Übersicht
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Hoher Streitwert trotz fehlerhafter Angaben – Gericht lehnt Neubewertung im Erbscheineinziehungsverfahren ab
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- FAQ – Häufige Fragen
- Was ist ein Erbscheineinziehungsverfahren und wann wird es eingeleitet?
- Wie wird der Geschäftswert in einem Erbscheineinziehungsverfahren festgelegt und welche Faktoren spielen dabei eine Rolle?
- Kann der Geschäftswert in einem Erbscheineinziehungsverfahren nachträglich geändert werden, wenn sich herausstellt, dass er falsch berechnet wurde?
- Welche Auswirkungen hat ein bestandskräftiger Beschluss über den Geschäftswert im ursprünglichen Erbscheinsverfahren auf das spätere Erbscheineinziehungsverfahren?
- Welche Rechtsmittel stehen mir zur Verfügung, wenn ich mit der Festsetzung des Geschäftswerts im Erbscheineinziehungsverfahren nicht einverstanden bin?
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Das Verfahren betrifft die Einziehung eines Erbscheins aufgrund falscher Angaben.
- Hintergrund ist, dass ein zunächst erteilter Erbschein die Erben in falscher Weise auswies.
- Die Schwierigkeit besteht darin, den Geschäftswert korrekt festzusetzen, der zur Berechnung der Verfahrenskosten dient.
- Das Gericht entschied, den Geschäftswert für das Erbscheineinziehungsverfahren auf eine bestimmte Summe festzusetzen.
- Die Entscheidung beruht darauf, dass der Geschäftswert die wirtschaftliche Bedeutung des Nachlasses widerspiegeln soll.
- Diese Festsetzung beeinflusst direkt die Kosten, die für das Einziehungsverfahren anfallen.
Hoher Streitwert trotz fehlerhafter Angaben – Gericht lehnt Neubewertung im Erbscheineinziehungsverfahren ab
Der Erbschein ist ein wichtiger Nachweis über die Erbenstellung und wird benötigt, um das Erbe anzutreten und Vermögen des Verstorbenen zu verwalten. Doch es gibt Situationen, in denen dieser Erbschein wieder eingezogen werden muss. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn sich herausstellt, dass der Erbschein auf falschen Angaben beruht oder ein Erbe tatsächlich nicht berechtigt ist, das Erbe anzutreten. In solchen Fällen wird ein Erbscheineinziehungsverfahren eingeleitet.
Ein wichtiger Bestandteil eines solchen Verfahrens ist die Festsetzung eines Geschäftswerts. Dieser Wert dient dazu, die Kosten für das Verfahren zu bestimmen und wird anhand der Streitgegenstände und der Komplexität des Falls berechnet. Die Festsetzung des Geschäftswerts kann einen erheblichen Einfluss auf die Verfahrenskosten haben und sollte daher sorgfältig geprüft werden.
Im Folgenden wollen wir uns mit einem konkreten Fall befassen, in dem ein Erbschein aufgrund falscher Angaben eingezogen wurde, und die Auswirkungen dieser Entscheidung auf die Festlegung eines Geschäftswerts im Einziehungsverfahren näher beleuchten.
Der Fall vor Gericht
Erbscheineinziehungsverfahren wegen fehlerhafter Wertangaben im Ausgangsbeschluss
Das Oberlandesgericht Hamm beschäftigte sich in seinem Beschluss vom 24.03.2022 (Az.: I-15 W 89/22) mit einem Erbscheineinziehungsverfahren und der Festsetzung des Geschäftswerts. Hintergrund war ein vom Amtsgericht auf Antrag des Beteiligten zu 1) erteilter Erbschein vom 9.01.2018, der die Beteiligten zu 1) bis 4) als Erben zu je 1/4 auswies. In einem Beschluss vom 9.02.2018 hatte das Amtsgericht den Geschäftswert für die nach § 79 GNotKG zu erhebenden Gebühren auf Basis des vom Beteiligten zu 1) eingereichten Wertfragebogens auf 328.555,00 EUR festgesetzt.
