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Erbfolgennachweis unter Berücksichtigung eines Rücktrittsvorbehalts in Erbvertrag

Erbvertrag mit Tücken: Witwe kämpft um ihr Erbe nach überraschender Klausel im Testament ihres verstorbenen Ehemanns. Das Oberlandesgericht München stellt hohe Anforderungen an den Nachweis der Erbfolge und sorgt für Klarheit im komplexen Erbrecht. Ein wegweisender Beschluss mit weitreichenden Folgen für Erblasser und Erben.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Der Erblasser hinterließ mehrere Erbverträge mit Rücktrittsrecht.
  • Die Beteiligte beantragte die Grundbuchberichtigung nach Erbschaftsannahme.
  • Das Grundbuchamt forderte eine eidesstattliche Versicherung, dass kein Rücktritt erfolgt sei.
  • Die Beteiligte legte Beschwerde gegen diese Forderung ein.
  • Das OLG München entschied, dass keine eidesstattliche Versicherung erforderlich ist, da keine konkreten Anhaltspunkte für einen Rücktritt vorliegen.
  • Das Gericht stützte seine Entscheidung auf die Einführung des Zentralen Testamentsregisters, das Rücktrittserklärungen verlässlich dokumentiert.
  • Das OLG München folgte der überwiegenden Meinung, dass bei fehlenden greifbaren Anhaltspunkten kein zusätzlicher Nachweis nötig ist.
  • Eine eidesstattliche Versicherung kann nicht guten Gewissens abgegeben werden, wenn nur Unkenntnis über einen Rücktritt vorliegt.
  • Das Grundbuchamt muss grundsätzlich die Wirksamkeit des Erbvertrags annehmen, solange keine konkreten Zweifel bestehen.
  • Das Urteil stärkt die Bedeutung des Zentralen Testamentsregisters für die Nachweisführung im Grundbuchverfahren.

Erbfolgennachweis unter Rücktrittsvorbehalt: Gerichtsurteil beleuchtet Risiken

Wer ein Erbe antritt, muss nachweisen, dass er tatsächlich Erbe ist. Diesen Nachweis nennt man Erbfolgennachweis. Besonders schwierig kann die Situation werden, wenn der Erblasser einen sogenannten Rücktrittsvorbehalt in seinem Erbvertrag geregelt hat. So kann er beispielsweise festlegen, dass der Erbe nur dann Erbe wird, wenn er bestimmte Bedingungen erfüllt. Dies kann beispielsweise die Zahlung eines Geldbetrages sein, die Übernahme einer bestimmten Aufgabe oder die Pflege des Erblassers bis zu dessen Tod. Wenn der Erbe die Bedingungen nicht erfüllt, kann er seinen Erbanspruch verlieren.

Ein Rücktrittsvorbehalt im Erbvertrag kann für den Erben sowohl ein Vorteil als auch ein Nachteil sein. So bietet er ihm beispielsweise die Möglichkeit, das Erbe abzulehnen, wenn er die im Vertrag festgelegten Bedingungen nicht erfüllen möchte. Andererseits kann die Nichterfüllung der Bedingungen zum Verlust des Erbes führen. Um zu verstehen, wie sich der Rücktrittsvorbehalt auf den Erbfolgennachweis auswirkt, schauen wir uns einen konkreten Fall an, der derzeit vor Gericht verhandelt wird.

Der Fall vor Gericht


Erbvertrag mit Rücktrittsvorbehalt und Scheidungsklausel: OLG München klärt Nachweis der Erbfolge

Das Oberlandesgericht (OLG) München hat in einem Beschluss vom 28.10.2015 (Az. 34 Wx 274/15) wichtige Klarstellungen zum Nachweis der Erbfolge bei Erbverträgen mit Rücktrittsvorbehalt und Scheidungsklausel getroffen. Der Fall betrifft eine Witwe, die als Erbin die Berichtigung des Grundbuchs beantragt hatte.

Hintergrund des Rechtsstreits: Komplexe erbrechtliche Konstellation

Im vorliegenden Fall hatten die Beteiligte und ihr verstorbener Ehemann einen Erbvertrag geschlossen. Dieser Vertrag enthielt zwei kritische Klauseln:

  1. Ein freies und uneingeschränktes Rücktrittsrecht für beide Partner, das nur bei notarieller Beurkundung und Zustellung an den anderen Partner wirksam werden sollte.
  2. Eine Scheidungsklausel, die alle Verfügungen im Erbvertrag für unwirksam erklärte, sobald einer der Ehegatten einen Antrag auf Scheidung stellt – unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für eine Scheidung tatsächlich vorlagen.

Das Grundbuchamt verlangte von der Witwe eine eidesstattliche Versicherung darüber, dass weder das Rücktrittsrecht ausgeübt noch ein Scheidungsantrag gestellt worden war. Die Witwe legte Beschwerde gegen diese Forderung ein.

OLG München differenziert: Rücktrittsvorbehalt und Scheidungsklausel unterschiedlich behandelt

Das OLG München traf in seinem Beschluss eine wichtige Unterscheidung:

  1. Bezüglich des Rücktrittsvorbehalts entschied das Gericht, dass keine zusätzliche eidesstattliche Versicherung notwendig sei. Es begründete dies mit der Einführung des Zentralen Testamentsregisters, das eine zusätzliche Sicherheit bietet. Wenn sich aus den Nachlassakten oder der Eröffnungsniederschrift kein Hinweis auf einen Rücktritt ergibt, können keine konkreten Anhaltspunkte für einen Rücktritt angenommen werden.
  2. Bei der Scheidungsklausel hingegen sah das Gericht die Notwendigkeit eines zusätzlichen Nachweises. Es argumentierte, dass die Möglichkeit eines Scheidungsantrags nicht als entfernte oder theoretische Möglichkeit betrachtet werden könne. Die vereinbarte Klausel ging über die gesetzliche Regelung hinaus, indem sie bereits bei Einreichung eines Scheidungsantrags griff – unabhängig von den tatsächlichen Scheidungsvoraussetzungen.

