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Erbscheinverfahren – Entzug der Vertretungsmacht für eine 14-Jährige

Nach dem Tod der Mutter entbrennt ein Erbstreit zwischen Vater und 14-jähriger Tochter, bei dem das Oberlandesgericht Brandenburg dem Vater die Vertretungsmacht entzieht. Der Vorwurf: Der Vater verfolge im Erbscheinsverfahren nur seine eigenen Interessen und könne die Belange seiner Tochter nicht ausreichend berücksichtigen. Ein Ergänzungspfleger soll nun die Interessen des Mädchens wahren und für ein faires Verfahren sorgen.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 13 WF 53/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Hilfe anfordern


✔ Der Fall: Kurz und knapp

  • Es geht um den Entzug der Vertretungsmacht für einen Vater im Erbscheinverfahren für seine 14-jährige Tochter.
  • Der Vater wollte seine Alleinerbenstellung nach dem Tod der Ehefrau und Mutter der Tochter durchsetzen.
  • Es gab ein umfangreiches, gemeinschaftliches Testament der Eltern.
  • Das Gericht hat dem Vater die Vertretungsmacht entzogen und einen Ergänzungspfleger bestellt.
  • Diese Entscheidung wurde getroffen, weil der Vater möglicherweise nicht die Interessen der Tochter gewahrt hätte.
  • Der Ergänzungspfleger ist ein Rechtsanwalt, der nun die Tochter im Erbscheinverfahren vertritt.
  • Das Gericht stellte klar, dass der Vater die Kosten des Verfahrens tragen muss.
  • Ziel war der Schutz und die korrekte Vertretung der Rechte der minderjährigen Tochter im Erbscheinverfahren.

14-Jährige im Erbstreit: Gericht entzieht Vater Vertretungsmacht

Das Erbscheinverfahren ist ein wichtiger rechtlicher Prozess, der auftritt, wenn eine Person verstirbt und Vermögenswerte hinterlässt. In solch einer Situation muss geklärt werden, wer die Erben sind und wer berechtigt ist, die Hinterlassenschaft zu verwalten. Oft ist dies nicht einfach, da es Konflikte und Unklarheiten geben kann.

Ein besonderer Fall tritt ein, wenn minderjährige Erben beteiligt sind. Dann müssen zusätzliche Regeln beachtet werden, um die Interessen der Minderjährigen zu schützen. Das Gericht muss sicherstellen, dass die Vertretung der Minderjährigen korrekt erfolgt und ihre Rechte gewahrt bleiben.

In einem solchen Fall, in dem eine 14-Jährige betroffen ist, wird im Folgenden ein konkretes Gerichtsurteil näher beleuchtet. Dieses Urteil zeigt, wie das Gericht in einer solch komplexen Situation entschieden hat und welche Überlegungen dabei eine Rolle spielten.

Rechtsklarheit im Erbrecht: Wir unterstützen Sie

Die Komplexität eines Erbscheinsverfahrens, insbesondere wenn minderjährige Erben involviert sind, kann überwältigend sein. Kanzlei Kotz versteht die emotionalen und rechtlichen Herausforderungen, die solche Situationen mit sich bringen. Mit unserer langjährigen Erfahrung im Erbrecht stehen wir Ihnen zur Seite, um Ihre Interessen zu schützen und für Klarheit zu sorgen. Nehmen Sie noch heute unverbindlich Kontakt mit uns auf und lassen Sie uns gemeinsam die beste Lösung für Ihre Situation finden.

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✔ Der Fall vor dem Oberlandesgericht Brandenburg


Entzug der Vertretungsmacht für 14-Jährige im Erbscheinsverfahren nach dem Tod der Mutter

In diesem Fall geht es um ein Erbscheinsverfahren nach dem Tod der Mutter einer 14-jährigen Tochter. Der Vater, der das alleinige Sorgerecht für die Tochter hat, beantragte einen Erbschein, der ihn als Alleinerben ausweisen sollte.

Die verstorbene Mutter und der Vater hatten zu Lebzeiten ein gemeinschaftliches Testament errichtet. Darin setzten sie sich gegenseitig zu Vollerben ein und trafen umfangreiche weitere Regelungen wie Vermächtnisse für die gemeinsamen Kinder in Höhe von je 800.000 Euro.

Das Amtsgericht regte an, für die 14-jährige Tochter einen Ergänzungspfleger für das Erbscheinsverfahren zu bestellen und entzog dem Vater insoweit die Vertretungsmacht. Dagegen legte der Vater Beschwerde ein. Er sah die Voraussetzungen für eine Ergänzungspflegschaft nicht als gegeben an, da kein erheblicher Interessengegensatz zwischen ihm und seiner Tochter bestehe.

Gericht bejaht erheblichen Interessengegensatz zwischen Vater und Tochter

Das Oberlandesgericht Brandenburg wies die Beschwerde des Vaters zurück. Es sah die Voraussetzungen für den Entzug der Vertretungsmacht und die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft als erfüllt an.

Nach Auffassung des Gerichts besteht im Erbscheinsverfahren ein erheblicher Interessengegensatz zwischen dem Vater und seiner Tochter. Der Vater verfolgt mit seinem Antrag auf Erteilung des Erbscheins seine Alleinerbenstellung. Dieses Interesse steht im Gegensatz zu einem möglichen Interesse der Tochter an der Feststellung eines anderen Ergebnisses, etwa einer Miterbenstellung der Kinder neben dem Vater.

