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Erbscheinerteilung – Unauffindbarkeit der Testamentsurkunde

OLG Frankfurt – Az.: 20 W 357/13 – Beschluss vom 12.03.2014

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Der Geschäftswert wird auf 90.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Erblasser verstarb am …2012 kinderlos. Seine am …1995 vorverstorbene Ehefrau hinterließ eine Tochter. Diese wiederum hat zwei Kinder: die Antragstellerin sowie einen Sohn.

Das zu 2) beteiligte Land kommt als gesetzlicher Erbe in Betracht, da lebende Verwandte des Erblassers nicht bekannt sind.

Mit Antrag vom 24.07.2013 (Bl. 1 d. A.) hat die Antragstellerin unter Bezugnahme auf ihren Schriftsatz vom 15.07.2013 (Bl. 2 ff. d. A., auf den Bezug genommen wird) beim Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie als Alleinerbin des Erblassers ausweist. Sie hat ihr Erbrecht auf ein Testament des Erblassers gestützt, das nicht auffindbar, vermutlich versehentlich ohne Willen des Erblassers vernichtet worden sei und in dem sie als Alleinerbin eingesetzt sei.

Erbscheinerteilung - Unauffindbarkeit der Testamentsurkunde
Symbolfoto: Von Burdun Iliya /Shutterstock.com

Die Antragstellerin hat vorgetragen, dass sie die einzige Vertrauensperson des Erblassers gewesen sei und über Jahre dessen finanzielle Angelegenheiten geregelt habe. Ihre Mutter, die Stieftochter des Erblassers, habe zu diesem hingegen kein besonderes Verhältnis gehabt. Es sei Wille des Erblassers gewesen, dass sein Vermögen nach dessen Tod auf die Antragstellerin übergehe. Er habe dies zu Lebzeiten dadurch dokumentiert, dass er seit mindestens dem Jahre 2001 sein Geldvermögen in Sparkassenbriefen in der Regel mit Verfügungen zu Gunsten der Antragstellerin angelegt habe.

Unter Benennung mehrerer Zeugen – ihres Ehemanns, Mitarbeitern und Mitbewohnern des vom Erblasser bewohnten Pflegeheims sowie Mitarbeitern einer Sparkasse – hat die Antragstellerin vorgetragen, dass der Erblasser sich diesen gegenüber dahingehend geäußert habe, dass die Antragstellerin nach dessen Tod sein Vermögen erhalten solle, dass dieser ein Testament bzw. ein Testament zu ihren Gunsten errichtet habe.

Die Antragstellerin hat die Ansicht vertreten, dass daraus der Schluss zu ziehen sei, dass der Erblasser ein Testament errichtet habe, indem er sie als Alleinerbin eingesetzt habe. Es widerspreche der Lebenserfahrung, dass der Erblasser bei allen relevanten Äußerungen gelogen habe. Zudem habe die Antragstellerin im Jahre 2008 beim Aufräumen in der Wohnung des Erblassers neben ungeöffneten Briefen ein Buch mit dem sinngemäßen Titel „Wie erstelle ich ein Testament“ aufgefunden.

Der Verlust des Testaments sei dadurch zu erklären, dass die Eltern der Antragstellerin bei der Räumung der Wohnung des Erblassers anlässlich dessen Umzugs in ein Pflegeheim am 23.03.2011 alle dort vorhandenen Gegenstände ohne Sichtung vernichtet hätten. Es könne daher ausgeschlossen werden, dass der Erblasser das Testament selbst vernichtet habe.

Mit Schriftsatz der das beteiligte Land vertretenden Oberfinanzdirektion vom 23.08.2013 (Bl. 12 d. A.) hat diese sich zu dem Erbscheinsantrag der Antragstellerin geäußert und ausgeführt, dass zwar ein solcher Antrag grundsätzlich auch auf ein verlorenes Testament gestützt werden könne. In einem solchen Fall müsse aber sowohl dessen formgerechte Errichtung als auch dessen Gesamtinhalt zuverlässig nachgewiesen werden. Dabei seien an den Nachweis strenge Maßstäbe zu stellen. Zeugen, die das Testament nicht gesehen hätten, genügten in der Regel nicht. Vorliegend habe offensichtlich niemand das Testament je gesehen. Ein Anspruch auf Erteilung des Erbscheins sei daher nicht hinreichend dargetan.