Konsequenzen für die Praxis: Erhöhte Nachweispflichten bei erweiterten Scheidungsklauseln

Das OLG München betonte, dass bei einer von der gesetzlichen Regel abweichenden Scheidungsklausel regelmäßig der Nachweis zu erbringen ist, dass bis zum Ableben des Erblassers kein Antrag auf Scheidung der Ehe gestellt wurde. Dies kann durch Vorlage eines Erbscheins oder durch eine eidesstattliche Versicherung des überlebenden Ehegatten erfolgen.

Diese Entscheidung hat weitreichende Folgen für die erbrechtliche Praxis:

  • Sie stärkt die Rechtssicherheit im Grundbuchverfahren, indem sie klare Anforderungen an den Nachweis der Erbfolge bei erweiterten Scheidungsklauseln stellt.
  • Sie unterstreicht die Bedeutung sorgfältig formulierter Erbverträge. Erblasser und ihre Berater müssen die möglichen Konsequenzen erweiterter Klauseln für den späteren Nachweis der Erbfolge bedenken.
  • Für Erben bedeutet dies möglicherweise erhöhte Nachweispflichten, wenn der Erbvertrag eine erweiterte Scheidungsklausel enthält.

Zulassung der Rechtsbeschwerde: Grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage

Das OLG München hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, da die Frage der Nachweisanforderungen bei Scheidungsklauseln in notariellen letztwilligen Verfügungen von grundsätzlicher Bedeutung ist. Dies eröffnet die Möglichkeit einer höchstrichterlichen Klärung dieser wichtigen erbrechtlichen Frage.

Die Schlüsselerkenntnisse


Das OLG München differenziert beim Nachweis der Erbfolge zwischen Rücktrittsvorbehalt und Scheidungsklausel in Erbverträgen. Während für den Rücktrittsvorbehalt keine zusätzliche eidesstattliche Versicherung nötig ist, erfordert eine erweiterte Scheidungsklausel einen gesonderten Nachweis. Diese Entscheidung stärkt die Rechtssicherheit im Grundbuchverfahren und unterstreicht die Bedeutung sorgfältig formulierter Erbverträge. Sie verdeutlicht die Notwendigkeit, die Konsequenzen erweiterter Klauseln für den späteren Nachweis der Erbfolge zu bedenken.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie ein Erbe antreten möchten und im Erbvertrag ein Rücktrittsvorbehalt steht, müssen Sie sich keine Sorgen machen. Das Gericht hat entschieden, dass Sie in diesem Fall keine zusätzliche eidesstattliche Versicherung vorlegen müssen, um Ihren Erbanspruch zu beweisen. Das Zentrale Testamentsregister bietet hier ausreichend Sicherheit. Anders sieht es bei einer erweiterten Scheidungsklausel aus: Hier müssen Sie nachweisen, dass bis zum Tod des Erblassers kein Scheidungsantrag gestellt wurde. Dies können Sie durch einen Erbschein oder eine eidesstattliche Versicherung tun. Wichtig für Sie zu wissen: Ihr Erbanspruch ist nicht automatisch gefährdet, aber Sie müssen eventuell mehr Nachweise erbringen, um ihn durchzusetzen.


FAQ – Häufige Fragen

Sie haben ein Erbe angetreten oder möchten ein Testament erstellen? Dann stehen Sie möglicherweise vor Fragen zum Erbfolgenachweis und Rücktrittsvorbehalt. In dieser FAQ-Rubrik finden Sie fundierte Antworten auf Ihre Fragen und erhalten wichtige Hinweise, die Ihnen bei der Bewältigung der rechtlichen und praktischen Herausforderungen helfen.


Was ist ein Rücktrittsvorbehalt im Erbvertrag?

Ein Rücktrittsvorbehalt im Erbvertrag ist eine rechtliche Klausel, die es dem Erblasser ermöglicht, sich unter bestimmten Umständen einseitig von den im Erbvertrag getroffenen Vereinbarungen zu lösen. Diese Regelung stellt eine wichtige Ausnahme von der grundsätzlichen Bindungswirkung des Erbvertrags dar.

Im Normalfall sind die in einem Erbvertrag getroffenen Verfügungen für den Erblasser bindend. Das bedeutet, er kann sie nicht einseitig ändern oder widerrufen. Der Rücktrittsvorbehalt durchbricht diese Bindungswirkung und gibt dem Erblasser die Möglichkeit, sich unter festgelegten Bedingungen vom Vertrag zu lösen.

Die Gründe für einen Rücktrittsvorbehalt können vielfältig sein. Häufig wird er vereinbart, um auf unvorhergesehene Lebensumstände reagieren zu können. Beispielsweise könnte ein Erblasser den Rücktritt für den Fall vorsehen, dass sich seine finanzielle Situation drastisch verschlechtert oder sich das Verhältnis zum vorgesehenen Erben grundlegend ändert.

Der Rücktrittsvorbehalt muss ausdrücklich im Erbvertrag vereinbart werden. Er kann sich auf den gesamten Vertrag oder nur auf einzelne Verfügungen beziehen. Auch die Bedingungen für den Rücktritt müssen klar definiert sein. So könnte etwa festgelegt werden, dass der Erblasser zurücktreten darf, wenn der vorgesehene Erbe bestimmte Pflichten nicht erfüllt.

Die Ausübung des Rücktrittsrechts erfolgt durch eine notariell beurkundete Erklärung gegenüber dem anderen Vertragspartner. Dies gewährleistet, dass der Rücktritt rechtssicher und nachweisbar erfolgt. Nach erfolgtem Rücktritt erlangen die Beteiligten ihre volle Testierfreiheit zurück.

Es ist wichtig zu beachten, dass der Rücktrittsvorbehalt die Rechtssicherheit des Erbvertrags beeinflussen kann. Für den potenziellen Erben bedeutet er eine gewisse Unsicherheit, da die Erbeinsetzung unter Umständen wieder aufgehoben werden könnte. Andererseits bietet er dem Erblasser mehr Flexibilität, auf veränderte Lebensumstände zu reagieren.