Das gemeinschaftliche Testament der Eltern enthält auslegungsbedürftige Regelungen. Es könnte bei Berücksichtigung der Kinder ein anderes Ergebnis als die vom Vater angestrebte Alleinerbenstellung in Betracht kommen. Da der Vater diese Auffassung nicht teilt, besteht ein objektiver Interessengegensatz. Sein eigenes Interesse an der Feststellung der Alleinerbenschaft kann er nur auf Kosten eines möglichen abweichenden Interesses der Tochter durchsetzen.

Das Gericht sah es als nicht gewährleistet an, dass der Vater die Interessen der Tochter in diesem Konflikt ausreichend berücksichtigen und zur Geltung bringen kann. Daher war ihm die Vertretungsmacht zu entziehen.

Ergänzungspfleger soll Interessen des Kindes objektiv wahrnehmen

Der bestellte Ergänzungspfleger soll nun die Interessen der 14-Jährigen im Erbscheinsverfahren objektiv prüfen und erforderlichenfalls geltend machen. Er tritt insoweit an die Stelle des Vaters als gesetzlicher Vertreter.

Das Gericht betonte, dass es Aufgabe des Ergänzungspflegers sei, die Interessen des Kindes zu ermitteln und im Verfahren zur Geltung zu bringen. Er dürfe das Kind nicht gegen dessen Interessen vertreten. Vielmehr solle er die Minderjährige aus möglichen familiären Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit dem Erbscheinsverfahren heraushalten.

Der Umstand, dass das Erbscheinsverfahren vom Amtsermittlungsgrundsatz beherrscht wird und die Auslegung des Testaments letztlich Sache des Nachlassgerichts ist, ändert nach Auffassung des Oberlandesgerichts nichts an der Notwendigkeit einer Ergänzungspflegschaft. Auch in einem solchen Verfahren könne auf die zu treffende Entscheidung Einfluss genommen und das Interesse der Beteiligten gefördert werden.

Erforderlichkeit der Ergänzungspflegschaft trotz Amtsermittlungsgrundsatz

Das Oberlandesgericht Brandenburg hat mit dieser Entscheidung klargestellt, dass auch in einem vom Amtsermittlungsgrundsatz beherrschten Erbscheinsverfahren die Bestellung eines Ergänzungspflegers zum Schutz der Interessen minderjähriger Beteiligter erforderlich sein kann.

Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gebietet es, den Beteiligten die effektive Möglichkeit zu geben, auf das Verfahren und dessen Ergebnis Einfluss zu nehmen. Gerade Minderjährige sind dabei auf eine interessengerechte Vertretung durch die gesetzlichen Vertreter angewiesen.

Besteht jedoch aufgrund gegenläufiger Interessen die Gefahr, dass der gesetzliche Vertreter die Belange des Kindes nicht umfassend wahrnehmen kann, ist ihm insoweit die Vertretungsmacht zu entziehen und ein Ergänzungspfleger zu bestellen. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Rechte und Interessen des Kindes im Verfahren hinreichend Berücksichtigung finden.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Die Entscheidung verdeutlicht, dass bei einem erheblichen Interessengegensatz zwischen sorgeberechtigtem Elternteil und minderjährigem Kind im Erbscheinsverfahren die Bestellung eines Ergänzungspflegers erforderlich sein kann. Nur so ist gewährleistet, dass die Rechte und Interessen des Kindes hinreichend Berücksichtigung finden, selbst wenn der Amtsermittlungsgrundsatz gilt. Der Ergänzungspfleger soll das Kind schützen und dessen Interessen objektiv vertreten, um ihm rechtliches Gehör und Einflussnahme auf das Verfahren zu ermöglichen.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Sind Sie Elternteil eines minderjährigen Kindes und in ein Erbscheinsverfahren involviert? Dann könnte dieses Urteil für Sie von großer Bedeutung sein. Es zeigt, dass Gerichte sehr genau darauf achten, dass die Interessen von Kindern im Erbschaftsfall gewahrt bleiben. Selbst wenn Sie das alleinige Sorgerecht haben, kann es sein, dass ein Gericht Ihnen die Vertretungsmacht entzieht, wenn es einen Interessenkonflikt zwischen Ihnen und Ihrem Kind sieht. Dies dient dazu, sicherzustellen, dass Ihr Kind fair behandelt wird und seine Rechte im Erbscheinsverfahren geschützt sind. Ein Ergänzungspfleger wird dann bestellt, um die Interessen Ihres Kindes unabhängig zu vertreten.

Was sollten Sie tun?

Wenn Sie sich in einer ähnlichen Situation befinden, sollten Sie unbedingt rechtlichen Rat einholen, um Ihre Rechte und die Ihres Kindes zu verstehen. Ein Anwalt kann Sie durch das komplexe Verfahren führen und sicherstellen, dass die Interessen Ihres Kindes angemessen vertreten werden.


