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Erbvertrag mit Pflichtteilsstrafklausel mit aufschiebend bedingter Enterbung

OLG Stuttgart – Az.: 8 W 336/15 – Beschluss vom 11.08.2017

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten Ziff. 2 wird der Beschluss des Notariats Fichtenau – Nachlassgericht – vom 06.07.2015, Az. NG 23/2014, aufgehoben.

2. Der Erbscheinsantrag des Beteiligten Ziff. 1 vom 02.02.2015 wird zurückgewiesen.

3. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

4. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf € 50.000,00 festgesetzt.

Gründe

I.

Die am XXX verstorbene Erblasserin war verwitwet. Ihr Ehemann XXX ist am XXX vorverstorben. Aus der Ehe sind 4 Abkömmlinge hervorgegangen, nämlich die Beteiligten Ziff. 1 und 2 sowie die bereits früh ohne Hinterlassung von Abkömmlingen verstorbenen weiteren Geschwister XXX.

Die Erblasserin hat mit ihrem Ehemann XXX am 02.10.1951 vor dem Bezirksnotariat Wildenstein einen Ehevertrag sowie einen Erbvertrag (Bl. 9 d.A.) geschlossen. In dem Erbvertrag haben die Erblasserin und ihr Ehemann unter anderem folgende Regelungen getroffen:

5.

Wir setzen uns gegenseitig für alle Fälle als Alleinerben ein.

6.

Der Zuerststerbende wendet jedem Abkömmling ein Geldvermächtnis in Höhe des Werts des gesetzlichen Erbteils unter Berücksichtigung der Ausgleichungspflicht zu.

Das Vermächtnis fällt sofort an, es ist jedoch erst mit dem Tode des Überlebenden zahlungsfällig und bis dahin unverzinslich. Zum Zwecke der Feststellung der Höhe des Vermächtnisses ist der Überlebende auf Verlangen eines Vermächtnisnehmers oder des Vormundschaftsgerichts verpflichtet, den Nachlass des Zuerstverstorbenen zu verzeichnen.

7.

Verlangt ein Abkömmling auf den Tod des Zuerststerbenden unter Ausschlagung des Vermächtnisses den Pflichtteil, dann ist er und seine Abkömmlinge von der Erbfolge am Überlebenden ausgeschlossen. Diese Verfügung kann der Überlebende einseitig widerrufen. Sie gilt nur, wenn neben dem das Vermächtnis ausschlagenden Abkömmling weitere Abkömmlinge vorhanden sind.

Der Beteiligte Ziff. 1 hat am 17.11.2014 zur Niederschrift des Notariats Fichtenau – Nachlassgericht – die Erteilung eines Erbscheins beantragt, wonach er und die Beteiligte Ziff. 2 je mit einem Erbteil von 1/2 Erben der Erblasserin geworden sind. Die hierzu angehörte Beteiligte Ziff. 2 hat durch Schreiben an das Nachlassgericht vom 01.12.2014 mitgeteilt, sie habe Einwendungen gegen den beantragten Erbschein. Sie stelle „gemäß der Vermächtnisregelung nunmehr den Antrag auf Feststellung und Auszahlung des mir zustehenden Pflichterbteils“. Dem Erbscheinsantrag könne „unter Hinzufügung des Absatzes, dass der Pflichterbteil gegenüber meinem verstorbenen Vater nunmehr gegenüber dem Hofübernehmer XXX geltend gemacht wird, erfolgen“.

Der Beteiligte Ziff. 1 hat hierzu vorgetragen, Pflichtteilsansprüche aus dem Erbfall des Vaters würden nachdrücklich bestritten. Das Verlangen der Beteiligten Ziff. 2 erfülle indes die Pflichtteilsklausel der Ziffer 7 des Ehe- und Erbvertrages vom 02.10.1951 und bewirke dadurch den Ausschluss der Beteiligten 2 aus der Schlusserbenstellung nach dem Tode der Erblasserin. Dem stehe nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes weder entgegen, dass die Erblasserin zum Zeitpunkt des Verlangens bereits verstorben war, noch stehe nach dieser Rechtsprechung eine Annahme der Erbschaft dem Eintritt der auflösenden Bedingung entgegen. Die Beteiligte Ziff. 2 habe durch ihre „Einwendungen“ somit ihre Stellung als Schlusserbin nach der Mutter verloren. Bereits mit einem Schreiben vom 10.12.2012 – also noch zu Lebzeiten der Erblasserin – habe die Beteiligte Ziff. 2 versucht, einen Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch aus dem Erbfall des Vaters herzuleiten und geltend zu machen.

