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Erbvertragsauslegung – Übertragung Miteigentumsanteils an Grundstück

LG Münster – Az.: 8 O 276/15 – Urteil vom 29.11.2016

Der Beklagte wird verurteilt, das im Grundbuch der Stadt E, G1, 1668 qm an den Kläger zu 1/3 Miteigentumsanteil aufzulassen und die Eintragung im Grundbuch zu bewilligen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 70.000 EUR vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien sind neben ihren beiden Geschwistern L1 und S Abkömmlinge der Eheleute L2 und L3.

Die Eltern der Parteien bewohnten ein Haus unter der Adresse O-Straße … in E. Das Grundstück O-Straße … war 3.288 m² groß und teilte sich optisch in einen Bereich auf, auf welchem das Wohnhaus der Eheleute stand, und einen unbebauten Teil.

Die Eltern der Parteien wünschten sich, solange wie möglich, in ihrem Haus wohnen bleiben zu können. Daher sollte eines ihrer vier Kinder im Hause verbleiben, um ihnen im Alter hilfreich zur Seite stehen zu können. Das Kind, das diesem Wunsch entsprach, sollte nach dem Ableben der Eltern jedenfalls den mit dem Haus bebauten Teil des Grundstücks O-Straße … erhalten. Ob es auch den unbebauten Teil des Grundstücks erhalten sollte, ist zwischen den Parteien streitig.

Der Beklagte erklärte sich bereit, dem Wunsch seiner Eltern zu entsprechen und im Hause zu verbleiben.

Am 28.8.1991 schlossen die Eltern der Parteien vor dem beurkundenden Notar I1 in E einen Erbvertrag, in welchem sie sich wechselseitig zu Erben einsetzten. Des Weiteren hieß es in einer ersten von den Eheleuten L2 und L3 und dem Notar unterschriebenen Fassung unter Ziffer V: „Nach dem Tode des Längstlebenden soll unser Sohn L4 das [Grundstück +] Haus O-Straße … bekommen. Das weitere Vermögen soll unter den [weiteren] drei Kindern zu gleichen Teilen aufgeteilt werden.“, wobei es sich bei den Begriffen in eckigen Klammern um handschriftliche Ergänzungen handelt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die mit der Klageschrift eingereichte Version des Erbvertrags, Blatt 8 ff. der Akte, Bezug genommen.

In einer weiteren Reinschrift ohne handschriftliche Ergänzungen heißt es unter Ziffer V: „Nach dem Tode des Längstlebenden soll unser Sohn L4 das Grundstück O-Straße … bekommen. Das weitere Vermögen soll unter den anderen drei Kindern zu gleichen Teilen aufgeteilt werden.“ Es wird insoweit auf die in der mündlichen Verhandlung vom 7.12.2015 von Beklagtenseite zu Protokoll gereichte Abschrift des Erbvertrages, Blatt 49 a ff. der Akte, verwiesen.

Mitte der 90er Jahre erhielten der Kläger, sein Bruder L1 und seine Schwester S von ihren Eltern je 60.000 DM.

Zum Zwecke des Verbleibs im Elternhaus baute der Beklagte dieses in ein Zwei-Generationenhaus mit zwei selbständigen Wohneinheiten um und tätigte hierfür finanzielle Investitionen und Eigenleistungen. Er nahm ein Darlehen in Höhe von 60.000 DM auf, welches nach einem Jahr zur Vermeidung weiterer Zinsen vom Vater der Parteien zurückgezahlt wurde.

Da der Beklagte aufgrund der von ihm erbrachten Investitionen und Eigenleistungen in das Wohnhaus „etwas in der Hand haben wollte“, teilten die Eltern der Parteien im Jahre 2001 das Grundstück O-Straße … in zwei Parzellen auf, nämlich das im Grundbuch der Stadt E, G1, Größe 1.668 m² und das im Grundbuch der Stadt E, G2, Größe 1.595 m².