✔ FAQ – Häufige Fragen

Das Thema: Interessenkonflikt im Erbscheinsverfahren wirft bei vielen Lesern Fragen auf. Unsere FAQ-Sektion bietet Ihnen wertvolle Insights und Hintergrundinformationen, um Ihr Verständnis für dieses Thema zu vertiefen. Weiterhin finden Sie in der Folge einige der Rechtsgrundlagen, die für dieses Urteil wichtig waren.


Was ist ein Ergänzungspfleger und welche Rolle spielt er im Erbscheinsverfahren?

Ein Ergänzungspfleger wird vom Familiengericht bestellt, wenn Eltern oder Vormund aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen bestimmte Angelegenheiten eines minderjährigen Kindes nicht wahrnehmen können. Dies geschieht oft bei Interessenkonflikten, wie sie im Erbscheinsverfahren auftreten können.

Im Erbscheinsverfahren dient der Ergänzungspfleger dazu, die Interessen des minderjährigen Kindes zu vertreten, wenn ein erheblicher Interessengegensatz zwischen dem Kind und dem gesetzlichen Vertreter besteht. Ein solcher Interessengegensatz liegt vor, wenn der gesetzliche Vertreter eigene Interessen verfolgt, die den Interessen des Kindes entgegenstehen könnten. Beispielsweise könnte ein Vater, der als Alleinerbe auftreten möchte, im Konflikt mit den Interessen seiner Tochter stehen, die möglicherweise ebenfalls Erbin ist.

Der Ergänzungspfleger hat die Aufgabe, die objektiven Interessen des Kindes zu ermitteln und im Verfahren geltend zu machen. Er soll das Kind vor familiären Konflikten schützen und sicherstellen, dass dessen Rechte und Interessen gewahrt bleiben. Dabei darf der Ergänzungspfleger nicht gegen die Interessen des Kindes handeln, sondern muss diese bestmöglich vertreten.

Die Bestellung eines Ergänzungspflegers erfolgt durch das Familiengericht, das die Eignung und Bereitschaft der Person prüft. Die Kosten für den Ergänzungspfleger können vom Gericht übernommen werden, wenn das Kind mittellos ist. Die Ergänzungspflegschaft endet, sobald die Angelegenheit abgeschlossen ist oder die Voraussetzungen für die Bestellung entfallen.


Unter welchen Umständen kann einem Elternteil die Vertretungsmacht im Erbscheinsverfahren entzogen werden?

Einem Elternteil kann die Vertretungsmacht im Erbscheinsverfahren entzogen werden, wenn ein erheblicher Interessengegensatz zwischen den Interessen des Kindes und des Elternteils besteht. Dies ist der Fall, wenn die Interessen des Kindes und des Elternteils so stark auseinandergehen, dass das Interesse des einen nur auf Kosten des anderen durchgesetzt werden kann.

Nach § 1909 BGB erhält ein Kind einen Ergänzungspfleger, wenn die Eltern an der Besorgung einzelner Angelegenheiten tatsächlich oder rechtlich verhindert sind. Ein solcher Interessengegensatz kann beispielsweise vorliegen, wenn der Elternteil aus Eigennutz handelt, etwa um selbst Erbe zu werden, indem er die Erbschaft des Kindes ausschlägt. In solchen Fällen kann das Familiengericht die Vertretungsmacht des Elternteils entziehen und einen Ergänzungspfleger bestellen, der die Interessen des Kindes wahrnimmt.

Ein konkreter Fall zeigt, dass die Beantragung eines Erbscheins kein Rechtsgeschäft im Sinne des § 1795 BGB darstellt und daher nicht automatisch zu einem Ausschluss der Vertretungsmacht führt. Allerdings kann die Vertretungsmacht nach §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 Abs. 2 BGB entzogen werden, wenn das Interesse des Kindes erheblich im Gegensatz zum Interesse des Elternteils steht. Dies wurde in einem Fall bestätigt, in dem der Vater als alleiniger Sorgeberechtigter die Vertretungsmacht für das Erbscheinsverfahren verlor, weil seine Interessen im Widerspruch zu denen seiner Tochter standen.

Ein weiteres Beispiel zeigt, dass das Oberlandesgericht Nürnberg entschied, dass allein die Erbenstellung der Mutter und der Töchter keinen ausreichenden Interessengegensatz darstellt, um die Vertretungsmacht zu entziehen. Die Mutter hatte erklärt, dass sie die Vermögenssorge im Interesse der Kinder ausüben würde, was das Gericht als ausreichend ansah, um die Vertretungsmacht nicht zu entziehen.

Diese Entscheidungen verdeutlichen, dass der Entzug der Vertretungsmacht im Erbscheinsverfahren sorgfältig geprüft wird und nur erfolgt, wenn ein klarer Interessenkonflikt vorliegt, der die Interessen des Kindes gefährden könnte.


Wie wird sichergestellt, dass die Interessen des Kindes im Erbscheinsverfahren gewahrt bleiben, wenn ein Elternteil die Vertretungsmacht entzogen bekommt?