Einziehung des fehlerhaften Erbscheins und Antrag auf Geschäftswertfestsetzung
Im weiteren Verlauf wurde der Erbschein vom 9.01.2018 durch das Amtsgericht wieder eingezogen. Die Beteiligte zu 2) beantragte daraufhin die Festsetzung des Geschäftswerts für das Erbscheineinziehungsverfahren auf 25.000 EUR. Sie begründete dies damit, dass der ursprüngliche Geschäftswert auf fehlerhaften Wertangaben des Beteiligten zu 1) im Wertfragebogen beruhte. Das Amtsgericht folgte diesem Antrag nicht und setzte den Geschäftswert auf 328.555,00 EUR fest – entsprechend dem Wert im ursprünglichen Erbscheinsverfahren.
Beschwerdeverfahren zur Überprüfung der Geschäftswertfestsetzung
Gegen diesen Beschluss legte die Beteiligte zu 2) Beschwerde ein und beantragte die Herabsetzung des Geschäftswerts auf 25.000 EUR. Das Oberlandesgericht Hamm wies die Beschwerde zurück und bestätigte die Festsetzung des Geschäftswerts auf 328.555,00 EUR. Es begründete seine Entscheidung damit, dass für die Wertfestsetzung im Erbscheineinziehungsverfahren der Wert des Gegenstands maßgeblich ist, auf den sich der einzuziehende Erbschein bezieht. Dieser Wert war vorliegend durch den bestandskräftigen Beschluss des Amtsgerichts vom 9.02.2018 auf 328.555,00 EUR festgesetzt worden.
Maßgeblichkeit des Ausgangsbeschlusses trotz möglicher Fehler
Das OLG Hamm stellte klar, dass dieser im Ausgangsverfahren festgesetzte Geschäftswert auch im Erbscheineinziehungsverfahren zugrunde zu legen ist, selbst wenn er möglicherweise auf fehlerhaften Wertangaben beruhte. Eine Überprüfung und Korrektur des Geschäftswerts kann im Erbscheineinziehungsverfahren nicht erfolgen. Hierfür wäre der Beschluss vom 9.02.2018 mit einem Rechtsmittel anzugreifen gewesen, was jedoch nicht geschehen ist. Somit erlangte der Beschluss Bestandskraft und entfaltet für das gerichtliche Erbscheineinziehungsverfahren Bindungswirkung hinsichtlich des Geschäftswerts.
Die Schlüsselerkenntnisse
Die Entscheidung des OLG Hamm verdeutlicht, dass der im Ausgangsverfahren festgesetzte Geschäftswert auch im nachfolgenden Erbscheineinziehungsverfahren maßgeblich ist, selbst wenn dieser möglicherweise auf fehlerhaften Angaben beruht. Eine nachträgliche Korrektur im Einziehungsverfahren ist ausgeschlossen, da der ursprüngliche Beschluss mangels Anfechtung Bestandskraft erlangt hat und somit bindend ist. Dies unterstreicht die Bedeutung, Beschlüsse zur Geschäftswertfestsetzung frühzeitig zu überprüfen und gegebenenfalls rechtzeitig anzufechten.
FAQ – Häufige Fragen
Das Erbscheineinziehungsverfahren ist ein wichtiges rechtliches Instrument, wenn sich Ungenauigkeiten oder Fehler in einem bereits erteilten Erbschein herausstellen. In diesem Fall kann das zuständige Gericht den Erbschein wieder einziehen und den Geschäftswert neu festsetzen. Die in diesem Artikel präsentierten FAQ bieten Ihnen wertvolle Informationen dazu, wie ein solches Verfahren abläuft, welche Faktoren bei der Geschäftswertberechnung eine Rolle spielen und welche Möglichkeiten Ihnen im Falle einer Unzufriedenheit mit der gerichtlichen Entscheidung offenstehen. Mit diesem praxisnahen Wissen können Sie Ihre individuelle Situation besser einschätzen und die nötigen Schritte einleiten, um Ihre Rechte im Erbscheineinziehungsverfahren optimal zu wahren.
Wichtige Fragen, kurz erläutert:
- Was ist ein Erbscheineinziehungsverfahren und wann wird es eingeleitet?
