Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Erbvertrag und Erbeinsetzung: Der Fall des Fahrdienst-Mitarbeiters einer Tagespflege
- Die Ausgangslage: Ein Erblasser, ein Erbvertrag und ein umstrittener Erbe
- Die Vorgeschichte: Eine frühe Bekanntschaft und die spätere Betreuung
- Der Streitpunkt: Ist der Erbvertrag wirksam?
- Die Entscheidung des OLG Hamm: Der Beschluss vom 07.11.2023
- Die Begründung des Gerichts: Wesentliche Erwägungen
- Bedeutung für die Praxis: Was lernen wir aus diesem Fall?
- Die Rolle des Betreuers im Erbschaftsprozess
- Weiterer Verfahrensgang
- Fazit
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was sind die grundlegenden Voraussetzungen für einen wirksamen Erbvertrag?
- Welche Rechte haben gesetzliche Erben bei einem bestehenden Erbvertrag?
- Welche Rolle spielt die Geschäftsfähigkeit des Erblassers bei einem Erbvertrag?
- Welche Möglichkeiten zur Anfechtung eines Erbvertrags gibt es?
- Wie können sich Erblasser vor der Errichtung eines Erbvertrags rechtlich absichern?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: OLG Hamm
- Datum: 07.11.2023
- Aktenzeichen: I-10 W 61/23
- Verfahrensart: Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht Rheda-Wiedenbrück; Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen
- Rechtsbereiche: Erbrecht
- Beteiligte Parteien:
- Beschwerdeführer: Setzt sich für die Wirksamkeit des notariellen Erbvertrags ein, der ihn als Erben bestimmt; legte gegen den Beschluss des Nachlassgerichts Beschwerde ein.
- Antragstellerin: Frau Q. O., geborene D.; vertrat im Erbscheinverfahren die Auffassung, dass der Erbvertrag unwirksam sei und sie infolgedessen nach gesetzlicher Erbfolge beerbt würde – sie verstarb während des Verfahrens.
- Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Erblasser hinterließ ohne weitere testamentarische Verfügungen einen notariellen Erbvertrag, der den Beschwerdeführer als Erben einsetzte; die Antragstellerin machte geltend, der Vertrag sei unwirksam, sodass die gesetzliche Erbfolge zur Anwendung kommen müsste.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Frage, ob die durch den notariellen Erbvertrag geregelte Erbeinsetzung des Beschwerdeführers wirksam ist oder ob statt dessen die gesetzliche Erbfolge maßgeblich sein soll.
- Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Beschwerde des Beschwerdeführers wurde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen; der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen; der Gegenstandswert wurde auf 350.000,00 EUR festgesetzt.
- Folgen: Der Beschwerdeführer muss die festgesetzten Kosten übernehmen, sodass das Urteil die bisherige Praxis des Nachlassgerichts bestätigt und weitere Rechtsmittel nicht zugelassen wurden.
Der Fall vor Gericht
Erbvertrag und Erbeinsetzung: Der Fall des Fahrdienst-Mitarbeiters einer Tagespflege

Dieser Artikel beleuchtet einen Fall, der vor dem Oberlandesgericht Hamm (OLG Hamm, Az.: I-10 W 61/23) verhandelt wurde. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob ein Erbvertrag, in dem ein Mitarbeiter eines Fahrdienstes einer Tagespflege als Erbe eingesetzt wurde, wirksam ist. Der Fall wirft wichtige Fragen zur Nachlassregelung, zu Erbenrechten und zur Rolle von Betreuern im Kontext von Erbschaften auf.
Die Ausgangslage: Ein Erblasser, ein Erbvertrag und ein umstrittener Erbe
Der Fall dreht sich um einen kinderlosen und ledigen Erblasser, der im hohen Alter verstarb. Er hatte eine Schwester, die ursprüngliche Antragstellerin im Erbscheinverfahren, welche aber im Laufe des Verfahrens verstarb. Der Erblasser hinterließ einen notariellen Erbvertrag, in dem er den Beteiligten zu 3, der im Fahrdienst einer Tagespflege beschäftigt war, als seinen Erben einsetzte. Die Schwester des Erblassers war jedoch der Auffassung, dass der Erbvertrag unwirksam sei, weshalb sie sich als gesetzliche Erbin sah. Es gab keine weiteren testamentarischen Verfügungen.