In der Praxis wird der Rücktrittsvorbehalt oft bei Erbverträgen zwischen nichtehelichen Lebenspartnern oder in Patchwork-Familien vereinbart. In diesen Konstellationen kann sich die Beziehungssituation schneller ändern als bei traditionellen Familienstrukturen, weshalb mehr Flexibilität gewünscht wird.

Bei der Gestaltung eines Rücktrittsvorbehalts ist Sorgfalt geboten. Die Formulierung sollte präzise sein und keinen Raum für Interpretationen lassen. Gleichzeitig muss sie flexibel genug sein, um verschiedene Szenarien abzudecken. Eine ausgewogene Gestaltung berücksichtigt die Interessen aller Beteiligten und trägt zur Rechtssicherheit bei.

Der Rücktrittsvorbehalt im Erbvertrag ist somit ein wichtiges Instrument zur Flexibilisierung erbrechtlicher Vereinbarungen. Er ermöglicht es, die Vorteile der verbindlichen Regelungen eines Erbvertrags zu nutzen und gleichzeitig eine gewisse Anpassungsfähigkeit für die Zukunft zu bewahren.

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Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit ein Rücktritt wirksam wird?

Ein wirksamer Rücktritt vom Erbvertrag erfordert die Erfüllung mehrerer Bedingungen. Zunächst muss ein Rücktrittsrecht bestehen. Dies kann entweder vertraglich vereinbart sein, indem sich der Erblasser im Erbvertrag ein Rücktrittsrecht vorbehalten hat, oder es kann sich aus gesetzlichen Gründen ergeben. Gesetzliche Rücktrittsgründe sind beispielsweise schwere Verfehlungen des Bedachten gegen den Erblasser oder die Aufhebung einer im Erbvertrag auferlegten Verpflichtung des Bedachten.

Die Rücktrittserklärung muss formgerecht erfolgen. Das Gesetz schreibt hierfür die notarielle Beurkundung vor. Eine privatschriftliche oder mündliche Erklärung genügt nicht. Der Notar muss die Rücktrittserklärung beurkunden und eine Ausfertigung erstellen.

Die Rücktrittserklärung muss dem anderen Vertragspartner zugehen. Hierfür ist die Zustellung der notariell beglaubigten Ausfertigung der Rücktrittserklärung erforderlich. Die Zustellung sollte durch einen Gerichtsvollzieher erfolgen, um den Zugang sicher nachweisen zu können. Eine einfache Übersendung per Post birgt das Risiko, dass der Zugang später bestritten wird.

Der Rücktritt muss persönlich durch den Erblasser erklärt werden. Eine Vertretung ist nicht zulässig. Dies gilt auch dann, wenn der Erblasser geschäftsunfähig geworden ist. In diesem Fall kann der Rücktritt nicht mehr erklärt werden.

Eine wichtige Ausnahme von diesem Grundsatz hat der Bundesgerichtshof kürzlich entschieden: Ist der andere Vertragspartner geschäftsunfähig geworden, kann die Rücktrittserklärung wirksam gegenüber dessen Vorsorgebevollmächtigtem erfolgen. Dies gilt zumindest für den Fall eines vertraglich vorbehaltenen Rücktrittsrechts. Eine Betreuerbestellung ist in diesem Fall nicht erforderlich.

Der Rücktritt muss vor dem Tod des anderen Vertragspartners erklärt werden. Nach dessen Tod erlischt das Rücktrittsrecht. Der Erblasser hat dann nur noch die Möglichkeit, die vertragsmäßige Verfügung durch Testament aufzuheben, sofern er zum Rücktritt berechtigt war.

In manchen Fällen kann es ratsam sein, vor dem eigentlichen Rücktritt eine Abmahnung auszusprechen. Obwohl gesetzlich nicht vorgeschrieben, verlangen einige Gerichte eine solche Abmahnung aus Gründen von Treu und Glauben. Dies gilt insbesondere bei Rücktritten wegen Pflichtverletzungen des Vertragspartners.

Bei einem Rücktritt wegen Pflichtverletzungen sollte die Rücktrittserklärung auch eine Begründung enthalten. Auch wenn das Gesetz dies nicht ausdrücklich fordert, kann eine fehlende Begründung im Streitfall zu Problemen führen.

Es ist wichtig zu beachten, dass diese Bedingungen strikt eingehalten werden müssen. Ein formell fehlerhafter Rücktritt ist unwirksam und kann in der Regel nicht nachträglich geheilt werden. Im Zweifel sollte daher immer notarielle Beratung in Anspruch genommen werden, um die Wirksamkeit des Rücktritts sicherzustellen.

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Wie wirkt sich ein Rücktrittsvorbehalt auf den Nachweis der Erbfolge aus?

Ein Rücktrittsvorbehalt in einem Erbvertrag hat erhebliche Auswirkungen auf den Nachweis der Erbfolge. Grundsätzlich dient ein Erbvertrag als starker Nachweis für die darin festgelegte Erbfolge. Wurde jedoch ein Rücktrittsvorbehalt vereinbart, so schwächt dies die Beweiskraft des Erbvertrags.

Der Rücktrittsvorbehalt ermöglicht es dem Erblasser, einseitig vom Erbvertrag zurückzutreten. Dies führt dazu, dass die im Erbvertrag getroffenen Regelungen ihre Wirksamkeit verlieren können. Für den Nachweis der Erbfolge bedeutet dies, dass der Erbvertrag allein nicht mehr ausreicht.

In solchen Fällen verlangt das Grundbuchamt in der Regel zusätzliche Nachweise. Es muss zweifelsfrei geklärt werden, ob der Erblasser von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch gemacht hat oder nicht. Hierfür können verschiedene Dokumente erforderlich sein:

Zunächst ist eine Bescheinigung des Nachlassgerichts über die Eröffnung des Erbvertrags notwendig. Diese bestätigt, dass der Erbvertrag tatsächlich eröffnet wurde und zum Zeitpunkt des Erbfalls noch Gültigkeit besaß.

Darüber hinaus kann das Grundbuchamt eine eidesstattliche Versicherung der Erben verlangen. Darin müssen diese erklären, dass ihnen keine Umstände bekannt sind, die auf einen Rücktritt des Erblassers vom Erbvertrag hindeuten.