Am 26.8.2003 übertrugen die Eheleute L2 und L3 mit notariell beurkundetem Vertrag den nunmehr abgetrennten, mit dem Wohnhaus bebauten Grundstücksteil (G1) auf den Beklagten. Der Vertrag sah zudem ein lebenslanges Wohnrecht für L2 und L3 vor (wegen der Einzelheiten s. der mit der Klageschrift eingereichte Vertrag vom 26.08.2003, Blatt 11 ff. der Akte).

Das Grundstück mit der Adresse D-Straße … verblieb im Eigentum der Eltern, da es für den Fall des Vorversterbens des Vaters zur Absicherung von L2 dienen sollte.

Im Mai 2007 veräußerten die Eheleute L2 und L3 ein Grundstück in der Bauerschaft E-Kamp. Mit notariellem Schenkungsvertrag vom 21.7.2007 wendeten die Eheleute L2 und L3 sodann ihren Kindern, mit Ausnahme des Beklagten, 60.000 EUR zu. In dem Vertrag wurde auch auf die Zuwendung der 60.000 DM Mitte der 90er Jahre hingewiesen. Unter § 2 des Vertrages verzichteten die Beschenkten im Hinblick auf das Schenkungsversprechen der 60.000 EUR sowie auf die bereits erhaltenen Zuwendungen gegenüber ihren Eltern auf ihre Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche nach dem Tod der Eltern. Wegen der Einzelheiten wird auf den mit der Klageerwiderung eingereichten Vertrag vom 21.7.2007, Blatt 33 ff. der Akte, Bezug genommen.

Der Beklagte erhielt nach dem Verkauf der Grundbesitzung in der Bauerschaft E-Kamp einen Betrag von 15.000 EUR von seinem Vater.

Am 9.1.2009 erbten die Eltern von einer Urlaubsbekanntschaft, Herrn L5 aus P, 179.222 EUR. Am 19.5.2010 überwies der Erblasser an den Beklagten 2.000 EUR ohne konkreten Verwendungszweck.

Unerwartet verstarb am 17.8.2010 die Mutter der Parteien.

Von September 2010 bis März 2011 zahlte der Vater der Parteien die monatlichen Abschläge an die Stadtwerke E GmbH für Strom und Wasser des Objektes O-Straße … in Höhe von 88 EUR pro Monat.

Vom 15.11.2010 an trug der Erblasser die Grundbesitzabgaben hinsichtlich des Objektes O-Straße … in Höhe von vierteljährlich zunächst 47,17 EUR. Am 15.8.2011 zahlte er 76,89 EUR, am 15.11.2011 55,66 EUR.

Zudem bezahlte der Vater der Parteien zwei Öllieferungen vom 13.5.2011 und 3.7.2012 in Höhe von 3.279,24 EUR und 3.121,22 EUR für die Beheizung des Hauses O-Straße ….

Mit Vertrag vom 21.6.2011, beurkundet vom Notar S1, übertrug der Vater der Parteien dem Beklagten das Grundstück D-Straße …. Wegen der Einzelheiten wird auf den mit der Klageschrift eingereichten Vertrag vom 21. Juni 2011, Blatt 16 ff. der Akte, verwiesen.

Für Heizungs- und Sanitärarbeiten in dem Haus zahlte der Erblasser im Zeitraum vom 14.9.2011 bis zum 11.12.2013 Beträge in Höhe von insgesamt 9.845,90 EUR.

Am 25.9.2012 überwies er an den Beklagten einen Betrag von 13.450 EUR mit dem Verwendungszweck „Buchung an L4 Auto“ und übernahm damit die Schlusszahlung für den vom Beklagten geleasten PKW.

Des Weiteren bezahlte der Erblasser den beiden Töchtern des Beklagten, T und K, die Führerscheine und wendete T zudem monatlich 300 EUR zu.

