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Errichtung eines Testaments aus mehreren Urkunden

OLG Nürnberg – Az.: 3 U 2727/19 – Urteil vom 04.08.2020

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 28. Juni 2019, Az. 6 O 6241/17, in Ziffer 1. dahin abgeändert, dass der Beklagte an die dort beschriebene Erbengemeinschaft lediglich einen Betrag in Höhe von 21.778,75 €, nebst Zinsen im dort zuerkannten Umfang auf diesen Betrag, zu zahlen hat.

II. Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

III. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Klägerin 2% und der Beklagte 98%.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer I. genannte Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth ist, soweit es aufrechterhalten wurde, ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Jedoch kann jeweils der Schuldner die Zwangsvollstreckung abwenden, indem er Sicherheit i.H.v. 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet, wenn nicht der Gläubiger Sicherheit i.H.v. 110% des vollstreckbaren Betrags leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 673.308,37 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten darum, ob der Vater der Parteien wirksam ein Vermächtnis zugunsten des Beklagten und Widerklägers angeordnet hat.

Die Klägerin ist die Tochter, der Beklagte der Sohn des am 15. Oktober 2015 verstorbenen Erblassers H… F… O… T…. In einem Erbvertrag vom 8. Februar 1982 (Notar Dr. B…, Nürnberg, UR-Nr. …) mit seiner Mutter setzte der Erblaser, erbvertraglich bindend, seine Abkömmlinge nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge als Erben ein; ihm wurde eingeräumt, durch Vermächtnisse abweichend über Nachlassgegenstände zu verfügen (unter II. 5; insoweit nicht geändert durch den späteren Nachtrag vom 27. Februar 1987). Zum Nachlass des Erblassers gehört das bis 2011 von ihm als Einzelkaufmann geführte Transportunternehmen, welches er von seiner Mutter geerbt hatte. Zuletzt hatte der Erblasser dieses Unternehmen mit Betriebspacht- und Übernahmevertrag vom 30. September 2011 an die T… L… GmbH, deren Alleingesellschafter der Beklagte ist, verpachtet. Im Eigentum des Erblassers standen ferner die Grundstücke S… Straße … und …, 9… N….

Der Erblasser verfasste unter dem 29. März 2004 ein handschriftliches Dokument, auf dessen Vorderseite er anordnete, dass aus dem Nachlass vermächtnisweise das Fuhrunternehmen mit allen Aktiven und Passiven sowie die Anwesen S… Straße .. und … herauszugeben seien; auf der Rückseite bestimmte er den erstinstanzlich vernommenen Zeugen L…, seinen langjährigen Steuerberater, als Testamentsvollstrecker zur Durchsetzung der Vermächtnisanordnung. Beide Seiten sind vom Erblasser mit Datum versehen und unterschrieben.

Der Beklagte vermietete nach dem Tod des Erblassers mit Beginn 1. Dezember 2016 das Grundstück S… Straße … für eine monatliche Miete von 3.811,25 €, Nebenkostenvorauszahlungen i.H.v. 300 € und entfallende Umsatzsteuer i.H.v. 781,14 € an die R… M… GbR; er vereinnahmte in der Folgezeit deswegen insgesamt 25.916,73 €.

Der Beklagte behauptet, der Zeuge L… habe den Erblasser im Juli 2014 anhand einer damals vorhandenen Kopie des Testaments vom 29. März 2004 darauf aufmerksam gemacht, dass darin kein Name des Vermächtnisnehmers enthalten ist. Der Erblasser habe daraufhin auf dieser Kopie handschriftlich angefügt „… soll mein Sohn [der Beklagte] zu Alleineigentum erhalten.“, dies unterschrieben und mit dem Datum versehen.

Das Landgericht hat der Klage auf Zahlung von insgesamt 48.923,90 € nebst Zinsen an die Erbengemeinschaft im Umfang von 25.916,73 € nebst Zinsen entsprochen; es hat dabei zur Aufrechnung gestellte Forderungen (Zahlungen an N-ERGIE, Grundabgaben, Versicherungen für Grundstücke und Fahrzeug) nicht abgezogen, da nicht dargelegt sei, dass die Erfüllung dem Interesse der Erbengemeinschaft entsprochen habe. Aus demselben Grund hat es den Betrag nicht, wie es der Beklagte behauptet hat, wegen von ihm abgeführter Umsatzsteuer auf 21.778,75 € reduziert. Die Widerklage hat das Landgericht abgewiesen. Nach Durchführung der Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen L… konnte sich das Landgericht keine Überzeugung bilden, dass der Erblasser die vom Beklagten behauptete Ergänzung auf einer Kopie vorgenommen hat. Die Bekundungen seien nicht glaubhaft; ferner äußerte es Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen. Selbst wenn dies der Fall wäre, läge aber aus Rechtsgründen keine wirksame letztwillige Verfügung vor, weil das Landgericht nicht überzeugt sein könne, dass – was erforderlich sei – das Originaldokument vom 29. März 2004 im Zeitpunkt dieser Ergänzung noch vorhanden war.

Gegen die Verurteilung und die Abweisung der Widerklage richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er beantragt:

I. Das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 28.06.2019 Az: 6 O 6241/17 wird aufgehoben:

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Die Klägerin wird verurteilt zuzustimmen, dass die Erbengemeinschaft A… L…, geboren am … und F… T…, geboren am … folgende Grundstücke an den Beklagten – durch die Auflassung und hiermit beantragte Eintragung im Grundbuch – übereignet:

– Flurnummer … S…r Str. …, Wohnhaus mit Büro, Lagerhalle, Hofraum zu 1.907 m², eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichtes N… für H… Band … Blatt …

– Flurnummer … S… Str. …, Werkhalle mit Büro, Hofraum zu 2.281 m², eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts N… für H… Band …, Blatt ….

