Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Ein folgenreicher Streit um die Kosten eines unnötigen Verfahrens
- Der Weg zum Gericht: Eine Klage in mehreren Stufen
- Streitpunkt Lebensversicherung: Information oder Wertermittlung?
- Der Zwangsmittelantrag: Druckmittel im laufenden Verfahren
- Entscheidung des Oberlandesgerichts: Die Kosten trägt die Anspruchstellerin
- Ein weiterer Grund: Der Antrag war zur falschen Zeit unfair
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was ist ein Pflichtteil und wer hat darauf einen Anspruch?
- Welche Informationen über den Nachlass kann ein Pflichtteilsberechtigter vom Erben verlangen?
- Worin liegt der Unterschied zwischen dem Anspruch auf Auskunft und dem Anspruch auf Wertermittlung von Nachlassgegenständen?
- Was kann ein Pflichtteilsberechtigter tun, wenn der Erbe die geforderten Auskünfte nicht erteilt oder nur unvollständig liefert?
- Wer trägt die Kosten bei juristischen Auseinandersetzungen um den Pflichtteil?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 5 W 84/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Saarbrücken
- Datum: 31.01.2025
- Aktenzeichen: 5 W 84/24
- Verfahrensart: Beschluss
- Rechtsbereiche: Erbrecht, Zivilprozessrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Die Pflichtteilsberechtigte, die von der Erbin Auskunft und Zahlung forderte und später Zwangsmittel zur Erzwingung weiterer Auskünfte beantragte.
- Beklagte: Die Erbin, die zur Auskunft über lebzeitige Zuwendungen verpflichtet war und später die Kostenauferlegung durch das Landgericht anfocht.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Eine Pflichtteilsberechtigte forderte von der Erbin Auskunft über lebzeitige Zuwendungen der Erblasserin, insbesondere Lebensversicherungsverträge. Obwohl die Erbin Auskunft erteilte, hielt die Pflichtteilsberechtigte diese für unvollständig und beantragte zur Erzwingung weiterer Details Zwangsmittel. Dies geschah kurz vor dem Abschluss des Hauptsacheverfahrens, in dem über den Zahlungsanspruch entschieden wurde.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging um die genaue Abgrenzung des pflichtteilsrechtlichen Auskunftsanspruchs von einem separaten Anspruch auf Wertermittlung, insbesondere bei Lebensversicherungen zugunsten Dritter. Eine weitere zentrale Frage war, wer die Kosten für ein eingeleitetes Zwangsvollstreckungsverfahren zu tragen hat, das sich später als erledigt erwies.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Gericht änderte den Beschluss des Landgerichts ab. Es entschied, dass die Kosten des für erledigt erklärten Zwangsvollstreckungsverfahrens sowie die Kosten des Beschwerdeverfahrens von der Pflichtteilsberechtigten zu tragen sind.
- Begründung: Der Zwangsmittelantrag hätte abgewiesen werden müssen, da die Erbin den titulierten Auskunftsanspruch bereits erfüllt hatte. Die zusätzlich geforderten Informationen fielen unter den Wertermittlungsanspruch, für den kein Vollstreckungstitel vorlag. Zudem gab es für die Antragstellung keinen vernünftigen Anlass, da die Entscheidung im Hauptsacheverfahren kurz bevorstand.
- Folgen: Die Pflichtteilsberechtigte muss die Kosten für das unnötig eingeleitete Zwangsvollstreckungsverfahren und das nachfolgende Beschwerdeverfahren tragen. Das Urteil präzisiert die Trennung von Auskunfts- und Wertermittlungsansprüchen im Pflichtteilsrecht.
Der Fall vor Gericht
Ein folgenreicher Streit um die Kosten eines unnötigen Verfahrens
Jeder, der schon einmal mit einem Erbfall zu tun hatte, kennt die potenziellen Konflikte. Besonders heikel wird es, wenn nahe Angehörige im Testament nicht bedacht werden. Ihnen steht oft ein sogenannter Pflichtteil zu, ein gesetzlich garantierter Mindestanteil am Erbe. Doch um diesen Anteil berechnen zu können, braucht der Pflichtteilsberechtigte eine entscheidende Sache: vollständige Informationen darüber, was der Verstorbene überhaupt besessen hat. Genau hier beginnt oft der Streit, der in dem folgenden Fall eine unerwartete Wendung nahm. Es ging nicht mehr um das Erbe selbst, sondern darum, wer die Kosten für einen juristischen Schritt tragen muss, den das Gericht am Ende für überflüssig hielt.
Der Weg zum Gericht: Eine Klage in mehreren Stufen

Die Geschichte beginnt mit dem Tod einer Erblasserin am 12. August 2014. Eine Pflichtteilsberechtigte, nennen wir sie die Anspruchstellerin, fühlte sich von der Erbin des Nachlasses unzureichend über das Vermögen informiert. Um ihren Pflichtteil zu erhalten, reichte sie eine sogenannte Stufenklage ein. Man kann sich das wie eine Treppe vorstellen: Auf der ersten Stufe verlangt man nur Informationen. Erst wenn diese vorliegen, geht man auf die zweite Stufe und berechnet die konkrete Geldsumme, die einem zusteht.