In manchen Fällen reichen diese Nachweise jedoch nicht aus. Dann kann das Grundbuchamt die Vorlage eines Erbscheins fordern. Der Erbschein stellt eine gerichtliche Feststellung der Erbfolge dar und bietet somit die höchste Sicherheit für das Grundbuchamt.

Es ist wichtig zu verstehen, dass der Rücktrittsvorbehalt die Rechtssicherheit des Erbvertrags mindert. Während ein Erbvertrag ohne Rücktrittsvorbehalt in der Regel als ausreichender Nachweis der Erbfolge gilt, schafft der Vorbehalt eine Unsicherheit, die durch zusätzliche Nachweise ausgeglichen werden muss.

Für die Erben bedeutet dies einen erhöhten Aufwand bei der Nachlassabwicklung. Sie müssen nicht nur den Erbvertrag vorlegen, sondern auch weitere Dokumente beschaffen und gegebenenfalls eidesstattliche Versicherungen abgeben. Dies kann den Prozess der Grundbuchberichtigung verzögern und verkomplizieren.

Besonders problematisch wird es, wenn Zweifel daran bestehen, ob der Erblasser vom Rücktrittsrecht Gebrauch gemacht hat. In solchen Fällen kann eine umfangreiche Prüfung durch das Nachlassgericht erforderlich werden. Dies kann zu erheblichen Verzögerungen bei der Nachlassabwicklung führen.

Es ist daher ratsam, bei der Errichtung eines Erbvertrags sorgfältig abzuwägen, ob ein Rücktrittsvorbehalt tatsächlich notwendig ist. Die Flexibilität, die ein solcher Vorbehalt dem Erblasser bietet, steht in einem Spannungsverhältnis zur Rechtssicherheit für die Erben und die reibungslose Abwicklung des Nachlasses.

Für das Grundbuchamt stellt der Rücktrittsvorbehalt eine besondere Herausforderung dar. Es muss einerseits die Interessen der Erben an einer zügigen Grundbuchberichtigung berücksichtigen, andererseits aber auch die Richtigkeit des Grundbuchs sicherstellen. Dies führt oft zu einem Balanceakt zwischen Praktikabilität und rechtlicher Sicherheit.

In der Praxis zeigt sich, dass Grundbuchämter bei Vorliegen eines Rücktrittsvorbehalts besonders gründlich prüfen. Sie nehmen ihre Verantwortung für die Richtigkeit des Grundbuchs sehr ernst und fordern im Zweifel lieber mehr Nachweise an, als das Risiko einer fehlerhaften Eintragung einzugehen.

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Welche Folgen hat die Nicht-Erfüllung der Bedingungen eines Rücktrittsvorbehalts?

Ein Rücktrittsvorbehalt in einem Erbvertrag ermöglicht es dem Erblasser, unter bestimmten Bedingungen vom Vertrag zurückzutreten. Die Nicht-Erfüllung der vereinbarten Bedingungen hat weitreichende rechtliche Konsequenzen.

Grundsätzlich bleibt der Erbvertrag bei Nicht-Erfüllung der Rücktrittsbedingungen in vollem Umfang wirksam. Der Erblasser kann in diesem Fall sein Rücktrittsrecht nicht ausüben und bleibt an die vertraglichen Vereinbarungen gebunden. Die im Erbvertrag getroffenen Verfügungen behalten ihre Gültigkeit und entfalten nach dem Tod des Erblassers ihre volle Rechtswirkung.

Für die Erben bedeutet dies, dass sie ihre im Erbvertrag festgelegten Ansprüche nicht verlieren. Sie können sich weiterhin auf die Regelungen des Erbvertrags berufen und ihre erbrechtliche Stellung geltend machen. Die Erbfolge tritt entsprechend den vertraglichen Bestimmungen ein.

Es ist jedoch zu beachten, dass der Erblasser möglicherweise andere Wege suchen könnte, um seine erbrechtlichen Verfügungen zu ändern. So könnte er versuchen, den Erbvertrag einvernehmlich mit dem anderen Vertragspartner aufzuheben oder zu ändern. Eine einseitige Änderung durch den Erblasser ist jedoch aufgrund der vertraglichen Bindungswirkung grundsätzlich ausgeschlossen.

In manchen Fällen kann die Nicht-Erfüllung der Rücktrittsbedingungen auch zu Auslegungsfragen führen. Gerichte müssen dann den genauen Inhalt und die Reichweite des Rücktrittsvorbehalts ermitteln. Dabei wird der hypothetische Wille der Vertragsparteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses berücksichtigt.

Für die Praxis empfiehlt es sich, Rücktrittsvorbehalte in Erbverträgen möglichst präzise und eindeutig zu formulieren. Klare Bedingungen und Fristen helfen, spätere Streitigkeiten zu vermeiden und schaffen Rechtssicherheit für alle Beteiligten.

Bei der Gestaltung von Erbverträgen sollten die Parteien auch alternative Regelungsmöglichkeiten in Betracht ziehen. Anstelle eines Rücktrittsvorbehalts könnte beispielsweise ein Änderungsvorbehalt vereinbart werden, der dem Erblasser mehr Flexibilität einräumt, ohne den gesamten Vertrag in Frage zu stellen.

Es ist wichtig zu verstehen, dass die Nicht-Erfüllung der Rücktrittsbedingungen keine automatische Auflösung des Erbvertrags bewirkt. Der Vertrag bleibt bestehen und die darin getroffenen Regelungen sind für die Beteiligten bindend. Dies unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Vertragsgestaltung und die Notwendigkeit, mögliche zukünftige Entwicklungen bereits bei Vertragsschluss zu berücksichtigen.

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Was bedeutet eine Scheidungsklausel im Erbvertrag und wie wirkt sie sich aus?

Eine Scheidungsklausel in einem Erbvertrag regelt die erbrechtlichen Konsequenzen für den Fall einer Ehescheidung oder eines Scheidungsantrags. Sie legt fest, wie sich die im Erbvertrag getroffenen Vereinbarungen bei Auflösung der Ehe verändern.