IV. Die Klägerin wird verurteilt zuzustimmen, dass die Erbengemeinschaft A… L… – F… T… die Aktiven des Einzelunternehmens H… T… (ohne Grundstücke, da in Ziffer II erfasst) zum Stand 15.10.2015 an den Beklagten abtritt, bestehend aus der Forderung gegenüber der Firma T… L… GmbH aus dem Übernahmevertrag vom 30.09.2011 bei gleichzeitiger Freistellung der Erbengemeinschaft von den Verbindlichkeiten des Einzelunternehmens zum Stand 15.10.2015, nämlich u.a. den Pensionsverbindlichkeiten gegenüber Frau D… T… und der Verpflichtung zur Erstellung der Jahresabschlüsse 2012 und 2015.

V. Die Klägerin wird verurteilt zuzustimmen, dass die Erbengemeinschaft A… L… – F… T… die ab 15.10.2015 angefallenen und zugeflossenen Mieterträge aus der Vermietung des Anwesens N…, S… Str. … an die Firma S… A… GmbH & CO KG zugunsten des Vermieters freigibt, nämlich € 170.824,50 per 30.09.2019.

Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil. Die Berufung sei wegen deren Abweichung der Berufungsanzeige von den erstinstanzlichen Widerklageanträgen bereits teilweise unzulässig, jedenfalls in der Sache unbegründet. Sie wiederholt und vertieft insoweit ihre Argumentation.

Im Übrigen wird zur Darstellung des Sachverhalts auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils und wegen des Sach- und Streitstands insgesamt auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten und Widerklägers hat nur im Hinblick auf die Umsatzsteuer Erfolg. Im Übrigen erweist sie sich als unbegründet, da das Landgericht zutreffend davon ausgegangen ist, dass dem Beklagten kein wirksames Vermächtnis im Hinblick auf das Transportunternehmen (§ 1939, § 2147 BGB) zusteht.

1. Die Berufung ist zulässig, auch, soweit der Berufungsführer die Widerklageanträge nicht in mit den erstinstanzlichen Anträgen identischer Form verfolgt. Soweit mit der Stellung der neuen Anträge überhaupt eine Klageänderung einhergeht, ist diese jedenfalls nach § 533 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 ZPO zulässig:

a) Soweit sich in dem auf Übereignung der Grundstücke S… Str… und… gerichteten Antrag (erstinstanzlich Widerklageantrag II., Berufungsantrag III.) nunmehr der Einschub „durch Auflassung und hiermit beantragte Eintragung im Grundbuch“ findet, dient dies erkennbar dazu, näher anzugeben, welche Erklärungen materieller und prozessualer Art die Widerbeklagte abgeben soll bzw. gem. § 894 ZPO fingiert werden sollen. Ein sachliches Mehr gegenüber dem ursprünglichen Antrag ist damit nicht verbunden, weil die Erklärung der Auflassung bereits wegen § 925 BGB erforderlich gewesen wäre, um die geforderte Übereignung zu bewirken. Den Antrag auf Eintragung könnte der Berufungsführer ohnehin selbst stellen.

b) Die Einfügung eines „u.a.“ in dem auf Übertragung der Aktiva gerichteten Antrag (erstinstanzlich Widerklageantrag III., Berufungsantrag IV.) schränkt, da er im Zusammenhang mit der dem Widerkläger obliegenden Freistellung der Schuldnerin (Erbengemeinschaft) steht, im Ergebnis seinen Antrag weiter ein. Eine Erweiterung oder sonstige relevante Änderung ist damit nicht gegeben.

c) Durch die Einschränkung des Antrags auf Freigabe der Mieterträge (erstinstanzlich Widerklageantrag IV., Berufungsantrag V.) auf solche, die wegen der Vermietung des Anwesens S… Str. … angefallen sind, wird jedenfalls keine Erweiterung der Anträge vorgenommen. Im Übrigen liegen auch hier nur Präzisierungen im Hinblick auf den Zahler und den Zahlbetrag vor, die die spätere Zwangsvollstreckung erleichtern bzw. weitere Auseinandersetzungen vermeiden sollen.

d) Dafür, dass eine Berücksichtigung der neuen Anträge mit dem Erfordernis der Einführung zusätzlichen Prozessstoffs verbunden wäre, ist nichts aufgezeigt oder ersichtlich.

2. Zweifel an der Zulässigkeit der Widerklageanträge, die dem Erfolg der Berufung entgegenstehen könnten, könnten im Hinblick darauf bestehen, dass der Widerklageantrag III./Berufungsantrag IV. nicht konkret aufführt, welche Gegenstände des Aktivvermögens aus der Erbengemeinschaft auf den Beklagten übertragen werden sollen. Insoweit würde es an einer Vollstreckbarkeit bzw. Tauglichkeit, die Fiktion nach § 894 ZPO auszulösen, fehlen. Der Senat legt den Klageantrag jedoch dahingehend aus, dass es dem Widerkläger vorliegend alleine darum geht, die Forderung gegenüber der GmbH auf ihn zu überführen, welche der Antragsformulierung nach den einzigen Aktivposten darstellt. Insoweit enthält der Antrag zwar Überflüssiges, ließe sich aber auf einen bestimmten Inhalt reduzieren.

Entsprechendes gilt für die Zug-um-Zug angebotene Freistellung. Zwar muss feststehen, welche Gegenleistungen der Vollstreckungsgläubiger erbracht haben muss. Welche Verbindlichkeiten hierzu gehören, lässt sich aber aufgrund der Bilanzen zum angegebenen Stichtag hinreichend sicher bestimmen. Im Übrigen wäre es primär eine Schwierigkeit für den Widerkläger, wenn hier Zweifel hinsichtlich der Vollständigkeit verblieben, da er dann die Ausfertigung gem. § 894 S. 2 ZPO nicht erwirken könnte. Dass (was allein relevant wäre) ein solcher Ausspruch keinerlei Wert für ihn hätte und daher das Rechtsschutzbedürfnis fehlen würde, kann nicht gesagt werden.

