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Erbengemeinschaft – Anspruch auf Rechnungslegung des Vermögensverwalters des Erblassers

LG Kleve – Az.: 2 O 228/10 – Teilurteil vom 29.12.2010

Der Beklagte wird verurteilt, der Erbengemeinschaft nach T zu Händen der Klägerin eine geordnete Zusammenstellung aller Einnahmen und Ausgaben des seiner Verwaltung unterliegenden Vermögens der Erblasserin für den Zeitraum 24.03.2003 bis einschließlich 28.06.2008 nebst Belegen zu erteilen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.500 Euro.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Rechnungslegung und Zahlung in Anspruch.

Die Klägerin ist eine von 10 Personen bzw. gemeinnützigen Organisationen, die laut Erbschein des Amtsgerichts S Erben nach der am 28.06.2008 in B2 verstorbenen T geb. y geworden sind.

Der Beklagte war deren Generalbevollmächtigter und ist ihr Testamentsvollstrecker.

In der notariellen Generalvollmacht der Erblasserin vom 24.03.2003, mit der dem Beklagten gestattet wurde, auch Rechtsgeschäfte mit sich selbst vorzunehmen, heißt es unter Ziffer IV. weiter:

„Auch wenn ich, die Erschienene, die ordnungsgemäße Ausübung der Vollmacht nicht mehr selbst überwachen können sollte, halte ich eine Kontrolle durch Dritte nicht für nötig.“

Der Beklagte erwarb zusammen mit seiner Ehefrau durch notariellen Kaufvertrag vom 26.03.2007 das Grundstück der Erblasserin, Zum X3 35 in B2, zum Kaufpreis von 235.000 Euro. Er verkaufte dieses Grundstück durch Vertrag vom 15.08.2008 zum Preis von 280.000 Euro. Die Klägerin begehrt mit der Klage die Zahlung des Differenzbetrages von 45.000 Euro an die Erbengemeinschaft.

Der Beklagte erwarb zusammen mit seiner Ehefrau durch einen weiteren notariellen Kaufvertrag vom 27.08.2007 ein weiteres Grundstück der Erblasserin, C-Straße in B2, zum Preis von 115.000 Euro.

Der Beklagte erstellte nach dem Tod der Erblasserin, die über rund fünf Jahre zu Hause gelebt hat und dort in erheblichem Umfang gepflegt werden musste, ein Nachlassverzeichnis, wonach der Nachlass nach Abzug der Kosten und Verbindlichkeiten einen Wert von 8.732,37 Euro aufwies.

Die Klägerin trägt vor: Der Beklagte sei verpflichtet, den Differenzbetrag aus dem Weiterverkauf der Immobilie auszuzahlen, weil er das Grundstück im März 2007 bereits zum Preis von 280.000 Euro hätte verkaufen müssen.

Die Pflicht zur Rechnungslegung sei nicht in der Weise abbedungen, dass der Beklagte auch nach dem Tod der Vollmachtsgeberin/Erblasserin die Rechnungslegung verweigern dürfe.

Darüber hinaus sei die Erblasserin seit März 2003 ein Pflegefall der Pflegestufe 3 gewesen, so dass die Klägerin nicht mehr als geschäftsfähig angesehen werden könne. Sie habe die Tragweite der von ihr erteilten Generalvollmacht nicht mehr überblickt.

Die Klägerin hat neben den nachfolgend aufgeführten Anträgen als 3. Antrag angekündigt, den Beklagten zu verurteilen, an Eides Statt zu versichern, dass er die Zusammenstellung nach bestem X2 so vollständig vorgenommen hat, wie er hierzu imstande sei.

Die Klägerin beantragt derzeit,

1. den Beklagten zu verurteilen, an die Erbengemeinschaft nach der am 06.11.1909 in I geborenen und am 28.06.2008 in B2 verstorbenen Frau T geb. y bestehend aus:

…………………….

45.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, der Erbengemeinschaft nach T zu Händen der Klägerin eine geordnete Zusammenstellung aller Einnahmen und Ausgaben des seiner Verwaltung unterliegenden Vermögens der Erblasserin für den Zeitraum 24.03.2003 bis einschließlich 28.06.2008 nebst Belegen zu erteilen;

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er trägt vor: Die Erblasserin habe ein uneingeschränktes Vertrauensverhältnis zu ihm gehabt und habe zu ihm ein über annähernd 40 Jahre hinweg dauerndes freundschaftliches Verhältnis unterhalten. Insoweit habe die Erblasserin bereits in einer Erklärung vom 17.07.2001 ausgeführt, dass sämtliche Zuwendungen an ihren Nachbarn und Bevollmächtigten ihre volle Billigung fänden. „Zweifel irgendwelcher Art sind unbegründet.“

Die Erblasserin habe ein spezielles Interesse daran gehabt, dass bestimmte lebzeitige Vermögensverfügungen oder sonstige wirtschaftliche Transaktionen, die in ihrem Auftrag erfolgt waren, der Kontrolle entzogen seien. Deshalb habe sie ihn in der Generalvollmacht von der Pflicht zur Rechnungslegung – auch Dritten gegenüber – befreit. Zum Zeitpunkt der Erteilung dieser Generalvollmacht sei die Erblasserin auch sicher geschäftsfähig gewesen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist teilweise zur Entscheidung reif und insoweit auch begründet; insoweit ist ein Teilurteil zu erlassen, § 301 ZPO.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Rechnungslegung gegenüber dem Beklagten, §§ 662, 666 BGB.

