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Erbscheinseinziehungsverfahren – Voraussetzungen für einstweilige Anordnung

OLG München – Az.: 31 Wx 557/19 und 31 Wx 561/19 – Beschluss vom 28.01.2020

1. Der Beschluss des Amtsgerichts Augsburg – Nachlassgericht – vom 21.11.2019 wird in Ziffer 2 aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.

3. Die Beteiligte zu 1 hat die im Beschwerdeverfahren 31 Wx 557/19 angefallenen Gerichtskosten sowie die dem Beteiligten zu 5 entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

4. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren 31 Wx 557/19 wird auf 94.397,74 € festgesetzt.

5. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren 31 Wx 561/19 wird auf 91.363,95 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 richtet sich gegen den Beschluss des Nachlassgerichts vom 21.11.2019. Gegenstand dieses Beschlusses ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung dergestalt, dass der aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments vom 19.1.2019 erteilte Alleinerbschein zugunsten der Beteiligten zu 1 einstweilen zu den Akten gegeben wird (Ziffer 1) sowie der Beteiligten zu 1 aufgegeben wird, sich bis zur rechtskräftigen Entscheidung über eine Einziehung einstweilen jeglicher alleiniger Verfügung über die Nachlassgegenstände zu enthalten (Ziffer 2).

Die einstweilige Anordnung des Nachlassgerichts erging nach Erteilung des Erbscheins zugunsten der Beteiligten zu 1 am 1.10.2019. Hiergegen hat sich der Beteiligte zu 5 mit Schreiben vom 27.10.2019, eingegangen beim Nachlassgericht am 28.10.2019, gewandt. Zudem hat dessen Verfahrenbevollmächtigter mit Schriftsatz vom 18.11.2019, eingegangen am 19.11.2019 nach förmlicher Zustellung des Beschlusses an ihn am 5.11.2019, Beschwerde gegen die Erteilung des Erbscheins eingelegt.

II.

Die zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat lediglich insofern Erfolg, als sie gegen die Ziffer 2 des Beschlusses des Nachlassgerichtes gerichtet ist.

1. Da der Erbschein bereits erteilt ist, ist die Beschwerde des Beteiligten zu 5 als Anregung auf Einziehung des Erbscheins auszulegen (vgl. § 352e Abs. 3 FamFG). Nachdem die „Beschwerde“ fristgemäß erfolgt ist, ist die einstweilige Anordnung des Nachlassgerichts im Rahmen eines Abhilfeverfahrens im Sinne des § 68 FamFG erfolgt.

2. Gleichwohl war das Nachlassgericht für den Erlass der einstweiligen Anordnung zuständig, da im Rahmen des Abhilfeverfahrens aufgrund der Erteilung des Erbscheins die Voraussetzungen des § 2361 BGB zu prüfen sind und dieses insofern im Hinblick auf das Erteilungsverfahren ein gesondert durchzuführendes Verfahren darstellt. Insofern greift § 64 Abs. 3 FamFG nicht, wonach im Beschwerdeverfahren allein das Beschwerdegericht für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zuständig ist.

Auch der Senat ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung in Bezug auf den erteilten Erbschein im Sinne des § 49 FamFG vorliegen.

1. Es liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass im Rahmen der Hauptsacheverfahren im Sinne des § 2361 BGB die Voraussetzungen für eine Einziehung des erteilten Erbscheins gegeben sind, da die Überzeugung des Gerichts von der Richtigkeit des Erbscheins erschüttert ist und die erstmalige Erteilung des Erbscheins auf der derzeitigen Entscheidungsgrundlage nicht erfolgen würde (vgl. Gierl in: Burandt/Rojahn 3. Auflage <2019> § 2361 BGB Rn. 9).

a) Der Senat teilt – auch unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Beteiligten zu 1, 2 und 3 zu dem Hinweisbeschluss des Senats vom 19.12.2019 – weiterhin die Auffassung des Nachlassgerichts, dass die Authentizität des Testaments in Bezug auf den Erblasser zweifelhaft ist. Auch nach den Feststellungen des Senats sind neben der Unterschrift (Datum 19.1.2019) auch im Rahmen der (ersten) Unterschrift des Erblassers in dem Testament (Datum 22.4.2018) Bleistiftspuren unterhalb der mit Kugelschreiber niedergelegten Unterschrift des Erblassers festzustellen. Insofern steht im Raum, dass die Unterschriften des Erblassers nach Vor-Schrift nachgeahmt wurden und so der beantragte Erbschein an sich erst nach Durchführung einer Beweisaufnahme und gegebenenfalls nach Einholung eines Schriftsachverständigengutachtens zur Abklärung der Urheberschaft des Erblassers zu erteilen gewesen wäre.