Mit Schriftsatz vom 23.09.2013 (Bl. 14 d. A.), auf den Bezug genommen wird, hat die Antragstellerin vorgetragen, dass die Ausführungen der Oberfinanzdirektion den Besonderheiten des Einzelfalls nicht gerecht würden. Es dürften keine unerfüllbaren Beweisanforderungen gestellt werden, es genüge ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebiete, ohne diese auszuschließen. Dieser sei vorliegend anzunehmen. Der Erblasser habe keine gesetzlichen Erben. Er habe bereits zu Lebzeiten bei Anlage seines Vermögens Verfügungen zugunsten der Antragstellerin getroffen. Er habe zudem über Jahre erklärt, dass dieses Vermögen der Beteiligten zu 1) zufließen solle. Die Annahme eines Erblasserwillens, dass sein Vermögen nicht der Antragstellerin sondern dem Fiskus zufließen solle, erscheine lebensfremd.

Es möge zwar in der Regel der Lebenserfahrung entsprechen, dass Äußerungen zu letztwilligen Verfügungen gegenüber Dritten und den mutmaßlich Bedachten nicht immer wahrheitsgemäß seien. Dies komme in Betracht bei mehreren potenziellen Erben oder wenn sich der Erblasser die Gunst eines Menschen sichern wolle. Vorliegend habe eine solche Situation nicht bestanden. Die Annahme, dass die Äußerungen des Erblassers nicht der Wahrheit entsprochen hätten, seien daher nur theoretisch.

Ebenso sei es zwar möglich, dass der Erblasser Formfehler bei der Errichtung der Testamentsurkunde begangen habe. Da ihm ein Anleitungsbuch zur Verfügung gestanden habe, er ohnehin nur handschriftlich geschrieben habe und die Verfügung einfach gewesen sei, sei auch die Annahme eines möglichen Formfehlers nur theoretisch. Gleiches gelte auch für eine denkbare Vernichtung des Testaments durch den Erblasser selbst.

Mit der Antragstellerin am 19.10.2013 zugestellten Beschluss vom 16.10.2013 hat der Richter am Nachlassgericht den Erbscheinsantrag zurückgewiesen. In den Gründen des Beschlusses hat er ausgeführt, dass ein Testament nicht allein wegen seiner Unauffindbarkeit unwirksam sei. Form und Inhalt könnten vielmehr mit allen zulässigen Beweismitteln festgestellt werden. Es müssten aber sowohl formgerechte Errichtung als auch Gesamtinhalt zuverlässig nachgewiesen werden. Die Antragstellerin habe weder für die formgerechte Errichtung noch für den Gesamtinhalt Beweismittel angegeben. Es gebe keine Zeugen, die das Testament als solches gesehen hätten.

Mit beim Nachlassgericht am 12.11.2013 eingegangenem Schriftsatz vom 10.11.2013 (Bl. 20 ff. d. A., auf den Bezug genommen wird) hat die Antragstellerin Beschwerde gegen den Beschluss vom 19.10.2013 eingelegt. Sie hat zur Begründung ausgeführt, dass das Amtsgericht allein darauf abgestellt habe, dass die Errichtung eines wirksamen Testaments, das nicht mehr vorhanden sei, nur durch Zeugen bewiesen werden könne, die das Testament als solches gesehen hätten. Dies greife zu kurz und sei weder mit dem verfassungsrechtlich garantierten Erbrecht noch mit § 2356 Abs. 1 S. 2 BGB vereinbar.

Zum einen genüge die vom Amtsgericht aufgestellte Anforderung nicht, positiv die Errichtung eines formgültigen Testaments festzustellen. Denn wenn Zeugen das Testament als solches gesehen hätten, sei damit weder bewiesen, dass dieses formgerecht errichtet worden sei, noch, dass dieses nicht durch den Erblasser vernichtet worden sei.