- Wie wird der Geschäftswert in einem Erbscheineinziehungsverfahren festgelegt und welche Faktoren spielen dabei eine Rolle?
- Kann der Geschäftswert in einem Erbscheineinziehungsverfahren nachträglich geändert werden, wenn sich herausstellt, dass er falsch berechnet wurde?
- Welche Auswirkungen hat ein bestandskräftiger Beschluss über den Geschäftswert im ursprünglichen Erbscheinsverfahren auf das spätere Erbscheineinziehungsverfahren?
- Welche Rechtsmittel stehen mir zur Verfügung, wenn ich mit der Festsetzung des Geschäftswerts im Erbscheineinziehungsverfahren nicht einverstanden bin?
Was ist ein Erbscheineinziehungsverfahren und wann wird es eingeleitet?
Ein Erbscheineinziehungsverfahren ist ein vom Nachlassgericht von Amts wegen eingeleitetes Verfahren, wenn dem Gericht Umstände bekannt werden, die Zweifel an der Richtigkeit eines bereits erteilten Erbscheins begründen. Das Gericht ist dann verpflichtet, alle erforderlichen Ermittlungen durchzuführen, um den Sachverhalt aufzuklären. Dazu kann es Zeugen vernehmen, Sachverständige beauftragen und Dokumente prüfen.
Die Umstände, die Zweifel an der Richtigkeit des Erbscheins wecken, müssen substantiiert sein und über bloße Vermutungen hinausgehen. Ein Erbschein ist beispielsweise unrichtig, wenn er falsche Erben ausweist, die angegebenen Erbquoten nicht stimmen oder Verfügungsbeschränkungen der Erben nicht aufgeführt sind.
Kommt das Gericht zu der Überzeugung, dass der Inhalt des erteilten Erbscheins unzutreffend ist, ordnet es an, dass der Erbschein mitsamt erteilten Ausfertigungen beim Gericht abzuliefern ist. Mit der Einziehung wird der Erbschein kraftlos. Ist die sofortige Einziehung nicht möglich, erklärt das Gericht den Erbschein durch Beschluss für kraftlos.
Das Einziehungsverfahren kann auch von dem wirklichen Erben bei Gericht angeregt werden. Gegen den Beschluss, der die Einziehung anordnet, ist die befristete Beschwerde statthaft, solange die Einziehung noch nicht vollzogen ist. Nach Rückgabe des Erbscheins ist die Beschwerde nur mit dem Ziel der Neuerteilung eines Erbscheins möglich.
Wie wird der Geschäftswert in einem Erbscheineinziehungsverfahren festgelegt und welche Faktoren spielen dabei eine Rolle?
Der Geschäftswert in einem Erbscheineinziehungsverfahren richtet sich grundsätzlich nach dem Wert des gesamten Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls. Dies ergibt sich aus § 40 Abs. 1 Satz 1 des Gerichts- und Notarkostengesetzes (GNotKG). Vom Nachlasswert abgezogen werden dürfen lediglich die vom Erblasser herrührenden Verbindlichkeiten, also Schulden, die der Erblasser noch zu Lebzeiten begründet hat. Nicht abzugsfähig sind hingegen sogenannte Erbfallschulden wie Beerdigungskosten, Vermächtnisse oder Pflichtteilsansprüche.
Der so ermittelte Geschäftswert ist nicht nur für das Verfahren zur Erteilung eines Erbscheins maßgeblich, sondern gilt in der Regel unverändert auch für ein späteres Einziehungsverfahren. Nachträgliche Wertveränderungen des Nachlasses bleiben außer Betracht. Selbst wenn sich das Einziehungsverfahren nur auf einen Teil des Nachlasses bezieht, ist der Wert des Gesamtnachlasses entscheidend, sofern der Beteiligte nicht einen niedrigeren Wert glaubhaft macht.
Der festgesetzte Geschäftswert bildet die Grundlage für die Berechnung der Gerichtsgebühren nach dem GNotKG. Je höher der Geschäftswert, desto höher fallen die Kosten des Erbscheineinziehungsverfahrens aus. Beispielsweise beträgt die Gebühr bei einem Geschäftswert von 100.000 Euro 273 Euro, bei 500.000 Euro bereits 935 Euro. Hinzu kommt noch eine weitere volle Gebühr für die im Verfahren abzugebende eidesstattliche Versicherung.