Typischerweise sieht eine Scheidungsklausel vor, dass der Erbvertrag bei Scheidung der Ehe ganz oder teilweise unwirksam wird. Dies kann sich beispielsweise so auswirken, dass die gegenseitige Erbeinsetzung der Ehepartner aufgehoben wird. Ohne eine solche Klausel bliebe der Erbvertrag grundsätzlich auch nach einer Scheidung wirksam, was häufig nicht dem Willen der Beteiligten entspricht.

Die genaue Ausgestaltung einer Scheidungsklausel kann variieren. Oft wird festgelegt, dass der Erbvertrag bereits dann unwirksam wird, wenn ein Scheidungsantrag gestellt wurde. Eine mögliche Formulierung könnte lauten: „Im Fall der Scheidung unserer Ehe wird der vorliegende Erbvertrag in vollem Umfang unwirksam. Das Gleiche gilt, wenn zum Zeitpunkt des Erbfalls die Voraussetzungen für eine Scheidung vorlagen und einer der Ehegatten die Scheidung beantragt hatte.“

Die Wirkung einer Scheidungsklausel tritt automatisch ein, ohne dass es einer gesonderten Erklärung bedarf. Dies schafft Rechtssicherheit und vermeidet Streitigkeiten darüber, ob der Erbvertrag nach einer Scheidung noch Bestand haben soll.

Es ist wichtig zu beachten, dass eine Scheidungsklausel sorgfältig formuliert sein muss, um die gewünschten Rechtsfolgen zu erzielen. Unklare oder mehrdeutige Formulierungen können zu Auslegungsschwierigkeiten und rechtlichen Unsicherheiten führen.

In der Praxis kann eine Scheidungsklausel erhebliche Auswirkungen auf die Vermögensnachfolge haben. Wird der Erbvertrag durch die Klausel unwirksam, entfällt die darin geregelte Erbeinsetzung. Dies kann dazu führen, dass stattdessen die gesetzliche Erbfolge eintritt oder ein früheres Testament wieder auflebt.

Für Erben ist es daher von großer Bedeutung, das Vorhandensein und den genauen Inhalt einer Scheidungsklausel zu kennen. Im Erbfall müssen sie prüfen, ob zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers die Ehe noch bestand oder ob die in der Klausel genannten Voraussetzungen für deren Unwirksamkeit eingetreten waren.

Grundbuchämter und andere Behörden können bei Vorliegen einer Scheidungsklausel zusätzliche Nachweise verlangen, um die Wirksamkeit des Erbvertrags zu überprüfen. Dies kann die Abwicklung des Nachlasses verzögern und verkomplizieren.

Es ist ratsam, die Scheidungsklausel regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls an veränderte Lebensumstände anzupassen. Auch nach einer Scheidung sollten die erbrechtlichen Regelungen neu überdacht werden, um sicherzustellen, dass sie dem aktuellen Willen entsprechen.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Erbvertrag: Ein Erbvertrag ist eine Vereinbarung zwischen zwei oder mehr Personen, in der Regel Eheleuten, in der festgelegt wird, wie das Vermögen nach dem Tod einer Person verteilt wird. Im Gegensatz zum Testament ist der Erbvertrag bindend und kann nur unter bestimmten Bedingungen geändert oder widerrufen werden.
  • Rücktrittsvorbehalt: Ein Rücktrittsvorbehalt im Erbvertrag ermöglicht es einer oder beiden Parteien, unter bestimmten Bedingungen vom Vertrag zurückzutreten. Dies bedeutet, dass der Erblasser die Möglichkeit hat, die im Erbvertrag festgelegten Regelungen aufzuheben, wenn die festgelegten Bedingungen nicht erfüllt werden.
  • Erbfolgennachweis: Der Erbfolgennachweis ist der Beweis, dass jemand rechtmäßig als Erbe eingesetzt wurde. Dies kann durch einen Erbschein, ein Testament oder einen Erbvertrag erfolgen. Ohne diesen Nachweis kann der Erbe nicht als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen werden.
  • Scheidungsklausel: Eine Scheidungsklausel im Erbvertrag besagt, dass die erbrechtlichen Regelungen ungültig werden, wenn einer der Ehegatten einen Scheidungsantrag stellt. Diese Klausel sorgt dafür, dass der andere Ehegatte im Falle einer Scheidung nicht mehr als Erbe berücksichtigt wird.
  • Eidesstattliche Versicherung: Eine eidesstattliche Versicherung ist eine schriftliche Erklärung unter Eid, in der eine Person die Wahrheit einer bestimmten Tatsache bestätigt. In diesem Fall sollte die Witwe eidesstattlich versichern, dass kein Rücktritt vom Erbvertrag erfolgt und kein Scheidungsantrag gestellt wurde.
  • Zentrales Testamentsregister: Das Zentrale Testamentsregister ist eine Datenbank, in der alle notariell beurkundeten Testamente und Erbverträge registriert werden. Es bietet zusätzliche Sicherheit, da es dafür sorgt, dass Rücktrittserklärungen und andere erbrechtliche Verfügungen zentral erfasst und überprüft werden können.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 22 Abs. 1 Satz 1 GBO (Grundbuchordnung): Regelt die Berichtigung des Grundbuchs, wenn sich die Eigentumsverhältnisse ändern, z.B. durch Erbfolge. Im vorliegenden Fall beantragt die Witwe die Berichtigung des Grundbuchs, um als neue Eigentümerin eingetragen zu werden.
  • § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO: Bestimmt, dass die Erbfolge im Grundbuchverfahren normalerweise durch einen Erbschein nachgewiesen wird. Hier verlangt das Grundbuchamt einen solchen Nachweis, um sicherzustellen, dass die Witwe tatsächlich Erbin ist.
  • § 35 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 GBO: Erlaubt, dass anstelle eines Erbscheins auch die Verfügung von Todes wegen (z.B. Testament oder Erbvertrag) und die Niederschrift über ihre Eröffnung vorgelegt werden können. Im konkreten Fall könnte der Erbvertrag und dessen Eröffnungsprotokoll ausreichen, um die Erbfolge nachzuweisen.
  • § 2274 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Enthält Regelungen zum Erbvertrag, einer besonderen Form des Testaments, das zu Lebzeiten des Erblassers geschlossen wird. Im vorliegenden Fall wurde die Erbfolge durch einen Erbvertrag geregelt.
  • § 2293 BGB: Gibt Erblassern das Recht, einseitig von einem Erbvertrag zurückzutreten. Im konkreten Fall enthielt der Erbvertrag ein solches Rücktrittsrecht, was zu Unsicherheiten im Grundbuchverfahren führte.