Wenn ein Testament nicht mehr auffindbar sei, könne dessen formwirksame Errichtung immer nur im Wege eines Indizienbeweises nachgewiesen werden. Diesen habe die Antragstellerin umfassend angetreten. Soweit das Amtsgericht in Übereinstimmung mit Literatur und Rechtsprechung meine, an den Nachweis seien strenge Anforderungen zu stellen, halte sie dies für falsch. Diese Auffassung werde von ihren Vertretern nicht überzeugend begründet. Das Recht des Erblassers, sein Vermögen nach seinem Willen zu vererben, stehe im Vordergrund. Da dieses Recht und das Erbrecht auch der testamentarischen Erben grundgesetzlich geschützt sei, verbiete es sich, strenge Anforderungen zu stellen. Es erschließe sich nicht, in wessen Interesse dies vorliegend sei, wenn der Erblasserwille klar erkennbar sei.

Mit Beschluss vom 13.11.2013 (Bl. 25 d. A.) hat das Nachlassgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Es hat ausgeführt, dass das Beschwerdevorbringen keine neuen Tatsachen enthalte. Über „Indiztatsachen“ sei nur Beweis zu erheben, wenn diese den sicheren Schluss auf die Haupttatsachen zuließen. Ein solcher Schluss könne vorliegend nicht gezogen werden.

Die Oberfinanzdirektion hat mit Schriftsatz vom 11.12.2013 (Bl. 28 d. A.) Stellung zu der Beschwerde der Antragstellerin genommen und wiederholt im Wesentlichen ihre Ausführungen im Verfahren vor dem Nachlassgericht aus dem Schriftsatz vom 23.08.2013.

Die Antragstellerin weis mit Schriftsatz vom 14.02.2014 (Bl. 29 ff. d. A.), auf den Bezug genommen wird, erneut auf den Grundrechtsschutz des Erbrechts hin. Auch das Recht des eingesetzten Erben, in den Genuss des Vermögens des Erblassers zu gelangen, stehe unter dem Schutz des Grundgesetzes. Die Anforderungen, an Darlegungen, die der Verwirklichung eines geschützten Grundrechts dienen, dürften nicht überspannt werden. Die vorgetragenen Indizien seien ausreichend.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß § 58 FamFG statthaft. Die Antragstellerin ist beschwerdebefugt, weil sie durch den Beschluss des Nachlassgerichts in ihrem möglichen Erbrecht nach dem Erblasser beeinträchtigt wird (§ 59 Abs. 1 FamFG). Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt worden ist (§§ 63, 64 FamFG).

Die Beschwerde hat in der Sache allerdings keinen Erfolg.

Das Amtsgericht hat zu Recht den Antrag der Beteiligten zu 1) auf Erteilung eines Erbscheins, der sie aufgrund testamentarischer Erbfolge als Alleinerbin des Erblassers ausweist, zurückgewiesen.

Das Amtsgericht hat zutreffend angenommen, dass sich weder der Inhalt eines Testaments des Erblassers noch dessen formgerechte Errichtung feststellen lassen und die von der Antragstellerin bezeichneten Beweismittel für weitere diesbezügliche Ermittlungen ungeeignet sind. Weitere Ermittlungen insbesondere durch Durchführung einer Beweisaufnahme waren und sind auch im Beschwerdeverfahren daher nicht geboten.

