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Erbschaftsbesitzer – Anspruch auf Herausgabe des Erlangten an Erben

LG Wiesbaden, Az.: 9 O 166/14, Urteil vom 12.03.2015

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.829,04 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus jährlich seit dem 15.01.2015 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von elf Zehnteln des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt nach dem Tod ihres Vaters die Beklagte auf Auskunft, eidesstattliche Versicherung und Herausgabe in Anspruch.

Die Klägerin ist die Tochter und Alleinerbin des am 08.12.1923 geborenen und am 18.09.2013 verstorbenen Herrn G. G. (nachfolgend: Erblasser). Dieser war zuletzt wohnhaft in 6… W., N…straße 17. Nach dem Tod der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers unterhielt die Beklagte soziale Kontakte zu dem Erblasser, ohne mit diesem in eheähnlicher Gemeinschaft zu leben. Hieraus resultiert die von dem Erblasser der Beklagten erteilte Vollmacht, wegen deren Wortlauts und Inhalts auf die Anlage B 4 verwiesen wird. Nach dem Ableben des Erblassers am 18.09.2013 verfügte die Beklagte über Konten des Erblassers bei der W. V…bank eG dergestalt, daß sie von einem Tagesgeldkonto des Erblassers 10.000,00 EUR auf das Girokonto des Erblassers übertragen und den Betrag von 10.000,00 EUR sich sodann am 19.09.2013 in bar auszahlen ließ. Außerdem nahm die Beklagte aus der Wohnung des Erblassers diverse Nachlaßgegenstände an sich und organisierte die Bestattung des Erblassers. Die Inbesitznahme von Nachlaßgegenständen räumte die Beklagte mit Schreiben ihres früheren Bevollmächtigten vom 30.10.2013 ein. Mit Schreiben vom 11.12.2013 forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 23.12.2013 zur Auskunftserteilung über den Verbleib von Nachlaßgegenständen auf.

Mit Schriftsatz vom 29.07.2014 hat die Klägerin gegen die Beklagte Stufenklage erhoben, wegen deren Wortlauts und Inhalts und wegen der ursprünglich angekündigten Antragstellung auf den Schriftsatz des Klägervertreters vom 29.07.2014 verwiesen wird. Die Beklagte hat in der Folgezeit drei Taschen mit diversen Nachlaßgegenständen an die Klägerin herausgegeben und zugleich schriftsätzlich erklärt, daß es sich um alle Gegenstände handele, welche sie aus der Wohnung des Erblassers entfernt habe. Auch hat die Beklagte die ihr von dem Erblasser erteilte Vollmacht an die Klägerin herausgegeben sowie an diese einen Betrag in Höhe von 1.910,38 EUR ausgezahlt und schließlich über die Verwendung des abgehobenen Betrages in Höhe von 10.000,00 EUR gegenüber der Klägerin Rechnung gelegt.

Die Klägerin behauptet und ist der Auffassung, sie könne von der Beklagten über den von dieser bereits zurückgezahlten Betrag hinaus noch die Zahlung eines weiteren Betrages in Höhe von 1.829,04 EUR verlangen. Daß die Beklagte aus den abgehobenen Geldern die Kosten der Bestattung beglichen habe, werde klägerischerseits hingenommen. Nicht nachzuvollziehen sei aber, daß die Beklagte von dem abgehobenen Geld auch noch den von ihr veranlaßten Rechtsberatungsaufwand sowie die von ihr getätigten Zuwendungen an Dritte beglichen wissen wolle. Eben hierfür sei eine Rechtsgrundlage nicht ersichtlich. Sie, die Klägerin, sei nicht mit Auflagen oder Vermächtnissen beschwert worden, die Beklagte wiederum sei nicht mit der Verwaltung des Nachlasses betraut worden. Denn daß der Erblasser die Beklagte mit der Organisation der Beerdigung betraut habe, bedeute nicht, daß er diese auch mit der Befugnis ausgestattet habe, zu Lasten des Nachlasses Verfügungen zu Gunsten Dritter zu tätigen.

Die Klägerin beantragt nunmehr, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.829,04 EUR nebst acht Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Zustellung des Leistungsantrags zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet und ist der Auffassung, die Klage sei, soweit diese noch nicht übereinstimmend für erledigt erklärt worden sei, abzuweisen. Sie, die Beklagte, habe nämlich im Rahmen der ihr vom Erblasser erteilten Vollmacht sehr wohl anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen und entsprechend dem Willen des Erblassers auch Dritte mit Zuwendungen bedenken dürfen. Da sie, die Beklagte, in derlei Dingen nicht erfahren sei, sei sie im Rahmen der Abwicklung sehr wohl auf anwaltliche Hilfe angewiesen gewesen, zumal die Klägerin selbst von Anfang an durch ihren Ehemann anwaltlich beraten gewesen sei. Zudem sei die Tochter der Klägerin ebenfalls Volljuristin. Daß die ihr, der Beklagten, erteilte Vollmacht, auch die Befugnis umfaßt habe, Zuwendungen an Dritte zu tätigen, habe der Erblasser lebzeitig wiederholt geäußert, weshalb die Klage, soweit diese noch nicht übereinstimmend für erledigt erklärt worden sei, abzuweisen sei. Wegen des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils seien die Kosten ebenfalls der Klägerin aufzuerlegen, weil nicht ersichtlich sei, wieso die Klägerin den zahlreichen an sie gerichteten Aufforderungen, einen Termin zur Übergabe der Nachlaßgegenstände zu benennen, nicht nachgekommen sei.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze, die zugehörigen Anlagen sowie das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 12.02.2015 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist, soweit der Rechtsstreit von den Parteien in der Hauptsache noch nicht übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, weitestgehend begründet.