Die Vorgeschichte: Eine frühe Bekanntschaft und die spätere Betreuung
Der Erblasser und der Beteiligte zu 3 lernten sich bereits im Jahr 2001 kennen, als der Beteiligte zu 3 noch die Grundschule besuchte. Er unterstützte den Erblasser gelegentlich bei kleineren Arbeiten wie Rasenmähen, um sein Taschengeld aufzubessern. Der Kontakt brach jedoch später ab. Im Jahr 2018 wurde für den Erblasser eine Betreuung eingerichtet, nachdem er dies selbst beantragt hatte. Frau V. X. wurde als Betreuerin bestellt. Dies ist ein wesentlicher Punkt, da die Einrichtung einer Betreuung die Geschäftsfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt des Erbvertrags berühren könnte.
Der Streitpunkt: Ist der Erbvertrag wirksam?
Der Kern des Streits liegt in der Gültigkeit des Erbvertrags. Die Schwester des Erblassers argumentierte, dass der Erbvertrag unwirksam sei, möglicherweise aufgrund von Zweifeln an der Testierfähigkeit des Erblassers oder aufgrund anderer rechtlicher Mängel. Der Beteiligte zu 3, der durch den Erbvertrag als Erbe eingesetzt wurde, vertrat natürlich die Auffassung, dass der Erbvertrag wirksam ist und er somit Anspruch auf die Erbschaft hat.
Die Entscheidung des OLG Hamm: Der Beschluss vom 07.11.2023
Das OLG Hamm wies die Beschwerde des Beteiligten zu 3 (des im Erbvertrag eingesetzten Erben) gegen den Beschluss des Amtsgerichts zurück. Dies bedeutet, dass das OLG Hamm die Entscheidung der Vorinstanz bestätigte und den Erbvertrag möglicherweise als unwirksam ansah. Der Beschwerdeführer (der Beteiligte zu 3) musste die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen, einschließlich der notwendigen Auslagen der anderen Beteiligten. Eine Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wurde auf 350.000,00 EUR festgesetzt.
Die Begründung des Gerichts: Wesentliche Erwägungen
Leider ist der vollständige Urteilstext in dieser Darstellung ausgeblendet. Um die genauen Gründe für die Entscheidung des OLG Hamm zu erfahren, müsste man den vollständigen Urteilstext einsehen. Mögliche Gründe für die Unwirksamkeit des Erbvertrags könnten sein:
- Testierfähigkeit des Erblassers: War der Erblasser zum Zeitpunkt des Erbvertrags testierfähig? Die Einrichtung einer Betreuung könnte ein Indiz für eine eingeschränkte Geschäftsfähigkeit sein. Das Gericht wird geprüft haben, ob der Erblasser die Tragweite des Erbvertrags verstanden hat.
- Sittenwidrigkeit: Könnte der Erbvertrag sittenwidrig sein? Dies wäre der Fall, wenn die Erbeinsetzung des Fahrdienst-Mitarbeiters in einem auffälligen Missverhältnis zu seinen Leistungen steht und der Erblasser in einer Zwangslage war.
- Formfehler: Entsprach der Erbvertrag den formellen Anforderungen? Ein notarieller Erbvertrag muss bestimmten Formvorschriften genügen, um wirksam zu sein.
Bedeutung für die Praxis: Was lernen wir aus diesem Fall?
Dieser Fall verdeutlicht einige wichtige Aspekte im Zusammenhang mit Erbverträgen und Erbschaften:
- Testierfähigkeit ist entscheidend: Die Testierfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Errichtung eines Testaments oder Erbvertrags ist von zentraler Bedeutung. Zweifel an der Testierfähigkeit können zur Unwirksamkeit der Verfügung führen.