Wenn einem Elternteil die Vertretungsmacht im Erbscheinsverfahren entzogen wird, wird die Wahrung der Interessen des Kindes durch mehrere Maßnahmen sichergestellt. Zunächst wird ein Ergänzungspfleger bestellt, der die Interessen des Kindes im Verfahren vertritt. Diese Maßnahme erfolgt, wenn ein erheblicher Interessenkonflikt zwischen dem Elternteil und dem Kind besteht und nicht zu erwarten ist, dass der Elternteil trotz des Konflikts im Interesse des Kindes handelt. Der Ergänzungspfleger hat die Aufgabe, die objektiven Interessen des Kindes zu ermitteln und im Verfahren geltend zu machen. Er darf das Kind nicht gegen dessen Interessen vertreten, sondern soll es vor familiären Konflikten schützen, die aus dem Erbscheinsverfahren resultieren könnten.

Das Gericht überwacht den gesamten Prozess und stellt sicher, dass die Rechte des Kindes gewahrt bleiben. Es hat die Pflicht, von Amts wegen alle entscheidungserheblichen Tatsachen zu ermitteln und die geeigneten Beweise aufzunehmen. Dies geschieht nach dem sogenannten Amtsermittlungsgrundsatz, der sicherstellt, dass das Gericht unabhängig und umfassend prüft, ob die Voraussetzungen für die Erteilung eines Erbscheins vorliegen.

Das Kind hat zudem das Recht, im Verfahren angehört zu werden. Dies gilt insbesondere, wenn es um seine Vermögensinteressen geht. Die Anhörung kann mündlich oder schriftlich erfolgen und soll dem Kind die Möglichkeit geben, seine Sichtweise darzulegen. Das Gericht muss die Äußerungen des Kindes berücksichtigen und in seine Entscheidungsfindung einbeziehen.

Durch diese Maßnahmen wird sichergestellt, dass die Interessen des Kindes im Erbscheinsverfahren umfassend geschützt und berücksichtigt werden.


Was bedeutet der Amtsermittlungsgrundsatz im Erbscheinsverfahren und welche Auswirkungen hat er auf die Notwendigkeit einer Ergänzungspflegschaft?

Der Amtsermittlungsgrundsatz im Erbscheinsverfahren bedeutet, dass das Nachlassgericht von Amts wegen die erforderlichen Ermittlungen zur Feststellung der Tatsachen durchführt. Dies unterscheidet sich vom Zivilprozess, wo die Parteien die wesentlichen Tatsachen selbst vorbringen müssen. Das Gericht ist verpflichtet, alle geeigneten Beweise aufzunehmen, um die materielle Rechtslage zu klären. Dies dient dem Schutz des wahren Erben und der Rechtssicherheit im Rechtsverkehr, da ein falscher Erbschein erhebliche rechtliche Konsequenzen haben kann.

Trotz des Amtsermittlungsgrundsatzes kann die Bestellung eines Ergänzungspflegers notwendig sein, wenn ein minderjähriger Erbe betroffen ist. Ein Ergänzungspfleger wird eingesetzt, wenn ein erheblicher Interessenkonflikt zwischen dem gesetzlichen Vertreter (z. B. einem Elternteil) und dem minderjährigen Erben besteht. Dies ist der Fall, wenn der gesetzliche Vertreter eigene Interessen verfolgt, die den Interessen des Kindes widersprechen könnten. Im Erbscheinsverfahren kann dies beispielsweise der Fall sein, wenn der Vater als Alleinerbe auftreten möchte, während die Möglichkeit besteht, dass das Kind ebenfalls Erbansprüche hat.

Die Ergänzungspflegschaft stellt sicher, dass die Interessen des minderjährigen Erben objektiv und unabhängig vertreten werden. Der Ergänzungspfleger übernimmt die Vertretung des Kindes im Erbscheinsverfahren und sorgt dafür, dass dessen Rechte und Ansprüche gewahrt bleiben. Dies ist besonders wichtig, da der gesetzliche Vertreter aufgrund des Interessenkonflikts möglicherweise nicht in der Lage ist, die Interessen des Kindes angemessen zu vertreten.


Welche Rechte hat ein minderjähriges Kind im Erbscheinsverfahren und wie kann es diese Rechte wahrnehmen?

Ein minderjähriges Kind hat im Erbscheinsverfahren bestimmte Rechte, die es jedoch aufgrund seiner beschränkten Geschäftsfähigkeit nicht selbstständig wahrnehmen kann. Diese Rechte werden durch gesetzliche Vertreter oder einen Ergänzungspfleger ausgeübt.

Ein minderjähriger Erbe kann nicht selbstständig über die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft entscheiden. Diese Entscheidungen müssen von den gesetzlichen Vertretern, in der Regel den Eltern, getroffen werden. Wenn die Eltern im Interessenkonflikt stehen, etwa weil sie selbst Erben sind, wird ein Ergänzungspfleger bestellt, der die Interessen des Kindes unabhängig wahrnimmt. Dies ist notwendig, um sicherzustellen, dass die Interessen des minderjährigen Erben objektiv vertreten werden.

Das Familiengericht kann den gesetzlichen Vertretern die Vertretungsmacht entziehen, wenn ein erheblicher Interessengegensatz besteht. Dies geschieht, um die Rechte des Kindes zu schützen und sicherzustellen, dass seine Interessen gewahrt bleiben. Ein Ergänzungspfleger wird bestellt, wenn die Eltern nicht in der Lage sind, die Interessen des Kindes angemessen zu vertreten.

