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Erbscheinverfahren – Internationale Zuständigkeit der deutschen Nachlassgerichte

OLG Köln – Az.: I-2 Wx 222/18 – Beschluss vom 04.07.2018

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2. vom 19.01.2018 wird der Beschluss des Amtsgerichts Düren vom 20.12.2017 – 80 VI 556/17 – aufgehoben.

Das Amtsgericht Düren wird für unzuständig erklärt.

Eine Kostenerstattung findet in beiden Rechtszügen nicht nicht statt.

Gründe

1.

Mit notariell beurkundetem Antrag vom 23.03.2017 hat die Beteiligte zu 1. bei dem Amtsgericht Düren auf der Grundlage eines Testaments vom 14.06.1990 die Erteilung eines Alleinerbscheins beantragt (Bl. 107 f.). Die Antragstellerin, die Ehefrau des Erblassers, hat erklärt, der letzte erste Wohnsitz des Erblassers sei in I gewesen. Nach ihren Angaben hatten die Eheleute in Spanien ein gemeinsames Haus, dort ihren zweiten Wohnsitz angemeldet und sich in den letzten 17 Jahren mal in Spanien und mal in Deutschland aufgehalten, zuletzt überwiegend in Spanien; der Erblasser lebte krankheitsbedingt überwiegend in Spanien. Im November 2015 habe sich der Erblasser noch für ca. vier bis fünf Wochen in Deutschland (Krankenhaus und Reha) in Deutschland aufgehalten, ansonsten die übrige Zeit in Spanien. In Deutschland hatten die Eheleute nach den Angaben der Antragstellerin keine Immobilie.

Dem Antrag ist der Beteiligte zu 2. entgegengetreten; insbesondere hat er ausdrücklich die internationale Zuständigkeit des Amtsgerichts gerügt.

Mit Beschluss vom 20.12.2017 hat der Nachlassrichter die zur Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet.

Gegen diesen ihm zu Händen seiner Verfahrensbevollmächtigten am 28.12.2017 zugestellten Beschluss wendet sich der Beteiligte zu 2. mit der Beschwerde, die mit einem am 19.01.2018 bei dem Amtsgericht per Telefax eingegangenen Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 19.01.2018 eingelegt worden ist. Der Beschwerde hat das Amtsgericht nicht abgeholfen und die Sache zur Entscheidung dem Oberlandesgericht vorgelegt.

2.

Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Der Feststellungsbeschluss des Amtsgerichts unterliegt der Aufhebung, und das Amtsgericht ist nach Art. 15 EUErbVO für unzuständig zu erklären, weil es an der internationalen Zuständigkeit der deutschen Nachlassgerichte für das vorliegende Erbscheinsverfahren mangelt. Die internationale Zuständigkeit ist im Beschwerdeverfahren zu prüfen, weil § 65 Abs. 4 FamFG nicht die internationale Zuständigkeit erfasst; diese unterliegt in vollem Umfang der Überprüfung durch das Beschwerdegericht (BGH FGPrax 2010, 129; Keidel/Sternal, FamFG, 19. Aufl. 2017, § 65 Rz. 18a m.w.N.).

Die internationale Zuständigkeit der deutschen Nachlassgerichte kann nicht auf § 105 i.V.m. § 343 Abs. 2, 3 FamFG gestützt werden. Die entsprechende, an die örtliche Zuständigkeit anknüpfende Regelung ist nicht mit Art. 4 EUErbVO vereinbar, weil sich die in der Verordnung geregelte internationale Zuständigkeit – auch – auf nationale Nachlasszeugnisse wie den Erbschein deutschen Rechts bezieht.

In dem nach Erlass der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21.06.2018 – C-20/17 – (juris Tz. 576 f.) ist ausgeführt:

„Die Auslegung von Art. 4 der Verordnung, wonach diese Bestimmung die internationale Zuständigkeit der Gerichte der Mitgliedstaaten für die Verfahren zur Ausstellung der nationalen Nachlasszeugnisse festlegt, wirkt im Interesse einer geordneten Rechtspflege innerhalb der Union auf die Verwirklichung dieses Ziels hin, indem sie die Gefahr von Parallelverfahren vor den Gerichten der verschiedenen Mitgliedstaaten sowie von daraus resultierenden Widersprüchen einschränkt.

Hingegen wäre die Erfüllung der mit der Verordnung Nr. 650/2012 angestrebten Zwecke beeinträchtigt, wenn in einer Konstellation wie im Ausgangsverfahren die Bestimmungen des Kapitels II der Verordnung, insbesondere ihr Art. 4, dahin ausgelegt würden, dass sie nicht die internationale Zuständigkeit der mitgliedstaatlichen Gerichte für die Verfahren zur Ausstellung der nationalen Nachlasszeugnisse regeln.“

Die Entscheidung des EuGH ist zwar zu einem Fall ergangen, in welchem die internationale Zuständigkeit (des Amtsgerichts Schöneberg) nach § 105 i.V.m. § 343 Abs. 3 FamFG in Rede stand. Nach den vom EuGH angeführten Grundsätzen steht Art. 4 EUErbVO aber auch einer internationalen Zuständigkeit der deutschen Nachlassgerichte auf der Grundlage des § 105 i.V.m. § 343 Abs. 2 FamFG entgegen.

Eine mit Art. 4 der Verordnung nicht vereinbare Regelung der internationalen Zuständigkeit beinhaltet ebenso § 105 i.V.m. § 343 Abs. 2 FamFG. Denn diese Regelung knüpft an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland an, während Art. 4 EUErbVO auf den gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt des Todes abstellt. Die Gefahr von Parallelverfahren vor Gerichten verschiedener Mitgliedsstaaten wird durch die Anknüpfung der internationalen Zuständigkeit an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland ebenso hervorgerufen wie durch die Anknüpfung an die Voraussetzungen des § 343 Abs. 3 FamFG.

Nach Art. 4 EUErbVO sind für Entscheidungen in Erbsachen für den gesamten Nachlass die Gerichte des Mitgliedsstaates zuständig, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Unter Zugrundelegung der Angaben der Antragstellerin hatte der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Deutschland, sondern in Spanien. Denn er hat sich lediglich noch zu einer Heilbehandlung im Jahre 2015 einige Wochen lang in Deutschland aufgehalten, ansonsten die übrige Zeit in Spanien, wo die Eheleute eine Immobilie hatten.

Die Anordnung einer Erstattung außergerichtlicher Kosten ist in beiden Rechtszügen in Anbetracht der bis zur genannten Entscheidung des EuGH umstrittenen Rechtslage nicht veranlasst (§ 81 Abs. 1 FamFG).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht erfüllt.

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