- Sittenwidrigkeit vermeiden: Erbeinsetzungen, die in einem auffälligen Missverhältnis zu den Leistungen des Erben stehen, können als sittenwidrig und damit unwirksam angesehen werden.
- Formvorschriften beachten: Erbverträge müssen den formellen Anforderungen des Gesetzes entsprechen, um wirksam zu sein.
- Rechtliche Beratung in Anspruch nehmen: Eine frühzeitige rechtliche Beratung durch einen Fachanwalt für Erbrecht ist ratsam, um sicherzustellen, dass die Nachlassregelung den eigenen Wünschen entspricht und rechtssicher gestaltet ist. Dies gilt insbesondere bei komplexen Familiensituationen oder wenn eine Betreuung eingerichtet ist.
- Unterstützung im Alter planen: Die Unterstützung im Alter sollte gut geplant sein. Auch wenn Pflegeleistungen oder die Inanspruchnahme von Tagespflege wichtig sind, sollten die erbrechtlichen Aspekte nicht vernachlässigt werden. Eine klare Erbschaftsplanung ist essenziell.
Die Rolle des Betreuers im Erbschaftsprozess
Die Rolle des Betreuers im Erbschaftsprozess ist komplex. Der Betreuer muss die Interessen des Betreuten wahrnehmen. Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob der Betreuer in die Errichtung des Erbvertrags eingebunden war und ob er die Interessen des Erblassers ausreichend geschützt hat. Die genauen Umstände dieser Einbindung sind jedoch ohne den vollständigen Urteilstext nicht zu rekonstruieren.
Weiterer Verfahrensgang
Da das OLG Hamm die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist der Rechtsweg vorerst ausgeschöpft. Es bleibt abzuwarten, ob der Beteiligte zu 3 andere rechtliche Schritte unternimmt, um seine Ansprüche geltend zu machen.
Fazit
Der Fall des Erbvertrags zugunsten eines Fahrdienst-Mitarbeiters einer Tagespflege zeigt, wie komplex die Materie des Erbrechts sein kann. Die Frage der Testierfähigkeit, die mögliche Sittenwidrigkeit und die Einhaltung der Formvorschriften sind nur einige der Aspekte, die bei der Beurteilung der Wirksamkeit eines Erbvertrags eine Rolle spielen. Eine umfassende Erbschaftsplanung und die Inanspruchnahme rechtlicher Beratung sind unerlässlich, um sicherzustellen, dass der letzte Wille des Erblassers rechtssicher umgesetzt wird. Betroffene, die in ähnlichen Situationen rechtliche Unsicherheiten erleben, sollten sich frühzeitig an einen Fachanwalt für Erbrecht wenden, um ihre Erbenrechte zu klären und ihre Ansprüche geltend zu machen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht, dass Erbverträge und Immobilienverkäufe, die kurz nach dem Kennenlernen des Begünstigten und bei beginnender Demenz des Erblassers geschlossen werden, kritisch zu prüfen sind. Besonders wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen Verkaufspreis und tatsächlichem Wert besteht und der Erblasser bereits unter Betreuung steht, können solche Rechtsgeschäfte unwirksam sein. Die Rolle der rechtlichen Betreuung als Schutzinstrument wird dabei hervorgehoben.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie als Erbe oder Angehöriger mit einem ähnlichen Fall konfrontiert sind, haben Sie gute Chancen, fragwürdige Erbverträge oder Immobilienverkäufe anzufechten. Besonders wenn der Erblasser bereits dement oder betreut war und Vermögenswerte deutlich unter Wert veräußert wurden, sollten Sie rechtliche Beratung in Anspruch nehmen. Beachten Sie, dass die Bestellung eines Betreuers nicht automatisch die Geschäftsfähigkeit ausschließt, aber ein wichtiges Indiz für die Beurteilung der Situation sein kann. Als potenzieller Erblasser sollten Sie wichtige Vermögensentscheidungen treffen, solange Ihre geistige Fitness außer Frage steht.