3. Der Senat kann auch unter Berücksichtigung der Argumente des Beklagten nicht zum Ergebnis gelangen, dass der Erblasser ein wirksames Testament, welches ein Vermächtnis zugunsten des Beklagten enthält, errichtet hat.

a) Das Dokument vom März 2004 stellt für sich genommen keine wirksame Vermächtnisanordnung dar.

Der Satz ist unvollständig und enthält insbesondere keine Anordnung, die aus sich heraus verständlich wäre, weil sich ihm nicht entnehmen lässt, wem das Genannte zugewandt werden soll; es fehlt somit an einem eigenständigen Sinn des Geschriebenen (vgl. in OLG München, Beschl. vom 25. Oktober 2005 – 31 Wx 72/05, ZEV 2006, 33 (34) m.w.N.). Selbst bei Berücksichtigung der Überschrift und des Vorspanns kann lediglich entnommen werden, dass die genannten Gegenstände überhaupt vermächtnisweise zugewandt werden sollen. Da sich in dem unvollständigen Satz nicht einmal ein Anhalt oder eine Andeutung hinsichtlich der bedachten Person findet, hilft auch die sog. Andeutungstheorie nicht weiter, da auch danach (um eine Aushöhlung des Formerfordernisses zu verhindern) erforderlich wäre, dass jedenfalls ein gewisser Anknüpfungspunkt für das Gewollte formgerecht niedergelegt wurde. Allein der (bestrittene, aber unter Beweis gestellte) Umstand, dass der Erblasser den Beklagten als Unternehmensnachfolger ausersehen habe, würde hierzu nicht genügen.

b) Ebenso wenig könnte der Ergänzung vom Juli 2014, wie sie der Beklagte behauptet hat, eine eigenständige Vermächtnisanordnung entnommen werden. Es wird lediglich die Person des Bedachten und die Tatsache, dass dieser etwas erhalten soll, ausgesagt, jedoch nichts zum Gegenstand. Es bleibt sogar völlig offen, ob eine lebzeitige Verfügung oder eine Verfügung von Todes wegen gemeint ist, und weiter, ob – unterstellt man eine Letztere – eine Erbeinsetzung oder ein Vermächtnis angeordnet werden sollte.

c) In Betracht kommt daher lediglich eine Vermächtnisanordnung aufgrund einer Kombination der Urkunden vom März 2004 und vom Juli 2014. In rechtlicher Hinsicht geht der Senat im Hinblick auf die Formwirksamkeit eines solchen Testaments von folgenden Erwägungen aus:

1) Ein Testament kann auch dadurch errichtet werden, dass der Erblasser zu verschiedenen Zeitpunkten und in gesonderten Urkunden für sich genommen unvollständige Erklärungen errichtet, wenn diese jeweils die Form des § 2247 BGB wahren, er bei Errichtung der zweiten Erklärung den Willen hat, dadurch eine letztwillige Verfügung zustande zu bringen, und ein Bezug der Urkunden zueinander hergestellt ist, sodass sich aus beiden zusammen eine aussagekräftige letztwillige Verfügung ergibt (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15. Januar 2002, 14 Wx 114/01, NJW-RR 2003, 653).

2) In Fortführung dieses Grundsatzes kann ein Testament wirksam auch errichtet werden, indem der Erblasser auf einer Kopie der ersten Erklärung eine zunächst unvollständige Erklärung zu einer sinnvollen Anordnung ergänzt. Ein solches Vorgehen stellt auch zwangsläufig sicher, dass sich die einzelnen Erklärungsteile aufeinander beziehen (vgl. Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, § 2247 Rn. 14), und sich so zweifelsfrei der Wille des Erblassers feststellen lässt.

3) Bei einem solchen Vorgehen muss jedoch im Zeitpunkt der zweiten Erklärung die erste Urkunde noch im Original vorhanden sein (so auch ausdrücklich Voit, in: Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, § 2247 Rn. 14; Staudinger/Baumann (2018), § 2247 Rn. 116, unter Bezugnahme auf das OLG Karlsruhe).

Dieses Erfordernis folgt daraus, dass in Fällen der beschriebenen Art das Testament aus der Gesamtheit der einzelnen, für sich genommen keine sinnvolle Aussage enthaltenden Erklärungsteile besteht (vgl. OLG München, Beschl. vom 25. Oktober 2005 – 31 Wx 72/05, ZEV 2006, 33 (34); OLG München, Beschl. v. 31. August 2011 − 31 Wx 179/10, ZEV 2012, 41 (42); BeckOGK/Grziwotz, 1.9.2019, § 2247 Rn. 29: „in diesem Fall besteht das Testament im Original der früheren unvollständigen Erklärung sowie den Ergänzungen auf der hiervon gefertigten Fotokopie“). Dann müssen konsequenterweise aber auch alle Teile noch im Original vorhanden sein, weil andernfalls dem Erfordernis, dass die gesamte Erklärung in der Form des § 2247 BGB errichtet wird, nicht genügt ist. Maßgeblich ist insoweit die Situation bei Abschluss des Errichtungsakts, welcher erst bei der Vornahme der Ergänzung (die erst eine sinnvolle Anordnung schafft) vorliegt.

Das vom Senat aufgestellte Erfordernis wird zwar in den beiden genannten Beschlüssen des OLG München nicht ausdrücklich formuliert. Aus den Entscheidungsgründen folgt aber, dass jeweils das Original damals (und auch beim Tod des Erblassers) noch vorhanden war, so dass das OLG München keinen Anlass hatte, auf die hier entscheidende Frage näher einzugehen. Jedoch führen die fort angestellten Erwägungen – wie dargestellt – zu diesem Erfordernis (ebenso Staudinger/Baumann (2018), § 2247 Rn. 116).

d) Die Beweislast dafür, dass in dem Moment, in dem der Erblasser durch formgerechte Niederschrift und Unterzeichnung des zweiten Bestandteils die Errichtung der letztwilligen Verfügung abgeschlossen hat, die Urkunde mit dem zuvor errichteten Erklärungsteil noch vorhanden war, trägt in Übereinstimmung mit den allgemeinen Regeln derjenige, der sich auf die Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung beruft, vorliegend somit der Beklagte.