Das Landgericht gab der Anspruchstellerin auf der ersten Stufe recht. Mit einem Teil-Urteil, also einer Entscheidung, die nur einen Teil des gesamten Falles klärt, wurde die Erbin am 5. November 2021 verurteilt. Sie musste eine vollständige Liste aller Vermögenswerte und Schenkungen erstellen, die die Verstorbene in den letzten zehn Jahren vor ihrem Tod getätigt hatte. Dazu gehörten auch Lebensversicherungen. Dieses Urteil wurde rechtskräftig, die Erbin musste also die geforderten Auskünfte erteilen.
Streitpunkt Lebensversicherung: Information oder Wertermittlung?
Die Erbin kam ihrer Verpflichtung nach und legte am 4. August 2022 eine Liste vor. Darin fand sich auch ein Rentenversicherungsvertrag. Die Verstorbene hatte verfügt, dass im Todesfall ihr Ehemann das Geld aus dieser Versicherung erhalten sollte. Dem Schreiben war eine Abrechnung des Versicherers beigefügt, aus der hervorging, dass 56.972,44 Euro an den Ehemann ausgezahlt wurden.
Für die Anspruchstellerin war die Sache damit aber nicht erledigt. Sie war der Meinung, die Auskunft sei unvollständig. Sie forderte von der Erbin zusätzliche Details: die genauen Vertragsbedingungen der Versicherung, die Höhe der eingezahlten Beiträge und vor allem den sogenannten Rückkaufswert zum Zeitpunkt des Todes. Der Rückkaufswert ist der Betrag, den man von der Versicherung erhält, wenn man einen Vertrag vorzeitig kündigt. Außerdem wollte sie wissen, ob das Recht des Ehemannes, das Geld zu erhalten, widerruflich oder unwiderruflich war. Das ist ein wichtiger Unterschied: Ein widerrufliches Bezugsrecht kann der Versicherungsnehmer jederzeit ändern, ein unwiderrufliches nicht.
Die Erbin weigerte sich, diese zusätzlichen Informationen zu liefern. Sie argumentierte, die Anspruchstellerin habe ihren Zahlungsanspruch bereits auf Basis der ausgezahlten Summe berechnet und die weiteren Forderungen seien nicht mehr von dem ursprünglichen Auskunfts-Urteil gedeckt.
Der Zwangsmittelantrag: Druckmittel im laufenden Verfahren
Weil sie die gewünschten Details nicht bekam, griff die Anspruchstellerin zu einem schärferen Mittel. Am 21. Juni 2024 beantragte sie bei Gericht, ein Zwangsgeld gegen die Erbin zu verhängen. Ein Zwangsgeld ist eine gerichtlich angeordnete Geldstrafe, die jemanden dazu zwingen soll, einer richterlichen Anordnung nachzukommen. Falls die Erbin nicht zahlen könnte, sollte sie sogar in Zwangshaft genommen werden.
Das Besondere an dieser Situation war der Zeitpunkt. Während dieser Antrag auf Zwangsmittel lief, ging das Hauptverfahren – also der Streit um die eigentliche Zahlung des Pflichtteils – bereits in die Endphase. Das Gericht hatte schon signalisiert, dass es bald eine endgültige Entscheidung treffen würde, und zwar am 12. Juli 2024.
Tatsächlich kam es so: Das Landgericht verurteilte die Erbin zur Zahlung von 7.798,35 Euro. Den Wert der verschenkten Versicherung legte es dabei auf die bereits bekannten 56.972,44 Euro fest. Mit diesem Urteil war der eigentliche Erbschaftsstreit beendet. Der Zwangsmittelantrag war damit gegenstandslos geworden, und die Anspruchstellerin erklärte ihn für erledigt. Nun stand nur noch eine Frage im Raum: Wer muss die Anwalts- und Gerichtskosten für diesen Zwangsmittelantrag bezahlen, der ins Leere gelaufen war? Das Landgericht entschied zunächst, die Erbin müsse zahlen. Dagegen legte diese Beschwerde ein.
Entscheidung des Oberlandesgerichts: Die Kosten trägt die Anspruchstellerin
Das Oberlandesgericht Saarbrücken sah den Fall völlig anders als die Vorinstanz und änderte die Entscheidung. Die Kosten für das Zwangsvollstreckungsverfahren musste nun die Anspruchstellerin tragen. Doch warum? Wie kam das Gericht zu dieser Kehrtwende?
Das Gericht stellte eine entscheidende Frage: Wäre der Antrag auf ein Zwangsgeld erfolgreich gewesen, wenn das Verfahren nicht für erledigt erklärt worden wäre? Die Antwort lautete klar und deutlich: Nein. Der Antrag hätte abgelehnt werden müssen.
Die entscheidende Unterscheidung: Wissen versus Wert
Um das zu verstehen, müssen wir uns zwei verschiedene Ansprüche ansehen, die das Gesetz einem Pflichtteilsberechtigten gibt.
- Der Auskunftsanspruch (§ 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB): Dieser Anspruch zielt darauf ab, reines Wissen zu erlangen. Der Erbe muss eine Liste erstellen, die alle Gegenstände des Nachlasses aufzählt – sozusagen ein Inventarverzeichnis. Man kann es sich vorstellen wie einen Einkaufszettel: „Ein Auto, ein Haus, ein Sparbuch.“ Wertangaben gehören hier grundsätzlich nicht dazu. Ziel ist es, dem Pflichtteilsberechtigten eine Grundlage zu geben, damit er selbst prüfen kann, was zum Erbe gehört.