Gemäß §§ 2355, 2356 Abs. 1 S. 1 BGB ist zum Nachweis eines testamentarischen Erbrechts grundsätzlich die Urschrift der letztwilligen Verfügung vorzulegen, auf die das Erbrecht gestützt wird (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.08.2013, Az.- 3 Wx 134/13, Rn. 16; OLG München, Beschluss vom 22.04.2010, Az. 31 Wx 11/10, Rn. 11; beide zitiert nach juris; Weidlich in Palandt 73. Aufl., § 2356 Rn. 9). Ist diese Urkunde nicht auffindbar, kommt der allgemein anerkannte Grundsatz zum Tragen, dass es die Wirksamkeit eines Testaments nicht berührt, wenn die Urkunde ohne Willen und Zutun des Erblassers vernichtet worden, verloren gegangen oder sonst nicht auffindbar ist (vgl. OLG Düsseldorf, a. a. O., Rn. 16 m w. N.). In einem solchen Fall muss aber über Inhalt und Form des Testaments auf anderem Wege in vergleichbarer Weise Gewissheit bestehen, wie sie durch Vorlage der Urkunde im Original erlangt werden kann. Dies ergibt sich aus der Anforderung des § 2359 BGB, wonach Voraussetzung der Erteilung des Erbscheins ist, dass das Gericht die zur Erteilung erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Daraus ist entgegen der Ansicht der Antragstellerin herzuleiten, dass ein Grad der Gewissheit bestehen muss, der vernünftige Zweifel ausschließt (vgl. J. Mayer in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage, § 2359 BGB, Rn. 11 a. E.). Errichtung und Inhalt des Testaments können dabei mit allen zulässigen Beweismitteln bewiesen werden, wobei – wie das Amtsgericht zutreffend annimmt – nach dem Vorgesagten an den Nachweis strenge Anforderungen zu stellen sind (vgl. OLG München, a.a.O. mit weiteren Nachweisen).

Regelmäßig wird der Nachweis der Einhaltung der Form im Wege des einzig von der Beteiligten zu 1) angebotenen Zeugenbeweises nur dann zu führen sein, wenn der Zeuge das Testament persönlich gesehen hat (vgl. OLG Düsseldorf, a. a. O., Rn. 19). Dies gilt ebenso für den Nachweis des Inhaltes der Erklärung. Durch Zeugenbeweis kann die Einhaltung der Form und der Inhalt der Erklärung nämlich regelmäßig nur dann zuverlässig festgestellt werden, wenn der Zeuge diese Kenntnis durch eigene Anschauung hat. Nur dann wird ihm eine Beschreibung der äußeren Form und eine Wiedergabe des Inhaltes des Testaments möglich sein, die eine Gewissheit schafft, die der durch unmittelbare Vorlage der Testamentsurkunde zu gewinnenden entspricht und nach dem Überzeugungsmaßstab des § 2359 BGB der Erteilung eines Erbscheins zu Grunde gelegt werden kann.

Dieses hohe Maß der Überzeugung muss wegen der weitreichenden Wirkungen bestehen, die ein Erbschein vor allem durch seine Publizitätswirkung (§§ 2365, 2366 f.) entfaltet (vgl. J. Mayer in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. § 2359, Rn. 1). Es muss insbesondere auch im Hinblick auf die Einhaltung der Formvorschriften der §§ 2231 ff. BGB vorliegen, um den mit diesen bezweckten Schutzfunktionen genüge zu tun. Durch die Formvorschriften für Testamente verfolgt das Gesetz nämlich verschiedene Schutzziele (vgl. BGH, Beschluss vom 09.04.1981, Az. IVa ZB 4/80, zitiert nach juris Rn. 15). Die einzuhaltenden Förmlichkeiten sollen den Erblasser dazu veranlassen, sich selbst klar darüber zu werden, welchen Inhalt seine Verfügung von Todes wegen haben soll, und seinen Willen möglichst deutlich zum Ausdruck zu bringen. Sie sollen außerdem dazu dienen, Vorüberlegungen und Entwürfe von der maßgebenden Verfügung exakt abzugrenzen. Die Eigenhändigkeit eines Testaments soll nach der Wertung des Gesetzes außerdem eine erhöhte Sicherheit vor Verfälschungen des Erblasserwillens bieten.

Die von der Beteiligten zu 1) vorgetragenen und unter Zeugenbeweis gestellten Hilfstatsachen lassen, ihr Vorliegen unterstellt, nach Auffassung des Senats in Übereinstimmung mit der amtsgerichtlichen Entscheidung auch in ihrer Gesamtheit keinen nach dem genannten Maßstab hinreichend zuverlässigen Schluss auf die Errichtung eines formgültigen Testaments zugunsten der Antragstellerin durch den Erblasser zu. Aus den vorgetragenen Hilfstatsachen müsste nämlich der Schluss auf drei Tatsachen zu ziehen sein: auf die Errichtung eines Testaments durch den Erblassers, auf die Einhaltung der Formvorschriften und auf die Einsetzung der Antragstellerin als Alleinerbin in dieser Verfügung.