Im Erbscheinsverfahren hat das minderjährige Kind das Recht auf rechtliches Gehör. Das bedeutet, dass das Gericht die Interessen des Kindes berücksichtigen muss. Der Ergänzungspfleger oder die gesetzlichen Vertreter tragen die Verantwortung, die Rechte des Kindes im Verfahren geltend zu machen und sicherzustellen, dass das Kind angemessen vertreten wird.

Die Bestellung eines Ergänzungspflegers ist verhältnismäßig und notwendig, wenn keine mildere Maßnahme zur Wahrung der Interessen des Kindes ersichtlich ist. Dies dient dazu, den Familienfrieden langfristig zu sichern und die objektive Prüfung der kindlichen Interessen zu gewährleisten.

Ein minderjähriger Erbe haftet nur mit dem geerbten Vermögen und nicht mit seinem eigenen Vermögen. Diese Haftungsbeschränkung schützt den minderjährigen Erben vor finanziellen Nachteilen, die aus der Erbschaft resultieren könnten. Um diese Haftungsbeschränkung zu erreichen, muss der minderjährige Erbe spätestens drei Monate nach Erreichen der Volljährigkeit die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft verlangen.

Die gesetzlichen Vertreter sind verpflichtet, das geerbte Vermögen wirtschaftlich sinnvoll und im Interesse des Kindes zu verwalten. Bei größeren Vermögenswerten, wie Immobilien, dürfen die Eltern diese bis zur Volljährigkeit des Kindes verwalten, jedoch nicht ohne Genehmigung des Familiengerichts verkaufen.

Insgesamt ist es wichtig, dass die Rechte des minderjährigen Erben im Erbscheinsverfahren durch geeignete Maßnahmen und Vertretungen geschützt werden, um sicherzustellen, dass seine Interessen gewahrt bleiben und er nicht benachteiligt wird.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 1909 BGB – Ergänzungspflegschaft: Ein Ergänzungspfleger wird bestellt, wenn ein gesetzlicher Vertreter aufgrund eines Interessenkonfliktes die Interessen des Kindes nicht vertreten kann. Im konkreten Fall wurde dem Vater die Vertretungsmacht entzogen, da potenziell gegenläufige Interessen zwischen ihm und der Tochter im Erbscheinsverfahren bestehen.
  • § 1629 Abs. 2 S. 1 BGB – Vertretung des Kindes: Diese Vorschrift bestimmt, dass Eltern ihr Kind im Rechtsverkehr vertreten. Der Vater der 14-Jährigen war ursprünglich gesetzlicher Vertreter im Erbscheinsverfahren, wurde jedoch wegen des vermuteten Interessenkonfliktes durch einen Ergänzungspfleger ersetzt.
  • § 1795 BGB – Ausschluss der Eltern von der Vertretung: Dieses Gesetz spezifiziert, wann Eltern das Kind nicht vertreten dürfen, beispielsweise bei einem Interessenkonflikt. Da der Vater einen Erbschein für sich selbst beantragte, konnte ein solcher Konflikt bestehen.
  • § 1796 BGB – Bestellung eines Pflegers: Hier wird festgelegt, dass ein Pfleger bestellt werden kann, wenn das Kindeswohl dies erfordert. Das Gericht entschied, dass die Bestellung eines Ergänzungspflegers notwendig ist, um die Interessen der 14-Jährigen objektiv wahrzunehmen.
  • Amtsermittlungsgrundsatz im Erbscheinsverfahren: Dieser Grundsatz besagt, dass das Nachlassgericht die relevanten Fakten und Beweise von Amts wegen ermittelt. Trotz dieses Grundsatzes hielt das Gericht es für notwendig, einen Ergänzungspfleger zu bestellen, um die individuellen Interessen der Minderjährigen zu wahren.
  • Recht auf rechtliches Gehör: Dieser Grundsatz gemäß Art. 103 Abs. 1 GG gebietet, dass alle Beteiligten die Möglichkeit haben müssen, sich effektiv zu äußern und Einfluss auf das Verfahren zu nehmen. Der Ergänzungspfleger soll sicherstellen, dass die 14-Jährige trotz ihres Minderjährigenstatus im Verfahren gehört wird.
  • Erbscheinsverfahren: Dieses Verfahren ermittelt, wer erbberechtigt ist. Das Nachlassgericht prüft Testamente und gesetzliche Erbfolgen. Durch die Bestellung des Ergänzungspflegers wird sichergestellt, dass die Interessen der minderjährigen Tochter in diesem komplizierten Verfahren angemessen vertreten werden.

⇓ Das vorliegende Urteil vom Oberlandesgericht Brandenburg

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 13 WF 53/22- Beschluss vom 19.10.2022

Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 11. Januar 2022 wird zurückgewiesen; klarstellend wird der Beschluss vom 11. Januar 2022 wie folgt neu gefasst:

Dem Beschwerdeführer wird die Vertretungsmacht für das Kind J… M… K…, geboren am … 2008, im Erbscheinsverfahren nach der verstorbenen Kindesmutter P… E… K… entzogen.

Soweit dem Beschwerdeführer die Vertretungsmacht entzogen ist, wird Ergänzungspflegschaft angeordnet.