- Der Wertermittlungsanspruch (§ 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB): Dies ist ein separater, zweiter Schritt. Hier geht es nicht mehr darum, was da ist, sondern wieviel es wert ist. Der Pflichtteilsberechtigte kann verlangen, dass der Wert der Nachlassgegenstände von einem unabhängigen Gutachter ermittelt wird. Um beim Beispiel zu bleiben: Er kann verlangen, dass ein Experte den genauen Marktwert des Autos, des Hauses und des Sparbuchs feststellt.
Das Gerichtsurteil, das die Erbin zur Auskunft verpflichtete, bezog sich nur auf den ersten Punkt: den reinen Auskunftsanspruch. Die Erbin hatte diese Pflicht erfüllt. Sie hatte mitgeteilt, dass es eine Lebensversicherung gab und wer das Geld erhalten hatte. Damit hatte die Anspruchstellerin alle notwendigen Informationen, um zu beurteilen, ob hier eine Schenkung vorlag, und um im nächsten Schritt gegebenenfalls eine Wertermittlung zu fordern.
Die zusätzlichen Details, die die Anspruchstellerin wollte – wie der genaue Rückkaufswert oder die Höhe der Prämien –, gehörten laut Gericht aber nicht mehr zur reinen Auskunft. Sie wären für die Wertermittlung relevant gewesen. Diesen Anspruch auf Wertermittlung hatte die Anspruchstellerin in ihrem ursprünglichen Verfahren jedoch ausdrücklich fallen gelassen. Sie versuchte also, durch den Zwangsmittelantrag Informationen zu erzwingen, auf die sie laut dem vorliegenden Urteil gar keinen Anspruch hatte. Ihr Antrag war daher von vornherein aussichtslos.
Ein weiterer Grund: Der Antrag war zur falschen Zeit unfair
Selbst wenn man diese juristische Feinheit außer Acht ließe, gab es für das Gericht noch einen zweiten, ebenso wichtigen Grund, der Anspruchstellerin die Kosten aufzuerlegen. Die Richter sprachen hier von billigem Ermessen, was bedeutet, dass sie eine Entscheidung treffen, die sie unter den konkreten Umständen des Falles für fair und gerecht halten.
Sie zogen einen Vergleich zu einer Regel aus dem Zivilprozessrecht: Normalerweise muss die unterlegene Partei die Kosten tragen. Eine Ausnahme gibt es aber, wenn jemand eine Klage einreicht, obwohl die Gegenseite gar keinen Anlass dazu gegeben hat. Wer jemanden verklagt, der ohnehin bereit war zu zahlen, muss am Ende möglicherweise selbst die Gerichtskosten tragen, weil die Klage unnötig war.
Genau diesen Gedanken wandte das Gericht hier an. Die Anspruchstellerin hatte ihren Antrag auf ein Zwangsgeld am 21. Juni 2024 gestellt. Zu diesem Zeitpunkt war bereits klar, dass das Gericht im Hauptverfahren nur wenige Wochen später, am 12. Juli 2024, eine endgültige Entscheidung verkünden würde. Es war völlig unrealistisch, dass das Zwangsgeldverfahren bis dahin abgeschlossen sein und die Entscheidung im Hauptverfahren noch hätte beeinflussen können.
Das Gericht hatte der Anspruchstellerin außerdem bereits signalisiert, dass es die vorliegenden Informationen zum Wert der Versicherung für ausreichend hielt. Es bestand also aus Sicht eines vernünftigen Menschen kein Grund, kurz vor dem Ziel noch ein teures und aufwändiges Zwangsvollstreckungsverfahren einzuleiten. Es wäre der Anspruchstellerin zuzumuten gewesen, die finale Entscheidung des Gerichts einfach abzuwarten. Indem sie es dennoch tat, verursachte sie unnötige Kosten. Aus diesem Grund befand das Gericht es als nur fair, dass sie diese Kosten nun auch selbst tragen muss.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt deutlich, dass Pflichtteilsberechtigte nicht unbegrenzt zusätzliche Informationen von Erben verlangen können, wenn die grundlegenden Auskünfte bereits erteilt wurden. Wer versucht, durch Zwangsmaßnahmen Details zu erzwingen, die über die ursprünglich gerichtlich festgelegten Auskunftspflichten hinausgehen, muss mit hohen Verfahrenskosten rechnen. Besonders riskant wird es, wenn solche Anträge kurz vor einer bereits absehbaren Gerichtsentscheidung gestellt werden, da dies als unnötige Verfahrensverzögerung gewertet wird. Die Entscheidung macht klar, dass Geduld oft kostengünstiger ist als voreiliges juristisches Handeln, und dass die Gerichte zwischen notwendiger Information und überflüssiger Detailermittlung unterscheiden.
Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was ist ein Pflichtteil und wer hat darauf einen Anspruch?
Der Pflichtteil ist ein besonderer Anspruch im deutschen Erbrecht. Er sichert sehr nahen Angehörigen eine Mindestbeteiligung am Nachlass, selbst wenn sie durch ein Testament oder einen Erbvertrag enterbt wurden. Es ist wichtig zu verstehen, dass der Pflichtteil kein Erbteil ist und damit keinen Anspruch auf bestimmte Gegenstände aus dem Nachlass begründet. Stattdessen handelt es sich beim Pflichtteil immer um einen reinen Geldanspruch gegenüber den Erben.
Wer hat einen Anspruch auf den Pflichtteil?
Nicht jeder Angehörige hat einen Pflichtteilsanspruch. Das Gesetz schützt hier nur einen sehr engen Kreis von Personen. Anspruch auf den Pflichtteil haben:
- Abkömmlinge: Dies sind die Kinder des Erblassers (der verstorbenen Person). Sind Kinder bereits verstorben, treten an deren Stelle deren Kinder, also die Enkel oder Urenkel des Erblassers.
