung von Straßen, Wegen und Plätzen verstehen, die Ihr Grundstück erschließen. Ohne eine gültige Erschließungsbeitragssatzung darf die Gemeinde grundsätzlich keine Erschließungsbeiträge von Ihnen fordern.

Was regelt die Erschließungsbeitragssatzung?

Die EBS legt die verbindlichen Spielregeln fest, nach denen die Kosten für die erstmalige Herstellung von Erschließungsanlagen (wie z.B. Straßenbeleuchtung, Fahrbahnen, Gehwege) auf die Eigentümer der erschlossenen Grundstücke verteilt werden. Sie muss klare und nachvollziehbare Regelungen zu folgenden Punkten enthalten:

  • Art und Umfang der Anlagen: Welche konkreten Baumaßnahmen gehören zu einer abrechenbaren Erschließungsanlage (z.B. nur die Fahrbahn oder auch Gehwege und Beleuchtung)?
  • Ermittlung der Kosten: Welche Kosten der Baumaßnahme darf die Gemeinde überhaupt auf die Anlieger umlegen (sogenannter beitragsfähiger Erschließungsaufwand)?
  • Verteilung der Kosten: Nach welchem Maßstab werden die Kosten auf die einzelnen Grundstücke verteilt? Üblich sind hier zum Beispiel die Grundstücksfläche, die Geschossfläche der Gebäude oder eine Kombination, die berücksichtigt, wie stark ein Grundstück von der Erschließung profitiert (Art und Maß der baulichen Nutzung).
  • Abschnittsbildung: Die Satzung kann auch festlegen, ob und wie eine lange Straße in Abschnitten abgerechnet werden kann.

Diese Regelungen müssen bestimmt und gerecht sein, damit die Beitragserhebung für die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar ist.

Warum ist die Satzung so wichtig für Ihren Beitragsbescheid?

Ihr Erschließungsbeitragsbescheid basiert direkt auf der Erschließungsbeitragssatzung Ihrer Gemeinde. Das bedeutet:

  • Rechtliche Grundlage: Die Satzung ist die unverzichtbare rechtliche Grundlage für den Bescheid. Nur wenn die Satzung wirksam ist, kann auch der Bescheid rechtmäßig sein.
  • Fehler in der Satzung wirken sich aus: Enthält die Satzung selbst Fehler – ist sie zum Beispiel unklar, ungerecht oder verstößt sie gegen höherrangiges Recht wie das Baugesetzbuch – dann ist die Satzung (oder der fehlerhafte Teil) unwirksam. Ein Beitragsbescheid, der sich auf eine unwirksame Satzung stützt, ist rechtswidrig.
  • Fehlerhafte Anwendung: Auch wenn die Satzung an sich korrekt ist, kann der Bescheid rechtswidrig sein, wenn die Gemeinde die Regelungen der Satzung im Einzelfall falsch anwendet (z.B. bei der Berechnung der Kosten, der Grundstücksfläche oder bei der Bildung von Abrechnungsabschnitten).

Gerade bei Fragen der rechtmäßigen Abrechnung und der korrekten Abschnittsbildung spielt die genaue Ausgestaltung der Satzung eine entscheidende Rolle.

Wie erfahren Sie von der Satzung und wie kann sie überprüft werden?

Damit eine Erschließungsbeitragssatzung gültig wird, muss sie von der Gemeinde öffentlich bekannt gemacht werden. Dies geschieht meist im Amtsblatt der Gemeinde oder auf ihrer offiziellen Webseite. Sie haben das Recht, die Satzung bei Ihrer Gemeindeverwaltung einzusehen.

Wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Erschließungsbeitragsbescheids bestehen, weil möglicherweise die zugrundeliegende Satzung fehlerhaft ist, gibt es Möglichkeiten zur Überprüfung:

  1. Im Verfahren gegen den Beitragsbescheid: Wenn Sie gegen einen Beitragsbescheid vorgehen (z.B. durch Widerspruch oder Klage), prüft die Behörde bzw. das Gericht auch, ob die Erschließungsbeitragssatzung wirksam ist. Stellt sich heraus, dass die Satzung ungültig ist, wird der Bescheid in der Regel aufgehoben.
  2. Normenkontrollverfahren: In den meisten Bundesländern besteht die Möglichkeit, die Gültigkeit einer Satzung direkt durch ein Gericht überprüfen zu lassen (sogenanntes Normenkontrollverfahren nach § 47 Verwaltungsgerichtsordnung). Dies kann unabhängig von einem konkreten Beitragsbescheid geschehen, setzt aber voraus, dass man durch die Satzung selbst oder deren Anwendung betroffen ist oder sein kann.

Die Erschließungsbeitragssatzung ist also von fundamentalem Belang für jeden Grundstückseigentümer, der einen Erschließungsbeitragsbescheid erhält. Sie legt die Regeln fest und bildet die Basis für die Rechtmäßigkeit der Forderung.


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Warum ist es wichtig, dass ein Erschließungsbeitragsbescheid an die einzelnen Miterben und nicht an die Erbengemeinschaft adressiert ist?

Ein Erschließungsbeitragsbescheid muss immer an die einzelnen Miterben persönlich adressiert werden und nicht an die Erbengemeinschaft als solche. Der Grund dafür liegt in der rechtlichen Natur der Erbengemeinschaft und den Anforderungen an einen Verwaltungsakt wie einen Beitragsbescheid.

Die Erbengemeinschaft ist keine eigene Rechtsperson

Eine Erbengemeinschaft ist keine juristische Person wie beispielsweise eine GmbH oder ein Verein. Sie hat keine eigene Rechtspersönlichkeit und kann daher selbst keine Rechte oder Pflichten haben. Stellen Sie sich die Erbengemeinschaft eher wie eine Gruppe von Personen vor, die gemeinsam Eigentümer eines Nachlasses (z. B. eines Grundstücks) sind. Rechtlich verantwortlich und handlungsfähig sind immer nur die einzelnen Miterben gemeinsam.

Die Miterben sind die Eigentümer und Beitragsschuldner

Wenn ein Grundstück zum Nachlass gehört, sind die einzelnen Miterben gemeinsam Eigentümer dieses Grundstücks (sogenanntes Gesamthandseigentum). Nach dem Baugesetzbuch und den Kommunalabgabengesetzen der Bundesländer schuldet der Eigentümer des Grundstücks den Erschließungsbeitrag. Da die Erbengemeinschaft selbst keine Eigentümerin sein kann, sind die einzelnen Miterben die Beitragsschuldner. Sie haften als sogenannte Gesamtschuldner. Das bedeutet, die Gemeinde kann grundsätzlich von jedem einzelnen Miterben den vollen Beitrag fordern (muss ihn aber insgesamt nur einmal erhalten).

Ein Bescheid braucht einen korrekten Adressaten

Ein Erschließungsbeitragsbescheid ist ein sogenannter Verwaltungsakt. Das ist eine offizielle Entscheidung einer Behörde (hier: der Gemeinde), die eine bestimmte Person oder mehrere Personen betrifft und ihnen gegenüber eine Regelung trifft (hier: die Zahlungspflicht für den Beitrag). Damit ein Verwaltungsakt wirksam wird, muss er an die richtige Person gerichtet und ihr bekannt gegeben werden. Da die Erbengemeinschaft keine rechtlich existente „Person“ ist, kann sie kein Adressat eines Verwaltungsakts sein. Adressaten müssen die einzelnen Miterben sein, da sie die Schuldner des Beitrags sind.

Folgen einer falschen Adressierung

Wird der Erschließungsbeitragsbescheid fälschlicherweise nur an die „Erbengemeinschaft Müller“ oder „Erbengemeinschaft nach Max Mustermann“ adressiert, ist dieser Bescheid fehlerhaft. Ein solcher Adressierungsfehler ist in der Regel so schwerwiegend, dass der Bescheid rechtlich unwirksam oder sogar nichtig ist.