Benötigen Sie Hilfe?
Rechtssichere Perspektiven im Erbrecht
Komplexe Fragestellungen rund um Erbverträge – sei es hinsichtlich der Testierfähigkeit, der Wahrung formaler Anforderungen oder der Verhältnismäßigkeit erbrechtlicher Regelungen – führen oft zu Unsicherheiten. Insbesondere wenn persönliche und familiäre Beziehungen betroffen sind, kann die präzise Prüfung der individuellen Situation entscheidend sein, um spätere Konflikte zu vermeiden.
Wir unterstützen Sie durch eine differenzierte Analyse Ihrer rechtlichen Lage und erarbeiten gemeinsam klare Lösungsansätze. So erhalten Sie eine fundierte Einsicht in die bestehenden Optionen, die Ihnen hilft, Ihre Rechte abzuwägen und künftige Entscheidungen auf solider Basis zu treffen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was sind die grundlegenden Voraussetzungen für einen wirksamen Erbvertrag?
Ein wirksamer Erbvertrag erfordert die Erfüllung mehrerer zwingender Voraussetzungen:
Formelle Voraussetzungen
Der Erbvertrag muss zwingend zur Niederschrift eines Notars erfolgen. Die Vertragsparteien müssen bei der notariellen Beurkundung gleichzeitig anwesend sein. Eine Ausnahme besteht nur bei Eheverträgen, die mit einem Erbvertrag verbunden werden – hier genügt die für den Ehevertrag vorgeschriebene Form.
Persönliche Anforderungen
Der Erblasser muss den Erbvertrag höchstpersönlich errichten. Eine Stellvertretung ist für den Erblasser ausgeschlossen. Der andere Vertragspartner kann sich hingegen vertreten lassen, sofern er nicht selbst als Erblasser auftritt.
Für die Errichtung eines Erbvertrags muss der Erblasser unbeschränkt geschäftsfähig sein. Diese Geschäftsfähigkeit wird vom Notar bei der Beurkundung geprüft.
Inhaltliche Erfordernisse
Der Erbvertrag muss mindestens eine vertragsmäßige Verfügung enthalten. Als vertragsmäßige Verfügungen sind nur möglich:
- Erbeinsetzungen
- Vermächtnisse
- Auflagen
Testierwille
Der Erblasser muss einen eindeutigen Testierwillen haben. Dies bedeutet, dass er tatsächlich eine verbindliche Regelung für seinen Nachlass treffen will und nicht nur einen unverbindlichen Entwurf erstellen möchte.
Wenn Sie einen Erbvertrag errichten möchten, müssen Sie beachten, dass dieser im Gegensatz zum Testament eine stärkere Bindungswirkung entfaltet. Der Erblasser kann die vertragsmäßigen Verfügungen später nicht mehr einseitig ändern oder widerrufen. Zu Lebzeiten behält der Erblasser jedoch die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen.
Welche Rechte haben gesetzliche Erben bei einem bestehenden Erbvertrag?
Ein Erbvertrag hat grundsätzlich Vorrang vor der gesetzlichen Erbfolge. Dennoch haben gesetzliche Erben auch bei einem bestehenden Erbvertrag bestimmte Rechte, die ihnen nicht entzogen werden können.
Pflichtteilsanspruch als Mindestbeteiligung
Der wichtigste Anspruch gesetzlicher Erben ist der Pflichtteilsanspruch, der die Hälfte des gesetzlichen Erbteils beträgt. Wenn Sie als gesetzlicher Erbe durch einen Erbvertrag von der Erbfolge ausgeschlossen wurden, steht Ihnen dieser Mindestanteil am Nachlass zu. Ein Erbvertrag kann diesen Pflichtteilsanspruch nicht verhindern.