Soweit zu einer formgerechten Willenserklärung gehört, dass noch andere Urkunden im Original vorhanden sind, umfasst dies auch, dass letzteres der Fall war. Dies ist letztlich Folgewirkung davon, dass auch nach materiellem Recht das Risiko, dass eine formgerechte Abgabe einer Willenserklärung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen misslingt, derjenige trägt, der die Willenserklärung abgeben will, da er alleine bestimmen und beeinflussen kann, wie er eine Erklärung abgeben will und wie er dabei vorgeht. Dies wirkt sich ggf. negativ für denjenigen aus, der von einer solchen Willenserklärung Vorteile hat.

e) Die damit erforderliche Überzeugung i.S.v. § 286 Abs. 1 ZPO, dass das Original der Erklärung vom 29. März 2004 bei der beklagtenseits behaupteten und vom Zeugen L… bekundeten Ergänzung im Jahr 2014 noch vorhanden war, kann der Senat ebenso wenig gewinnen wie zuvor das Landgericht. Die Ausführungen des Landgerichts, die die Berufung nicht einmal unmittelbar in der nach § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO erforderlichen Weise angreift, lassen keine Fehler erkennen.

1) Der durch die Vorlage WK 11 und die darauf bezogenen Bekundungen des Zeugen L… belegte Umstand, dass sich das Testament bis zum Jahr 2012 (spätestens) in der Steuerkanzlei L… befand und dann an den Erblasser herausgegeben wurde, lässt nicht den sicheren Schluss zu, dass es nicht in der Folgezeit – sei es absichtlich oder versehentlich, sei es durch den Erblasser selbst oder eine(n) Dritte(n) – vernichtet wurde.

2) Eine allgemeine Vermutung, dass eine einmal errichtete Urkunde unversehrt vorhanden bleibt, besteht nicht.

Eine solche Vermutung folgt insbesondere nicht aus § 2255 BGB. Diese Norm knüpft nicht an die Vernichtung als solche an, sondern an eine Vernichtung durch den Erblasser, und begründet für diesen Fall die Vermutung eines entsprechenden Willens, die durch die formgerechte Errichtung der Urkunde erzeugte Erklärung rechtlich zu vernichten. Dazu, unter welchen Voraussetzungen bei Unauffindbarkeit einer letztwilligen Verfügung von deren Vernichtung ausgegangen werden kann, lässt sich der Bestimmung nichts entnehmen.

Insbesondere regelt § 2255 BGB nur eine besondere Weise, um die einseitige, nicht-empfangsbedürftige Willenserklärung „Testament“ aufzuheben (zu „widerrufen“), die neben die übrigen Möglichkeiten des Widerrufs tritt. Ausnahmsweise soll der Vernichtung der körperlichen Urkunde, durch die eine rechtswirksame Erklärung generiert wurde, eine (nun: konträre) Rechtswirkung zukommen. Da generell gilt, dass derjenige, der sich auf ein Unwirksamwerden einer einmal rechtswirksamen Willenserklärung stützt, die maßgeblichen Vorgänge darlegen und beweisen muss, und das Wirksambleiben einer einmal wirksam gewordenen Willenserklärung vermutet wird, trägt die Darlegungs- und Beweislast für eine Vernichtung durch den Erblasser derjenige, der ein Unwirksamwerden infolge Widerrufs geltend macht. Aus dem Grundsatz, dass eine einmal wirksam errichtete rechtliche Erklärung wirksam bleibt, bis vom Gegenteil ausgegangen werden kann, lässt sich jedoch nicht folgern, dass dies auch für Gegenstände wie Urkunden (auch wenn in ihnen Erklärungen verkörpert sind) gilt. Entgegen der Argumentation des Berufungsführers lässt sich daher nicht sagen, dass die Beweislastverteilung für die Errichtung und Vernichtung eines Testaments auch dann gilt, wenn der Erblasser eine zweite letztwillige Verfügung errichtet, durch welche die erste Verfügung vervollständigt bzw. ergänzt wird; bis zum Abschluss des zweiten Teils des Errichtungsakts liegt schon keine letztwillige Verfügung im Rechtssinne vor, da es mangels formgerechter Errichtung an der Wirksamkeit des Gewollten fehlt.

3) Der Umstand, dass am 29. März 2004 überhaupt eine letztwillige Verfügung wirksam errichtet wurde, nämlich die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers, ändert an all dem nichts.

Der Senat nimmt dabei – was aber bereits nicht selbstverständlich ist und ebenfalls einer abschließenden rechtlichen Würdigung bedürfte – zugunsten des Berufungsführers an, dass die Anordnung der Testamentsvollstreckung als wirksam behandelt werden kann, obwohl das Vermächtnis, dessen Vollziehung der Testamentsvollstrecker ausschließlich unternehmen sollte, noch nicht wirksam angeordnet war.