Vor dem gleichen Notar gab der Vater der Parteien am 5.3.2013 eine eidesstattliche Versicherung mit dem Inhalt ab, dass bei Abschluss des notariellen Erbvertrages vom 28.8.1991 zwischen ihm und seiner Ehefrau L2 vereinbart gewesen sei, dass der Beklagte das gesamte Grundstück O-Straße … mit einer Größe von 3.288 m² habe erhalten sollen. Die vorzeitige Übertragung der Grundstücke habe auch der Versorgung des L3 gedient und sei auch wegen der von seinem Sohn, dem Beklagten, und dessen Ehefrau in der Vergangenheit erbrachten und zukünftig zu erbringenden Versorgungsleistungen geschehen. Zudem habe sein Sohn L4 erhebliche finanzielle Mittel in das Haus O-Straße … gesteckt. Er selbst wäre als Frührentner gar nicht in der Lage gewesen, aus seinem Einkommen entsprechende finanzielle Mittel aufzubringen. Wegen des weiteren Inhalts der eidesstattlichen Versicherung wird auf die mit der Klageerwiderung eingereichte Abschrift vom 5. März 2013, Blatt 37 ff. der Akte, Bezug genommen.

Der Vater der Parteien bezog zuletzt eine monatliche Altersrente von 1.162,38 EUR. Für das Wohnungsrecht musste er kein Entgelt zahlen. Bei der Union Investment Service Bank AG besaß der Erblasser ein Depot, von welchem aus er zwischen dem 1.6.2011 und dem 18.6.2013 insgesamt 121.951,97 EUR auf sein Kontokorrentkonto bei der VR-Bank Westmünsterland überwies.

Am 5. März 2014 verstarb der Vater der Parteien.

In der mündlichen Verhandlung vom 7.12.2015 hat das Gericht den Kläger darauf hingewiesen, dass bislang nicht dargetan sei, warum er die Leistung an sich selbst verlangen könne.

Mit notarieller Urkunde vom 3.5.2016 des Notars I2 in D sowie vom 10.5.2016 des Notars S2 in N haben der Kläger, sein Bruder L1 und seine Schwester S eine Erbauseinandersetzung im Hinblick auf das streitgegenständliche Grundstück D-Straße … vorgenommen, wobei jedem der Geschwister ein Miteigentumsanteil von 1/3 zugewiesen worden ist (siehe im Einzelnen die mit klägerischem Schriftsatz vom 17.5.2016 eingereichten Ablichtungen der vorbezeichneten notariellen Urkunden, Blatt 96 ff. der Akte).

Der Kläger behauptet, die Erblasser hätten bei Abschluss des Erbvertrages gewollt, dass der Beklagte das „Haus“ erben sollte und der unbebaute Teil des Grundstücks O-Straße …, welcher nach der Grundstücksteilung dem Grundstück D-Straße … entsprach und im Familienkreis „Wiese“ genannt worden sei, den übrigen Kindern zufallen sollte. Bei den Eltern der Parteien habe die Vorstellung bestanden, dass es sich bei dem Grundstück O-Straße … um zwei separate Grundstücke gehandelt habe, nämlich „Haus“ und „Wiese“. Die Erbfolge sei zu Lebzeiten der Eltern im Familienkreis ständig erörtert und dabei stets zwischen dem „Haus“, welches derjenige erhalten sollte, der dort einzieht und die Eltern pflegt, und der „Wiese“, welche die übrigen Abkömmlinge erhalten sollten, differenziert worden.

Die Grundstücksteilung sei nur auf Drängen des Beklagten erfolgt, wobei allerdings klar gewesen sei, dass das Grundstück D-Straße … nach dem Ableben der Eltern an die übrigen Geschwister gehen sollte.

Erst nach dem Tod der Mutter der Parteien habe sich der Vater, vermutlich bedrängt durch den Beklagten, entschieden, den Wunsch der Mutter, dass die „Wiese“ den übrigen Kindern zufallen solle, zu missachten. Die Übertragung des Grundstücks D-Straße … sei mit Benachteiligungabsicht des Vaters geschehen.