- Der überlebende Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner: Wenn eine Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft zum Zeitpunkt des Todes bestand und der Ehegatte bzw. Lebenspartner enterbt wurde.
- Eltern des Erblassers: Nur dann, wenn der Erblasser keine Abkömmlinge (Kinder, Enkel etc.) hinterlässt. Hinterlässt der Erblasser Kinder, haben die Eltern keinen Pflichtteilsanspruch.
Andere Verwandte wie Geschwister, Onkel, Tanten oder Cousins haben keinen Pflichtteilsanspruch, selbst wenn sie enterbt werden.
Wann entsteht der Pflichtteilsanspruch und wie hoch ist er?
Ein Pflichtteilsanspruch entsteht, wenn eine Person, die zum oben genannten Kreis gehört, durch ein Testament oder einen Erbvertrag vollständig enterbt wird oder der ihr zugewiesene Erbteil geringer ist als ihr Pflichtteil. Der Pflichtteil ist immer die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils.
Um den Unterschied zu verdeutlichen:
- Der gesetzliche Erbteil ist der Anteil am Nachlass, den eine Person erben würde, wenn es kein Testament gäbe und die gesetzliche Erbfolge eintreten würde.
- Der Pflichtteil ist dann ein Geldanspruch in Höhe der Hälfte dieses gesetzlichen Erbteils.
Beispiel: Stellen Sie sich vor, ein Erblasser hinterlässt zwei Kinder. Nach der gesetzlichen Erbfolge würde jedes Kind die Hälfte erben. Enterbt der Erblasser nun eines dieser Kinder, hat dieses enterbte Kind einen Anspruch auf den Pflichtteil. Dieser Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, also ein Viertel des Nachlasses als Geldzahlung. Das enterbte Kind erhält dabei keine Gegenstände aus dem Nachlass, sondern fordert von den Erben eine Geldzahlung.
Der Pflichtteilsanspruch ist somit ein starker Schutz für die engsten Angehörigen, der die Testierfreiheit des Erblassers begrenzt, um die wirtschaftliche Absicherung dieser Personen zu gewährleisten.
Welche Informationen über den Nachlass kann ein Pflichtteilsberechtigter vom Erben verlangen?
Ein Pflichtteilsberechtigter, also eine Person, die durch ein Testament oder einen Erbvertrag enterbt wurde, aber dennoch einen gesetzlich verankerten Anspruch auf einen Teil des Nachlasswertes besitzt, hat das Recht, umfassende Informationen über den gesamten Nachlass vom Erben zu erhalten. Dieses Auskunftsrecht ist eine zentrale Voraussetzung, um den genauen Umfang und Wert des Erbes zu ermitteln und damit den eigenen Pflichtteilsanspruch korrekt berechnen zu können.
Das Recht auf ein Nachlassverzeichnis
Der Erbe ist gesetzlich verpflichtet, dem Pflichtteilsberechtigten detaillierte Auskunft über den Nachlassbestand zu erteilen. Dies geschieht in der Regel durch die Erstellung eines sogenannten Nachlassverzeichnisses. Dieses Verzeichnis ist eine vollständige Auflistung aller Vermögenswerte und Schulden, die zum Zeitpunkt des Todes der verstorbenen Person vorhanden waren.
Welche Vermögenswerte und Schulden umfasst die Auskunft?
Die vom Erben zu erteilende Auskunft muss alle zum Nachlass gehörenden Gegenstände, Rechte und Verbindlichkeiten umfassen. Dabei geht es zunächst darum, Art und Existenz dieser Posten aufzuzeigen. Zu den Informationen, die ein Pflichtteilsberechtigter verlangen kann, gehören insbesondere Angaben zu:
- Immobilien: Alle bebauten und unbebauten Grundstücke sowie Eigentumswohnungen.
- Bankguthaben: Girokonten, Sparbücher, Festgeldkonten, Bausparverträge und Depots mit Wertpapieren (Aktien, Anleihen, Investmentfonds).
- Bargeld und Schmuck: Vorhandenes Bargeld und wertvoller Schmuck.
- Fahrzeuge: Autos, Motorräder oder andere Fahrzeuge.
- Hausrat und persönliche Gegenstände: Wertvolle Möbel, Kunstwerke, Sammlungen, Antiquitäten und andere Einrichtungsgegenstände.
- Forderungen: Offene Ansprüche, die der Erblasser gegenüber Dritten hatte, wie z.B. noch nicht erhaltene Mietzahlungen oder Darlehensrückzahlungen.
- Beteiligungen an Unternehmen: Anteile an Personengesellschaften (z.B. GbR, OHG, KG) oder Kapitalgesellschaften (z.B. GmbH, AG).
- Versicherungen: Insbesondere Lebensversicherungen, deren Leistungen in den Nachlass fallen oder die zur Berechnung des Pflichtteils herangezogen werden können.
- Schulden und Verbindlichkeiten: Alle zum Todeszeitpunkt bestehenden Verpflichtungen wie Darlehen, Hypotheken, offene Rechnungen oder Steuerschulden.
Ein sehr wichtiger Teil der Auskunftspflicht sind auch Schenkungen, die der Erblasser zu Lebzeiten an Dritte vorgenommen hat. Der Erbe muss über alle Schenkungen der letzten zehn Jahre vor dem Tod informieren. Diese Schenkungen können für den sogenannten Pflichtteilsergänzungsanspruch relevant sein und den Pflichtteil unter Umständen erhöhen.
