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Erbschein – anteilige Kostenerstattungsanspruch gegenüber Miterben

AG Duisburg-Hamborn – Az.: 23 C 56/19 – Urteil vom 28.08.2019

Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 311,67 EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.01.2019 zu zahlen.

Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin 1.246,67 EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.01.2019 zu zahlen.

Die Gerichtskosten haben die Klägerin zu 50 %, der Beklagte zu 1) zu 10 % und der Beklagte zu 2) zu 40 % zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin haben der Beklagte zu 1) 10 % und der Beklagte zu 2) 40 % zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) hat die Klägerin 80 % zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) hat die Klägerin 20 % zu tragen. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung des jeweiligen Vollstreckungsgläubigers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin ist die Schwester der beiden Beklagten. Die Parteien bilden eine Erbengemeinschaft. Am 25.02.2015 ist der Vater der Parteien, Herr N, in E verstorben ohne ein Testament zu hinterlassen. Erben wurden die Mutter der Parteien, Frau N2, und die Prozessparteien zu je einem Sechstel. Zum Nachlass gehörte unter anderem das Hausgrundstück I-Straße in E. Die Klägerin beantragte beim hiesigen Nachlassgericht einen gemeinschaftlichen Erbschein, der unter dem Az. XX VI XX/XX am 07.12.2015 erteilt wurde (Anlage K2, Bl. 35 f. GA). Am 17.12.2015 wurden die Parteien und ihre Mutter als Erbengemeinschaft in das Grundbuch eingetragen (Anlage K1, Bl. 26 GA). Das Amtsgericht übermittelte der Klägerin unter dem 23.03.2016 eine Gerichtskostenrechnung. Nach einem Gegenstandswert von 480.293,01 EUR ergab sich darin ein Rechnungsbetrag von 1.870 EUR (Anlage K3, Bl. 37 GA).

Die Mutter der Parteien verstarb am 09.12.2018. Nach dem vor dem Notar I errichteten notariellen Testament (Anlage K6, Bl. 42 ff. GA) wurde der Beklagte N3 Alleinerbe der Mutter.

Die Klägerin behauptet, der Nachlasswert sei eher zu gering angesetzt worden. Nach ihren derzeitigen Erkenntnissen sei ein Barvermögen von 100.205 EUR vorhanden gewesen und mit Grundstück und Gebäude ergebe sich insgesamt eher ein Betrag von 761.555 EUR. Die Klägerin ist der Ansicht, zwecks Berichtigung des Grundbuchs sei ein Erbschein erforderlich gewesen. Sie behauptet, die übrigen Erben seien nicht bereit gewesen, einen Erbschein zu beantragen. Deswegen habe sie dies im Jahr 2015 übernommen. Sie ist der Ansicht, ihr stehe zumindest ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag gegen die Miterben auf anteilige Kostenerstattung zu. Dazu behauptet sie, der Antrag auf Erteilung eines Erbscheins sei zur Grundbuchberichtigung auch im Interesse der Beklagten gewesen. Schließlich behauptet sie, erst später, im Januar 2016, habe das erste substantielle Gespräch der Mitglieder der Erbengemeinschaft stattgefunden. Die im Schreiben der Kanzlei X vom 13.04.2016 (Bl. 118 ff. GA) verwendete Formulierung sei von ihr nicht autorisiert worden und in sich hochgradig widersprüchlich. Es habe lediglich ein gemeinsames Verständnis der Prozessparteien gegeben, dass mit eventuellen Sonderbedarfen der Mutter unbürokratisch-familiär umgegangen werden sollte, ihr also auf Ersuchen hin Gelder aus den Erträgen der Vermögensmasse der Erbengemeinschaft zur Verfügung gestellt werden sollten. Die Klägerin behauptet schließlich, die Beklagten hätten außergerichtlich behauptet, die Immobilie hätte Unterdeckung, und meint, dies sei widersprüchlich im Hinblick auf den nunmehr behaupteten steuerlichen Nachteil.