Rechte bei der Nachlassabwicklung
Als pflichtteilsberechtigter gesetzlicher Erbe haben Sie das Recht auf:
- Auskunft über den Bestand des Nachlasses
- Informationen zu Schenkungen des Erblassers zu Lebzeiten
- Bewertung der Nachlassgegenstände zum Zeitpunkt des Erbfalls
Besondere Schutzrechte für Ehegatten
Für Ehegatten als gesetzliche Erben gelten besondere Regelungen. Bei einer Scheidung wird ein Erbvertrag automatisch unwirksam. Der überlebende Ehegatte hat zudem unabhängig von Erbvertrag oder Testament Anspruch auf die zum ehelichen Haushalt gehörenden Gegenstände und Hochzeitsgeschenke als sogenannten „Voraus“.
Anfechtungsmöglichkeiten
Ein Erbvertrag kann unter bestimmten Umständen von gesetzlichen Erben angefochten werden, etwa wenn der Erblasser bei Vertragsabschluss nicht geschäftsfähig war. Die Anfechtung muss jedoch gut begründet sein und zeitnah erfolgen.
Die gesetzlichen Erben können ihre Rechte auch dann geltend machen, wenn der Erbvertrag nicht ordnungsgemäß notariell beurkundet wurde. In diesem Fall tritt die gesetzliche Erbfolge ein, als ob kein Erbvertrag existieren würde.
Welche Rolle spielt die Geschäftsfähigkeit des Erblassers bei einem Erbvertrag?
Die Geschäftsfähigkeit des Erblassers ist eine zwingende Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Erbvertrags. Wenn Sie einen Erbvertrag schließen möchten, müssen Sie zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses unbeschränkt geschäftsfähig sein.
Unterschied zur Testierfähigkeit
Bei einem normalen Testament genügt die Testierfähigkeit. Für einen Erbvertrag gelten jedoch strengere Anforderungen. Die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit bedeutet, dass Sie in der Lage sein müssen, die Bedeutung und Tragweite Ihrer Entscheidungen vollständig zu erfassen und danach zu handeln.
Folgen fehlender Geschäftsfähigkeit
Wenn Sie zum Zeitpunkt des Erbvertragsabschlusses nicht geschäftsfähig sind, ist der gesamte Erbvertrag nichtig. Dies gilt auch, wenn Sie nur beschränkt geschäftsfähig sind. Eine nachträgliche Genehmigung ist nicht möglich.
Prüfung und Nachweis
Der beurkundende Notar muss Ihre Geschäftsfähigkeit beim Abschluss des Erbvertrags prüfen. Bei Zweifeln an der Geschäftsfähigkeit kann ein medizinisches Gutachten erforderlich sein. Wer später die Geschäftsunfähigkeit behauptet, muss diese beweisen. Dies geschieht meist durch:
- Medizinische Unterlagen
- Sachverständigengutachten
- Zeugenaussagen
Wenn Sie einen Erbvertrag planen, sollten Sie ihn in einer Phase abschließen, in der Ihre Geschäftsfähigkeit zweifelsfrei gegeben ist. Der Notar wird die Beurkundung ablehnen, wenn er Zweifel an Ihrer Geschäftsfähigkeit hat.
Welche Möglichkeiten zur Anfechtung eines Erbvertrags gibt es?
Ein Erbvertrag kann unter bestimmten Voraussetzungen angefochten werden, wobei zwischen der Anfechtung durch den Erblasser selbst und der Anfechtung durch Dritte unterschieden wird.
Anfechtung durch den Erblasser
Der Erblasser kann den Erbvertrag aus folgenden Gründen anfechten:
- Bei einem Irrtum über den Inhalt der Erklärung oder wenn eine solche Erklärung überhaupt nicht abgegeben werden sollte.
- Bei arglistiger Täuschung, wenn der Erblasser durch bewusst falsche Darstellungen zum Vertragsabschluss bewegt wurde.
- Bei Drohung oder Zwang, wenn der Erblasser unter Androhung eines empfindlichen Übels zur Vertragsunterzeichnung genötigt wurde.