Erstellung und Genauigkeit des Nachlassverzeichnisses
Das Nachlassverzeichnis wird grundsätzlich vom Erben erstellt. Um eine höhere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben zu haben, kann der Pflichtteilsberechtigte verlangen, dass das Nachlassverzeichnis durch einen Notar aufgenommen wird. Ein Notar als neutrale Person ist verpflichtet, den Nachlassbestand aktiv zu ermitteln, indem er beispielsweise Banken, Grundbuchämter und andere relevante Stellen anfragt.
Die Bedeutung der Wertermittlung
Obwohl die Auskunftspflicht zunächst die Auflistung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten umfasst, ist für die Berechnung des Pflichtteils natürlich der Wert dieser Nachlassgegenstände und Schulden entscheidend. Der Erbe ist auch verpflichtet, die Werte der einzelnen Nachlassposten anzugeben. Bei besonders komplexen oder schwer zu bewertenden Vermögenswerten, wie Immobilien, Unternehmen oder Kunstgegenständen, kann der Pflichtteilsberechtigte verlangen, dass ein Sachverständigengutachten zur Wertermittlung eingeholt wird. Die Kosten für ein solches Gutachten sind in der Regel aus dem Nachlass zu tragen. Durch diese umfassenden Informationen soll sichergestellt werden, dass Sie als Pflichtteilsberechtigter eine transparente und nachvollziehbare Grundlage für die Berechnung Ihres Anspruchs erhalten.
Worin liegt der Unterschied zwischen dem Anspruch auf Auskunft und dem Anspruch auf Wertermittlung von Nachlassgegenständen?
Der Unterschied zwischen dem Anspruch auf Auskunft und dem Anspruch auf Wertermittlung von Nachlassgegenständen ist für viele juristische Laien ein zentraler Punkt, besonders wenn es um das Erbe geht. Vereinfacht ausgedrückt geht es um zwei getrennte Schritte: Zuerst wird geklärt, was überhaupt da ist (Auskunft), und danach, wie viel es wert ist (Wertermittlung).
Der Anspruch auf Auskunft: Was ist im Nachlass vorhanden?
Der Anspruch auf Auskunft dient dazu, eine vollständige Übersicht über alle Vermögenswerte und auch die Schulden zu erhalten, die zum Nachlass gehören. Stellen Sie sich vor, Sie möchten wissen, was genau Ihr verstorbener Angehöriger hinterlassen hat. Dazu gehören zum Beispiel:
- Welche Immobilien sind vorhanden?
- Gibt es Bankkonten, Wertpapiere oder Sparbücher?
- Welche Wertgegenstände wie Schmuck, Kunst oder Fahrzeuge gab es?
- Existieren möglicherweise auch Schulden oder Verbindlichkeiten?
Ziel des Auskunftsanspruchs ist es also, eine transparente Liste oder ein Verzeichnis aller Nachlassgegenstände zu bekommen. Man möchte wissen: „Was ist da?“ Der Erbe oder eine andere auskunftspflichtige Person muss hierbei detailliert und wahrheitsgemäß alle relevanten Informationen offenlegen, damit sich der Anspruchsteller ein Bild vom Umfang des Nachlasses machen kann.
Der Anspruch auf Wertermittlung: Welchen Wert hat das Vorhandene?
Erst wenn Sie wissen, was zum Nachlass gehört, stellt sich die Frage nach dem monetären Wert dieser Dinge. Hier kommt der Anspruch auf Wertermittlung ins Spiel. Er ermöglicht es, den genauen Wert der zuvor ermittelten Nachlassgegenstände zu bestimmen.
Dieser Schritt ist besonders wichtig, wenn es beispielsweise um die Berechnung eines Pflichtteils geht. Der Pflichtteil ist ein Anspruch auf einen Geldbetrag, der sich nach dem Wert des Nachlasses richtet. Daher muss der Wert der einzelnen Vermögenswerte genau beziffert werden.
Oftmals reicht hier die bloße Angabe des Gegenstandes nicht aus. Nehmen Sie zum Beispiel eine Immobilie: Es genügt nicht zu wissen, dass eine Immobilie im Nachlass ist, man muss auch ihren Verkehrswert kennen. Für die Wertermittlung können daher auch Sachverständige notwendig sein. Diese Experten schätzen den Wert von Immobilien, Unternehmensanteilen, Kunstwerken oder anderen komplizierten Vermögenswerten objektiv und nach anerkannten Methoden ein.
Der Zusammenhang: Nacheinander und voneinander getrennt
Es ist wichtig zu verstehen, dass es sich um zwei voneinander getrennte Ansprüche handelt, die jedoch in der Regel nacheinander geltend gemacht werden. Zuerst muss klar sein, was da ist, bevor man den Wert dessen bestimmen kann. Ohne die Auskunft über den Bestand des Nachlasses ist eine präzise Wertermittlung kaum möglich. Die Kenntnis des genauen Wertes ist dann die entscheidende Grundlage für die korrekte Berechnung von Ansprüchen wie dem Pflichtteil.
Was kann ein Pflichtteilsberechtigter tun, wenn der Erbe die geforderten Auskünfte nicht erteilt oder nur unvollständig liefert?