Als Ergänzungspfleger wird Herr Rechtsanwalt H… E…, …straße …, … F…, in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit eingesetzt.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer ist der sorgeberechtigte Vater der betroffenen 14jährigen J… K…. Die Ehefrau des Beschwerdeführers und Mutter der betroffenen Jugendlichen, Frau P… E… K… ist am … 2021 verstorben. Am 5. Oktober hat der Beschwerdeführer die Erteilung eines Erbscheins nach seiner verstorbenen Frau beantragt, der seine Alleinerbenstellung ausweisen soll. Das Nachlassgericht hat die Bestellung eines Ergänzungspflegers zur Vertretung der Minderjährigen J… im Erbscheinsverfahren angeregt.

Vor dem Ableben der P… E… K… hatten die Eheleute K… ein 8seitiges Testament errichtet, welches wechselseitige Einsetzung des Letztversterbenden zum alleinigen Vollerben sowie umfangreiche Vermächtnisanordnungen, Testamentsvollstreckeranweisungen und weitere Anordnungen enthält (Bl. 8-12).

Das Amtsgericht – Rechtspflegerin – hat dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben, sich schriftlich zu äußern und durch den angefochtenen Beschluss (Bl. 18 ff.) für die betroffene Jugendliche eine Ergänzungspflegschaft für das Erbscheinsverfahren, das in der Beschlussformel offenbar versehentlich als „Erbschaftsverfahren“ bezeichnet ist, angeordnet und den Beteiligten zu 2. als Ergänzungspfleger ausgewählt.

Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde erstrebt der Beschwerdeführer die Aufhebung der Ergänzungspflegschaft und macht geltend, die Voraussetzungen für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft nach § 1909 BGB seien nicht erfüllt. Weder sei er gemäß §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 BGB von der Vertretung ausgeschlossen, noch liege ein Fall des §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 Abs. 2 BGB vor. Ein erheblicher Interessengegensatz zwischen Vater und Tochter bestehe im Erbscheinsverfahren nicht.

Der Senat hat die Sache auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen, die den Beschwerdeführer und die betroffene Jugendliche persönlich angehört hat. Der Beteiligte zu 2. hat sich schriftlich geäußert.

II.

Die gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde des Beschwerdeführers ist unbegründet. Das Amtsgericht hat im Ergebnis zu Recht Ergänzungspflegschaft angeordnet, weil die Voraussetzungen hierfür nach §§ 1909 Abs. 1 S. 1, 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 Abs. 2, 1. Alt. BGB vorliegen.

Nach § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB erhält, wer unter elterlicher Sorge steht, für Angelegenheiten, an denen die Eltern verhindert sind, einen Pfleger. Die Eltern müssen an der Besorgung von einzelnen Angelegenheiten für das Kind tatsächlich oder rechtlich verhindert sein (MüKo BGB/Schwab, 7. A., § 1909 BGB, Rn. 11).

1. Eine Verhinderung des Beschwerdeführers ergibt sich nicht aus §§ 1629 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 1795 BGB. Der Beschwerdeführer ist von der gesetzlichen Vertretung seiner Tochter nicht schon kraft Gesetzes ausgeschlossen. Ein Ausschlussgrund nach den genannten Vorschriften liegt nicht vor. Die Beantragung eines Erbscheins ist kein Rechtsgeschäft im Sinne des § 1795 Abs. 1 BGB.

Ein Ausschlussgrund ergibt sich auch nicht aus § 181 BGB, denn ein Insichgeschäft im Sinne dieser Vorschrift steht im Rahmen des Erbscheinsverfahrens nicht im Raum.

2. Dem Beschwerdeführer als dem gemäß § 1680 Abs. 1 BGB allein Sorgeberechtigten ist die Vertretungsmacht für das Erbscheinsverfahren nach §§ 1629 Abs. 2 S. 3 Hs. 1, 1796 BGB zu entziehen. Nach diesen Vorschriften kann das Familiengericht den Sorgeberechtigten die Vertretung für einzelne Angelegenheiten oder für einen bestimmten Kreis von Angelegenheiten entziehen. Nach Abs. 2, 1. Alt. der Vorschrift soll es dies nur dann tun, wenn das Interesse des Kindes zu dem Interesse des Sorgeberechtigten in erheblichem Gegensatz steht.

Diese Voraussetzung ist hier zu bejahen. Ein Interessengegensatz besteht, wenn die unterschiedlichen Belange, Nutzen oder Vorteile der beiden Interessenträger ein rechtsgeschäftliches Verhalten in gegensätzlichem Sinne beeinflussen können, wenn also die Förderung des einen Interesses nur auf Kosten des anderen möglich ist, wobei eine objektive Beurteilung zu erfolgen hat (vgl. Heilmann/Fink, Praxiskommentar Kindschaftsrecht, 2. A, 2020, § 1629 BGB Rn. 24; OLG Köln FamRZ 2001, 430). Der Interessengegensatz muss im Verfahren konkret feststehen; die bloße Möglichkeit oder Vermutung des Interessengegensatzes genügt nicht (Lafontaine/Herberger in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 1796 BGB (Stand: 18.07.2022), Rn. 11).