Der Kläger behauptet weiter, mit dem Vertrag vom 21.7.2007 sei ausschließlich ein Verzicht auf Pflichtteilsansprüche, nicht aber ein Verzicht auf das Erbrecht, gewollt gewesen. Dies sei zuvor vom Notar I1 erfragt worden.

Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, das im Grundbuch der Stadt E, G1Dülmen Blatt 1171 verzeichnete Grundstück der Gemarkung Stadt Dülmen, 1668 qm an den Kläger zu 1/3 Miteigentumsanteil aufzulassen und die Eintragung im Grundbuch zu bewilligen, hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, das im Grundbuch der Stadt E, G1, 1668 qm an den Kläger und L1, geb. am ……..19… und Frau S geb. am ……..19…, als Gesamtgläubiger aufzulassen und die Eintragung im Grundbuch zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, es sei der übereinstimmende Wunsch seiner Eltern bei Abschluss des Erbvertrages vom 28.8.1991 gewesen, dass er das gesamte, zu diesem Zeitpunkt noch ungeteilte Grundstück O-Straße … mit einer Größe von 3.288 m² habe erhalten sollen. So sei auch mit dem Abschluss des Pflichtteilsverzichtsvertrags vom 21.7.2007 eine endgültige Abfindung der übrigen Kinder gewollt gewesen. Die Erblasser seien von dem beurkundenden Notar nicht darauf hingewiesen worden, dass der Erbvertrag, um dem Abfindungswillen der Eltern zu entsprechen, hätte geändert werden müssen. Sie seien daher fälschlicherweise davon ausgegangen, der Pflichtteilsverzicht beinhalte bereits diese Änderung. Die Übertragung des unbebauten Grundstücksteils im Juni 2011 sei erfolgt, da mit dem Tod der Erblasserin der Grund für die Teilung des Grundstücks, nämlich eine Mittellosigkeit der Mutter zu vermeiden, entfallen sei.

Der Beklagte behauptet weiter, er habe zum Umbau des Wohnhauses finanzielle Investitionen im Bereich von 150.000 DM erbracht.

Wegen des weiteren Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Sitzungsprotokolle vom 7.12.2015 und 7.11.2016 und die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen S, S3, S4 und S5 sowie U, M und I1. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsprotokolle vom 18.7.2016, Blatt 111 ff. der Akte, und vom 7.11.2016, Blatt 136 ff. der Akte.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten der geltend gemachte Anspruch auf Übertragung von 1/3 Miteigentumsanteil an dem Grundstück D-Straße … in E gemäß §§ 2287, 812 ff. BGB zu.

Gemäß § 2287 BGB kann der Vertragserbe im Falle einer Schenkung des Erblassers, welche dieser in der Absicht vornimmt, den Vertragserben zu beeinträchtigen, nach Anfall der Erbschaft von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, also den §§ 812 ff. BGB, fordern.

Eine solche beeinträchtigende Schenkung liegt vor. Die mit Vertrag vom 21.06.2011 vorgenommene schenkweise Übertragung des Grundstücks D-Straße … beeinträchtigt den wirksam als Vertragserben eingesetzten Kläger, da es sich hierbei nicht um eine Übertragung an den Beklagten im Wege vorgenommener Erbfolge handelt. Vielmehr ist der Erbvertrag vom 28.08.1991 so auszulegen, dass den übrigen Geschwistern das streitgegenständliche Grundstück nach dem Tod der Eltern zu gleichen Teilen zustehen sollte.

Bei der Auslegung der im Erbvertrag (§§ 1941, 2274 ff. BGB) enthaltenen Verfügungen von Todes wegen gelten die Regeln über die Auslegung von Testamenten nur für die einseitigen Verfügungen des Erblassers, für vertragsmäßige Verfügungen hingegen ist der erklärte übereinstimmende Wille beider Vertragsparteien zum Zeitpunkt der Vertragserrichtung maßgeblich, und zwar so, wie sie den Vertrag und seinen Wortlaut übereinstimmend verstanden haben, weil das jeder Interpretation vorgeht (vgl. BGH NJW 1984, 721 Rz. 13 zitiert nach Juris; Palandt-Weidlich, BGB, 74 Auflage § 1941 Rn. 8).