Wenn Sie als Erblasser einen Erbvertrag anfechten möchten, müssen Sie die Jahresfrist beachten. Diese beginnt bei Drohung mit dem Ende der Zwangslage, in allen anderen Fällen mit der Kenntnisnahme des Anfechtungsgrundes.
Anfechtung durch Dritte
Dritte können einen Erbvertrag erst nach dem Tod des Erblassers anfechten. Als anfechtungsberechtigte Dritte gelten:
- Gesetzliche Erben
- Pflichtteilsberechtigte
- Andere Personen, die durch die Aufhebung des Erbvertrags unmittelbar begünstigt würden
Rechtliche Folgen
Bei erfolgreicher Anfechtung wird der Erbvertrag rückwirkend unwirksam. In diesem Fall tritt entweder die gesetzliche Erbfolge ein oder ein früheres Testament kommt zur Geltung. Die gesetzliche Erbfolge richtet sich nach den Verwandtschaftsgraden, wobei Kinder als Erben erster Ordnung, Eltern und deren Abkömmlinge als Erben zweiter Ordnung und Großeltern sowie deren Abkömmlinge als Erben dritter Ordnung gelten.
Wie können sich Erblasser vor der Errichtung eines Erbvertrags rechtlich absichern?
Notarielle Beurkundung als Grundvoraussetzung
Ein Erbvertrag erfordert zwingend die notarielle Beurkundung, um rechtlich wirksam zu sein. Der Notar prüft dabei die Geschäfts- und Testierfähigkeit aller Beteiligten und stellt sicher, dass keine Formfehler vorliegen.
Dokumentation der Testierfähigkeit
Zur rechtlichen Absicherung ist es ratsam, vor dem Beurkundungstermin ein fachärztliches Sachverständigengutachten einzuholen, das die uneingeschränkte Geschäfts- und Testierfähigkeit bestätigt. Dies verhindert spätere Anfechtungen des Erbvertrags aufgrund mangelnder Testierfähigkeit.
Rücktrittsvorbehalt einplanen
Bei der Gestaltung des Erbvertrags sollte die Möglichkeit eines Rücktrittsvorbehalts geprüft werden. Ohne einen solchen Vorbehalt sind die vertragsmäßigen Verfügungen absolut bindend und können nicht mehr einseitig geändert werden. Ein Rücktrittsvorbehalt ermöglicht es, sich zu Lebzeiten ohne Zustimmung des Vertragspartners von getroffenen Verfügungen zu lösen.
Präzise Festlegung der Bindungswirkung
Die Bindungswirkung sollte im Erbvertrag klar definiert werden. Nur Erbeinsetzungen, Auflagen und Vermächtnisse können vertragsgemäß bindend angeordnet werden. Andere letztwillige Verfügungen bleiben jederzeit widerruflich, wenn sie als einseitige Verfügungen getroffen werden.
Gegenleistungen absichern
Wenn der Erbvertrag Gegenleistungen vorsieht, etwa eine Pflegeverpflichtung gegen Erbeinsetzung, müssen diese präzise formuliert werden. Der Erblasser kann sich durch entsprechende Vertragsgestaltung absichern, dass die versprochene Gegenleistung auch tatsächlich erbracht wird.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Erbvertrag
Ein Erbvertrag ist ein verbindlicher Vertrag über die Regelung der Erbfolge, der zwischen dem Erblasser und dem künftigen Erben geschlossen wird. Anders als ein Testament kann er nicht einseitig geändert oder widerrufen werden. Er muss zwingend notariell beurkundet werden und bietet dadurch eine höhere Rechtssicherheit als ein Testament. Geregelt ist der Erbvertrag in den §§ 2274 ff. BGB.
Beispiel: Ein Ehepaar schließt einen Erbvertrag, in dem sie sich gegenseitig als Erben einsetzen und festlegen, dass nach dem Tod des Längerlebenden das Vermögen an die gemeinsamen Kinder fällt.