Für die Beteiligten kann es daher sinnvoll sein, durch Beantragung eines auf den eigenen Erbteil beschränkten Teilerbscheins das Kostenrisiko zu begrenzen. Denn bezieht sich das Verfahren von vornherein nur auf das Erbrecht eines Miterben, bestimmt sich der Geschäftswert auch nur nach dem Anteil dieses Miterben.
Kann der Geschäftswert in einem Erbscheineinziehungsverfahren nachträglich geändert werden, wenn sich herausstellt, dass er falsch berechnet wurde?
Der Geschäftswert in einem Erbscheineinziehungsverfahren kann grundsätzlich nachträglich geändert werden, wenn sich herausstellt, dass er ursprünglich falsch berechnet wurde. Maßgeblich für die Berechnung des Geschäftswerts ist der Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls, abzüglich der vom Erblasser herrührenden Verbindlichkeiten. Stellt sich im Nachhinein heraus, dass bei der Festsetzung des Geschäftswerts Fehler unterlaufen sind, etwa weil der Wert des Nachlasses falsch ermittelt oder Verbindlichkeiten nicht korrekt berücksichtigt wurden, kann eine Korrektur erfolgen.
Zuständig für die Änderung des Geschäftswerts ist das Nachlassgericht, das den Erbschein ursprünglich erteilt hat. Wird dem Gericht bekannt, dass der Geschäftswert unrichtig festgesetzt wurde, kann es von Amts wegen tätig werden und den Wert korrigieren. Auch die Beteiligten des Verfahrens haben die Möglichkeit, einen Antrag auf Änderung des Geschäftswerts zu stellen, wenn sie Fehler bei der Berechnung vermuten.
Wichtig ist, dass die Änderung des Geschäftswerts nur innerhalb bestimmter Fristen möglich ist. Wurde der Geschäftswert rechtskräftig festgesetzt, ist eine nachträgliche Korrektur nur unter engen Voraussetzungen zulässig, etwa wenn neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die eine abweichende Bewertung rechtfertigen. Auch Rechtsmittel gegen die Geschäftswertfestsetzung müssen fristgerecht eingelegt werden.
Ein Beispiel verdeutlicht die Problematik: Der Erblasser hinterlässt ein Vermögen von 500.000 Euro, wovon 100.000 Euro auf Verbindlichkeiten entfallen. Bei der Erteilung des Erbscheins wird der Geschäftswert auf 500.000 Euro festgesetzt, ohne die Verbindlichkeiten zu berücksichtigen. Später stellt sich heraus, dass tatsächlich nur ein Geschäftswert von 400.000 Euro anzusetzen gewesen wäre. In diesem Fall kann eine Korrektur beantragt werden, sofern die Frist dafür noch nicht abgelaufen ist.
Welche Auswirkungen hat ein bestandskräftiger Beschluss über den Geschäftswert im ursprünglichen Erbscheinsverfahren auf das spätere Erbscheineinziehungsverfahren?
Ein bestandskräftiger Beschluss über den Geschäftswert im ursprünglichen Erbscheinsverfahren entfaltet grundsätzlich keine Bindungswirkung für das spätere Erbscheineinziehungsverfahren. Der Grund dafür liegt darin, dass es sich bei der Geschäftswertfestsetzung um eine verfahrensrechtliche Entscheidung handelt, die nicht in materielle Rechtskraft erwächst.
Das bedeutet konkret: Stellt sich im Nachhinein heraus, dass der festgesetzte Geschäftswert auf fehlerhaften oder unvollständigen Angaben beruhte, kann das Nachlassgericht im Einziehungsverfahren zu einer abweichenden Bewertung kommen. Maßgeblich ist stets der tatsächliche Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls, der sich aus dem Aktivvermögen abzüglich der Nachlassverbindlichkeiten ergibt (§ 40 Abs. 1 GNotKG).