  • Für Sie als Miterbe bedeutet das: Ein an die Erbengemeinschaft adressierter Bescheid setzt die Zahlungspflicht nicht wirksam fest. Die Forderung wird nicht fällig, und die Gemeinde kann auf dieser Grundlage kein Geld von den Miterben verlangen oder zwangsweise eintreiben (vollstrecken).
  • Die Gemeinde muss in einem solchen Fall neue, korrekte Bescheide erlassen, die an jeden einzelnen Miterben persönlich adressiert sind. Erst mit der Bekanntgabe dieser korrekten Bescheide an die einzelnen Miterben wird die Beitragsforderung wirksam und fällig.

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Was kann ich tun, wenn ich den Verdacht habe, dass die Kostenermittlung für die Erschließungsanlage fehlerhaft ist?

Wenn Sie Zweifel an der Richtigkeit der Kostenermittlung für eine Erschließungsanlage haben, gibt es bestimmte Punkte, die Sie beachten sollten und Möglichkeiten, die Berechnung nachzuvollziehen.

Welche Regeln muss die Gemeinde bei der Kostenermittlung beachten?

Ihre Gemeinde darf die Kosten für eine Erschließungsanlage (z.B. eine Straße) nicht willkürlich festlegen. Sie muss genau berechnen, welche Kosten tatsächlich für den Bau und die erstmalige Herstellung der Anlage entstanden sind. Nur diese tatsächlich entstandenen und notwendigen Kosten dürfen als sogenannter „umlagefähiger Erschließungsaufwand“ auf die Eigentümer der erschlossenen Grundstücke verteilt werden.

Die Gemeinde muss sich dabei an die Vorgaben des Baugesetzbuches (BauGB), des jeweiligen Kommunalabgabengesetzes (KAG) Ihres Bundeslandes und ihrer eigenen Erschließungsbeitragssatzung halten. Diese Regelungen legen fest, welche Kostenarten (z.B. Baukosten, Planungskosten) umlagefähig sind und wie sie ermittelt werden müssen. Fehler bei dieser Kostenermittlung können dazu führen, dass der von Ihnen geforderte Erschließungsbeitrag rechtswidrig, also fehlerhaft, ist.

Wie kann ich die Kostenermittlung überprüfen?

Sie haben in der Regel das Recht, die Grundlagen der Kostenberechnung einzusehen. Dies wird als Akteneinsicht bezeichnet. Sie können bei Ihrer Gemeinde beantragen, die relevanten Unterlagen einzusehen. Dazu gehören insbesondere:

  • Die Abrechnungen der beauftragten Baufirmen.
  • Die Belege über Planungs- und Vermessungskosten.
  • Die Gesamtkostenaufstellung der Gemeinde für die Erschließungsanlage.

Durch die Einsicht können Sie nachvollziehen, welche Kostenpositionen in die Berechnung eingeflossen sind und ob diese plausibel erscheinen.

Welche Fristen sind wichtig?

Wenn Sie einen Erschließungsbeitragsbescheid erhalten haben, ist es sehr wichtig, die darin genannte Rechtsbehelfsfrist zu beachten. In der Regel müssen Sie innerhalb von einem Monat nach Bekanntgabe des Bescheids Widerspruch einlegen (oder Klage erheben, je nach Verfahrensordnung in Ihrem Bundesland), wenn Sie den Bescheid für fehlerhaft halten. Versäumen Sie diese Frist, wird der Bescheid normalerweise bestandskräftig. Das bedeutet, er ist dann bindend und kann nur noch in sehr seltenen Ausnahmefällen angefochten werden, selbst wenn er Fehler enthält.

Kann ich die Berechnung von Experten prüfen lassen?

Ja, es besteht die Möglichkeit, die Kostenermittlung der Gemeinde durch unabhängige Experten überprüfen zu lassen. Das können beispielsweise spezialisierte Bauingenieure, Vermessungsingenieure oder Sachverständige für das Erschließungsbeitragsrecht sein. Diese Experten können die technischen Abrechnungen und die rechtliche Zulässigkeit der angesetzten Kosten prüfen. Beachten Sie jedoch, dass die Kosten für eine solche externe Prüfung in der Regel zunächst von Ihnen selbst getragen werden müssen.


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Welche Fristen muss ich bei einem Widerspruch gegen einen Erschließungsbeitragsbescheid beachten, und was passiert, wenn diese Fristen versäumt werden?