Der Mahnbescheid ist am 04.01.2019 bzw. 05.01.2019 zugestellt worden. Die Klägerin hat nach Abgabe an das Streitgericht zunächst beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 1.558,33 EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.246,67 EUR seit dem 16.11.2018 sowie aus weiteren 311,66 EUR seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Mit Schriftsatz vom 12.03.2019 hat die Klägerin die Klage teilweise zurückgenommen und den Antrag mit Schriftsatz vom 01.05.2019 erneut geändert.

Die Klägerin beantragt nunmehr, den Beklagten N4 zu verurteilen, an sie 311,67 EUR zu zahlen, und den Beklagten N3 zu verurteilen, an sie 1.246,67 EUR zu zahlen, jeweils zuzüglich Rechtshängigkeitszinsen in gesetzlicher Höhe seit dem Tage der Rechtshängigkeit der Klage.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, die Parteien hätten nach dem Tode des Vaters einvernehmlich vereinbart, dass der Nachlass des Vaters zu Lebzeiten der gemeinsamen Mutter nicht aufgeteilt werden solle. Stattdessen sollten das Vermögen und die Erträge hieraus vollständig bei der Mutter verbleiben und ihr zur Verwendung für persönliche Belange zur Verfügung stehen. In der Erbengemeinschaft sei auch vereinbart worden, dass eine Änderung im Grundbuch nicht vorgenommen werden sollte und entsprechend auch kein Erbschein beantragt werden sollte. Hierüber habe sich die Klägerin eigenmächtig hinweggesetzt. Die Beklagten behaupten weiter, es sei Folge der Grundbuchänderung gewesen, dass das zuständige Finanzamt die Mieteinnahmen mit den jeweiligen Quoten den Erben zugerechnet habe. Infolgedessen hätten die Parteien Steuern aus den Mieteinkünften zu tragen gehabt, obwohl ihnen diese Mieteinkünfte überhaupt nicht zugeflossen sein. Dies habe gerade dadurch vermieden werden sollen, dass eine Grundbuchänderung nicht vorgenommen wird. Die Beklagten hätten mehrere 1.000 EUR an das Finanzamt zu bezahlen gehabt.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet, soweit sie nicht bereits zurückgenommen wurde.

1. Der Klägerin stehen gegen die Beklagten Zahlungsansprüche in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu.

a) Ein Anspruch der Klägerin auf Gesamtschuldnerausgleich besteht nicht, da im Verhältnis zur Gerichtskasse keine Gesamtschuld der Parteien besteht. Die Klägerin war als Antragstellerin im Erbscheinsverfahren im Verhältnis zur Staatskasse alleinige Kostenschuldnerin.

b) Ansprüche der Klägerin im Hinblick auf eine gemeinschaftliche Verwaltung des Nachlasses bestehen ebenfalls nicht. Es ist keine Einigung der Miterben über einen Erbscheinsantrag im Rahmen einer gemeinschaftlichen Verwaltung nach § 2038 Abs. 1 BGB dargelegt. Ein Fall einer Notgeschäftsführung liegt nicht vor, da der Erbscheinsantrag nicht eilig war.

c) Soweit Ansprüche aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag nach § 683 BGB voraussetzen, dass die Vornahme der Handlung dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen entspricht, scheiden diese aus. Ob eine förmliche Beschlussfassung fehlt, ist hier nicht erheblich, denn jedenfalls wollten auch nach dem Vortrag der Klägerin die übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft keine Antragstellung im Erbscheinsverfahren.

d) Der Klägerin steht aber gegen die Beklagten ein Anspruch auf anteilige Kostenerstattung für den Erbschein gemäß den Erbquoten aus § 684 BGB i. V. m. §§ 812 ff. BGB zu.

aa) Liegen die Voraussetzungen des § 683 BGB, also eines Aufwendungsersatzes bei berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag, nicht vor, ist der Geschäftsherr verpflichtet, dem Geschäftsführer alles, was er durch die Geschäftsführung erlangt, nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben. Ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung besteht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur (unberechtigten) „Notgeschäftsführung“ bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft dann, wenn die eigenmächtige Maßnahme ohnehin hätte ausgeführt werden müssen (BGH v. 25.09.2015 – V ZR 246/14, BGHZ 207, 40 ff. (LS 1, Rn. 12, 10), zitiert nach juris).