Selbst wenn man aber hiervon ausgeht, ergibt sich für den Berufungsführer nichts Günstiges. Auch wenn mehrere letztwillige Verfügungen durch einen einzigen Errichtungsakt, insbesondere durch Herstellung derselben Urkunde, vorgenommen werden, ist die rechtliche Wirksamkeit für jede einzelne Verfügung gesondert zu prüfen. Insoweit ist das Testament als die im Errichtungsakt begründete äußere Einheit der Verfügung von den einzelnen darin enthaltenen Anordnungen (den letztwilligen Verfügungen i.e.S.), zu unterscheiden, auch wenn „letztwillige Verfügung“ bisweilen das Testament im Ganzen meinen kann; lediglich hält das Gesetz (was den Verfassern bewusst war) diese Unterscheidung nicht terminologisch konsequent durch (vgl. Motive zum BGB, Bd. V, S. 6 = Mugdan Bd. V, S. 3; MüKoBGB/Leipold, 8. Aufl. 2020, BGB § 1937 Rn. 6). Dies gilt nicht nur in materieller, sondern auch in formeller Hinsicht. Es liegt auf der Hand, dass die Tatsache, dass in einem Testament die Verfügung A wirksam getroffen wurde, keine Auswirkungen darauf hat, ob auch die darin enthaltene Verfügung B wirksam ist oder nicht. Dann kann aber auch der Umstand, dass die Testamentsvollstreckerbestimmung für sich genommen wirksam war, keine rechtlichen Folgen für die Vermächtnisanordnung zeitigen. Letzteres gilt nicht nur insoweit, als die Anordnung der Testamentsvollstreckung nicht unmittelbar die Wirksamkeit des Vermächtnisses herbeiführen kann, sondern auch, soweit im Hinblick auf die Vermächtnisanordnung nicht Wirkungen begründet werden, die nur wirksamen letztwilligen Verfügungen zukommen. Auch an dieser Stelle gilt wieder zu beachten, dass das Gesetz lediglich von der Fortdauer der rechtlichen Wirksamkeit einmal errichteter Willenserklärungen ausgeht, und nicht vom körperlichen Fortbestand von Urkunden.

Dasselbe gilt im Hinblick auf die Argumentation, die Urkunde vom 29. März 2004 enthalte mit der Benennung des Vermächtnisgegenstands eine letztwillige Verfügung. Wie ausgeführt, gehört zu einer solchen auch, den Bedachten zu bestimmen oder zumindest die notwendigen Anordnungen zu seiner späteren Bestimmung zu treffen. Ohne dies fehl es an einer letztwilligen Verfügung im Rechtssinne. Insoweit geht es auch nicht um Fragen der Vollzugsfähigkeit oder der Ergänzung um wesentliche oder unwesentliche Teile, sondern darum, dass mangels einer vollständigen Anordnung eine rechtswirksame Verfügung nicht vorlag. Da das Vermächtnis in einem schuldrechtlichen Anspruch des Bedachten besteht, von dem Beschwerten die Leistung des vermachten Gegenstands zu fordern (§ 2174 BGB), ist die Benennung (oder sonstige ausreichende Festlegung) des Bedachten ebenso essentiell wie die Angabe des Gegenstands und (vorbehaltlich der Vermutung des § 2147 S. 2 BGB) des Beschwerten.

4) Der Senat verkennt mithin nicht, dass ein nicht mehr vorhandenes Testament nicht allein wegen seiner Unauffindbarkeit ungültig ist, sondern die Überzeugung von seiner Errichtung mit allen zulässigen Beweismitteln geführt werden kann, und die Tatsache, dass das Testament nicht aufzufinden ist, allein keinen Schluss auf seine Vernichtung durch den Erblasser zulässt (wie z.B. das LG Duisburg und das OLG Köln in den vom Beklagtenvertreter zitierten Entscheidungen ausgeführt haben). Vorliegend geht es aber darum, ob im Moment des Abschlusses der Errichtung ein notwendiger Teil noch körperlich vorhanden war; hierfür bestehen keine solchen Rechtssätze, Grundsätze oder Vermutungen. Damit, dass der Erblasser – den Vortrag des Berufungsführers und die Bekundungen des Zeugen als wahr unterstellt – den Fortbestand des am 29. März 2004 Angeordneten offensichtlich noch gewollt hat, lässt sich somit für den Widerkläger nichts Entscheidendes gewinnen.

5) Schließlich hat das Landgericht auch positive Hinweise dafür erkannt und angeführt, dass das Original bei der behaupteten Ergänzung im Juli 2014 nicht mehr vorhanden war. Durch die Rückgabe der bei der Steuerkanzlei L… jun. verwahrten Dokumente ist der Erblasser in den Besitz des Originals gelangt. Als Erklärung dafür, dass der Erblasser, als er sich zusammen mit dem Zeugen L… davon überzeugen wollte, die Rechtsnachfolge in seinem Sinne geregelt zu haben, und die Ergänzung vornahm, nur auf eine Kopie zurückgriff, liegt jedenfalls nahe, dass er auf das Original nicht mehr zugreifen konnte. Da das Testament bislang auch nicht bei Dritten, insbesondere einer anderen Vertrauensperson, denen er Testamente anvertraut haben könnte, aufgetaucht ist, ist in der Gesamtschau der Schluss berechtigt, dass es schon damals nicht mehr vorhanden war.

6) Belastbare Belege dafür, dass das Original im Besitz der Klägerin ist oder jedenfalls war, haben sich demgegenüber nicht ergeben. Über den Inhalt der Dokumentenmappe ist nichts Belastbares bekannt.

7) Die Auffassung des Senats mag dazu führen, dass – die Richtigkeit des Vortrags des Beklagten wiederum unterstellt – das von ihm im Jahr 2014 Gewollte nicht zur Geltung kommt. Dies ist aber Konsequenz daraus, dass der Gesetzgeber Verfügungen von Todes wegen nur dann rechtliche Wirkungen beigemessen hat, wenn sie den formellen Anforderungen der §§ 2231 ff. BGB genügen. Jeder, dessen Interessen die Wirksamkeit einer Willenserklärung zugute kommt (vorliegend der Beklagte wie der Erblasser), trägt das Risiko, dass es der erklärenden Person nicht gelingt, eine den gesetzlichen Anforderungen genügende (formelle und materielle Anforderungen, Abgabe, Zugang etc.) Willenserklärung zustande zu bringen. Die Gerichte sind auch nicht befugt oder gar aufgerufen, an einer zu weiten Auflösung der Formerfordernisse mitzuwirken, da an der Wahrung der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens, denen durch das Formerfordernis für eigenhändige Testamente Rechnung getragen werden soll, ein gewichtiges Interesse besteht (vgl. Staudinger/Baumann (2018), § 2247 Rn. 14).