Wenn Sie einen Erschließungsbeitragsbescheid erhalten haben und dagegen vorgehen möchten, müssen Sie unbedingt die Widerspruchsfrist beachten.

Die entscheidende Monatsfrist

In der Regel haben Sie einen Monat Zeit, um Widerspruch einzulegen. Diese Frist beginnt, sobald Ihnen der Bescheid bekanntgegeben wurde.

  • Was bedeutet „Bekanntgabe“? Bekanntgabe heißt, dass Sie den Bescheid offiziell erhalten haben. Bei Zusendung per Post gilt der Bescheid meist am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekanntgegeben, auch wenn Sie ihn tatsächlich etwas später oder früher erhalten. Dieses Datum (der Tag der Bekanntgabe) ist entscheidend für den Beginn der Monatsfrist. Schauen Sie auf das Datum des Bescheids und den Poststempel. Die genauen Regeln zur Fristberechnung finden Sie meist in der Rechtsbehelfsbelehrung am Ende des Bescheids.
  • Wie wird die Frist berechnet? Die Frist endet einen Monat später an dem Tag, der dieselbe Nummer wie der Tag der Bekanntgabe hat. Fällt dieser Tag auf ein Wochenende oder einen Feiertag, endet die Frist erst am nächsten Werktag.
    • Beispiel: Wird Ihnen der Bescheid am 10. April (einem Mittwoch) bekanntgegeben, endet die Widerspruchsfrist am 10. Mai (einem Freitag). Würde der 10. Mai auf einen Samstag fallen, würde die Frist erst am Montag, dem 12. Mai, enden.

Form des Widerspruchs

Der Widerspruch muss innerhalb der Monatsfrist bei der Behörde eingehen, die den Bescheid erlassen hat. Es reicht nicht, den Widerspruch erst am letzten Tag abzuschicken. Er muss an diesem Tag dort vorliegen.

Sie können den Widerspruch entweder:

  • Schriftlich einlegen: Das heißt, Sie schreiben einen Brief, unterschreiben ihn und senden ihn an die Behörde. Eine E-Mail genügt in der Regel nicht, es sei denn, die Behörde bietet einen sicheren elektronischen Zugang (z.B. De-Mail oder ein spezielles Portal) ausdrücklich dafür an. Informationen dazu finden Sie oft in der Rechtsbehelfsbelehrung.
  • Zur Niederschrift erklären: Sie gehen persönlich zur zuständigen Behörde und erklären dort mündlich, dass Sie Widerspruch einlegen möchten. Ein Mitarbeiter der Behörde schreibt Ihren Widerspruch dann auf.

Folgen einer versäumten Frist

Das Versäumen der Widerspruchsfrist hat gravierende Folgen:

  • Der Erschließungsbeitragsbescheid wird unanfechtbar (man sagt auch: er wird „bestandskräftig“).
  • Das bedeutet: Sie können den Bescheid dann nicht mehr mit einem Widerspruch oder einer späteren Klage angreifen, selbst wenn er Fehler enthalten sollte (z.B. eine rechtswidrige Abrechnung oder Abschnittsbildung).
  • Die im Bescheid festgesetzte Forderung wird endgültig wirksam, und Sie sind zur Zahlung verpflichtet. Die Behörde kann die Zahlung dann auch zwangsweise durchsetzen.

Möglichkeit einer Fristverlängerung (Wiedereinsetzung)

Eine Verlängerung der eigentlichen Widerspruchsfrist ist nicht möglich. Wenn Sie die Frist jedoch ohne eigenes Verschulden versäumt haben (z.B. wegen eines unvorhergesehenen Krankenhausaufenthalts), können Sie unter strengen Voraussetzungen eine „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ beantragen.

  • Dafür müssen Sie nachweisen, warum Sie unverschuldet daran gehindert waren, die Frist einzuhalten.
  • Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss innerhalb einer kurzen Frist gestellt werden (meist zwei Wochen), nachdem der Grund für die Verhinderung weggefallen ist. Gleichzeitig müssen Sie den versäumten Widerspruch nachholen.