Dabei muss das Gericht alle vorliegenden Tatsachen berücksichtigen und gegebenenfalls eine Schätzung vornehmen. Eine willkürliche Festsetzung ist jedoch unzulässig. Vielmehr müssen zumindest ansatzweise Schätzgrundlagen erkennbar sein, etwa aus den Angaben der Beteiligten oder beigefügten Unterlagen wie Kontoauszügen.
Gegen die Geschäftswertfestsetzung im Einziehungsverfahren steht den Beteiligten die Beschwerde nach § 58 ff. GNotKG offen. Eine Anfechtung der ursprünglichen Festsetzung im Erteilungsverfahren ist hingegen nicht mehr möglich, sobald der Beschluss bestandskräftig geworden ist.
Zur Veranschaulichung ein Beispiel:
Der Erblasser E verstirbt und hinterlässt ein Bankguthaben von 50.000 €. Sein Sohn S beantragt einen Erbschein und gibt den Nachlasswert mit 50.000 € an. Das Nachlassgericht setzt den Geschäftswert daraufhin auf 50.000 € fest. Später stellt sich heraus, dass E kurz vor seinem Tod eine wertvolle Immobilie im Wert von 500.000 € verkauft hatte. Das Geld wurde seinem Konto gutgeschrieben. Im Einziehungsverfahren kann das Gericht nun den wahren Wert des Nachlasses mit 550.000 € ansetzen und muss nicht an der ursprünglichen Festsetzung festhalten.
Welche Rechtsmittel stehen mir zur Verfügung, wenn ich mit der Festsetzung des Geschäftswerts im Erbscheineinziehungsverfahren nicht einverstanden bin?
Gegen die Festsetzung des Geschäftswerts im Erbscheineinziehungsverfahren ist die Gegenvorstellung das statthafte Rechtsmittel. Eine Beschwerde gegen die Geschäftswertfestsetzung ist hingegen nicht zulässig. Dies ergibt sich aus § 83 Abs. 2 Satz 7 GNotKG, wonach eine Beschwerde gegen die Festsetzung des Geschäftswerts an einen obersten Gerichtshof des Bundes ausgeschlossen ist.
Die Gegenvorstellung muss innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab Bekanntgabe der Geschäftswertfestsetzung eingelegt werden. Diese Frist ergibt sich aus §§ 83 Abs. 1 Satz 3, 79 Abs. 2 Satz 2 GNotKG. Wird die Gegenvorstellung fristgerecht eingelegt, prüft das Gericht erneut, ob der Geschäftswert zutreffend festgesetzt wurde.
Bei der Festsetzung des Geschäftswerts im Erbscheineinziehungsverfahren ist gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 3 GNotKG der volle Nachlasswert als Bemessungsgrundlage heranzuziehen. Dies gilt unabhängig davon, welchen Anteil am Nachlass der Beteiligte für sich beansprucht. Der Geschäftswert bemisst sich also nicht nur nach dem wirtschaftlichen Interesse des Beteiligten.
Die Erfolgsaussichten einer Gegenvorstellung gegen die Geschäftswertfestsetzung sind eher gering, wenn das Gericht den vollen Nachlasswert gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 3 GNotKG zugrunde gelegt hat. Eine Korrektur der Festsetzung kommt nur in Betracht, wenn das Gericht von einem unzutreffenden Nachlasswert ausgegangen ist oder Rechtsfehler bei der Anwendung des § 40 GNotKG unterlaufen sind. Bloße Einwände gegen die Angemessenheit des festgesetzten Geschäftswerts oder der daraus resultierenden Gerichtskosten führen hingegen nicht zum Erfolg der Gegenvorstellung.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 352 FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit): Regelt das Verfahren zur Einziehung eines Erbscheins. Wenn sich herausstellt, dass der ursprüngliche Erbschein falsch ist, kann ein Antrag auf Einziehung gestellt werden. Dies war der Fall im OLG Hamm-Beschluss, wo der Erbschein aufgrund falscher Annahmen eingezogen wurde.
- § 79 GNotKG (Gesetz über Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gerichte und Notare): Bestimmt die Gebühren und deren Berechnung im Zusammenhang mit der Erteilung und Einziehung von Erbscheinen. Im Fall des OLG Hamm wurde der Geschäftswert auf Grundlage dieses Gesetzes auf 328.555,00 EUR festgesetzt.
