Erbschaftsstreit: Oberlandesgericht Brandenburg klärt Rechtslage bei Schlusserben und Ersatzerben
In einem komplexen Erbschaftsfall hat das Oberlandesgericht Brandenburg kürzlich eine Entscheidung getroffen, die für viele Erblasser und potenzielle Erben von Bedeutung sein könnte. Im Kern ging es um die Frage, ob ein Enkelkind als Ersatzerbe in die Erbfolge eintreten kann, wenn der ursprünglich im Testament benannte Schlusserbe bereits verstorben ist. Der Beschwerdeführer, ein Sohn der Erblasserin, argumentierte, dass nur die im Testament namentlich genannten Personen erbberechtigt sein sollten. Das Gericht sah dies jedoch anders und stützte sich dabei auf die gesetzlichen Auslegungsregeln des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
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Übersicht
Gesetzliche Auslegungsregeln als Entscheidungsgrundlage
Das Gericht verwies auf § 2069 BGB, der besagt, dass im Zweifel die Zuwendungen an einen Abkömmling auf dessen eigene Abkömmlinge erstreckt werden, wenn der ursprünglich Bedachte nach Errichtung des Testaments weggefallen ist. Das Nachlassgericht hatte zuvor bereits einen Erbschein ausgestellt, der den Beschwerdeführer als Alleinerben auswies. Dieser Erbschein wurde jedoch vom Amtsgericht eingezogen, da er als unrichtig angesehen wurde. Das Oberlandesgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte, dass der Enkel als Ersatzerbe in die Erbfolge eintreten müsse.
Keine klare Willensäußerung der Erblasser
Ein weiterer wichtiger Punkt in der Entscheidung war, dass die Erblasser im gemeinschaftlichen Testament keine besondere Regelung für den Fall getroffen hatten, dass einer der ursprünglich bedachten Abkömmlinge vor ihnen sterben würde. Das Gericht argumentierte, dass in einem solchen Fall die gesetzlichen Auslegungsregeln des BGB Anwendung finden müssten. Der Beschwerdeführer konnte nicht ausreichend belegen, dass die Erblasser einen von § 2069 BGB abweichenden Willen gehabt hätten.
Subjektive Vorstellungen nicht ausreichend
Das Gericht wies darauf hin, dass subjektive Vorstellungen und Überzeugungen vom Willen der Erblasser nicht ausreichen, um die Anwendung des § 2069 BGB auszuschließen. Es müssten konkrete, objektive und belastbare Anhaltspunkte für einen abweichenden Willen der Erblasser vorliegen. Da solche Anhaltspunkte im vorliegenden Fall fehlten, blieb es bei der Anwendung der gesetzlichen Auslegungsregel.
Kosten und Beschwerdewert
Abschließend wurde festgelegt, dass der Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen hat. Der Beschwerdewert wurde auf 5.500 € festgesetzt, basierend auf einem Gesamtnachlasswert von 11.000 €, wie im Erbscheinsantrag angegeben.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 3 W 41/23 – Beschluss vom 20.06.2023
1. Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Fürstenwalde/Spree vom 17.03.2023, Az. 22 VI 410/22, wird zurückgewiesen.
2. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Beschwerdewert: 5.500 €
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer ist der Sohn der Erblasserin aus erster Ehe, der Beteiligte zu 2 ist der Sohn ihres im Jahr 2016 vorverstorbenen Sohns („Name01“), der ebenfalls aus der ersten Ehe der Erblasserin abstammt. In zweiter Ehe war die Erblasserin verheiratet mit dem im Jahr 1998 vorverstorbenen („Name02 Nachname 02“). Gemeinsam mit diesem verfasste sie am 08.05.1994 ein gemeinschaftliches Testament, in dem es heißt:
„ …
Wir, die Eheleute […] setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein (Vollerben).
Als Schlußerben setzen wir ein die Kinder („Name03“) und („Name01 Nachname01“). …“
Auf Antrag des Beteiligten zu 1 erteilte das Nachlassgericht mit Beschluss vom 17.06.2022 einen Erbschein, der den Antragsteller als Alleinerben auswies.
Mit Beschluss vom 17.03.2023 zog das Amtsgericht den erteilten Erbschein ein. Der Erbschein sei unrichtig, da der Beteiligte zu 2 als Abkömmling des als Erben eingesetzten Schlusserben an dessen Stelle getreten sei (§ 2069 BGB).
Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 1 mit seiner Beschwerde, mit der er einwendet, er sei überzeugt davon, dass durch die ausdrückliche namentliche Benennung der Schlusserben im Testament sicher gestellt sei, dass einzig und allein diesen beiden bzw. bei Vorversterben eines Schlusserben nur einem von ihnen allein der Nachlass zufließen sollte. Hätten die Erblasser gewollt, dass eines der Enkelkinder an Stelle eines der benannten Schlusserben an dessen Stelle treten solle, hätten sie dies im Testament auch niedergeschrieben.
Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die nach §§ 58 ff FamFG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Erbschein, der den Beteiligten zu 1 als Alleinerben auswies, war unrichtig und nach § 2361 BGB einzuziehen. Das Nachlassgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass nach der gesetzlichen Auslegungsregel des § 2069 BGB anzunehmen ist, dass der Beteiligte zu 2 als Abkömmling seines als Ersatzerben eingesetzten, vorverstorbenen Vaters an dessen Stelle als Ersatzerbe getreten ist und keine Anwachsung des Erbteils seines vorverstorbenen Vaters auf den Beteiligten zu 1 erfolgt ist.
Die Voraussetzung für eine Anwendung der gesetzlichen Auslegungsregel des § 2069 BGB liegen vor.
Zuwendungen an einen Abkömmling werden durch § 2069 BGB im Zweifel auf dessen Abkömmlinge erstreckt, wenn der ursprünglich Bedachte nach Errichtung des Testaments weggefallen ist. Wenn ein Abkömmling namentlich bedacht ist, so ist zunächst zwar keinerlei Unklarheit und damit Auslegungsfähigkeit vorhanden. Die Verfügung würde aber durch den Wegfall des Bedachten unwirksam. Um dies zu verhindern, gibt § 2069 BGB der ursprünglichen Verfügung einen anderen, der später entstandenen Lage angemessenen Inhalt. Hinter der Erstreckung auf Abkömmlinge des Bedachten steht eine bestimmte Vorstellung von der Motivation des Erblassers, nämlich die Annahme, der Erblasser habe den Bedachten in erster Linie wegen seiner Eigenschaft als Abkömmling eingesetzt. Die gesetzliche Regel geht daher von einem typischen hypothetischen Erblasserwillen zugunsten der Erstreckung auf Abkömmlinge aus (MüKoBGB/Leipold BGB § 2069 Rn. 1, 2).
Zwar gilt dies nur im Zweifel, also dann nicht, wenn sich feststellen lässt, dass ein Erblasser bei Kenntnis vom Wegfall des ursprünglich Bedachten keine Erstreckung auf dessen Abkömmlinge gewollt hätte. Eine solche Feststellung lässt sich hier aber nicht treffen.
Die Erblasser haben im gemeinschaftlichen Testament für den Wegfall des ursprünglich bedachten Abkömmlings keine besondere Verfügung getroffen. Eine Regelung hierzu findet sich im Testament nicht.
Auch im Wege der ergänzenden Testamentsauslegung kann nicht festgestellt werden, dass der Wille der Erblasserin der Anwendung des § 2069 BGB entgegensteht.
§ 2069 BGB findet unabhängig davon, ob die Abkömmlinge namentlich benannt sind oder sich die Zuwendung an diese aus anderen Formulierungen ergibt, Anwendung. Die namentliche Benennung der Söhne als Schlusserben ist kein hinreichender Anhaltspunkt dafür, dass die Erstreckung auf die Abkömmlinge der Bedachten dem Erblasserwillen widerspricht.
Auch außerhalb der Testamentsurkunde liegende Umstände, aus denen sich ergibt, dass die Erstreckung auf Abkömmlinge des Bedachten dem Erblasserwillen widerspricht, so dass § 2069 BGB nicht gilt, sind nicht erkennbar. Der Beschwerdeführer beruft sich allein auf eine seine eigene subjektive Vorstellung und Überzeugung vom Willen der Erblasser. Das ist aber nicht ausreichend. Ohne konkrete objektive und belastbare Anhaltspunkte für einen von § 2069 BGB abweichenden Willen der Erblasserin lässt sich ein solcher im Wege der ergänzenden Auslegung nicht feststellen. Selbst der Nachweis, dass ein Erblasser an einen Wegfall nicht gedacht hat, schließt § 2069 BGB nicht aus; es muss ein abweichender Wille feststellbar sein. Dies gilt auch für einen hypothetischen Willen. Selbst wenn ein Erblasser seine Verfügung nicht geändert hat, obwohl er vom Wegfall des bedachten Abkömmlings Kenntnis erhielt, rechtfertigt dies allein nicht den Schluss, der Erblasser habe keine Erstreckung auf die Abkömmlinge des Weggefallenen gewollt (MüKoBGB/Leipold BGB § 2069 Rn. 20, 21).
Es bleibt damit bei einer Anwendbarkeit der Auslegungsregel des § 2069 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
Die Festsetzung des Beschwerdewerts richtet sich nach dem Interesse des Beschwerdeführers, der erreichen will, nicht nur zur Hälfte, sondern als Alleinerbe am Nachlass zu partizipieren. Hierbei geht der Senat von einem Nachlasswert von 11.000 € aus, wie im Erbscheinsantrag angegeben.