Die Hürden für eine Wiedereinsetzung sind hoch. Die Einhaltung der ursprünglichen Monatsfrist ist daher äußerst wichtig. Prüfen Sie die Rechtsbehelfsbelehrung in Ihrem Bescheid sorgfältig, dort sind die Frist und die zuständige Behörde genannt.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Erschließungsbeitragsbescheid

Ein Erschließungsbeitragsbescheid ist ein offizieller, schriftlicher Verwaltungsakt einer Gemeinde, mit dem sie von Grundstückseigentümern Geld fordert. Dieser Beitrag deckt die Kosten für die erstmalige Herstellung von Erschließungsanlagen wie Straßen, Wege oder Plätze, die notwendig sind, um Grundstücke bebauen oder nutzen zu können (§ 127 BauGB). Die genauen Regelungen finden sich im Baugesetzbuch, den Kommunalabgabengesetzen der Länder und der lokalen Erschließungsbeitragssatzung (EBS). Im Text ist dies der Bescheid, gegen den die Eigentümerin geklagt hat.

Beispiel: Ihre Gemeinde baut vor Ihrem Haus eine neue Straße. Sie erhalten daraufhin einen Bescheid, der Sie zur Zahlung eines Teils der Baukosten auffordert – das ist der Erschließungsbeitragsbescheid.


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Erbengemeinschaft

Eine Erbengemeinschaft entsteht, wenn mehrere Personen gemeinsam einen Verstorbenen beerben (§ 2032 BGB). Diese Gemeinschaft ist keine eigenständige juristische Person und kann daher nicht selbst Träger von Rechten und Pflichten sein, wie z.B. Schuldner eines Beitrags. Stattdessen gehören die Nachlassgegenstände (z.B. ein Grundstück) allen Miterben gemeinsam zur gesamten Hand. Im Text musste die Gemeinde ihren Bescheid korrigieren, da nicht die Erbengemeinschaft, sondern die einzelnen Miterben als Grundstückseigentümer beitragspflichtig sind.


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Gesamtschuldner

Gesamtschuldner bedeutet, dass mehrere Personen für dieselbe Schuld haften (§ 421 BGB). Der Gläubiger (hier die Gemeinde) kann die gesamte Schuldsumme nach seiner Wahl von jedem einzelnen Schuldner ganz oder teilweise fordern. Er erhält die Leistung aber insgesamt nur einmal. Zahlt ein Schuldner die gesamte Summe, kann er von den anderen Gesamtschuldnern anteilig Ausgleich verlangen (§ 426 BGB). Im Text haften die Miterben als Gesamtschuldner für den Erschließungsbeitrag.

Beispiel: Drei Freunde mieten gemeinsam eine Wohnung. Sie haften dem Vermieter als Gesamtschuldner für die Miete. Fällt die Miete aus, kann der Vermieter die gesamten Mietschulden von nur einem der Freunde verlangen.


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Ermittlungsraum

Der Ermittlungsraum bezeichnet das räumlich abgegrenzte Gebiet, dessen Grundstücke durch eine bestimmte Erschließungsanlage (z. B. eine Straße) erschlossen werden und daher einen Vorteil haben. Die Gemeinde muss dieses Gebiet korrekt bestimmen, um die umlagefähigen Erschließungskosten zu ermitteln und gerecht zu verteilen. Nur die Grundstücke innerhalb dieses festgelegten Raums werden zur Beitragspflicht herangezogen. Im Text war die fehlerhafte Bestimmung des Ermittlungsraums einer der Gründe, warum das Verwaltungsgericht den Bescheid aufhob.


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Abschnittsbildung

Die Abschnittsbildung bezeichnet die Möglichkeit für eine Gemeinde, eine lange Erschließungsanlage (z.B. eine Straße) in mehrere Teile zu untergliedern und jeden Teil separat abzurechnen (§ 130 Abs. 2 Satz 1 BauGB). Dies erlaubt es, Beiträge schon für fertiggestellte Abschnitte zu erheben, auch wenn die gesamte Anlage noch nicht vollendet ist. Eine solche Abschnittsbildung muss aber aus sachlichen Gründen gerechtfertigt sein und in der Regel durch Satzung oder einen formellen Beschluss erfolgen. Im Text war entscheidend, dass die Gemeinde für ein Teilstück abrechnete, ohne die dafür nötige Abschnittsbildung vorgenommen zu haben.