Auch der in § 2084 BGB verankerte Grundsatz des „favor testamenti“ führt zu keinem anderen Ergebnis. Das Gebot, die Auslegungsvarianten heranzuziehen, bei der eine wirksame Verfügung vorliegt, betrifft lediglich die Fragen, welchen Inhalt eine Verfügung besitzt, und ob überhaupt eine Verfügung von Todes wegen gewollt ist (MüKoBGB/Leipold, 8. Aufl. 2020, § 2084 Rn. 1 f.). Vorliegend geht es dagegen um die Frage, wie die gesetzlichen Normen, die die formellen Voraussetzungen einer wirksamen Verfügung von Todes wegen regeln, auszulegen sind.

f) Eine Beweisaufnahme durch nochmalige Vernehmung des Zeugen L… oder Vernehmung weiterer Personen aus dem Familienkreis hatte daher zu unterbleiben. Selbst wenn sich das Gericht aufgrund der Aussage des Zeugen L… unmittelbar und/oder aufgrund der in das Wissen der anderen Zeugen gestellten Äußerungen davon überzeugen könnte, dass der Erblasser die behauptete Ergänzung vorgenommen hat und/oder davon ausgegangen ist, das Transportunternehmen dem Beklagten zugewandt zu haben, ließe dies keine aussagekräftigen Schlüsse auf den maßgeblichen Umstand zu, dass dem Erblasser gelungen ist, eine entsprechende letztwillige Verfügung formwirksam zu errichten. Selbst wenn der Erblasser in der beschriebenen Weise alles unternehmen wollte und subjektiv davon ausgegangen sein mag, ein Vermächtnis wirksam angeordnet zu haben, würde dies nicht bedeuten, dass dies objektiv zum Erfolg geführt hat.

g) Ebenso war der Notar, der die Grundstückschenkung zugunsten der Klägerin beurkundet hat, nicht zu vernehmen. Würde dieser bestätigen, dass der Erblasser erwähnt hat, die Schenkung an die Klägerin sollte ausgleichen, dass der Beklagten das Transportunternehmen erhalten werde, könnte das Gericht allenfalls daraus folgern, dass der Erblasser nicht (z.B. aus Enttäuschung über ausbleibende Pachtzahlungen) von einem früheren Entschluss, den Geschäftsbetrieb dem Beklagten zu vermachen, abgerückt ist und deshalb das Dokument vom März 2004 in Aufhebungsabsicht vernichtet hat. Selbst wenn dieser denkbare Erklärungsversuch für das Nichtvorhandensein des Originals ausscheiden würde, bliebe es aber dabei, dass keinerlei belastbare Erkenntnisse oder Anhaltspunkte über Verbleib und Schicksal der ursprünglichen Urkunde gegeben sind und deshalb nicht mit der von § 286 ZPO geforderten Gewissheit zugrundegelegt werden kann, dass diese bei der Ergänzung der Kopie noch vorhanden war.

h) Von einer wirksamen Einsetzung des Beklagten als Vermächtnisnehmer kann daher nicht ausgegangen werden.

4. Wie der Senat bereits ausgeführt hat, liegt auch nicht ein Vermächtnis des Inhalts vor, dass ein Dritter – der Zeuge L… – den Vermächtnisbegünstigten benennen könne.

a) Zwar kann der Erblasser nach § 2151 BGB, welcher eine Ausnahme zum Gebot der materiellen Höchstpersönlichkeit (§ 2065 BGB) darstellt, im Bereich der Vermächtnisse die Bestimmung des Begünstigten einem Dritten oder dem Beschwerten überlassen.

b) Nach nochmaliger Prüfung des gesamten Prozessstoffs kommt der Senat aber bereits zum Ergebnis, dass dem Erfordernis, dass der Kreis der Bedachten jedenfalls bestimmbar sein muss und daher dem Dritten ein freies Recht zur beliebigen Auswahl nicht eingeräumt werden kann (statt aller MüKoBGB/Rudy, 8. Aufl. 2020, BGB § 2151 Rn. 2 ff.; Burandt/Rojahn/Burandt, 3. Aufl. 2019, BGB § 2151 Rn. 2), nicht genügt wäre. Die maßgebliche Regelung in II. 5 des Erbvertrags vom 8. Februar 1982 (Notar Dr. Bünte, Nürnberg, UR-Nr. 0517/1982) enthält keine Beschränkung im Hinblick darauf, welche Personen mit Vermächtnissen bedacht werden können. Insbesondere lässt die Formulierung nicht erkennen, dass die Vermächtnisse nur zulässig sein sollten, um unter den Abkömmlingen die Verhältnisse abweichend von den gesetzlichen Erbquoten zu regeln. Damit kam grundsätzlich jede Person als Vermächtnisnehmer in Betracht, was wiederum bedeutet, dass die erforderliche Eingrenzung nicht durch die Bezugnahme bewirkt werden konnte.

c) Unabhängig davon war eine solche Anordnung aber weder gewollt noch wäre sie formgerecht zum Ausdruck gebracht worden:

1) Der Zeuge L… hat in seiner Vernehmung klar und auch auf ausdrückliche Nachfrage mit Bestimmtheit bekundet, dass der Erblasser im Jahr 2004 bereits die feste Absicht hatte, das Fuhrunternehmen nach seinem Tode dem Beklagten zukommen zu lassen. Nach seinen Angaben ging der Erblasser ferner davon aus, durch die damalige Niederschrift und Unterschrift des Dokuments alles hierzu Notwendige getan zu haben.