Wenn ein Erbe die Auskünfte, die ein Pflichtteilsberechtigter zur Berechnung seines Pflichtteils benötigt, verweigert oder nur unzureichend zur Verfügung stellt, stehen dem Pflichtteilsberechtigten verschiedene gerichtliche Schritte zur Verfügung, um seine Ansprüche durchzusetzen.
1. Der Auskunftsanspruch vor Gericht
Der erste und grundlegende Schritt, wenn der Erbe nicht kooperiert, ist die gerichtliche Durchsetzung des Auskunftsanspruchs. Dieser Anspruch ist im Gesetz verankert und ermöglicht es dem Pflichtteilsberechtigten, vom Erben Auskunft über den Bestand des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls zu verlangen. Das umfasst beispielsweise Informationen über Vermögenswerte, Schulden und Schenkungen des Erblassers zu Lebzeiten.
Oft wird dieser Auskunftsanspruch im Rahmen einer sogenannten Stufenklage geltend gemacht. Dies ist ein besonderes Gerichtsverfahren, das in mehreren „Stufen“ abläuft:
- Erste Stufe (Auskunft): Zunächst klagt der Pflichtteilsberechtigte darauf, dass der Erbe zur Erteilung einer vollständigen und korrekten Auskunft über den Nachlass verurteilt wird. Der Erbe muss dann zum Beispiel eine Auflistung aller Vermögenswerte und Schulden erstellen und diese gegebenenfalls durch Belege untermauern.
- Zweite Stufe (Wertermittlung): Sobald die Auskunft erteilt wurde und der Nachlassbestand bekannt ist, wird der Wert der einzelnen Nachlassgegenstände ermittelt. Falls notwendig, kann das Gericht hierfür Sachverständige beauftragen, etwa zur Bewertung von Immobilien oder Unternehmensanteilen.
- Dritte Stufe (Zahlung): Erst wenn der genaue Wert des Nachlasses feststeht und der Pflichtteil berechnet werden kann, wird die eigentliche Zahlung des Pflichtteils gefordert.
Der Vorteil einer Stufenklage liegt darin, dass der Pflichtteilsberechtigte nicht im Voraus den genauen Betrag seines Anspruchs kennen muss, da die notwendigen Informationen erst im Laufe des Verfahrens gerichtlich erzwungen werden.
2. Durchsetzung der Auskunft mithilfe gerichtlicher Zwangsmittel
Erteilt der Erbe die Auskünfte auch nach einem gerichtlichen Urteil in der ersten Stufe der Stufenklage nicht oder nur unvollständig, kann die erzwungene Auskunft mit gerichtlichen Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Ein solches Urteil, das den Erben zur Auskunft verpflichtet, wird als Titel bezeichnet. Dieser Titel ist die Grundlage für die sogenannte Zwangsvollstreckung.
Um die Auskunft zu erzwingen, kann das Gericht verschiedene Maßnahmen anordnen:
- Zwangsgeld: Das Gericht kann anordnen, dass der Erbe ein Zwangsgeld zahlen muss, wenn er die geforderte Auskunft nicht innerhalb einer bestimmten Frist erteilt. Dieses Zwangsgeld kann für jeden Tag der Nichtbefolgung fällig werden und dient als Druckmittel, um den Erben zur Erfüllung seiner Pflicht zu bewegen. Das Zwangsgeld wird an die Staatskasse gezahlt.
- Zwangshaft: Wenn das Zwangsgeld nicht ausreicht oder uneinbringlich ist, kann das Gericht sogar Zwangshaft gegen den Erben anordnen. Auch dies ist ein Beugemittel, das darauf abzielt, den Erben zur Herausgabe der Auskünfte zu bewegen. Es handelt sich hierbei nicht um eine Strafe, sondern um ein Mittel zur Durchsetzung des gerichtlichen Auskunftsanspruchs.
Diese Zwangsmittel können auch angewendet werden, wenn der Erbe zwar Auskunft erteilt, diese aber offensichtlich falsch oder unvollständig ist und das Gericht eine vollständige oder korrekte Auskunft verlangt hat.
Es ist wichtig zu verstehen, dass diese Schritte die Durchsetzung des Auskunftsanspruchs sichern, bevor der eigentliche Pflichtteil berechnet und gefordert werden kann. Das Gericht spielt hier eine zentrale Rolle, indem es die Einhaltung der gesetzlichen Pflichten überwacht und nötigenfalls Zwangsmittel einsetzt.
Wer trägt die Kosten bei juristischen Auseinandersetzungen um den Pflichtteil?
Bei juristischen Auseinandersetzungen, insbesondere um den Pflichtteil, ist die Frage der Kosten von großer Bedeutung. Grundsätzlich gilt im deutschen Zivilprozessrecht das Prinzip: „Wer verliert, zahlt.“ Das bedeutet, die Partei, die in einem Gerichtsverfahren unterliegt, muss in der Regel die Gerichtskosten und die Anwaltskosten der Gegenseite tragen.
Bestandteile der Prozesskosten
Die Kosten eines Gerichtsverfahrens setzen sich hauptsächlich aus zwei Posten zusammen:
- Gerichtskosten: Dies sind Gebühren, die an das Gericht für seine Tätigkeit zu zahlen sind. Sie sind gesetzlich festgelegt und richten sich nach dem sogenannten Streitwert. Der Streitwert ist der finanzielle Wert, um den es in der Auseinandersetzung geht. Im Fall des Pflichtteils ist dies beispielsweise der geforderte Pflichtteilsbetrag oder der Wert des Auskunftsanspruchs.