Das vorliegende Urteil

OLG München – Az.: 34 Wx 274/15 – Beschluss vom 28.10.2015


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

→ Lesen Sie hier den vollständigen Urteilstext…

I. Auf die Beschwerde der Beteiligten wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Deggendorf – Grundbuchamt – vom 19. Mai 2015 insoweit aufgehoben, als die Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung dazu aufgegeben wird, dass der Erbvertrag nicht widerrufen ist.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

III. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens beträgt für den zurückgewiesenen Teil 500 €.

IV. Im Umfang der Zurückweisung wird die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligte und ihr am 2.10.2014 verstorbener Ehemann sind als Miteigentümer von Grundbesitz im Grundbuch eingetragen.

Der Erblasser errichtete mehrere Erbverträge, nämlich einen notariellen Ehe- und Erbvertrag vom 18.3.1964 mit seiner ersten Ehefrau sowie – nach rechtskräftiger Scheidung – einen Ehe- und Erbvertrag vom 25.9.1974 mit der Beteiligten. In einem weiteren Erbvertrag vom 31.3.2009 (mit Nachtrag vom 6.10.2011) hoben die Ehegatten die erbvertraglichen Regelungen in dem Vertrag vom 25.9.1974 auf und trafen neue vertragsmäßige Verfügungen. Nach diesem ist der überlebende Ehegatte als alleiniger und unbeschränkter Erbe eingesetzt. Der Erbvertrag enthält in Abschnitt II. Ziffer 4. a) ein freies und uneingeschränktes Recht zum Rücktritt, der nur wirksam sein soll, wenn die Erklärung notariell beurkundet und dem anderen Vertragspartner in Ausfertigung zugegangen ist. Außerdem ist in Abschnitt II. Ziff. 5. geregelt, dass sämtliche in dem Erbvertrag einseitig und vertragsmäßig getroffenen Verfügungen von Todes wegen beider Erblasser unwirksam sind, sobald einer der Ehegatten Antrag auf Scheidung der Ehe stellt, und zwar unabhängig davon, ob die Voraussetzungen der Ehescheidung gegeben sind oder nicht.

Die Beteiligte hat als Erbin die Berichtigung des Grundbuchs durch Eintragung der Erbfolge nach Annahme der Erbschaft unter Bezugnahme auf die Nachlassakte beantragt. Das Grundbuchamt hat darauf mit fristsetzender Zwischenverfügung vom 19.5.2015 beanstandet, dass die Erbfolge nicht nachgewiesen sei. Zur Behebung des Hindernisses müsse eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt werden, in der angegeben werde, dass das Rücktrittsrecht von keinem der Erbvertragspartner ausgeübt und kein Antrag auf Scheidung der Ehe gestellt worden sei.

Dagegen hat die notariell vertretene Beteiligte Beschwerde eingelegt. Sie meint, das Eintragungshindernis bestehe im Hinblick auf neuere Rechtsprechung nicht.

Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen.

II.

Gegen die Zwischenverfügung (§ 18 Abs. 1 GBO) des Grundbuchamts ist die Beschwerde statthaft (§ 11 Abs. 1 RPflG mit § 71 Abs. 1 GBO). Diese ist vom Notar als Bevollmächtigten in zulässiger Weise eingelegt (§ 73 GBO, § 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 FamG).

Das Rechtsmittel hat zum Teil Erfolg.

1. Dass ein Rücktritt nicht erfolgt sei, muss mangels konkreter Anhaltspunkte hierfür nicht zusätzlich durch eidesstattliche Versicherung des überlebenden Erbvertragspartners nachgewiesen werden.

a) Der Nachweis der Erbfolge zur Berichtigung des Grundbuchs nach § 22 Abs. 1 Satz 1 GBO wird im Grundbuchverfahren durch einen vom Nachlassgericht zu erteilenden Erbschein (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GBO) erbracht. Beruht die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, so genügt es regelmäßig, wenn stattdessen die Verfügung und die Niederschrift über ihre Eröffnung vorgelegt werden (§ 35 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 GBO). Der Nachweis in dieser Form reicht aber nicht aus, wenn sich bei Prüfung der Verfügung hinsichtlich des behaupteten Erbrechts Zweifel ergeben, die nur durch weitere Ermittlungen über den Willen des Erblassers oder über tatsächliche Verhältnisse geklärt werden können (Demharter GBO 29. Aufl. § 35 Rn. 39; aus der Rechtspr.: BayObLG Rpfleger 2000, 266; 1983, 104). Solche Ermittlungen anzustellen ist das Grundbuchamt nämlich weder verpflichtet noch berechtigt (BayObLG a. a. O.). Freilich rechtfertigen ganz entfernte, auf tatsachenlose (abstrakte) Vermutungen gestützte Möglichkeiten, welche das aus der letztwilligen Verfügung hervorgehende Erbrecht nur unter besonderen Umständen in Frage stellen könnten, ebenso wenig wie rechtliche Bedenken das Verlangen nach Vorlage eines Erbscheins (OLG Frankfurt FGPrax 1998, 207; BayObLG Rpfleger 1983, 104; Schaub in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 35 Rn. 130).

