OLG Köln – Az.: I-2 Wx 119/21 – Beschluss vom 14.07.2021
Auf die Beschwerde der Beteiligten vom 08.04.2021 wird der Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgerichts – Brühl vom 04.03.2021, 75 VI 1420/20, aufgehoben.
Die Tatsachen, die zur Begründung des Antrags der Beteiligten vom 19.11.2020 auf Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin ausweist, erforderlich sind, werden für festgestellt erachtet.
Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben. Eine Kostenerstattung findet nicht statt.
Gründe
I.
Am xx.xx.2020 ist Frau A B (im Folgenden: Erblasserin) verstorben. Ihr Ehemann, Herr C B, ist zwischen dem 13.xx.2020 und 14.xx.2020 vorverstorben. Die Erblasserin und ihr Ehemann hatten am 24.06.1985 einen vom Nachlassgericht am 07.08.2020 eröffneten Erbvertrag (UR.Nr. 1xx9/1985 des Notars D in E, Bl. 7 ff. d. Beiakte 75 IV 902/20) geschlossen, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt und darüber hinaus keine weiteren Verfügungen getroffen haben.
Die Erblasserin hinterlässt keine Kinder. Ihre Eltern sind vorverstorben. Die Erblasserin hat zwei Geschwister, die am xx.xx.1995 vorverstorbene F G und H. Die vorverstorbene F G hat zwei Kinder hinterlassen, Herrn I G und die Antragstellerin. Herr I G hat die Erbschaft durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht vom 18.09.2020 ausgeschlagen (Bl. 1 ff. d. Beiakte 75 VI 1126/20). Weiterhin ist zur Akte gereicht worden eine Ausschlagungserklärung der in Brasilien lebenden H vom 01.10.2020 in brasilianischer Sprache mit beglaubigter deutscher Übersetzung, die von Frau J, einer „autorisierten Schreiberin im außergerichtlichen Dienst“ in K, beglaubigt worden ist, wobei die Beglaubigung wiederum „überbeglaubigt“ und mit einer Apostille versehen worden ist (Bl. 6 ff. d. Beiakte 75 VI 1126/20).
Mit notariell beurkundetem Antrag vom 19.11.2020 – UR.Nr. 2xx4/2020 des Notars L in M – hat die Beteiligte die Erteilung eines Alleinerbscheins nach gesetzlicher Erbfolge beantragt (Bl. 1 ff. d.A.).
Durch Beschluss vom 04.03.2021 hat das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag der Beteiligten zurückgewiesen, weil die erforderliche Form der Ausschlagungserklärung nicht gewahrt sei (Bl. 30 f. d.A.). Nach deutschem Recht sei eine Beglaubigung durch einen deutschen Notar oder ein deutsches Konsulat oder die deutsche Botschaft erforderlich. Nach der Ortsform, dem brasilianischen Recht, sei eine öffentliche Beurkundung erforderlich, die hier ebenfalls nicht eingehalten worden sei.
Gegen diesen der Beteiligten am 09.03.2021 zugestellten Beschluss hat diese mit am 09.04.2021 beim Amtsgericht Brühl eingegangenen Schriftsatz vom 08.04.2021, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, Beschwerde eingelegt (Bl. 35 ff. d.A.).
Durch Beschluss vom 21.04.2021 hat das Nachlassgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 38 f. d.A.).
II.
Die zulässige Beschwerde der Beteiligten hat auch in der Sache Erfolg.
Der Antrag der Beteiligten auf Erteilung eines Alleinerbscheins nach gesetzlicher Erbfolge ist entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts begründet. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben. Die Tatsachen, die zur Begründung des Antrags der Beteiligten erforderlich sind, werden für festgestellt erachtet.
Die Beteiligte ist Alleinerbin der Erblasserin nach gesetzlicher Erbfolge. Die gewillkürte Erbfolge kommt nicht zum Tragen, weil die Einsetzung ihres Ehemannes als Alleinerben durch den Erbvertrag vom 24.06.1985 infolge seines Vorversterbens und mangels Einsetzung von Ersatzerben gegenstandslos ist. Da Erben erster Ordnung (§§ 1924, 1930 BGB) nicht vorhanden und die Eltern der Erblasserin vorverstorben sind, kommen als Erben zweiter Ordnung gem. § 1925 BGB nur die noch lebende Schwester H sowie die Beteiligte und I G als Kinder der vorverstorbenen weiteren Schwester der Erblasserin in Betracht. H und I G sind indes infolge ihrer Ausschlagungserklärungen als Erben gem. § 1953 Abs. 1 BGB weggefallen.
Die Ausschlagungserklärung des I G vom 18.09.2020 ist formgerecht zur Niederschrift des Nachlassgerichts gem. § 1945 Abs. 1 BGB und fristgerecht gem. §§ 1944 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, 1945 Abs. 1 BGB erfolgt. Abkömmlinge hat I G nicht, so dass sein Erbteil gem. § 1953 Abs. 2 BGB an die Beteiligte fällt.
Auch die Ausschlagung der H ist wirksam. Die Ausschlagung ist fristgerecht erfolgt. Sie lebt im Ausland, so dass die Ausschlagungsfrist gem. § 1944 Abs. 3 BGB sechs Monate beträgt. Der Erbfall erfolgte am 18.07.2020. Die Ausschlagungserklärung ist am 20.10.2020 – auch in deutscher Sprache – beim Nachlassgericht eingegangen, so dass die Ausschlagungsfrist unabhängig davon, wann die Frist zu laufen begann, gewahrt worden ist.