Erbeinsetzung
Die Erbeinsetzung ist die rechtlich verbindliche Bestimmung einer Person zum Erben durch Testament oder Erbvertrag. Der eingesetzte Erbe tritt mit dem Tod des Erblassers automatisch in dessen Rechtsnachfolge ein und erwirbt damit alle vererblichen Rechte und Pflichten. Die gesetzliche Grundlage findet sich in § 1937 BGB.
Beispiel: Ein Erblasser setzt in seinem Testament seinen langjährigen Freund als Alleinerben ein, wodurch dieser das gesamte Vermögen erbt.
Nachlassregelung
Die Nachlassregelung umfasst alle rechtlichen Maßnahmen zur Verteilung des Vermögens eines Verstorbenen. Sie kann durch Testament, Erbvertrag oder die gesetzliche Erbfolge erfolgen. Dazu gehören auch Bestimmungen über die Verteilung einzelner Vermögensgegenstände, Auflagen und Bedingungen. Die rechtlichen Grundlagen finden sich im 5. Buch des BGB.
Beispiel: Ein Erblasser legt in seinem Testament fest, dass sein Haus an die Tochter, das Sparvermögen an den Sohn gehen soll.
Beschwerdeverfahren
Das Beschwerdeverfahren ist ein Rechtsmittel gegen gerichtliche Entscheidungen, mit dem eine übergeordnete Instanz die Entscheidung überprüfen soll. Im Nachlassrecht ist es häufig der Weg, um gegen Beschlüsse des Nachlassgerichts vorzugehen. Geregelt ist das Beschwerdeverfahren in den §§ 58 ff. FamFG.
Beispiel: Ein übergangener Erbe legt Beschwerde gegen die Erteilung eines Erbscheins ein, weil er die zugrundeliegende Verfügung für unwirksam hält.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 1937 BGB – Erbeinsetzung durch letztwillige Verfügung: Der Erblasser kann durch einseitige Verfügung von Todes wegen (Testament) oder durch Erbvertrag einen Erben bestimmen und damit die gesetzliche Erbfolge ausschließen. Dies ist die zentrale Norm für die privatautonome Gestaltung der Erbfolge. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Erblasser hat mittels notariellem Erbvertrag den Beteiligten zu 3 als Alleinerben eingesetzt und damit seine Schwester als gesetzliche Erbin ausgeschlossen.
- § 2274 BGB – Persönliche Errichtung: Ein Erbvertrag kann nur persönlich durch den Erblasser geschlossen werden, der zum Zeitpunkt der Errichtung geschäftsfähig sein muss. Die Geschäftsfähigkeit muss während des gesamten Beurkundungsvorgangs vorliegen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Aufgrund der beginnenden dementiellen Erkrankung des Erblassers und der bestehenden Betreuung ist die Geschäftsfähigkeit zum Zeitpunkt der Errichtung des Erbvertrags fraglich.
- § 1896 BGB – Rechtliche Betreuung: Die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung erfolgt, wenn ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht selbst besorgen kann. Die Betreuung schränkt die Geschäftsfähigkeit nicht automatisch ein. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Für den Erblasser wurde etwa 5 Monate vor Abschluss des Erbvertrags eine Betreuung eingerichtet, was ein Indiz für seine eingeschränkte Entscheidungsfähigkeit sein kann.
- § 138 BGB – Sittenwidriges Rechtsgeschäft: Ein Rechtsgeschäft ist nichtig, wenn es gegen die guten Sitten verstößt, insbesondere wenn eine Zwangslage, Unerfahrenheit oder erhebliche Willensschwäche ausgenutzt wird. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der kurze zeitliche Zusammenhang zwischen Wiederaufnahme des Kontakts und Erbeinsetzung sowie das Abhängigkeitsverhältnis als Pflegefahrer könnten auf eine sittenwidrige Ausnutzung der Situation hindeuten.
Das vorliegende Urteil
OLG Hamm – Az.: I-10 W 61/23 – Beschluss vom 07.11.2023
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