Bei Abschluss des Erbvertrags ging der übereinstimmende Wille der Eheleute L2 und L3 dahin, dass der Kläger und seine Geschwister S und L1 nach dem Tode der Eltern „die Wiese“, also das Grundstück D-Straße … erhalten sollten.

Dies steht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest. Nach dem in § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO normierten Grundsatz der freien Beweiswürdigung hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht für wahr zu erachten ist. Die nach § 286 ZPO erforderliche Überzeugung des Richters erfordert keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und auch keine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“, sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (vgl. etwa BGH NJW 2008, 2845).

Die oben festgestellte Tatsache, dass nämlich der Wille der Eheleute L2 und L3 dahin ging, dass der Kläger und seine Geschwister S und L1 nach dem Tode der Eltern „die Wiese“, also das Grundstück D-Straße … erhalten sollten, ergibt sich aufgrund der insoweit übereinstimmenden Zeugenaussagen in der mündlichen Verhandlung vom 18.07.2016.

Die Aussagen waren glaubhaft. Die Bekundungen der Zeugen waren in sich und auch im Zusammenspiel mit den anderen Zeugenaussagen schlüssig. Sie wiesen besondere Details auf und enthielten lebendige, bildhafte Schilderungen, was für ein tatsächlich erlebtes Geschehen spricht.

So hat die Zeugin S zudem erklärt, ihr Vater habe ihr nach der Teilung des Grundstücks gesagt, die Wiese sei nun etwas kleiner geworden. Das Hausgrundstück sei vergrößert worden, damit der Beklagte etwas mehr Platz hatte und die Leute ihm nicht auf den Garten gucken könnten.

Der Zeuge S3 hat nachvollziehbar und bildhaft geschildert, wie etwa beim Geburtstagskaffee der Kinder das Thema Erben immer wieder aufgekommen sei. Die Eheleute L2 und L3 seien sehr redselig gewesen. Der Grundstücksteil mit dem Haus habe für den Beklagten sein sollen und die Wiese zunächst als Altersvorsorge für L2 dienen und dann auf die anderen drei Kinder aufgeteilt werden sollen.

Auch die Zeugin U hat anschaulich erklärt, wie sie und ihr Mann bei den Eheleuten L2 und L3 im Esszimmer beim Kaffeetrinken gesessen hätten, auf die Wiese geschaut hätten und sie dann gefragt hätte, was damit passiere. Es sei nur kurz und bündig über die Wiese gesprochen worden. Ebenfalls spricht für die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage, dass sie Erinnerungslücken offen dargelegt hat.

Ebenso konnte die Zeugin M sehr detailliert und schlüssig schildern, wie L2 ihr beim Geburtskaffee eines der Kinder von Frau S erzählt habe, dass der Beklagte zu Hause bleibe und das Haus bekäme und die anderen drei Kinder die Wiese. Sie erzählte konkret wie es zu dem Gespräch mit L2 kam (dass sie nämlich erzählt habe wie ihr Bruder zu ihren Eltern ins Haus gezogen sei und auch ein Umbau vorgenommen worden sei) und sie konnte auch weitere Teilnehmer des Gesprächs benennen.

Auch die Zeugen S4 und S5 haben geschildert wie bei Familienfeiern oder im Urlaub seitens der redseligen Eheleute L2 und L3 viel über das Thema Erben gesprochen und dabei gesagt worden sei, dass der Beklagte das Haus erhalten sollte und die Wiese für L2 bleiben und danach auf die übrigen Kinder aufgeteilt werden sollte.

Für die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen spricht zudem, dass die Aussagen trotz des übereinstimmenden Kerns nicht abgesprochen wirkten. So unterschied sich trotz der Übereinstimmungen (etwa: Thema Erben bei Familienfeiern) die Schilderung jedes Zeugen von der Schilderung der anderen Zeugen im Aufbau und zeichnete sich durch eigene Details aus, was nachvollziehbar ist, da die Eheleute nach Aussage der Zeugen bei vielen Gelegenheiten über die Verteilung des Grundstücks sprachen.

