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Erbscheinverfahren – Gegenstandswert

Spannung in der Erbschaft: Bemessung der anwaltlichen Gebühren im Mittelpunkt

In einer rechtlichen Auseinandersetzung, die ihren Ursprung in den Wirren einer Erbschaft hatte, kam es zu Unklarheiten bei der Bemessung der anwaltlichen Gebühren. In dem Erbscheinsverfahren spielten emotionale Elemente ebenso eine Rolle wie finanzielle Belange und juristische Details. Der zentrale Knackpunkt lag bei der Bestimmung des Geschäftswertes der anwaltlichen Tätigkeit eines Beteiligten, was schließlich zur Intervention des Oberlandesgerichts Bamberg führte.

Direkt zum Urteil Az: 7 W 18/21 springen.

Der Widerspruch: Relevanz des Alleinerbrechts

Die Verhandlung hatte ihre Ursprünge im Ableben einer Frau aus Neustadt bei Coburg, die von ihrer Tochter und den Kindern ihres vorverstorbenen Sohnes beerbt wurde. Während des Nachlassverfahrens behauptete die beteiligte Tochter, die Alleinerbin zu sein, was bedeutenden Einfluss auf die Bemessung des Geschäftswertes der anwaltlichen Tätigkeit hatte. Die Grundlage für diese Bemessung war der volle Geschäftswert der Erbschaft, der auf 148.596,00 Euro festgesetzt wurde.

Die Beschwerde: Das Wirtschaftliche Interesse im Fokus

Ein weiterer Beteiligter – das Kind des vorverstorbenen Sohnes – beantragte jedoch, den Geschäftswert seiner anwaltlichen Tätigkeit gesondert auf 74.298,00 Euro festzulegen. Er argumentierte, dass die Tochter selbst keinen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins gestellt habe und ihr wirtschaftliches Interesse daher lediglich die Hälfte des Erbes betrage.

Das Urteil: Klärung durch das OLG Bamberg

Das Amtsgericht Coburg, welches den Antrag des Beteiligten zunächst abgelehnt hatte, wurde vom Oberlandesgericht Bamberg überstimmt. Das OLG Bamberg entschied, dass der Geschäftswert der anwaltlichen Tätigkeit des Beteiligten auf 74.298,00 Euro festgesetzt wird, wodurch eine neue Debatte um die Bemessungsgrundlagen von anwaltlichen Gebühren entfacht wurde.


Das vorliegende Urteil

OLG Bamberg – Az.: 7 W 18/21 – Beschluss vom 19.07.2021

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 3) wird der Beschluss des Amtsgerichts Coburg vom 28.4.2021 aufgehoben und der Geschäftswert der anwaltlichen Tätigkeit für die Beteiligte zu 1) auf 74.298,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 28.4.2021 hat das Amtsgericht in einem Erbscheinsverfahren den Antrag des Beteiligten zu 3), den Geschäftswert der anwaltlichen Tätigkeit für die Beteiligte zu 1) gesondert auf 74.298,00 Euro festzusetzen, zurückgewiesen.

Der Beteiligte zu 3) hatte am 6.5.2019 vor dem Notar … einen Erbscheinsantrag beurkunden lassen, die am 30.9.2016 in Neustadt bei Coburg verstorbene Frau … sei aufgrund gesetzlicher Erbfolge von ihrer Tochter … zu 1/2 und von den Kindern des vorverstorbenen Sohnes … dem Beteiligten zu 3) und dem Beteiligten zu 2), zu jeweils 1/4 beerbt worden.

Mit Schreiben vom 20.5.2019 (Bl. 59 d. A.) wurde der Antrag dem Amtsgericht-Nachlassgericht-Coburg vorgelegt.

Mit Beschluss vom 25.1.2021 (Bl. 638 ff. d. A.) hat das Amtsgericht den Erbscheinsantrag zurückgewiesen und dem Beteiligten zu 3) auferlegt, die Kosten des gerichtlichen Verfahrens und die außergerichtlichen Auslagen der Beteiligten zu 1) zu tragen. Im Übrigen wurde von einer Auslagenerstattungspflicht abgesehen.

Mit Beschluss vom 29.3.2021 (Bl. 683 d. A.) wurde der Geschäftswert für das Erbscheinsverfahren auf 148.596,00 Euro festgesetzt.