Denn der Beklagte ist unstreitig aufgrund der Generalvollmacht als Beauftragter für die Erblasserin tätig gewesen, § 662 BGB. Daher hat er nach § 666 BGB auch auf Verlangen der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Erbengemeinschaft Rechnung zu legen, da die Pflicht zur Rechnungslegung nicht durch die Vollmacht wirksam abbedungen ist.

Zwar kann die Pflicht zur Rechnungslegung durch eine entsprechende Vereinbarung bei Abschluss des Auftragsvertrages (oder zu einem späteren Zeitpunkt) wirksam abbedungen werden. Hierzu ist aber – wenn dies den Auftragnehmer umfassend und für alle Fälle auch gegenüber den Rechtsnachfolgern von der Pflicht zur Rechnungslegung befreien soll – eine eindeutige und unmissverständliche Vereinbarung erforderlich, die nicht vorliegt.

Denn die Erblasserin hat in der notariell beurkundeten Generalvollmacht zwar angegeben, dass sie eine Kontrolle der Tätigkeit des Beklagten durch Dritte nicht für erforderlich halte, wenn und soweit sie hierzu nicht mehr selbst in der M sein sollte. Dies deutet zunächst darauf hin, dass die Kontrolle des Beklagten zu Lebzeiten der Erblasserin nur durch diese selbst erfolgen sollte. Da die Klägerin als Mitglied der Erbengemeinschaft Rechtsnachfolgerin der Erblasserin ist, ist dieses Recht zur Kontrolle, das sich die Erblasserin vorbehalten hatte, auf die Klägerin übergegangen. Insoweit ist die Klägerin nicht Dritte im Sinne dieser Klausel.

Es ist auch – anders als in dem Fall, den der Bundesgerichtshof am 19.09.1989 entschieden hat (AZ: XI ZR 103/88, veröffentlicht in NJW-RR 1990, 131) – in der Vollmacht weder umfassend ausgeführt oder dargelegt, dass der Beklagte durch die Erben nicht kontrolliert werden sollte. Denn die Erblasserin hat keineswegs erklärt, dass der Beklagte durch ihre Erben nicht sollte kontrolliert werden dürfen. Insbesondere hatte sie Kontrollen weder für die Zukunft noch für die Zeit nach ihrem Tode ausgeschlossen.

Soweit sich eine handschriftliche Eintragung auf der Kopie der notariellen Urkunde mit einer Paraphe findet, ist dies eine Eintragung des Beklagten, die zwar seine Auffassung von der Bedeutung der Klausel wiedergeben mag. Dies ist aber für deren Auslegung keineswegs zwingend oder maßgeblich.

Es kommt daher nach Auffassung der Kammer nicht mehr darauf an, ob es nicht treuwidrig ist, sich angesichts der Umstände auf diese Regelung zu beziehen. Dies wäre der Fall, wenn der begründete Verdacht einer Veruntreuung von Vermögen der Erblasserin durch den Beklagten bestünde. Insoweit vermuten die Mitglieder der Erbengemeinschaft aufgrund der Insichgeschäfte des Beklagten und des nicht unerheblichen Gewinns, den er bei dem Ankauf und der Veräußerung eines Grundstücks gemacht hat, dass der Beklagte seine Pflichten als Beauftragter verletzt hat. Das Vorbringen hierfür reicht aber noch nicht aus. Jedenfalls kann dieser Vorwurf vor einer Überprüfung des Wertes des Grundstücks zum Zeitpunkt des Erwerbes und ohne entsprechendes Vorbringen zur Kenntnis des Beklagten nicht bejaht werden.

Es kommt auch nicht entscheidend darauf an, ob die Erblasserin bei Erteilung der Vollmacht geschäftsunfähig war. Denn wenn sie geschäftsunfähig gewesen sein sollte, wäre die Vollmacht unwirksam und der Beklagte müsste schon deshalb Rechnung legen, weil er über fremdes Vermögen verfügte, ohne hierzu wirksam bevollmächtigt zu sein.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 709 ZPO.

Streitwert für diese Entscheidung: 5.000 Euro.

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