Das Gericht verkennt nicht, dass insbesondere die Zeugin S ein starkes Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreits hat, ebenso wie ihr Ehemann, und in abgeschwächter Form auch ein Eigeninteresse der Eltern der Zeugin S in Betracht kommt. Abgesehen von der Aussage des Zeugen S4, dessen Aussage hinsichtlich der Zuwendungen des L3 an den Beklagten nicht von Belastungstendenzen frei erschien, wiesen die übrigen Zeugenaussagen jedoch keine Belastungstendenzen auf. Auch sonst gab das Verhalten der Zeugen in der Sitzung keinen Anlass, an deren Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Darüber hinaus ist es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zulässig, allein aus der Angehörigenstellung auf die Unglaubwürdigkeit eines Zeugen zu schließen (vgl. BGH NJW 1974, 2283).

Aufgrund der oben dargestellten Würdigung, insbesondere der Detailtreue und Anschaulichkeit der Aussagen, ist das Gericht von der Richtigkeit der Aussagen mit dem nach § 286 ZPO erforderlichen Grad an Wahrscheinlichkeit überzeugt.

Die Aussage des Zeugen I1 kann zudem als weiteres, wenn auch nicht zwingendes Indiz für die klägerische Behauptung gewertet werden. Dieser hat bekundet, dass der eine Sohn das Haus bekommen sollte und die anderen drei Kinder die Bauplätze.

Die Aussage des Zeugen ist glaubhaft. Dieser hat deutlich und nachvollziehbar herausgestellt, dass er nur noch vage Erinnerungen an die Sache habe und sich nur deshalb ein wenig erinnere, da S bereits bei Abschluss des Erbvertrags bei ihm angestellt gewesen sei. Allein der Umstand, dass die Zeugin S bei ihm angestellt war und ist und er sich mit ihr duzt, reicht nicht aus, um der Glaubhaftigkeit seiner Aussage und seiner Glaubwürdigkeit entgegen zu stehen. Viel schwerer wiegen demgegenüber die Konsequenzen, die der Zeuge als Notar befürchten muss, wenn er wegen einer Falschaussage verurteilt werden würde.

Dass der Beklagte das Haus und die übrigen Kinder die Bauplätze erhalten sollten, spricht im Zusammenspiel mit den übrigen Zeugenaussagen nach Ansicht des Gerichts eher dafür, dass die übrigen drei Kinder das nunmehrige Grundstück D-Straße … erhalten sollte.

Zum einen ist nach den obigen Zeugenaussagen davon auszugehen, dass „die Wiese“ bereits vor der Grundstücksteilung im Jahr 2001 familienintern als selbständiges Grundstück angesehen wurde. Dies hat die Zeugin S explizit so ausgesagt. Zudem würde ansonsten die Aufteilung in Wiese und Hausgrundstück nur bedingt Sinn machen. Auch entspricht dies dem optischen Bild der Örtlichkeit. Sowohl aus den Aussagen der Zeuginnen M und S5 als auch aus der in Augenschein genommenen, damaligen Luftbildaufnahme der Örtlichkeit ergab sich, dass die Wiese von dem mit dem Haus bebauten Grundstück durch Lebensbäume abgetrennt war.

Unstreitig sollte das unbebaute Grundstück D-Straße … als Altersversorgung für L2 dienen. Eine effektive Altersversorgung hätte die Wiese nur im Falle der Veräußerung darstellen können; da liegt es nahe, dass diese als Bauplatz angesehen wurde, da im Falle einer Veräußerung häufig danach auch eine Bebauung erfolgt.

Zum anderen hat die Zeugin S zur Überzeugung des Gerichts ausgeführt, dass ihr Vater bei der Teilung des Grundstück im Jahr 2001 erklärt habe, das „Hausgrundstück“ sei etwas größer geworden, damit die Leute L4, also dem Beklagten, nicht in den Garten gucken könnten. Auch dies spricht dafür, dass „die Wiese“ familienintern als potentieller Bauplatz angesehen wurde.