Mit Schriftsatz vom 13.4.2021 (Bl. 693 ff. d. A.) beantragte der Beteiligte zu 3), den Geschäftswert der anwaltlichen Tätigkeit für die Beteiligte zu 1) gesondert auf 74.298,00 Euro festzusetzen.

Das Amtsgericht hat seinen dem Beschwerdeführer am 21.5.2021 zugestellten Beschluss vom 28.04.2021 im Wesentlichen damit begründet, die Beteiligte zu 1) habe ein Alleinerbrecht geltend gemacht. Deshalb bemesse sich der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit ihrer Bevollmächtigten gemäß § 32 Abs. 1 RVG nach dem vollen Geschäftswert und betrage 148.596,00 Euro.

Mit seiner am 1.6.2021 beim Amtsgericht Coburg eingegangenen Beschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, die Beteiligte zu 1) habe selbst keinen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins gestellt. Sie sei lediglich dem Erbscheinsantrag des Beschwerdeführers vom 6.5.2019, mit dem dieser lediglich das hälftige Erbrecht der Beteiligten zu 1) in Frage gestellt habe, entgegengetreten.

Für den Geschäftswert der anwaltlichen Tätigkeit sei das wirtschaftliche Interesse der Beteiligten zu 1) maßgeblich. Nachdem deren hälftige Erbbeteiligung nicht in Frage gestellt worden sei, sei der Wert für die Rechtsanwaltsgebühren mit der Hälfte des Gegenstandswerts festzusetzen.

Mit Beschluss vom 2.6.2021 hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen:

Der Geschäftswert für das Nachlassverfahren sei unter Berücksichtigung des Nachlasswertes zum Zeitpunkt des Erbfalles nach Abzug der Verbindlichkeiten auf 148.596,00 Euro festgesetzt worden. Entscheidend für den jeweiligen Verfahrensbeteiligten sei sein wirtschaftliches Interesse, bei dem maßgeblich auf den von ihm geltend gemachten Erbteil abzustellen sei. Die Beteiligte zu 1) habe im Nachlassverfahren stets ihr Alleinerbrecht nach der verstorbenen … behauptet. Ihr wirtschaftliches Interesse bemesse sich damit nach der vollen Nachlasshöhe.

Die Beteiligte zu 1) verteidigt die amtsgerichtliche Wertfestsetzung.

Zur Ergänzung wird auf den amtsgerichtlichen Beschluss vom 28.4.2021, die hiergegen erhobene Beschwerde des Beteiligten zu 3), den amtsgerichtlichen Nichtabhilfebeschluss sowie die im Beschwerdeverfahren eingereichten Schriftsätze und Stellungnahmen Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 33 Abs. 3 RVG zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist begründet:

Der Geschäftswert der anwaltlichen Tätigkeit für die Beteiligte zu 1) ist auf der Grundlage von § 33 Abs. 1 RVG auf 74.298,00 Euro festzusetzen:

Denn für die einem Beteiligten zu erstattenden Kosten richtet sich der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit nach den im Verfahren verfolgten wirtschaftlichen Interessen (vgl. OLG Bremen, FGPrax 2012, 129, so im Ergebnis wohl auch: BGH, V ZR 299/14, Beschluss vom 30.10.2019, zitiert nach BeckRS 2019, 29151 zum Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit, der der Beschwer der Partei entspricht).

Das wirtschaftliche Interesse der Beteiligten zu 1) bestand jedoch lediglich darin, über den ihr vom Beschwerdeführer in dessen Erbscheinsantrag zugestandenen Erbteil von 1/2 hinaus ihre Stellung als Alleinerbin zu verteidigen (vgl. zum Ganzen: OLG Bremen, a.a.O., Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl., 2021, Rdnr. 6 zu § 33 RVG). Eine Deckungsgleichheit des wirtschaftlichen Interesses der Tätigkeit des Anwalts für die Beteiligte zu 1) mit dem Umfang des Erbscheinsverfahrens bestand mithin nicht.

Vorliegend ist daher bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise lediglich die Hälfte des Nachlasswertes, mithin ein Betrag von 74.298,00 Euro, als Geschäftswert für die anwaltliche Tätigkeit der Beteiligten zu 1) zu Grunde zu legen.

Die Beschwerde ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet, § 33 Abs. 9 RVG.

Die weitere Beschwerde ist gemäß § 33 Abs. 6 RVG nicht statthaft.

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