Die Klägerin kann von der Beklagten die Zahlung von 1.829,04 EUR verlangen. Dieser Anspruch besteht aus § 2018 BGB. Indem die Beklagte vermittels der ihr erteilten Vollmacht nach dem Tod des Erblassers 10.000,00 EUR von einem ehedem dem Erblasser zustehenden Girokonto, welches nach dem Ableben des Erblassers kraft Gesetzes auf die Klägerin als dessen Alleinerbin überging (§ 1922 BGB), 10.000,00 EUR abhob und an sich auszahlen ließ, hat sie auf Grund eines ihr in Wirklichkeit nicht zustehenden Erbrechts etwas aus der Erbschaft erlangt. Das Erlangte hat die Beklagte an die Klägerin herauszugeben, mithin an diese die nun noch in Streit stehenden 1.829,04 EUR zu zahlen. Die Beklagte wendet hiergegen vergeblich ein, auf Grund des Inhalts der ihr erteilten Vollmacht sowohl den Rechtsberatungsaufwand als auch die Zuwendungen an Dritte mit Recht getätigt zu haben, weshalb sie, die Beklagte, mehr als den an die Klägerin bereits überwiesenen Betrag nicht zu zahlen brauche. Der Auslegung der Vollmacht durch die Beklagte kann nicht nähergetreten werden. Der Erblasser hat darin seinen Wunsch zum Ausdruck gebracht, die Beklagte möge die Beerdigung und alles, was damit zusammenhängt, gemäß seinen Vorgaben organisieren. Die Rechtsberatungskosten sind hiervon nicht umfaßt. Denn ein Bezug zu der Beerdigung des Erblassers oder zu allem, was mit eben dieser zusammenhängt, ist nicht ersichtlich. Denn Beerdigungskosten umfassen bereits nach allgemeinem Sprachgebrauch zunächst einmal die Kosten des Bestatters und der Grabstätte als solchen, des weiteren einer möglichen Feuerbestattung sowie einer üblichen Trauerfeier einschließlich Blumenschmucks und Grabsteins sowie der Erstanlage einer Grabstätte. Als zumindest mittelbare Kosten sind hierzu auch die Kosten einer Traueranzeige sowie von Danksagungen und einer, wie hier, stattgefundenen Bewirtung der Trauergesellschaft zu zählen. Inwiefern die durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts nach dem Ableben des Erblassers auf seiten der Beklagten angefallenen Rechtsberatungskosten eben hiervon mitumfaßt sein sollen, erschließt sich nicht. Ob die Beklagte im Zuge der Auseinandersetzungen mit der Klägerin als der alleinigen Erbin tatsächlich nicht umhin konnte, sich gleichsam aus Gründen der Waffengleichheit anwaltlicher Hilfe zu bedienen, mag dahinstehen. Denn ein auch nur mittelbarer Bezug der von der Beklagten generierten Rechtsberatungskosten zu der von ihr zu organisierenden Beerdigung und allem, was damit zusammenhängt, ist weder dargetan noch anderweit ersichtlich. Die Auseinandersetzungen der Parteien nach dem Ableben des Erblassers, in deren Zuge die Beklagte sich anwaltlicher Hilfe bediente, haben schon deshalb nichts mit der von der Beklagten zu organisierenden Beerdigung zu tun, weil die Klägerin nach ihrem unbestritten gebliebenen Vortrag von dem Tod ihres Vaters erst nach dessen Bestattung erfuhr, welche die Beklagte unter Übergehung und Ausschluß der Klägerin organisierte. Die beklagtenseits angeführten Rechtsberatungskosten sind erst nach der Beerdigung angefallen, und zwar im Zuge der Auseinandersetzungen der Parteien, welche indes nicht etwa die Beerdigung oder etwas damit Zusammenhängendes betrafen, sondern letztlich dem Nachlaß nach dem Erblasser galten. Da die Beklagte mit dessen Abwicklung ebenso wenig betraut war wie mit dessen Verwaltung, kann sie die insoweit angefallenen Rechtsberatungskosten nicht von der Klägerin erstattet verlangen. Nichts anderes gilt wegen der Zuwendungen an Dritte. Auch insoweit ist ein auch nur mittelbarer Bezug zu der Beerdigung und allem, was damit zusammenhängt, weder dargetan noch anderweit ersichtlich. Die Beklagte kann insbesondere nicht damit gehört werden, die Verteilung der 650,00 EUR in der stattgehabten Weise habe dem erklärten Willen des Erblassers entsprochen, welchen dieser lebzeitig geäußert habe. Der Erblasser hat die Klägerin weder mit Vermächtnissen noch mit Auflagen beschwert. Eben solche finden sich in der Vollmachtsurkunde noch nicht einmal angedeutet (§§ 133, 2084 BGB). Insofern kam es auf die insoweit beklagtenseits angebotenen Zeugen nicht an. Denn deren Bekundungen könnten daran, daß die Formvorschriften des Erbrechts insoweit vorliegend nicht gewahrt worden sind, nichts ändern, weshalb die Beklagte dem Zahlungsverlangen der Klägerin weder die Rechtsberatungskosten noch die Zuwendungen an Dritte entgegensetzen kann.