- Anwaltskosten: Jede Partei trägt zunächst die Kosten für ihren eigenen Anwalt. Gewinnt eine Partei den Prozess vollständig, kann sie von der unterlegenen Partei verlangen, dass diese auch die Anwaltskosten des Gewinners (im Rahmen der gesetzlichen Gebühren) übernimmt.
Das Prinzip „Wer verliert, zahlt“ in der Praxis
Stellen Sie sich vor, Sie als Pflichtteilsberechtigter klagen vor Gericht und bekommen in vollem Umfang Recht. In diesem Fall müsste die Gegenseite (oft die Erben) nicht nur den Pflichtteil auszahlen, sondern auch die gesamten Gerichtskosten und Ihre Anwaltskosten (im Rahmen der gesetzlichen Gebühren) tragen. Verlieren Sie den Prozess vollständig, tragen Sie Ihre eigenen Anwaltskosten und die der Gegenseite sowie die Gerichtskosten.
Besondere Situationen bei der Kostenverteilung
Ein Verfahren ist jedoch selten ein reiner „Sieg“ oder eine „Niederlage“. Oft gibt es einen Teilerfolg, bei dem beide Parteien teilweise Recht bekommen. In solchen Fällen werden die Kosten entsprechend dem jeweiligen Erfolg und Misserfolg aufgeteilt. Hat beispielsweise ein Pflichtteilsberechtigter nur die Hälfte des ursprünglich geforderten Betrages zugesprochen bekommen, werden die Kosten typischerweise hälftig geteilt.
Es gibt auch wichtige Ausnahmen vom Grundsatz „Wer verliert, zahlt“:
- Unnötige Klage: Das Gericht kann entscheiden, dass die Kosten auch von der Partei zu tragen sind, die den Prozess eigentlich gewonnen hat, wenn die Klage unnötig war oder sich durch vorheriges Warten hätte vermeiden lassen. Dies ist der Fall, wenn der Anspruch bereits vor Klageerhebung anerkannt oder bezahlt worden wäre, wenn die Gegenseite ausreichend Gelegenheit zur Prüfung oder zur Erfüllung gehabt hätte. Wenn also der Kläger zum Beispiel dem Erben nicht genug Zeit oder die nötigen Informationen zur Berechnung des Pflichtteils gegeben hat, bevor er Klage eingereicht hat, kann dies zu einer abweichenden Kostenentscheidung führen.
- Vergleich: Viele juristische Auseinandersetzungen enden nicht mit einem Urteil, sondern mit einem Vergleich. Das ist eine außergerichtliche oder gerichtliche Einigung, bei der beide Seiten Zugeständnisse machen. In einem Vergleich wird in der Regel auch eine individuelle Regelung zu den Kosten getroffen. Oft vereinbaren die Parteien dabei, dass jede Seite ihre eigenen Anwaltskosten selbst trägt und die Gerichtskosten geteilt werden.
Die Kosten einer Pflichtteilsklage hängen demnach stark vom jeweiligen Streitwert und dem Ausgang des konkreten Verfahrens ab.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Stufenklage
Eine Stufenklage ist ein spezielles Gerichtsverfahren, das in mehreren aufeinanderfolgenden Schritten durchgeführt wird. Besonders im Erbrecht nutzt man sie, wenn zunächst nur Auskünfte über den Nachlass verlangt werden, bevor der Geldanspruch konkret berechnet wird. In der ersten Stufe fordert man also die Herausgabe von Informationen (z. B. eine Liste aller Vermögenswerte), in der zweiten Stufe folgt die genaue Wertermittlung und schließlich die Zahlung. Dieses Verfahren hilft, Streitigkeiten übersichtlich und schrittweise zu klären, ohne dass von Anfang an alle Details geklärt sein müssen.
Beispiel: Jemand fordert zuerst nur den Überblick über das Vermögen eines Verstorbenen und erst danach den genauen Geldbetrag.
Teil-Urteil
Ein Teil-Urteil ist eine gerichtliche Entscheidung, die nicht den gesamten Rechtsstreit abschließend klärt, sondern nur einen bestimmten Abschnitt oder Aspekt. Es kann zum Beispiel eine Entscheidung über einen Teilanspruch oder eine Voraussetzung für weitere Schritte sein. In Erbsachen wird oft zunächst über Auskunftsansprüche entschieden, bevor über die Wertermittlung oder Zahlung geurteilt wird. Teil-Urteile sind wichtig, damit Verfahren nicht unnötig lang werden, sondern Fortschritt stufenweise möglich ist.
Beispiel: Ein Gericht entscheidet erst, dass der Erbe eine Liste mit Nachlassgegenständen vorlegen muss, ohne gleich über den Geldanspruch zu urteilen.
Rückkaufswert
Der Rückkaufswert ist der Betrag, den eine Lebens- oder Rentenversicherung im Falle einer vorzeitigen Kündigung auszahlt. Er liegt meist unter der vertraglich vereinbarten Todesfallleistung, weil Kosten und Verwaltungsaufwand abgezogen werden. Beim Erbfall ist der Rückkaufswert deshalb wichtig, um den realen Wert einer Versicherung im Nachlass zu bestimmen, falls die Auszahlung noch nicht erfolgt ist oder die Teile berechnet werden müssen. Dieser Wert unterscheidet sich vom Auszahlungsbetrag an Bezugsberechtigte.