Die Ausschlagung der H ist auch formgerecht erklärt worden. Dabei kann offenbleiben, ob sich die Bestimmung des auf die Form der Ausschlagung anwendbaren Rechts nach Art. 28 EuErbVO oder Art. 11 Abs. 1 EGBGB richtet, weil nach beiden Vorschriften auf die Form alternativ brasilianisches Recht (Ortsform) und deutsches Recht (das anzuwendende Erbrecht) zur Anwendung kommt. Die Ortsform ist allerdings nicht gewahrt, weil nach brasilianischem Recht (Art. 1806 Zivilgesetzbuch) eine Ausschlagungserklärung mittels öffentlicher Urkunde oder zu Protokoll des Gerichts erfolgen muss. Hier ist die Ausschlagungserklärung weder mittels öffentlicher Urkunde noch zu Protokoll eines Gerichts erfolgt.
Die Form der Ausschlagung ist allerdings nach deutschem Recht, dem auf die Erbfolge anwendbaren Recht (Art. 28 EuErbVO, Art. 11 Abs. 1 EGBGB), gewahrt. Nach § 1945 Abs. 1 BGB ist die Ausschlagung gegenüber dem Nachlassgericht entweder zur Niederschrift des Nachlassgerichts oder in öffentlich beglaubigter Form abzugeben. Hier liegt die Ausschlagung in öffentlich beglaubigter Form vor. Zwar ist davon auszugehen, dass die öffentliche Beglaubigung im Sinne von § 1945 Abs. 1 2. Hs. Alt. 2 BGB grundsätzlich die Beglaubigung durch einen deutschen Notar meint. Allerdings ist die Beglaubigung der Unterschrift der Ausschlagungserklärung der H durch einen deutschen Notar im vorliegenden Fall im Wege der Substitution durch die Beglaubigung einer vergleichbaren autorisierten Person im Sinne des brasilianischen Rechts ersetzt worden.
Bei der Substitution stellt sich die Frage, ob ein von einer in- oder ausländischen Norm vorausgesetztes Tatbestandsmerkmal auch dadurch erfüllt werden kann, dass es sich im Geltungsbereich eines nicht berufenen Rechts verwirklicht. Die Substitution hängt nach allgemeiner Ansicht davon ab, ob das in Frage stehende ausländische Rechtsinstitut dem an sich vorausgesetzten inländischen Rechtsinstitut nach der ratio der Norm bezüglich der beurkundenden Person und des Beurkundungsvorgangs funktional gleichwertig ist (Staudinger/Looschelders, BGB, Neubearbeitung 2019, Stand 18.12.2020, Einleitung IPR Rn. 1219, 1220 m.w.N.; Palandt/Thorn, BGB, 79. Aufl. 2020, Art. 11 EGBGB Rn. 9 m.w.N.; Schmidt/Kottke, ErbR 2021, 10, 16). Von einer solchen Gleichwertigkeit ist hier auszugehen.
Die Aufgaben der brasilianischen Notare entsprechen den typischen Aufgaben lateinischer Notare. Dazu gehören u.a. auch Unterschriftsbeglaubigungen. Dabei sind die Notare in Brasilien befugt, sogenannte Schreiber („escreventes“) als Vertreter zu beschäftigen, die gesetzlich befugt sind, bestimmte notarielle Akte durchzuführen (Art. 20 des Gesetzes Nr. 8.935 vom 19.11.1994). Hierzu zählen u.a. Unterschriftsbeglaubigungen, nicht aber Beurkundungen. Dementsprechend ist die Unterschrift der H nicht nur von einer Schreiberin („escreventes“) beglaubigt worden, sondern deren Beglaubigung wiederum „überbeglaubigt“ worden. Dafür, dass die Schreiberin zur Beglaubigung der Unterschrift der H befugt war, spricht im Übrigen auch Art. 5 Abs. 2 des – auf brasilianische Urkunden anwendbaren – Haager Übereinkommens zur Befreiung ausländischer Urkunden von der Legalisation. Danach wird durch die Apostille die Echtheit der Unterschrift, die Eigenschaft, in welcher der Unterzeichner der Urkunde gehandelt hat, und gegebenenfalls die Echtheit des Siegels oder Stempels, mit dem die Urkunde versehen ist, nachgewiesen, d.h. die Echtheit des Beglaubigungsvermerks. Soweit das Nachlassgericht die Gleichwertigkeit der Beglaubigung nach brasilianischem Recht mit einer Beglaubigung durch einen deutschen Notar im Hinblick auf die beurkundende Person abgelehnt hat, ist dem nicht zu folgen. Der Zweck des Formerfordernisses einer Unterschriftsbeglaubigung gem. § 1945 BGB besteht allein darin, die Identität des Urhebers der Erklärung festzustellen (MüKo-BGB/Leipold, 8. Aufl. 2020, § 1945 Rn. 1), nicht aber rechtliche Bewertungen wie beispielsweise bei der Beurkundung eines Grundstückskaufvertrages vorzunehmen. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Schreiberin („escreventes“) vorliegend eine vergleichbare Ausbildung hat wie ein deutscher Notar. Maßgebend ist vielmehr, dass sie ebenso wie ein deutscher Notar befähigt ist, Beglaubigungen von Unterschriften vorzunehmen, wovon auszugehen ist.
Aufgrund der von der Beteiligten vorgelegten Unterlagen ist weiterhin davon auszugehen, dass auch der Beglaubigungsvorgang ordnungsgemäß erfolgt und mit einer Beglaubigung nach deutschen Recht vergleichbar ist, d.h. H beim Beglaubigungsvorgang anwesend war und die Schreiberin („escreventes“) die Echtheit ihrer Unterschrift unter der Ausschlagungserklärung festgestellt hat.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 S. 2 FamFG. Eine Kostenerstattung findet nicht statt, weil der Beteiligten ein Beschwerdegegner nicht gegenübersteht.