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Widerspruch

Der Widerspruch ist ein förmlicher Rechtsbehelf im Verwaltungsrecht, mit dem man sich gegen eine behördliche Entscheidung (einen sogenannten Verwaltungsakt, wie den Erschließungsbeitragsbescheid) wehren kann, bevor man Klage erhebt. Man fordert die Behörde damit auf, ihre Entscheidung noch einmal zu überprüfen. Der Widerspruch muss in der Regel schriftlich und innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids eingelegt werden (siehe §§ 68 ff. Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Im Text legte die Grundstückseigentümerin Widerspruch gegen den an sie gerichteten Bescheid ein; dieser wurde später vom Landratsamt zurückgewiesen.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 21 Abs. 2 Kommunalabgabengesetz Baden-Württemberg (KAG): Diese Vorschrift bestimmt, wer Schuldner eines Erschließungsbeitrags ist. Beitragsschuldner ist derjenige, der zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des Grundstücks ist. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Erbengemeinschaft als solche kann nicht Schuldnerin des Erschließungsbeitrags sein, sondern nur die einzelnen Miteigentümer. Daher war die ursprüngliche Adressierung des Bescheids an die Erbengemeinschaft fehlerhaft.
  • § 4 Erschließungsbeitragssatzung (EBS) der Gemeinde: Die Erschließungsbeitragssatzung der Gemeinde legt die konkreten Regelungen zur Erhebung von Erschließungsbeiträgen fest, basierend auf dem KAG. Sie definiert u. a. beitragsfähige Erschließungskosten und deren Verteilung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die EBS bildet die Rechtsgrundlage für die konkrete Beitragsfestsetzung der Gemeinde für die Straße „Am ….“. Die Rechtmäßigkeit des Beitrags hängt maßgeblich von der Gültigkeit und korrekten Anwendung dieser Satzung ab.
  • § 37 Abs. 2 Kommunalabgabengesetz Baden-Württemberg (KAG): Diese Norm erlaubt die Bildung von Abrechnungsabschnitten für Erschließungsanlagen, wenn die Erschließung in Teilstrecken erfolgt. Die Abrechnung kann dann auf Grundlage dieser Abschnitte erfolgen, um eine verursachungsgerechtere Verteilung der Kosten zu ermöglichen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Verwaltungsgericht bemängelte, dass die Gemeinde ohne Abschnittsbildung nur ein Teilstück der Straße abgerechnet hat. Die nachträgliche Abschnittsbildung durch die Gemeinde während des Berufungsverfahrens zeigt die Relevanz dieser Vorschrift für die korrekte Beitragsberechnung.
  • § 45 Abs. 1 Nr. 4 Landesverwaltungsverfahrensgesetz Baden-Württemberg (LVwVfG): Diese Vorschrift regelt die Heilung von Verfahrens- und Formfehlern bei Verwaltungsakten. Ein zunächst fehlerhafter Verwaltungsakt kann unter bestimmten Voraussetzungen, z. B. durch eine spätere Korrektur, rückwirkend wirksam werden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Ersetzung des ursprünglichen Bescheids an die Erbengemeinschaft durch Einzelbescheide an die Miterben ist ein Versuch der Behörde, einen Formfehler zu heilen. Die Frage ist, ob diese Heilung im konkreten Fall rechtlich wirksam erfolgt ist und welche Auswirkungen dies auf die Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheids hat.

Hinweise und Tipps

Praxistipps für Mitglieder einer Erbengemeinschaft bei Erschließungsbeitragsbescheiden

Als Mitglied einer Erbengemeinschaft können Sie unerwartet Post von der Gemeinde erhalten. Oft geht es um hohe Kosten für den Ausbau von Straßen oder Wegen an einem geerbten Grundstück. Es ist wichtig, solche Bescheide genau zu prüfen, denn Fehler können teuer werden.