b) Bildet ein notwendigerweise notariell geschlossener Erbvertrag die letztwillige Verfügung (§§ 1941, 2274 ff., § 2276 BGB) und hat sich der Erblasser in diesem ein (unbeschränktes) Rücktrittsrecht (§ 2293 BGB) vorbehalten, so ist umstritten, ob dies schon das Verlangen des Grundbuchamts nach der Vorlage eines Erbscheins rechtfertigt. Zum Teil wird vertreten, hinsichtlich des Umstands, dass dieses Recht nicht ausgeübt wurde – einer sogenannten Negativtatsache -, bestehe eine Nachweislücke. In diesem Fall würde das Nachlassgericht ohne weitere Ermittlungen eine eidesstattliche Versicherung gemäß § 2356 Abs. 2 BGB der Erbscheinserteilung zugrunde legen (BayObLG NJW-RR 2003, 736; Böhringer Rpfleger 2003, 157/167). Entsprechend verhalte es sich bei notariellen Testamenten mit Pflichtteilsstrafklauseln, wenn unklar ist, ob der Pflichtteil verlangt worden ist (vgl. Demharter MittBayNot 2013, 471/472; Völzmann RNotZ 2012, 380/384). In diesen Fällen müsse daher auch das Grundbuchamt einen Erbschein oder eine vor dem Notar abgegebene eidesstattliche Versicherung verlangen und verwerten (Hügel/Wilsch GBO 2. Aufl. § 35 Rn. 112; vgl. dazu Meikel/Krause GBO 11. Aufl. § 35 Rn. 125 m. w. N.).

Dem ist der Senat für den Fall, dass es sich nicht nur um ein gesetzliches Rücktrittsrecht gemäß § 2295 BGB handelt, mit dem Argument gefolgt, die Zuverlässigkeit des Grundbuchinhalts würde darunter leiden, wenn die bestehende Nachweislücke nicht durch die Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung geschlossen würde; diese Lücke lasse sich auch nicht durch sonstige – dem Grundbuchamt verwehrte – Ermittlungen oder gar bloße Vermutungen schließen (vgl. Beschluss vom 3.11.2011; zustimmend Völzmann RNotZ 2012, 380/385). Schließlich diene § 34a BeurkG allein der erleichterten Feststellung des Erbrechts durch das Nachlassgericht oder ermögliche sie erst, wogegen für den grundbuchrechtlichen Nachweis die spezielle Regel des § 35 GBO gelte.

c) Indessen hält die wohl überwiegende Meinung einen – zusätzlichen – Nachweis für entbehrlich, wenn für die Ausübung des vorbehaltenen Rücktritts keine greifbaren Anhaltspunkte ersichtlich sind (OLG Düsseldorf MittBayNot 2013, 490 m. w. N.; zustimmend Demharter § 35 Rn. 39; derselbe ZfIR 2013, 471; von Rintelen NotBZ 2013, 265; Braun MittBayNot 2013, 48; Lehmann/Schulz ZEV 2012, 538/539; ebenso bereits LG Kleve MittRhNotK 1989, 273). Das Grundbuchamt habe im Regelfall die Wirksamkeit und damit auch die Negativtatsache der Nichtaufhebung zu unterstellen, da sonst § 35 GBO regelmäßig ins Leere laufe (Tönnies RNotZ 2012, 326/327). Durch § 34a BeurkG (in der ab 1.1.2012 geltenden Fassung gemäß Art. 2 des Gesetzes zur Modernisierung des Benachrichtigungswesens in Nachlasssachen durch Schaffung des Zentralen Testamentsregisters bei der Bundesnotarkammer und zur Fristverlängerung nach der Hofraumverordnung vom 22.12.2010; BGBl I S. 2255) sei sichergestellt, dass eine Rücktrittserklärung dem Nachlassgericht und damit auch dem Grundbuchamt bekannt wird (Braun MittBayNot 2013, 48/49; von Rintelen NotBZ 2013, 264/266). Zudem könne der Erbe in den meisten Fällen nicht guten Gewissens an Eides statt versichern, dass der Erblasser nicht vom Erbvertrag zurückgetreten sei; er könne regelmäßig nur versichern, dass ihm davon nichts bekannt sei, was aber den Nachweisgehalt der eidesstattlichen Versicherung zweifelhaft mache (Tönnies RNotZ 2013, 326/327).

d) Jedenfalls nach Einführung des Zentralen Testamentsregisters hält der Senat an der Notwendigkeit, die Nichtausübung des vorbehaltenen Rücktritts vom Erbvertrag durch eidesstattliche Versicherung dem Grundbuchamt gegenüber nachzuweisen, nicht mehr aufrecht. Vielmehr erscheint die Vorlage des Erbvertrags und der Eröffnungsniederschrift ausreichend. So wurde schon bisher bei Vorlage eines öffentlichen Testaments und dessen Eröffnungsniederschrift ein Nachweis nach § 35 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 GBO, dass es kein aufhebendes Testament gibt, nicht verlangt, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für dessen Existenz bestanden (OLG Frankfurt FGPrax 1998, 207; Demharter § 35 Rn. 39). Begründen lässt sich dies damit, dass das Grundbuchamt der Eröffnungsniederschrift (§ 348 FamFG) oder den beizuziehenden Nachlassakten die Angaben nach §§ 2354, 2355 BGB entnehmen kann. Diese müssen nach § 2356 Abs. 2 BGB regelmäßig und insbesondere auch eine eidesstattliche Versicherung zur Frage enthalten, ob weitere Verfügungen von Todes wegen vorhanden sind (§ 2354 Abs. 1 Nr. 4 BGB). Ergibt sich daraus kein konkreter Anhaltspunkt für das Vorliegen einer neuen, aufhebenden Verfügung, fehlt auch dem Grundbuchamt ein auf Tatsachen gestützter Anlass zu Zweifeln an der Gültigkeit der letztwilligen Verfügung.

Nach § 34a BeurkG in der ab 1.1.2012 geltenden Fassung sind alle beurkundeten erbfolgerelevanten Umstände an eine zentrale Registerbehörde mitteilungspflichtig. Da gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 Testamentsregister-Verordnung regelmäßig eine Meldung der Registerbehörde an das Nachlassgericht zu erfolgen hat, kann nicht von konkreten Anhaltspunkten für einen Rücktritt ausgegangen werden, wenn sich ein Rücktritt nicht aus den Nachlassakten oder der Eröffnungsniederschrift ergibt. Insoweit „strahlt“ die durch das Zentrale Testamentsregister geschaffene zusätzliche Sicherheit auch auf die Nachweisanforderungen für die Erbfolge im Grundbuchverfahren aus.