b) Ob der Erblasser – wie von der Beteiligten zu 1 behauptet und unter Beweis gestellt – tatsächlich der Urheber der hier inmitten stehenden Unterschriften war, bleibt der umfassenden Prüfung des Nachlassgerichts im Hauptsacheverfahren vorbehalten.

2. Angesichts der Publizitätswirkung des Erbscheins im Rechtsverkehr (§§ 2365, 2366 BGB) erkennt auch der Senat ein dringendes Bedürfnis, dass der erteilte Erbschein derzeit keine Rechtswirkung im Rechtsverkehr entfaltet. Da der Erbschein lediglich zu den Akten gegeben wird, nicht aber förmlich im Sinne des § 2361 BGB eingezogen wird, liegt darin keine Vorwegnahme der Hauptsache. Andererseits stellt die Maßnahme eine taugliche Maßnahme dar, dass im Rechtsverkehr keine Rechtsgeschäfte gestützt auf den Erbschein durchgeführt werden können.

3. Für die von dem Nachlassgericht in Ziffer 2 seiner Entscheidung angeordnete Untersagung jeglicher Verfügung betreffend die Nachlassgegenstände ist im Rahmen des § 49 FamFG jedoch kein Raum. Denn die einstweilige Anordnung im Sinne des § 49 FamFG „begleitet“ die Hauptsacheentscheidung, die vorliegend allein die Einziehung des Erbscheins betrifft. Demgemäß ist der in Ziffer 2 angeordnete Ausspruch allein dem Verfahren der einstweiligen Verfügung im Sinne des § 935 ZPO vorbehalten, das im ordentlichen Zivilrechtsverfahren auf Antrag des Beteiligten zu 5 zu verfolgen wäre.

IV.

Die vom Nachlassgericht angeordneten Maßnahmen haben einen eigenständigen Regelungsgehalt und stellen insofern zwei gesonderte Verfahrensgegenstände dar. Demgemäß liegen auch zwei gesondert zu beurteilende Beschwerdegegenstände vor, die zur Entscheidung gestellt sind (vgl. OLG Köln BeckRS 2018, 28413 Tz. 8.). Demgemäß ist sowohl die Kostenentscheidung als auch die Festsetzung des Geschäftswerts für das jeweilige Beschwerdeverfahren gesondert zu treffen (vgl. OLG München FGPrax 2019, 163). Das Beschwerdeverfahren betreffend Ziffer 1 des Beschlusses des Nachlassgerichts wird daher unter dem Aktenzeichen 31 Wx 557/19, betreffend Ziffer 2 des Beschlusses des Nachlassgerichts unter dem Aktenzeichen 31 Wx 561/19 geführt.

V.

1. Da die Beschwerde der Beteiligten zu 1 im Verfahren 31 Wx 557/19 erfolglos blieb, hat sie kraft Gesetzes die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Die Anordnung der Erstattung der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beteiligten zu 5 beruht auf § 84 FamFG.

2. In Bezug auf das Verfahren 31 Wx 561/19 war die Beschwerde erfolgreich. Insofern ist eine Entscheidung über die Gerichtskosten nicht geboten (§ 25 Abs. 1 GNotKG). Für eine Anordnung der Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1 durch die übrigen Beteiligten besteht keine Veranlassung.

VI.

3. Ausgehend von einem Nachlasswert i.H.v. 188.795,48 €, wobei in Bezug auf die Immobilie nach den Berechnungen des Nachlassgerichts ein Wert i.H.v. 182.727,90 € anzusetzen ist und da die Anordnung in Ziffer 2 des Beschlusses des Nachlassgerichts auf diese bezogen ist, errechnen sich gemäß § 62 GNotKG für die erwachsenen Gerichtskosten im Verfahren 31 Wx 557/19 ein Geschäftswert i.H.v. 94.397,74 € und in Bezug auf das Verfahren 31 Wx 561/19 ein Geschäftswert i.H.v. 91.363,95 €.

 

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