Hinweis: Diese Praxistipps stellen keine Rechtsberatung dar. Sie ersetzen keine individuelle Prüfung durch eine qualifizierte Kanzlei. Jeder Einzelfall kann Besonderheiten aufweisen, die eine abweichende Einschätzung erfordern.


Tipp 1: Adressat des Bescheids prüfen
Ein Erschließungsbeitragsbescheid muss korrekt adressiert sein. Die Gemeinde darf den Bescheid nicht einfach an die „Erbengemeinschaft Müller“ senden. Schuldner des Beitrags sind die einzelnen Miterben persönlich. Prüfen Sie genau, ob der Bescheid an Sie als einzelne Person (Miterbe) gerichtet ist.

⚠️ ACHTUNG: Ein an die Erbengemeinschaft als solche adressierter Bescheid ist in der Regel unwirksam. Auch wenn die Gemeinde später einen neuen Bescheid an Sie persönlich schickt, kann dieser aufgrund des vorherigen Fehlers oder anderer Mängel ebenfalls angreifbar sein.


Tipp 2: Gesamtschuldnerische Haftung verstehen
Als Miterbe haften Sie zwar gemeinsam mit den anderen Miterben für den Erschließungsbeitrag (gesamtschuldnerisch). Das bedeutet, die Gemeinde kann theoretisch den vollen Betrag von einem einzelnen Miterben fordern. Voraussetzung ist aber immer, dass ein korrekter, an Sie persönlich gerichteter Bescheid vorliegt.


Tipp 3: Bescheid bei Zweifeln rechtlich prüfen lassen
Erschließungsbeitragsbescheide sind oft komplex und fehleranfällig – nicht nur beim Adressaten, sondern auch bei der Berechnung der Kosten oder der zugrunde liegenden Satzung. Wenn Sie einen solchen Bescheid erhalten, insbesondere wenn er an eine Erbengemeinschaft gerichtet war oder korrigiert wurde, sollten Sie ihn umgehend von einem spezialisierten Anwalt prüfen lassen.

⚠️ ACHTUNG: Für den Widerspruch gegen einen Bescheid gelten in der Regel kurze Fristen (meist ein Monat nach Bekanntgabe). Versäumen Sie diese Frist nicht, auch wenn Sie den Bescheid für falsch halten.


Tipp 4: Berechnungsgrundlage hinterfragen
Neben formalen Fehlern wie dem falschen Adressaten kann auch die Berechnung des Beitrags falsch sein. Die Gemeinde muss nachvollziehbar darlegen, wie die Kosten auf die einzelnen Grundstücke verteilt wurden. Prüfen Sie (oder lassen Sie prüfen), ob die zugrunde gelegte Fläche, der Verteilungsschlüssel und die angesetzten Kosten korrekt sind. Die zugrundeliegende Satzung der Gemeinde muss ebenfalls wirksam sein.


Weitere Fallstricke oder Besonderheiten?

Ein häufiger Fehler ist, dass Gemeinden versuchen, einen fehlerhaften Bescheid (z.B. an die Erbengemeinschaft adressiert) einfach durch einen neuen, gleichlautenden Bescheid an die einzelnen Miterben zu „heilen“. Wie der beschriebene Fall zeigt, ist dies nicht ohne Weiteres möglich und kann erfolgreich angefochten werden. Die Rechtmäßigkeit hängt von vielen Details ab, die eine genaue Prüfung erfordern.


Checkliste: Erschließungsbeitragsbescheid für Erbengemeinschaft

  • Ist der Bescheid korrekt an Sie als individuellen Miterben adressiert (nicht an die Erbengemeinschaft)?
  • Wurde der Bescheid eventuell schon einmal fehlerhaft zugestellt und nun korrigiert?
  • Ist die Berechnung des Beitrags nachvollziehbar und korrekt (Fläche, Kosten, Verteilung)?
  • Ist die zugrundeliegende Satzung der Gemeinde bekannt und vermutlich wirksam?
  • Wurde die Widerspruchsfrist (meist 1 Monat) beachtet? Im Zweifel sofort handeln!

Das vorliegende Urteil


Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg – Az.: 2 S 1380/24 – Urteil vom 18.03.2025


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