- § 40 GNotKG: Legt die Grundlage für die Wertberechnung bei Erbscheinen fest. Der Geschäftswert für die Berechnung der Gebühren wird oft durch den Wert des Nachlasses bestimmt. Im vorliegenden Fall wurde dieser Wert durch einen Wertfragebogen ermittelt.
- § 2361 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Ermächtigt das Nachlassgericht zur Einziehung eines rechtswidrig erteilten Erbscheins. In dem zur Diskussion stehenden Fall wurde der Erbschein eingezogen, weil falsche Werte angegeben wurden.
- Beschwerderecht nach FamFG (§ 59 ff. FamFG): Gibt den Beteiligten das Recht, gegen Entscheidungen des Nachlassgerichts Beschwerde einzulegen. Im Fall des OLG Hamm wurde eine weitergehende Beschwerde zurückgewiesen, woraus hervorgeht, dass das Beschwerderecht genutzt, aber letztlich nicht erfolgreich war.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Erbschein: Eine amtliche Urkunde, die bestätigt, wer Erbe eines Verstorbenen ist und welchen Anteil am Erbe er hat.
- Erbscheineinziehungsverfahren: Ein gerichtliches Verfahren, in dem ein bereits ausgestellter Erbschein für ungültig erklärt und eingezogen wird, beispielsweise wenn er auf falschen Angaben beruht.
- Geschäftswert: Ein Wert, der die wirtschaftliche Bedeutung eines Rechtsstreits widerspiegelt und zur Berechnung von Gerichtsgebühren und Anwaltskosten dient. Im Erbscheinsverfahren wird er anhand des Werts des Nachlasses berechnet.
- Bestandskraft: Eine Entscheidung wird bestandskräftig, wenn sie nicht mehr mit Rechtsmitteln angefochten werden kann und somit endgültig ist.
- Rechtsmittel: Ein Rechtsmittel ist ein juristisches Mittel, um eine gerichtliche Entscheidung anzufechten, zum Beispiel durch Berufung oder Beschwerde.
Das vorliegende Urteil
OLG Hamm – Az.: I-15 W 89/22 – Beschluss vom 24.03.2022
Unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerden wird der Geschäftswert für das Verfahren auf Einziehung des Erbscheins auf 328.555,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Auf den Antrag des Beteiligten zu 1) hatte das Amtsgericht unter dem 9.01.2018 einen Erbschein erteilt, der die Beteiligten zu 1) bis 4) als Erben zu je ¼ ausweist. Mit Beschluss vom 9.02.2018 hatte das Amtsgericht auf der Grundlage des von dem Beteiligten zu 1) eingereichten Wertfragebogens den Geschäftswert für die nach § 79 GNotKG zu erhebenden Gebühren auf 328.555,00 EUR festgesetzt.
[…]
Lesen Sie jetzt den gesamten Urteilstext…
Mit Schriftsatz vom 3.03.2021 hat der Beteiligte zu 1) die Einziehung des Erbscheins angeregt. Die Beteiligten zu 2) bis 4) sind der Einziehung des Erbscheins entgegen getreten. Das Nachlassgericht hat daraufhin ein förmliches Verfahren eingeleitet und die Einziehung des Erbscheins mit Beschluss vom 19.11.2021 abgelehnt. Die Kosten des Einziehungsverfahrens einschließlich der den Beteiligten zu 2) bis 4) entstandenen außergerichtlichen Kosten hat es dem Beteiligten zu 1) auferlegt.
Mit Beschluss vom 3.02.2022 hat das Nachlassgericht den Geschäftswert für das Einziehungsverfahren auf 336.400,00 EUR festgesetzt.
Gegen diesen Beschluss richten sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 16.02.2022, mit der er eine Reduzierung des Werts auf 138.955,00 EUR erreichen will, und die aus eigenem Recht eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 5), mit der er eine Erhöhung des Geschäftswerts auf 775.000,00 EUR erreichen will.