Ein Interessengegensatz liegt hier vor. Der Beschwerdeführer will im Erbscheinsverfahren seine Alleinerbenstellung feststellen lassen. Dieses Interesse steht der Geltendmachung eines möglichen Interesses seiner Tochter an der Feststellung eines anderen als des vom Vater verfolgten Verfahrensziels im Erbscheinsverfahren entgegen.

Dem betroffenen Kind und seinem Bruder ist nach dem Testament ein Vermächtnis im Wert von 800.000 € zugewandt. Die Abgrenzung zwischen Vermächtnisnehmer- und Erbenstellung erfolgt nach den zu § 2087 BGB entwickelten Grundsätzen (vgl. MüKo/BGB/Leipold, 8. A., 2020, Einl. z. Erbrecht, Rn. 246). Die Regelungen im Testament sind auslegungsbedürftig. Es könnte ein anderes Ergebnis als die vom Beschwerdeführer beantragte Feststellung von dessen Alleinerbenstellung unter Berücksichtigung beiden Kinder der Erblasserin und des Beschwerdeführers in Betracht zu ziehen sein. Dieses Verständnis teilt der Vater nicht. Er vertritt die Auffassung, seine Kinder seien nicht neben ihm zu Miterben berufen. Hieraus folgt der objektive Gegensatz zwischen seinem Interesse und demjenigen des betroffenen Kindes. Er kann sein eigenes Interesse an der Feststellung seiner Alleinerbenstellung denknotwendig nur auf Kosten eines möglichen hiervon abweichenden Interesses seiner Tochter an der Feststellung etwa einer (Mit-)Erbenstellung fördern (vgl. jurisPK-BGB, 9. A., 2020, § 1796 BGB Rn. 17; Staudinger/Veit a.a.O., § 1796 BGB Rn. 67).

Mit der Bejahung eines objektiven Interessengegensatzes ist nicht der Vorwurf an den Elternteil verbunden, er verfolge nicht subjektiv das Wohl seines Kindes.

Einem Sorgeberechtigten ist die Vertretungsmacht nur insoweit zu entziehen, als der Interessengegensatz erheblich ist. Erheblich ist ein Interessengegensatz dann, wenn er eine genügende Berücksichtigung der Interessen des Kindes durch den vertretenden Elternteil nicht erwarten lässt (OLG Frankfurt JAmt 2013, 667 (668); OLG Karlsruhe NJW-RR 2012, 839 (840); BayObLG FamRZ 2004, 906 (907); BeckOK BGB/Veit, 63. Ed. 1.5.2022, BGB § 1629 Rn. 66).

Dies ist bezogen auf das hier in Rede stehende Erbscheinsverfahren zu bejahen. Denn der Beschwerdeführer ist naturgemäß gehindert im Erbscheinsverfahren zugleich die Feststellung seiner Alleinerbenstellung und eine etwa hiervon abweichende Feststellung, den Belangen der Tochter gegebenenfalls objektiv besser gerecht werdende Feststellung zu erstreben. Ob das Testament in dem Sinne auszulegen sein wird, in dem es der Beschwerdeführer versteht oder anders, bleibt dem Ergebnis des Erbscheinsverfahrens vorbehalten. Die ausführliche Verteidigung seines Verständnisses des gemeinschaftlichen Testaments durch den Beschwerdeführer im vorliegenden Beschwerdeverfahren (Bl. 57R f., 91R), ist jedenfalls gerade nicht geeignet, Zweifel am Vorliegen eines Interessengegensatzes hervorzurufen. Der Prognose, er könnte mögliche von seinem Antrag im Erbscheinsverfahren abweichende Interessen seiner Tochter in Betracht ziehen oder gar im Erbscheinsverfahren zur Geltung bringen, steht sie entgegen.

Liegen – wie hier – die Voraussetzungen der §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 Abs. 2 BGB vor, so hat das Familiengericht die Vertretungsmacht insoweit zu entziehen und einen Ergänzungspfleger zu bestellen (vgl. Staudinger/Veit, 2020, § 1796 BGB, Rn. 46; Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger/Lafontaine, jurisPK-BGB, 9. A., § 1796 Rn. 34).

Die Entscheidung ist auch verhältnismäßig, weil ein milderes Mittel zur Gewährleistung der Interessenwahrung der Minderjährigen im Erbscheinsverfahren nicht ersichtlich ist. Soweit der Beschwerdeführer argumentiert, die Bestellung eines Ergänzungspflegers würde den Familienfrieden stören, ist dem entgegenzuhalten, dass die objektive und unabhängige Prüfung der Interessen der minderjährigen Betroffenen durch einen Unbeteiligten und gegebenenfalls ihre Geltendmachung im Erbscheinsverfahren eine mindestens ebenso hohe Eignung verspricht, dem Familienfrieden langfristig zu dienen wie der Verzicht auf eine umfassende unabhängige (rechtliche) Prüfung der kindlichen Interessen insoweit.