Hier ist ein Anspruch sowohl nach dem Gesetzeswortlaut als auch nach der Rechtsprechung des BGH gegeben. Die Grundbuchberichtigung war unter anderem aufgrund der Vorschriften der GBO zumindest langfristig erforderlich, um die unrichtige Grundbuchlage der tatsächlichen Rechtslage anzupassen. Soweit die Beklagten meinen, dass ihnen ein steuerlicher Schaden durch die Eigentumsumschreibung entstanden sei, ist dies bereits dem Grunde nach unzutreffend und auch der Höhe nach nicht substantiiert dargelegt. Steuerlich sind die Einkünfte der Erbengemeinschaft den Beteiligten bereits aufgrund ihrer Erbenstellung anteilig zuzurechnen. Die Erzielung von Einkünften hängt nicht von der Grundbucheintragung des jeweiligen Mitglieds der Erbengemeinschaft ab.

Ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Anspruchs nach § 687 BGB liegt nicht vor. Der Bundesgerichtshof hat überzeugend ausgeführt, dass § 21 Abs. 4 WEG als speziellere Vorschrift vorgeht. Danach kann jeder Wohnungseigentümer eine Verwaltung verlangen, die den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit solche nicht bestehen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht. Entsprechendes gilt hier. Denn in § 2038 Abs. 1 BGB findet sich eine vergleichbare Regelung, nach der jeder Miterbe gegenüber den anderen verpflichtet ist, zu Maßregeln mitzuwirken, die zur ordnungsgemäßen Verwaltung erforderlich sind. Es entspricht – auch im vorliegenden Fall – einer ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses, dass die erforderlichen Maßnahmen für eine Berichtigung des Grundbuchs für das zum Nachlass gehörende Grundstück getroffen werden. Durch den Erbfall wird das Grundbuch unrichtig (vgl. auch § 83 Abs. 2 GBO).

Das GNotKG steht dem nicht entgegen, da dieses keine speziellere Regelung darstellt. Vielmehr dienen die Vorschriften dazu sicherzustellen, dass Gebühren und Auslagen der Justiz gedeckt werden, und regeln nicht die Kostentragung im Innenverhältnis zwischen mehreren möglichen Antragstellern.

bb) Durch die Antragstellung der Klägerin im Erbscheinsverfahren haben die Beklagten insoweit etwas erlangt im Sinne von § 812 Abs. 1 S. 1 BGB, als ihnen eigene Kosten im Erbscheinsverfahren erspart geblieben sind. Diese ersparten Aufwendungen sind unter Berücksichtigung des jeweiligen Erbanteils der Beklagten und der Gesamtkosten des Erbscheins zu berechnen. Dafür ist nach § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz zu leisten. Gegen den Beklagten zu 1) ergibt sich der Höhe nach ein Anspruch von einem Sechstel der Gesamtkosten des Erbscheins von 1.870 EUR, also rund 311,67 EUR. Gegen den Beklagten zu 2) ergibt sich der Höhe nach ein Anspruch von insgesamt vier Sechsteln der Gesamtkosten des Erbscheins von 1.870 EUR, also rund 1.246,67 EUR. Er ist unstreitig als Alleinerbe Rechtsnachfolger der zwischenzeitlich verstorbenen Mutter der Parteien geworden.

cc) Soweit die Beklagten die Auffassung vertreten, ihnen sei jeweils ein steuerlicher Nachteil entstanden, weil sie wegen der Grundbuchberichtigung jeweils einen Steuerbescheid bekommen hätten, wonach sie mehrere 1.000 EUR an Steuern zu bezahlen haben, liegt jedenfalls mangels Bestimmtheit der Gegenforderung keine wirksame Aufrechnung vor. Zudem ist auch kein Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin ersichtlich (s. o.).

2. Zinsen ab Rechtshängigkeit sind gemäß § 291 BGB jeweils ab dem auf die Zustellung des Mahnbescheides folgenden Tag zuzusprechen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO und der Teilklagerücknahme, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf bis 2.000,00 EUR festgesetzt.

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