Ein Erblasser, der sich bereits abschließend im Hinblick auf die Person eines Vermächtnisnehmers festgelegt hat, kann nicht zugleich wollen, dass ein anderer noch eine Bestimmung des Vermächtnisnehmers trifft. Aus Sicht des Erblassers gab es überhaupt keinen Anlass, dem Zeugen L… (oder auch den Erben, vgl. § 2152 BGB) noch ein Bestimmungsrecht zu überlassen, weil seine Entscheidung definitiv feststand, getroffen war und (aus seiner Sicht: wirksam) umgesetzt worden ist. Ebenso wenig wären die beklagtenseits behaupteten Vorgänge im Jahr 2014 zu erklären, wenn der Erblasser dem Zeugen oder anderen Personen ein Bestimmungsrecht hätte einräumen wollen, da auch sie klar zum Ausdruck bringen, dass der Erblasser von Anfang an ein Vermächtnis für den Beklagten aussetzen wollte.

2) Die Erklärungen aus dem Jahr 2004 (Seiten 1 und 2) enthalten auch nicht zumindest eine Andeutung dafür, dass die Person des Begünstigten offen gelassen werden und einer Person das Bestimmungsrecht zustehen soll. Dass ein Testamentsvollstrecker – falls die Person des Vermächtnisbegünstigten offengelassen wird – die Auswahl treffen soll, mag zwar nahe liegen, ist aber nicht so zwingend, dass auch ohne weitere Anhaltspunkte angenommen werden könnte, in der Anordnung der Testamentsvollstreckung liege auch eine (logisch vorrangige) Anordnung, der Vermächtnisnehmer solle erst noch bestimmt werden. Die damalige Erklärung ist, was das Vermächtnis angeht, schlicht unvollständig, was aber gerade bedeutet, dass auch kein positiver Hinweis entnommen werden kann, ein Dritter solle die Person konkretisieren.

5. Auf die Frage, ob das Landgericht zu Recht aufgrund der Aussage des Zeugen L… nicht die Überzeugung gewonnen hat, dass sich die Geschehnisse im Juli 2014 so zugetragen haben wie beklagtenseits behauptet, kommt es mithin nicht entscheidend an. Der Senat kann aber die vom Landgericht dargestellten Bedenken nachvollziehen; sie werden durch die Ausführungen der Berufung nur teilweise entkräftet. Insbesondere kann auch derjenige, der eine lebensbedrohliche Erkrankung durch Vergessen bewältigen will, diese noch zeitlich präzis einordnen. Auch hätte es jedenfalls aufgrund des Freundschaftsverhältnisses (d.h. ungeachtet der Beendigung der steuerberatenden Tätigkeit für den Erblasser) des Zeugen zum Erblasser durchaus nahegelegen, dass man nun höchste Sorgfalt bei den formellen Anforderungen walten lässt (indem man eine neue, vollständige Verfügung errichtet, zumal auch einem Steuerberater typischerweise die wesentliche Aspekte des § 2247 BGB geläufig sind) oder zumindest rechtlichen Rat einholt, ob eine „Heilung“ des Fehlers auf diese Weise möglich ist; dass von der Wirksamkeit der Verfügung Erhebliches für den Beklagten, der gerade begünstigt werden sollte, abhängt, muss sich dem Zeugen und dem Erblasser aufgedrängt haben.

Bei einer Würdigung müsste der Senat zudem bedenken, dass der Zeuge L… bereit war, quasi auf Zuruf des Beklagten seinen Antrag auf Bestellung als Testamentsvollstrecker zurückzunehmen, weil sich dieser ohne einen Testamentsvollstrecker eine bessere Verhandlungsposition erhoffte; dies weist auf eine erkennbare Nähe zum Beklagten hin. Da Richtschnur für die Art und Weise der Amtsführung des Testamentsvollstreckers der (ausdrücklich geäußerte oder mutmaßliche) Wille des Erblassers ist und der Testamentsvollstrecker unabhängig von Weisungen des Erben ist (statt aller MüKoBGB/Zimmermann, 8. Aufl. 2020, § 2203 Rn. 12, 14), erscheint das Vorgehen des Zeugen jedenfalls nicht selbstverständlich.

6. Die Abweisung der Widerklage, mit der der Beklagte die Erfüllung des Vermächtnisses zu seinen Gunsten bewirken (Widerklageanträge II. und III.; Berufungsanträge III. und IV.) bzw. die wegen § 2184 BGB geschuldete Vermögenslage herstellen (Widerklageantrag IV., Berufungsantrag V.) will, stellt sich nach diesen Erwägungen als zutreffend dar.

7. Ebenso ist der Klageantrag auf Herausgabe dessen, was der Beklagte aus der Vermietung des der Erbengemeinschaft gehörenden Grundstücks erlangt hat, den die Berufung bekämpft (Berufungsantrag II.), dem Grunde nach gerechtfertigt. Der Betrag ist jedoch um die auf die Miete entfallende Umsatzsteuer (4.137,98 €) zu reduzieren.

a) Der Anspruch auf Herausgabe des „netto“ Erlangten steht der Erbengemeinschaft nach den Regeln zur (sog. echten) Geschäftsführung ohne Auftrag zu.

1) Unterstellt man, dass der Beklagte Fremdgeschäftsführungsbewusstsein und Fremdgeschäftsführungswillen besaß, war er als Geschäftsführer nach § 667 Alt. 2 BGB, der wegen § 681 S. 2 BGB und unabhängig davon zur Anwendung kommt, ob die auftragslose Geschäftsführung berechtigt oder unberechtigt war (h.M., vgl. MüKoBGB/Schäfer, 7. Aufl. 2017, BGB § 681 Rn. 3; BeckOGK/Thole, 1.8.2019, BGB § 681 Rn. 6 ff.), zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet. Hierunter wird der Bruttogewinn verstanden und der Geschäftsherr darauf verwiesen, damit zusammenhängende Aufwandsposten über den Gegenanspruch aus § 670 BGB geltend zu machen; ferner wird es als unerheblich angesehen, ob der Auftraggeber den Gewinn selbst hätte erzielen wollen oder können (so je MüKoBGB/Schäfer, 7. Aufl. 2017, BGB § 667 Rn. 23).