Neben dem von der Antragstellerin basierend auf den von ihr vorgetragenen Hilfstatsachen, deren Nachweisbarkeit unterstellt, zugrunde gelegten hypothetischen Verlauf sind nach Überzeugung des Senats auch eine Reihe von anderen ebenso wahrscheinlichen Verläufen denkbar, bei denen mindestens eine der genannten Voraussetzungen nicht eingetreten ist.

Die von der Antragstellerin vorgetragenen Äußerungen des Erblassers ihr und Dritten gegenüber, lassen schon nicht zwingend darauf schließen, dass der Erblasser tatsächlich überhaupt ein Testament errichtet hat.

Angaben eines Erblassers über angeblich errichtete Testamente entsprechen erfahrungsgemäß oft nicht den tatsächlichen Gegebenheiten (vgl. OLG Düsseldorf, a. a. O., Rn. 19). Die Ursachen dafür liegen dabei nicht nur – wie die Beschwerde meint – darin, dass der Erblasser mögliche Konflikte mehrerer potenzieller Erben vermeiden oder sich der Gunst der gemäß seiner Äußerung vorgeblich bedachten Person versichern möchte. Es ist auch bei hochbetagten Erblassern nach der Lebenserfahrung nicht selten, dass diese die mit der Errichtung eines Testaments verbundene, häufig als unangenehm empfundene Beschäftigung mit dem eigenen Tode vermeiden wollen. Es ist dann nicht unwahrscheinlich, dass in Gesprächen eine nur beabsichtigte Verfügung als bereits umgesetzt dargestellt wird, um ausführliche Diskussionen oder Nachfragen zu dem als unangenehm empfundenen Thema möglichst zu vermeiden.

Selbst unterstellt, dass der Erblasser ein später verloren gegangenes Testament errichtet hätte, lässt der von der Antragstellerin vorgetragene Umstand, dass der Erblasser ein Anleitungsbuch zur Erstellung von Testamenten besessen habe, keinen zweifelsfreien Schluss darauf zu, dass dies auch formwirksam erfolgt ist. Denn es gibt keine Regel der Lebenserfahrung, dass solche Bücher tatsächlich gelesen oder darin enthaltene Hinweise, deren Inhalt zudem nicht bekannt ist, in wirksame Verfügungen umgesetzt werden. Auch wenn der Erblasser die Hinweise berücksichtigt und zudem sämtliche Schriftstücke immer handschriftlich niedergeschrieben haben sollte, erscheint es weiter auch möglich und mit der Lebenserfahrung vereinbar, dass er eine ausformulierte Verfügung bewusst, z. B. um auch einen Entwurf noch zu überdenken, oder auch versehentlich nicht unterschrieben hat.

Auf den Willen des Erblassers und den möglichen Inhalt seiner Erklärung kommt es mangels Feststellbarkeit einer formgültigen Errichtung eines Testaments im Einzelnen nicht mehr an.

So können das nach ihrem Vortrag sehr enge persönliche Verhältnis der Antragstellerin zum Erblasser und die von ihr angeführten Äußerungen des Erblassers ihr und Dritten gegenüber zwar dafür sprechen, dass der Erblasser die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Äußerungen grundsätzlich auch bedenken wollte. Daraus ist aber nach dem Vorgesagten gerade nicht der zwingende Schluss zu ziehen, dass der Erblasser diesen unverbindlich geäußerten Willen auch formgültig und verbindlich in eine Verfügung von Todes wegen umgesetzt hat. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Erblasser schon zu Lebzeiten der Antragstellerin regelmäßig Zuwendungen zukommen ließ. Auch daraus lässt sich nicht der zwingende Schluss ziehen, dass der Erblasser auch ein formgültiges Testament errichtet hat, in dem er diese als Alleinerbin eingesetzt hat.