Beispiel: Kündigt man eine Lebensversicherung vor dem Tod, erhält man nicht die Summe, die im Todesfall ausgeschüttet würde, sondern den aktuell angesparten Rückkaufswert.
Zwangsgeld
Ein Zwangsgeld ist eine vom Gericht angeordnete Geldstrafe, die als Druckmittel dient, damit eine Person eine bestimmte gerichtliche Verpflichtung erfüllt – etwa eine Auskunft erteilt oder eine Handlung vornimmt. Es ist kein Strafgeld, sondern ein Mittel der sogenannten Zwangsvollstreckung, also der Durchsetzung gerichtlicher Anordnungen. Wird das Zwangsgeld nicht gezahlt oder wirkt es nicht, kann das Gericht weitere Maßnahmen, wie Zwangshaft, anordnen. Das Zwangsgeld wird meist für jeden Tag festgesetzt, an dem eine Verpflichtung nicht erfüllt wird.
Beispiel: Wenn ein Erbe trotz Gerichtsbeschluss keine vollständige Vermögensliste erstellt, kann das Gericht ihm ein Zwangsgeld auferlegen, um ihn zur Erfüllung zu bewegen.
Billiges Ermessen
Billiges Ermessen ist ein Rechtsprinzip, das Gerichten erlaubt, unter Berücksichtigung aller Umstände eine faire und angemessene Entscheidung zu treffen. Es bedeutet nicht striktes Befolgen gesetzlicher Vorgaben, sondern eine Abwägung dessen, was nach guten, praktischen Gründen gerecht und sinnvoll ist. Im Zivilprozessrecht wird billiges Ermessen oft bei Kostenentscheidungen oder bei der Anwendung von Verfahrensregeln genutzt, wenn keine klare gesetzliche Regelung oder eine Ausnahmesituation vorliegt.
Beispiel: Das Gericht entscheidet, dass eine Partei die Kosten tragen muss, obwohl sie formal nicht unterlegen ist, weil sie unnötige Verfahren eingeleitet hat und es als fair gilt, die Kosten der Verursachung aufzuerlegen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB (Auskunftsanspruch): Dieser Paragraph gewährt dem Pflichtteilsberechtigten das Recht, vom Erben eine umfassende Liste sämtlicher Nachlassgegenstände und Schenkungen zu verlangen, um sich über den Nachlassinhalt zu informieren; dabei sind Wertangaben nicht zwingend enthalten. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Landgericht verpflichtete die Erbin zur Auskunft über die Vermögenswerte, was sie erfüllte, sodass die Anspruchstellerin alle wesentlichen Informationen zum Nachlass erhielt.
- § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB (Wertermittlungsanspruch): Dieses Recht erlaubt dem Pflichtteilsberechtigten, die Feststellung des konkreten Werts der Nachlassgegenstände durch einen Sachverständigen zu verlangen und ist ein eigenständiger rechtlicher Schritt nach der Auskunftserteilung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Anspruchstellerin verzichtete im ursprünglichen Verfahren auf diesen Wertermittlungsanspruch, versuchte jedoch später durch den Zwangsmittelantrag, zusätzliche wertbezogene Informationen zu erzwingen, was rechtswidrig war.
- § 889 ZPO (Zwangsmittel, Zwangsgeld und Zwangshaft): Diese Vorschrift regelt die Anwendung von Zwangsmitteln, wie das Verhängen von Zwangsgeld oder Zwangshaft, um die Durchsetzung gerichtlicher Anordnungen zu sichern, wobei diese Mittel nur bei berechtigtem Anspruch zulässig sind. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Antrag auf Zwangsgeld gegen die Erbin war unbegründet, weil der Auskunftsanspruch bereits vollständig erfüllt war und keine rechtliche Grundlage für weitere Detailauskünfte bestand.
- § 91 ZPO (Kostenentscheidung im Zivilprozess): Grundsätzlich trägt die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits, Ausnahmen sind jedoch möglich, etwa bei bloß unnötig angestrengten Verfahren oder unsachgemäßer Prozessführung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Oberlandesgericht entschied, dass die Anspruchstellerin wegen unnötiger Kostenverursachung im Zwangsmittelverfahren selbst die Prozesskosten tragen muss.
- Grundsatz des billigen Ermessens (§ 91 ZPO i.V.m. § 283 ZPO): Richter dürfen bei der Kostenverteilung eine Entscheidung treffen, die unter Berücksichtigung aller Umstände als fair und gerecht erscheint, insbesondere wenn ein Rechtsverfahren unnötig oder verspätet geführt wurde. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht bewertete den Antrag auf Zwangsgeld als unangemessen, da die Anspruchstellerin kurz vor der erwarteten Hauptentscheidung ein kostspieliges Verfahren forcierte, das keine Aussicht auf Erfolg hatte.
- Unterscheidung zwischen Auskunft und Wertermittlung im Pflichtteilsrecht (Rechtspraxis und Literatur zu § 2314 BGB): Die Rechtsprechung differenziert klar zwischen dem Anspruch auf Nachlassübersicht (Auskunft) und dem Anspruch auf konkrete Bewertung (Wertermittlung), wobei beide Rechte separaten Anforderungen genügen müssen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Diese juristische Trennung war maßgeblich für die Gerichtsentscheidung, da die Auftraggeberin nur einen Anspruch auf Auskunft geltend gemacht hatte und nicht auf Wertermittlung, wodurch ihr weiterer Informationsanspruch unbegründet war.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 W 84/24 – Beschluss vom 31.01.2025
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