Die Zahlungspflicht der Beklagten ist auch aus § 667 Alt. 1 BGB gegeben. Selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten unterstellt, daß die Beklagte den Betrag von 10.000,00 EUR zwecks Organisation der Beerdigung habe abheben dürfen und damit zur Ausführung des Auftrags erhalten habe, bleibt zu konstatieren, daß sie nur wegen der Kosten der Beerdigung in dem vorstehend erörterten Sinne gegen die Klägerin einen zur Aufrechnung geeigneten Aufwendungsersatzanspruch hat (§ 670 BGB). Die Rechtsberatungskosten sowie die von der Beklagten getätigten Zuwendungen zu Gunsten Dritter fallen, wie dargetan, nicht hierunter, weshalb die Beklagte von den erlangten 10.000,00 EUR den jetzt noch streitbefangenen Betrag in Höhe von 1.829,04 EUR an die Klägerin herauszugeben hat (§§ 667, 1922 BGB).

Das Klagebegehren ist schließlich auch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB begründet. Indem die Beklagte von einem zum Nachlaß gehörenden Girokonto 10.000,00 EUR abhob, ohne daß sie den gesamten Betrag für die Organisation der Beerdigung und all dessen benötigte, was mit dieser zusammenhängt, hat sie in die Forderungszuständigkeit der Klägerin eingegriffen, ohne daß sie insoweit einen Rechtsgrund vorweisen kann, weshalb sie nunmehr zur Rückzahlung desjenigen Teilbetrages verpflichtet ist, der von ihr für die Beerdigung nicht benötigt wurde. Auf die durch die Rechtsberatung und die Zuwendungen an Dritte entstandenen Kosten kann sich die Beklagte, wie dargetan, nicht berufen.

Zinsen stehen der Klägerin als Prozeßzinsen zu (§§ 288, 291 BGB), allerdings nur in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 Satz 2 BGB). Für einen höheren Zinssatz ist klägerischerseits nichts dargetan worden. Wegen der über den tenorierten Zinssatz hinausgehenden Zinsforderung unterlag die Klage der Abweisung.

Die Kostenentscheidung folgt aus den Vorschriften der §§ 91a, 92 ZPO. Wegen des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils der Klage waren sie gemäß § 91a ZPO der Beklagten aufzuerlegen. Denn ohne die übereinstimmende Erledigungserklärung wäre die Beklagte bei Fortführung des Rechtsstreits aller Voraussicht nach antragsgemäß zu verurteilen gewesen. Die Beklagte beruft sich insoweit vergeblich darauf, die Klägerin wiederholt dazu aufgefordert zu haben, einen Termin zur Übergabe der Nachlaßgegenstände zu benennen. Abgesehen davon, daß weder vorgetragen wurde noch anderweit ersichtlich ist, inwiefern die Klägerin hierdurch in Annahmeverzug geraten sein soll, bleibt festzuhalten, daß das Forderungsschreiben der Klägerin vom 11.12.2013 mit Fristsetzung bis zum 23.12.2013 ebenso reaktionslos blieb wie die Beklagte die von ihr geforderten Auskünfte erst nach Rechtshängigkeit erteilte und dem Herausgabeverlangen der Klägerin zumindest teilweise nachkam. Wegen des Zahlungsverlangens waren die Kosten des Rechtsstreits ebenfalls der Beklagten aufzuerlegen. Das teilweise Unterliegen der Klägerin mit dem Zinsverlangen fällt dabei nicht ins Gewicht (§ 92 Abs. 2 ZPO). Zum einen betrifft es mit der Zinsforderung nur eine Nebenforderung, zum anderen geht es insoweit nur um eine Differenz von drei Prozentpunkten.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Der Streitwert wird endgültig auf 6.000,00 EUR festgesetzt (§ 3 ZPO). Damit soll neben dem bereits zurückgezahlten Betrag von 1.910,38 EUR sowie dem tenorierten Betrag in Höhe von 1.829,04 EUR auch der vom Gericht nur zu schätzende Wert der übrigen Nachlaßgegenstände berücksichtigt werden, welche von der Beklagten zunächst erlangt und sodann im Laufe des Rechtsstreits an die Klägerin herausgegeben worden sind.

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