Auch gibt es entgegen der Auffassung der Beschwerde vorliegend keinen Anlass und keine Möglichkeit, ausnahmsweise von den hohen, sich aus §§ 2231 ff., 2353 ff. BGB ergebenden Anforderungen an den Nachweis der Errichtung eines formgültigen Testaments abzuweichen. Insbesondere ist dies nicht, wie die Antragstellerin meint, deshalb möglich, weil mangels testamentarischer Erbeinsetzung und fehlender sonstiger gesetzlicher Erben das Vermögen des Erblassers nach § 1936 Abs. 1 BGB dem Fiskus zufallen dürfte. Die genannten Formvorschriften und die für die Erteilung eines Erbscheins zu beachtenden Normen gelten objektiv und unabhängig davon, welche Erbfolge bei der daraus resultierenden Verneinung der Wirksamkeit oder des Vorliegens eines Testaments eintritt. Dabei stellt der Fall, dass eine aus der Sicht einer dem Erblasser nahestehenden Person, die dieser möglicherweise bedenken wollte, unbillig angesehene gesetzliche Erbfolge eintritt, entgegen der Ansicht der Antragstellerin keinen seltenen Ausnahmefall dar. Ähnliche Konstellationen können u. a. auch dann eintreten, wenn Angehörige zu gesetzlichen Erben berufen sind, zu denen das persönliche Verhältnis des Erblassers beeinträchtigt war, während eine persönlich nahestehende Person nicht in die gesetzliche Erbfolge fällt. Auch in diesen Fällen steht dem Eintritt der gesetzlichen Erbfolge nicht entgegen, dass diese sogar dem ausdrücklich bekundeten Willen des Erblassers widerspricht, wenn dieser Wille keinen nachweisbaren Niederschlag in einer formgültigen Verfügung von Todes wegen gefunden hat.

Auch gebietet die von der Beschwerde angeführte verfassungsrechtliche Garantie des Erbrechts keine abweichende Beurteilung. Das Privaterbrecht ist mit seinen tragenden Grundprinzipien nach Art. 14 Abs. 1 GG als Rechtsinstitut und als Individualrecht garantiert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.12.1994, Az. BvR 720/90, BVerfGE 91, 346 – 366, zitiert nach juris Rn 44 m. w. N.). Inhalt und Schranken können nach Art. 14 Abs. 2 GG durch den Gesetzgeber definiert werden. Der Gesetzgeber hat davon u. a. auch mit den Formvorschriften für Testamente nach §§ 2231 ff. BGB Gebrauch gemacht. Die legitimen Zwecke dieser Vorschriften, nämlich Anhalten des Erblassers zur klaren Formulierung, Abgrenzung des Entwurfs von der Verfügung sowie Schutz vor Verfälschung des Erblasserwillens wurden oben bereits angeführt. Die strenge Anwendung dieser Formvorschriften und die hohen Anforderungen an deren Nachweis stehen in Einklang mit den diesen zugrunde liegenden genannten legitimen Zielen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass bestimmendes Element der verfassungsmäßigen Garantie des Erbrechts als Individualrecht die Testierfreiheit des Erblassers ist (vgl. BVerfG, a. a. O., Rn. 46) und die genannten Formvorschriften gerade dem Schutz des Testierenden dienen. Eine Aufweichung in der Anwendung zugunsten eines möglichen Erben würde diese notwendigen Schutzfunktionen gerade aushöhlen und die Gefahr bergen, dass eine klare Abgrenzung von unverbindlichen Äußerungen zu bindenden Erklärungen nicht mehr möglich wäre.

Über die Verpflichtung zur Tragung der Gerichtskosten brauchte nicht besonders befunden zu werden, weil sich diese aus dem Gesetz ergibt (§ 84 FamFG; §§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 GNotKG).

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten war nicht anzuordnen, weil das beteiligte Land zum einen im vorliegenden Verfahren das Erbrecht des Fiskus jedenfalls noch nicht in Anspruch genommen hat und damit nur formell am Verfahren beteiligt war und zudem erkennbar keine erstattungsfähigen Kosten angefallen sind (§§ 84, 81 Abs. 1 FamFG).

Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 61 Abs. 1, 36 Abs. 1 GNotKG und orientiert sich an dem von der Antragstellerin angegebenen Nachlasswert.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind (§ 70 FamFG). Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht gegeben (Meyer-Holz in Keidel, FamFG 18. Aufl, § 70, Rn. 4 und 41).

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