2. Es kann dahinstehen, ob ähnliche Grundsätze auch für Scheidungsklauseln in Erbverträgen gelten, die der Auslegungsregel des § 2077 BGB entsprechen (vgl. KG Rpfleger 2013, 199; Volmer in KEHE GBO 7. Aufl. § 35 Rn. 86; DNotI-Report 2006, 181/182 f.). Der Senat verneint dies jedenfalls für Klauseln, die von der gesetzlichen Auslegungsregel – erweiternd – abweichen und, wie die vorliegende, schon im Fall der Einreichung eines Scheidungsantrags durch einen der beiden Ehegatten die Unwirksamkeit der erbvertraglichen Regelungen unabhängig davon bewirken, ob die Voraussetzungen der Ehescheidung gegeben sind. Die Ehegatten haben damit die Voraussetzungen, unter denen der Erbvertrag – automatisch und ohne Auslegungsspielraum – seine Wirkung verliert, im Verhältnis zur gesetzlichen Vermutung ausgeweitet, indem abweichend zu § 2077 BGB nicht mehr erforderlich ist, dass zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers die Scheidungsvoraussetzungen gegeben waren. Auch genügt der einseitige Scheidungsantrag des überlebenden Ehegatten.

Die Unwirksamkeit des Erbvertrags wegen eines Antrags auf Ehescheidung kann der Senat nicht als eine ganz entfernte, bloß auf theoretischen Überlegungen beruhende Möglichkeit erachten (a. A. insofern Meikel/Krause § 35 Rn. 119; DNotI-Report 2006, 181/183). Vielmehr würde auch das Nachlassgericht, wäre Erbscheinsantrag gestellt, sich mit der Möglichkeit auseinandersetzen und entsprechende Ermittlungen anstellen, insbesondere Erklärungen des überlebenden Ehegatten einholen können und müssen. Denn die Scheidung von Ehen ist alles andere als selten. Bei der gewählten Klausel genügt schon ein Antrag, der einmal gestellt, dann aber wieder zurückgenommen wurde. In der gerichtlichen Praxis kommt es auch immer wieder vor, dass sich anhängige Scheidungsverfahren aus verschiedensten Gründen in die Länge ziehen. Die dem Grundbuchamt zur Verfügung stehenden Urkunden und Akten geben jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass keiner der Ehegatten einmal die Scheidung beantragt hatte.

§ 35 Abs. 1 Satz 2 GBO stellt neben dem Erbschein zwar einen „sekundären“ Unrichtigkeitsnachweis zur Verfügung (Hügel/Wilsch § 35 Rn. 74); die damit verbundene Erleichterung und Kostenersparnis für Beteiligte soll aber die Richtigkeitsgewähr des Grundbuchs nicht abschwächen. Der Norm kann der Senat nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber die getroffene Wertung zur Nachweisführung durch die öffentliche Urkunde auch auf parteigewollte Fälle der Unwirksamkeit erstrecken wollte. Deshalb ist bei der hier erbvertraglich vereinbarten – von der gesetzlichen Regel abweichenden – Scheidungsklausel gegenüber dem Grundbuchamt regelmäßig der Nachweis zu erbringen, dass bis zum Ableben des Erblassers kein Antrag auf Scheidung der Ehe gestellt war. Denn insoweit besteht eine Nachweislücke, die nicht als bloß abstrakte, entfernte Möglichkeit zu bezeichnen ist (a. A. DNotI- Report 2006, 181/183). Das kann, wenn nicht durch Vorlage eines Erbscheins, durch eine eidesstattliche Versicherung – des überlebenden Ehegatten – erfolgen; gerade die Frage, ob die Scheidung gerichtlich beantragt wurde, kann nämlich (nur) dieser am zuverlässigsten beantworten. Der Nachweis des Nichtvorliegens bestimmter Tatsachen durch eidesstattliche Versicherung vor dem Notar ist ein auch im Grundbuchverfahren ausnahmsweise anerkanntes Beweismittel (vgl. Meikel/Krause § 35 Rn. 125; Schaub in Bauer/von Oefele § 35 Rn. 139), das in Betracht kommt, wenn kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass das Nachlassgericht bei der Ermittlung der Erbfolge im Rahmen eines Erbscheinsverfahrens zu dem gleichen Ergebnis käme wie das Grundbuchamt (BayObLGZ 2000, 167/171 f.). Für die Art der Nachweisführung haben Grundbuchamt und Tatrichter einen gewissen Beurteilungsspielraum (BayObLGZ 2000, 167 – Leitsatz 3).

3. Den Anforderungen von § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO hat die Beteiligte nur hinsichtlich der Frage des Rücktritts entsprochen. Neben der Niederschrift über die Eröffnung liegt der maßgebliche notarielle Erbvertrag vom 31.3.2009 vor, der die Beteiligte als alleinige Erbin ausweist. Die beigezogenen Nachlassakten enthalten zudem die Mitteilung des Zentralen Testamentsregisters bei der Bundesnotarkammer, dass dort keine Urkunden vorliegen.

Die Frage, ob Scheidungsantrag gestellt war, ist jedoch nicht geklärt. Bei Eröffnung des Erbvertrags war die Beteiligte nicht anwesend und hat daher auch keine Angaben diesbezüglicher Art eidesstattlich versichert.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens bestimmt sich nach der – geschätzten und vom Senat als nicht allzu hoch veranschlagten – Schwierigkeit der Beweismittelbeschaffung.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen vor, was die Nachweisanforderungen im Grundbuchverfahren beim Vorliegen einer Scheidungsklausel in einer notariellen letztwilligen Verfügung angeht (siehe zu II. 2.). Der Senat weicht von der Rechtsprechung des Kammergerichts in vergleichbarer Konstellation ab (vgl. KG Rpfleger 2013, 199). Die Sache hat auch grundsätzliche Bedeutung, weil die Rechtsfrage im Hinblick auf abweichende Ansichten in der Literatur (Meikel/Krause § 35 Rn. 119; Volmer in KEHE GBO 7. Aufl. § 35 Rn. 86; DNotI-Report 2006, 181/182 f.) klärungsbedürftig erscheint.


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