Mit Beschluss vom 24.03.2022 hat das Nachlassgericht der Beschwerde des Beteiligten zu 5) teilweise abgeholfen und den Geschäftswert nunmehr auf 561.400,00 EUR festgesetzt. Die weitergehenden Beschwerden hat es dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist nach § 83 Abs. 1 GNotKG zulässig und in der Sache teilweise begründet. Sie führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen niedrigeren Festsetzung des Geschäftswerts.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 5) ist nach § 32 Abs. 2 RVG zulässig, in der Sache aber nicht begründet.
Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 GNotKG ist der Geschäftswert für das Verfahren zur Erteilung eines Erbscheins (Nr. 2) und für Verfahren zur Einziehung eines Erbscheins (Nr.3) jeweils der Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls. Wertveränderungen nach diesem Zeitpunkt, die den Bestand des Nachlasses betreffen, bleiben außer Betracht (Korintenberg/Sikora, GNotKG, 22. Auflage, § 40 Rn.29; BeckOK KostR/Felix, 37. Ed. 1.4.2022, GNotKG § 40 Rn.57).
Die im Zeitpunkt des Erbfalls zum Nachlass gehörenden Gegenstände hat der Beteiligte zu 1) in seinem Wertfragebogen vollständig angegeben. Das Nachlassgericht hat diese Gegenstände im Rahmen des Beschlusses vom 9.02.2018 zur Festsetzung des Geschäftswerts für das Erbscheinerteilungsverfahren bewertet und den Geschäftswert auf 328.555,00 EUR festgesetzt. Eine Abänderung dieses Beschlusses von Amts wegen nach § 79 Abs. 2 Satz 2 GNotKG kommt nicht mehr in Betracht, da seit der Erteilung des Erbscheins mehr als sechs Monate vergangen sind. Auch zulässige Rechtsmittel können gegen diesen Beschluss nicht mehr eingelegt werden.
Das Verfahren auf Einziehung des Erbscheins ist ein selbständiges Verfahren, für das eine gesonderte Festsetzung des Geschäftswerts erfolgen kann. Der Geschäftswert für das Verfahren auf Einziehung des Erbscheins ist aber regelmäßig derselbe Wert wie bei der Erteilung (NK-GK/Claudia Greipl, 3. Aufl. 2021, GNotKG, § 40 Rn.31).
Eine Ausnahme wird für den Fall angenommen, dass Erbschaftsgegenstände ersatzlos untergegangen sind (NK-GK/Claudia Greipl, a. a. O.). Dieses ist aber entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 1) nicht der Fall. Nach seinem Vortrag soll es über die Grundstücke eine „konkludente“ Teil-Erbauseinandersetzung gegeben haben. Die entsprechenden Grundstücke sind dadurch aber nicht ersatzlos untergegangen.
Der Ansatz eines Geschäftswerts, der über demjenigen liegt, der für das Erbscheinerteilungsverfahren angesetzt worden, ist nur denkbar, wenn Nachlassgegenstände bei der Wertfestsetzung für das Erbscheinerteilungsverfahren nicht berücksichtigt worden sind. Der Beteiligte zu 1) hat aber die Grundstücke und auch den Anteil des Erblassers an der Gesellschaft (55 %) in den eingereichten Wertfragebögen korrekt angegeben und die Bewertung dem Nachlassgericht überlassen. Diese Bewertung hat das Nachlassgericht im seinem Beschluss vom 9.02.2018 vorgenommen und kann von dieser nicht abweichen, ohne dass es zu Wertungswidersprüchen kommt. Die von dem Beteiligten zu 5) eingereichten Unterlagen zum Wert der Immobilien beziehen sich zudem auf den Wert im Jahre 2022 und nicht auf den auch für das Einziehungsverfahren maßgeblichen Wert im Zeitpunkt des Erbfalls.
Nach alledem war die Festsetzung des Geschäftswerts für das Einziehungsverfahren entsprechend der bestandskräftigen Festsetzung des Geschäftswerts für das Erteilungsverfahren vorzunehmen. Die amtsgerichtliche Festsetzung war dementsprechend abzuändern.
Das Verfahren der Beschwerde gegen die Festsetzung des Geschäftswerts ist gebührenfrei. Eine Erstattung der Kosten findet nicht statt (§ 83 Abs. 3 GNotKG).