An dieser Beurteilung ändert auch der Umstand nichts, dass das Erbscheinsverfahren vom Amtsermittlungsgrundsatz geprägt ist und die Auslegung des Testaments letztlich Sache des Nachlassgerichts sein wird (OLG Nürnberg NJW-RR 2022, 1016). Die Beherrschung des Verfahrens durch den Amtsermittlungsgrundsatz reduziert nicht die Bedeutung der Anhörung der am Verfahren (kann-)beteiligten Jugendlichen (§ 345 Abs. 1 FamFG, vgl. Bl. 17). Auch in einem solchen Verfahren kann sowohl durch Mitteilung von außerhalb des Testaments liegenden Umständen als auch argumentativ auf die zu treffende Entscheidung Einfluss genommen werden und das Interesse gefördert werden (vgl. OLG Köln, a.a.O.). Gerade diesem Zweck dienen die Vorschriften über die Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl. §§ 345 Abs. 1 S. 2, 7 Abs. 4, 37 Abs. 2 FamFG). Der verfassungsrechtlich in Art. 103 Abs. 1 GG verankerte Grundsatz rechtlichen Gehörs bezweckt – gerade auch im Amtsverfahren – den Betroffenen nicht im Status eines bloßen Objekts des Verfahrens zu belassen, sondern ihn vor Entscheidungen, die seine Rechte betreffen, zu Wort kommen zu lassen, damit er Einfluss auf das Verfahren und dessen Ergebnis nehmen kann (vgl. BVerfG NJW 1993, 2229). Er gebietet den Gerichten überdies das Beteiligtenvorbringen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfG BeckRS 2019, 16042 m.w.N.), damit den Beteiligten die effektive Möglichkeit gegeben wird, die Willensbildung des Gerichts zu beeinflussen. In diesem Zusammenhang besteht zunächst ein Recht der Beteiligten darauf, von allen entscheidungserheblichen Grundlagen Kenntnis zu erlangen (MüKoFamFG/Ulrici, 3. Aufl. 2018, FamFG § 37 Rn. 20). Dies gilt gerade auch für minderjährige und nicht verfahrensfähige Personen, die auf die Wahrnehmung ihrer Interessen durch gesetzliche Vertreter angewiesen sind.

Der entgegenstehende Wille der betroffenen Jugendlichen steht der Entscheidung vorliegend nicht entgegen. Auf ihre Neigungen und Bindungen kommt es in dem Verfahren, in dem es, anders als der Beschwerdeführer meint (Schriftsatz vom 28. September 2022, Bl. 92), nicht um eine Entziehung des Sorgerechts geht (Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger/Lafontaine, jurisPK-BGB, 9. A., § 1796 BGB Rn. 46), sondern ausschließlich um ihre Vertretung im Erbscheinsverfahren, und damit einen Vermögensbelang, nicht entscheidend an (vgl. hierzu Peschel-Gutzeit, NZFam 2014, 433). Der Ergänzungspfleger darf die Jugendliche auch nicht, wie der Beschwerdeführer offenbar annimmt, „gegen ihre Interessen“ (Bl. 57R) vertreten. Zweck seiner Einsetzung ist es gerade, ihre – objektiv zu beurteilenden – Interessen zu ermitteln und im Verfahren zur Geltung zu bringen und sie persönlich aus möglichen sich aus dem Erbscheinsverfahren ergebenden familiären Meinungsverschiedenheiten herauszuhalten.

Zudem hat die Jugendliche Vorstellungen im Hinblick auf Umfang und Wirkung der Ergänzungspflegschaft geäußert, die keinerlei Grundlage in Realität und Rechtslage finden. Insoweit wäre es Aufgabe des sorgeberechtigten Beschwerdeführers, der Jugendlichen ihre unbegründeten Ängste vor dem Verlust der ihr zustehenden Werte durch den Ergänzungspfleger zu nehmen.

Das Amtsgericht hat auch zu Recht geprüft, ob die Mitwirkung eines Rechtskundigen erforderlich ist und diese Frage bejaht.

Tatsächlich klarzustellen ist, dass die Pflegerbestellung für die Vertretung im Erbscheinsverfahren erfolgt. Mit der Beschwerdeentscheidung geht das Beschwerdegericht im vorliegenden amtswegig zu führenden Verfahren nicht über die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Schlechterstellung des Beschwerdeführers hinaus. Die Anordnung der Ergänzungspflegschaft geht mit dem Fehlen der Vertretungsmacht im entsprechenden Umfang notwendig einher. Die Tatsache, dass das Amtsgericht als Grundlage der Anordnung einen Ausschluss der Vertretungsmacht kraft Gesetzes angenommen hatte, während richtig ein Entziehensgrund gemäß §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 BGB festzustellen ist, stellt den Beschwerdeführer nicht schlechter als die angefochtene Entscheidung über die Anordnung der Ergänzungspflegschaft.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG.

Ein Verfahrenswert ist nicht festzusetzen. Endet ein Kindschaftsverfahren mit der Anordnung einer Pflegschaft, wird die Gebühr der Nr. 1310 KV FamGKG nach Anm. I Nr. 3 nicht erhoben, sondern nur eine Gebühr nach Nr. 1312 KV FamGKG, die sich aber nicht nach dem Wert richtet (Volpert in HK-FamGKG, 3. Aufl. 2019, Nr. 1310 Rn. 62 a; Schneider in Gesamtes Kostenrecht Nr. 1310 KV FamGKG Rn. 37; BeckOK Streitwert/Dürbeck Familienrecht – Sorgerechtsverfahren Rn. 9 a; vgl. Schneider in NZFam 2020, 927).

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor (§ 70 Abs. 2 FamFG).

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