Dass es gegebenenfalls noch ein weiteres Grundstück am Grenzweg gegeben haben mag, schließt die obige Interpretation nicht aus.

Auch der Umstand, dass in dem Erbvertrag eine Unterteilung in Wiese und Hausgrundstück nicht enthalten ist, steht der aufgrund der Zeugenaussagen gewonnenen Überzeugung nicht entgegen. Legt man zugrunde, dass familienintern die Wiese als selbständiges Grundstück angesehen wurde, so bestand für die Eheleute L2 und L3 kein Anlass, auf eine Differenzierung hinzuwirken. Hätten sie dann dem Beklagten auch das spätere Grundstück D-Straße … zuwenden wollen, wäre zu erwarten gewesen, dass es in der Urfassung nicht nur hätten heißen sollen, dass der Beklagte das Haus, sondern auch die Wiese erhalten solle. Die spätere Umformulierung in „Grundstück“ kann nach Ansicht des Gerichts nachvollziehbar darauf zurückgeführt werden, dass eine entsprechende Aufklärung im Hinblick auf die korrekte juristische Bezeichnung durch den Notar erfolgt ist. Es ist auch nicht zwingend, dass bei der Beurkundung diese besondere Vorstellung der Eheleute zu Tage getreten ist und der Notar daher auf eine Klarstellung hätte hinwirken müssen. Denn es ist nicht auszuschließen, dass zwischen dem Notar und den Eheleuten nicht erörtert wurde, was zu dem Grundstück O-Straße … dazu gehörte. So geht auch der Beklagte grundsätzlich von der Möglichkeit aus, dass der Zeuge I1 seinen Hinweis- und Erörterungspflichten nicht immer vollständig nachgekommen ist (so zum Pflichtteilsverzichtsvertrag). Auch ist denkbar, dass den Eheleuten bei einer etwaigen Inaugenscheinnahme der dem Erbvertrag angehängten Anlage mit einer Grundstücksübersicht (Blatt 49 e. der Akte) nicht aufgefallen war, dass „die Wiese“ mit zum Grundstück O-Straße … gehört oder ihnen etwaige Konsequenzen im Zusammenhang mit dem Erbvertrag nicht bewusst geworden waren.

Des Weiteren ist nicht zwingend, dass die Erblasser bei Aufteilung des Grundstücks O-Straße … im Jahre 2001 noch den genauen Wortlaut des vor zehn Jahren abgeschlossenen Erbvertrags im Kopf hatten oder ihnen nun hätte auffallen müssen, dass eine Klarstellung im Erbvertrag hinsichtlich der Verteilung an die Kinder angezeigt gewesen wäre, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.

Auch das Vorhandensein des Pflichtteilsverzichtsvertrags führt zu keiner anderen Bewertung. Es ist zwar denkbar, dass mit diesem Vertrag klargestellt werden sollte, dass die übrigen Geschwister außer dem Beklagten nunmehr alles aus dem Vermögen der Eltern erhalten hatten, was sie erhalten sollten. Jedoch ist dies so nicht in der Urkunde festgehalten worden. Dies kann auf einem Versehen beruhen, dies kann aber auch so gewollt gewesen sein, weil ein Verzicht auf das Erbrecht gerade nicht erfolgen sollte. Vielmehr ist ebenso denkbar, dass der Zweck des Pflichtteilsverzichtsvertrages darin liegen sollte, sicherzustellen, dass der Beklagte nach dem Ableben der Eltern nicht gezwungen sein würde, das Haus wegen geltend gemachter Pflichtteilsansprüche zu verkaufen, sondern dieses vielmehr als ganzer Gegenstand erhalten bleiben sollte.