Der Beteiligte Ziff. 1 hat deshalb in Abänderung seines ursprünglichen Erbscheinsantrages zuletzt die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der ihn als Alleinerben ausweist.

Die Beteiligte Ziff. 2 ist dem entgegengetreten und hat vorgetragen, sie verfüge über keine juristischen Kenntnisse und habe aus Verärgerung über ihre stete Benachteiligung durch ihre Eltern und ihren Bruder aus emotionaler Erregung jetzt noch den väterlichen Pflichterbteil geltend gemacht, ohne Kenntnis der tatsächlichen Auswirkungen auf die Stellung als Schlusserbe. Sie ziehe diesen Antrag auf väterlichen Pflichterbteil förmlich zurück.

Durch Beschluss vom 06.07.2015 hat das Notariat Fichtenau – Nachlassgericht – die erforderlichen Tatsachen für die Erteilung eines Erbscheins für festgestellt erachtet, wonach der Beteiligte Ziff. 1 Alleinerbe der Erblasserin geworden ist. Die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses wurde ausgesetzt und die Erteilung des Erbscheins bis zur Rechtskraft des Beschlusses zurückgestellt. Gegen den ihr am 09.07.2015 zugestellten Beschluss vom 06.07.2015 wendet sich die Beteiligte Ziff. 2 mit ihrer am 03.08.2015 beim Nachlassgericht eingegangenen Beschwerde. Sie ist der Auffassung, ihre Erbenstellung nicht verloren zu haben. Der Beteiligte Ziff. 1 ist der Beschwerde entgegengetreten.

Das Notariat Fichtenau – Nachlassgericht – hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.

Zur Sachverhaltsdarstellung im Einzelnen wird auf das schriftliche Vorbringen der Beteiligten, den angegriffenen Beschluss des Nachlassgerichts sowie auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 352 ff., 58 ff. FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Beteiligten Ziff. 2 hat in der Sache Erfolg. Der vom Beteiligten Ziff. 1 zuletzt beantragte Erbschein entspricht – anders als der ursprünglich beantragte – nicht der tatsächlich eingetretenen Erbfolge. Die Erblasserin ist im Wege der gesetzlichen Erbfolge von den Beteiligten Ziff. 1 und 2 – ihren lebenden Kindern – beerbt worden.

1.

Entgegen der Auffassung des Beteiligten Ziff. 1 wurden die Abkömmlinge der Eheleute XXX durch den Erbvertrag vom 02.10.1951 nicht zu Schlusserben eingesetzt. Der Erbvertrag enthält vielmehr keine Erbeinsetzung auf den Zweitversterbenden. Die Pflichtteilsstrafklausel in Ziff. 7 des Erbvertrages vom 02.10.1951 regelt dementsprechend auch keine auflösende Bedingung einer Erbeinsetzung auf den Überlebenden. Vielmehr regelt die vorliegende Strafklausel, dass ein Abkömmling, der auf den Tod des Zuerstversterbenden unter Ausschlagung des in Höhe des Werts des gesetzlichen Erbteils ausgebrachten, erst mit dem Tod des Überlebenden zahlungsfälligen Vermächtnisses den Pflichtteil verlangt, von der Erbfolge am Überlebenden ausgeschlossen ist. Es handelt sich um eine – aufschiebend bedingte – Enterbung ohne Erbeinsetzung gemäß § 1938 BGB.

2.

Weder durch die Erklärungen der Beteiligten Ziff. 2 in deren Schreiben an das Nachlassgericht vom 01.12.2014 noch durch andere Erklärungen der Beteiligten Ziff. 2 ist die aufschiebende Bedingung für die Enterbung gemäß vorliegender Pflichtteilsstrafklausel eingetreten.

a)

Was zunächst das noch zu Lebzeiten verfasste Schreiben der Beteiligten Ziff. 1 vom 10.12.2012 (bei Bl. 36 d.A.) anbelangt, kann dessen genauer inhaltlicher Gehalt dahinstehen, wobei sich eine Ausschlagung des Vermächtnisses aus dem Schreiben nicht ohne weiteres ergibt. Denn jedenfalls war das Schreiben nicht an die Erblasserin und damalige Alleinerbin ihres Ehemannes als Anspruchsgegnerin des Pflichtteilsanspruches gemäß § 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB gerichtet. In dem Schreiben lag noch kein Verlangen gegenüber der Erbin, auch kein diesbezüglicher Versuch. Der Beteiligte Ziff. 1 war im Übrigen auch nicht der richtige Adressat einer Ausschlagung des Vermächtnisses (§ 2180 Abs. 2 Satz 1 BGB).

b)

Auch das Schreiben der Beteiligten Ziff. 2 an das Nachlassgericht vom 01.12.2014 war nicht geeignet, in Zusammenhang mit der Pflichtteilsstrafklausel die Erbenstellung der Beteiligten Ziff. 2 noch zu gefährden. Es kann dabei inhaltlich wiederum dahingestellt bleiben, wie jenes Schreiben der Beteiligten Ziff. 2 genau zu verstehen ist, insbesondere, was die Beteiligte Ziff. 2 mit dem Begriff „Pflichterbteil“ genau meinte und ob sie – wie in der Pflichtteilsstrafklausel vorausgesetzt – zugleich das Vermächtnis ausschlagen wollte (§ 2180 Abs. 2 BGB; zu diesbezüglichen Erklärungen gegenüber dem Nachlassgericht mit anschließender Mitteilung an den Beschwerten vgl. RGZ 113,234). In der Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs ist ungeachtet der Regelung des § 2307 BGB nicht zwangsläufig eine Ausschlagung des Vermächtnisses zu sehen (vgl. Palandt/Weidlich, Bürgerliches Gesetzbuch, 76. Auflage 2017, § 2180 BGB, Rdnr. 1 m.w.N.). Zweifel ergeben sich hier daraus, dass die Beteiligte Ziff. 2 offensichtlich – wie der Beteiligte Ziff. 1 formuliert – „praktisch alles gleichzeitig geltend machen“ wollte. Auch wäre zu fragen, ob die Beteiligte Ziff. 2 in subjektiver Hinsicht bewußt in Kenntnis der Verwirkungsklausel handelte (vgl. dazu Palandt/Weidlich, a.a.O., § 2269 BGB, Rdnr. 14). Letztlich kommt es hierauf aber nicht entscheidend an. Denn es liegt wie bereits ausgeführt hier gerade nicht der Fall einer Schlusserbeneinsetzung mit Pflichtteilsstrafklausel vor, wie er etwa auch der vom Beteiligten Ziff. 1 zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12.07.2006 (NJW 2006, 3064) zugrunde lag. Vielmehr wurde im Erbvertrag vom 02.10.1951 wie ausgeführt keine Erbeinsetzung auf den zweiten Todesfall geregelt, sondern durch die hier gewählte Pflichtteilsstrafklausel lediglich eine aufschiebend bedingte Enterbung gemäß § 1938 BGB verfügt. Die Erbfolge bestimmt sich hier nach dem Gesetz. Da aber die gesetzliche Erbfolge mit dem Eintritt des Erbfalls festliegt, kann sie nicht von Ereignissen nach dem Erbfall abhängen, deren Wirkung nicht wie bei der Ausschlagung oder der Feststellung der Erbunwürdigkeit auf den Zeitpunkt des Erbfalls zurückzubeziehen ist (vgl. Otte in: Staudinger, Bürgerliches Gesetzbuch, Neubearbeitung 2017, § 1938 BGB, Rdnr. 6a). Eine Enterbung kann daher nur dergestalt bedingt angeordnet werden, dass sie von einem vor dem Erbfall eintretenden Ereignis abhängig gemacht wird; im Übrigen ist die Enterbung bedingungs- und befristungsfeindlich (Otte in: Staudinger, a.a.O.). Demgemäß konnte ein Pflichtteilsverlangen auf den Tod des Zuerststerbenden unter Ausschlagung des Vermächtnisses gemäß Ziffer 7 des Erbvertrages vom 02.10.1951 nur bis zum Tod des Letztversterbenden zum Ausschluss von der hier zum Tragen kommenden gesetzlichen Erbfolge führen. Eine solche Klausel soll in der Regel gerade sicherstellen, dass dem Überlebenden zu dessen Lebzeiten der Nachlass ungeschmälert und ungestört verbleibt.

Die Erblasserin wurde demgemäß von den Beteiligten Ziff. 1 und 2 jeweils mit einem Erbteil von 1/2 beerbt. Dem entsprach der ursprüngliche Erbscheinsantrag des Beteiligten Ziff. 1, nicht aber der vom Nachlassgericht positiv beschiedene neuere Erbscheinsantrag, der demgemäß zurückzuweisen war.

3.

Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG, die Festsetzung des Gegenstandswertes des Beschwerdeverfahrens auf §§ 40, 61 GNotKG.

Gründe für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde gemäß § 70 FamFG liegen nicht vor.

 

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