Schließlich steht der gewonnenen Überzeugung auch die eidesstattliche Versicherung des L1 nicht entgegen. Geht man vielmehr davon aus, dass L3 dem Beklagten das Grundstück D-Straße … in der Absicht übertrug, die übrigen Erben zu beeinträchtigen, so wäre nachvollziehbar, dass der Erblasser auf diese Weise sicherstellen wollte, dass die Wirkungen des § 2287 BGB nicht eintreten. Die Konsequenzen einer falschen eidesstattlichen Versicherung dürften ihn auch nicht besonders abgeschreckt haben, da seine Erklärung erst für etwaige erbrechtliche Streitigkeiten und somit erst nach seinem Ableben Bedeutung haben würde bzw. erst dann zu erwarten gewesen wäre, dass die fehlende Richtigkeit aufgefallen wäre.

Nach dem Vortrag des Klägers erfolgte die Übertragung des Grundstücks auch in Beeinträchtigungsabsicht.

Dabei genügt es zur Annahme einer Beeinträchtigungsabsicht, dass der Erblasser weiß, dass er durch die unentgeltliche Weitergabe das Erbe schmälert. Entscheidend ist, ob die Schenkung ihrem Gehalt nach auf eine Korrektur des Erbvertrages angelegt war oder ob der Erblasser in der Schenkung ein anerkennenswertes lebzeitiges Interesse hatte (Palandt, BGB, 75. Auflage 2016, § 2287 Rn. 6).

Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, dass ein lebzeitiges Eigeninteresse des Vaters an der Schenkung nicht bestand, diese insbesondere nicht seiner Versorgung diente. Diese sei zuvor schon sichergestellt gewesen. Der Kläger hat behauptet, dass der Erblasser nicht unerhebliches Vermögen besessen habe und hierzu detailliert vorgetragen. Die Ehefrau des Beklagten sei für das Putzen der Räume und die Haushaltsführung vom Erblasser eigens bezahlt worden. Zudem hat der Kläger vorgetragen, dass sein Vater ihm gegenüber im Hinblick auf die Grundstücksübertragung erklärt habe, „ich wusste, dass es Ärger in der Sache gibt“. Auch diesem Vorbringen ist der Beklagte nicht entgegengetreten.

Der Kläger hat damit ein fehlendes lebzeitiges Eigeninteresse schlüssig dargelegt.

Hat der Anspruchsteller das fehlende lebzeitige Eigeninteresse schlüssig und substantiiert behauptet, so muss zunächst der Beschenkte seinerseits schlüssig Umstände darlegen, die auf das Vorhandensein eines solchen Interesses des Erblassers schließen lassen. Dann erst trifft den Anspruchsteller die volle Beweislast (BeckOK BGB/Litzenburger BGB § 2287 Rn. 30, beck-online).

Der Beklagte hat indes keinerlei substantiierte Ausführungen zu einem etwaigen Eigeninteresse des Erblassers getätigt. Insbesondere ist er auch den detaillierten Darlegungen des Klägers zu dem beträchtlichen Vermögen des Vaters nicht entgegengetreten. Soweit der Erblasser in der eidesstattlichen Versicherung ausgeführt hat, sein Sohn L4 gehe ihm bei den alltäglichen Dingen des Lebens zur Hand, wird dies nur näher durch die Tätigkeiten der Ehefrau konkretisiert. Diese wurde allerdings für die Leistungen entlohnt. Es ist vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich, warum nicht auch eine dritte Person die erbrachte Versorgung hätte übernehmen können. Insbesondere wurden von Seiten des Beklagten ein Pflegebedürfnis des Erblassers oder etwaige andere Gründe, die für ein lebzeitiges Eigeninteresse sprechen könnten, nicht substantiiert dargelegt.

Den somit gemäß §§ 2287, 812 ff. BGB bestehenden Anspruch hinsichtlich der Übertragung seines Miteigentumsanteils von 1/3 an dem streitgegenständlichen Grundstück kann der Kläger, jedenfalls seit der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft, auch selbständig geltend machen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 709 Satz 1 ZPO.

Der Streitwert wird auf 60.000,00 EUR festgesetzt.

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