2) Auch wenn § 667 Alt. 2 BGB auf eine Gewinnabschöpfung abzielt (MüKoBGB/Schäfer, 7. Aufl. 2017, BGB § 667 Rn. 23) und deshalb der tatsächlich erzielte Gewinn auch dann dem Geschäftsherrn zukommt, wenn dieser diesen so nicht hätte erzielen können, muss dem Geschäftsführer der Einwand offenstehen, er habe den Gewinn nur deshalb erzielt, weil er z.B. Aufwendungen getätigt hat, und zwar unabhängig davon, ob die Geschäftsführung ohne Auftrag berechtigt war oder nicht und deshalb die Voraussetzungen des § 683 S. 1 i.V.m. § 670 BGB gegeben sind. In einem auf den Gewinn bezogenen Herausgabeverlangen ist insoweit eine konkludente Genehmigung der Geschäftsübernahme zu sehen (vgl. MüKoBGB/Schäfer, 7. Aufl. 2017, BGB § 684 Rn. 15; BeckOGK/Thole, 1.8.2019, BGB § 684 Rn. 19); jedenfalls würde der Geschäftsherr treuwidrig (§ 242 BGB) handeln, wenn er sich einerseits die positiven Ergebnisse der Geschäftsführung zunutze machen will, andererseits aber vorbringt, das Verhalten des Geschäftsführers habe seinem Willen und Interesse widersprochen.

3) Diese für Aufwendungen entwickelten Überlegungen müssen erst recht für Abzugsposten wie Steuern gelten. Diese können zwar mangels Charakters als freiwilliges Vermögensopfer nicht als Aufwendungen i.e.S. begriffen werden, da sie zwangsläufig anfallen, wenn in sachlicher und persönlicher Hinsicht der Steuertatbestand verwirklicht ist. Die Grundwertung, dass mit den Vorteilen korrespondierende Nachteile berücksichtigt werden müssen, wenn sie erforderlich oder sogar zwingend waren, lässt sich aber den §§ 667 ff. BGB ebenso wie den §§ 994 ff. BGB entnehmen und findet sich auch in den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung und des Bereicherungsverbots.

4) Aufgrund der jedenfalls teilweisen Legalisierungswirkung, die der Genehmigung innewohnt, wäre eine Aufrechnung auch nicht mehr wegen § 393 BGB versperrt. Ob die Umstände ausreichen, damit das Vorgehen des Beklagten einen Deliktstatbestand der §§ 823 ff. BGB (ggf. i.V.m. dem StGB) verletzt hat, insbesondere wegen der subjektiven Erfordernisse, und deshalb die Aufrechnung unzulässig wäre, erscheint dem Senat auch im Übrigen nicht zweifelsfrei.

5) Hinzu kommt – auch unter schadenersatzrechtlichen Aspekten – Folgendes: Hätte die Erbengemeinschaft vermietet und nicht für die Umsatzsteuer optiert, wäre der Mieter aller Voraussicht nach nicht bereit gewesen, Mieten in dieser Höhe zu leisten. Mieter war mit der R… M… GbR ein Unternehmen, welches die auf die Miete entrichtete Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend machen konnte. Die Umsatzsteuer ist im Mietvertrag gesondert ausgewiesen. Wäre die Erbengemeinschaft Vermieterin gewesen und Umsatzsteuer wegen entsprechender Option nicht angefallen und nicht gesondert ausgewiesen worden, kann nach der Lebenserfahrung nicht unterstellt werden, dass der Mieter denselben Gesamtbetrag an Miete entrichtet hätte, weil dies für ihn effektiv eine Verteuerung um 19 % bedeutet hätte. Die „Erhöhung“ der Miete um 19 % gegenüber dem, was die Erbengemeinschaft erlösen hätte können, stand damit in untrennbarem Zusammenhang mit der Vermietung durch den Beklagten und dessen Umsatzsteuerpflicht.

Da der wirtschaftliche Schaden (§ 249 Abs. 1 BGB) nur im Vergleich zu dem, was der Geschädigte selbst hätte realisieren können besteht, kann derjenige, der selbst nicht umsatzsteuerpflichtig ist, auch auf diese Weise regelmäßig nur einen Ersatz erreichen, der der Nettomiete entspricht.

b) Zu einem anderen Ergebnis würde man auch dann nicht gelangen, wenn man (wegen fehlenden Fremdgeschäftsführungsbewusstseins) von einer irrtümlichen Eigengeschäftsführung (§ 687 Abs. 1 BGB) oder (wegen fehlenden Fremdgeschäftsführungswillens) von einer angemaßten Eigengeschäftsführung (§ 687 Abs. 2 BGB) ausginge.

1) War dem Beklagten bewusst, dass er nicht berechtigt ist, die Vermietung des Grundstücks vorzunehmen, konnte die Klägerin durch Geltendmachung des Gewinnherausgabeanspruchs das Geschäft „an sich ziehen“ und so die Rechtsfolgen, die bei einer echten Geschäftsführung ohne Auftrag eintreten würden, auslösen, namentlich auch den Gewinnabschöpfungsanspruch des §§ 681 S. 2, 667 Alt. 2 BGB (§ 687 Abs. 2 BGB).

2) Wäre der Beklagte (was aber aus den im Hinweis dargestellten Überlegungen weiter fern liegt) irrig der Auffassung gewesen, zur Vermietung im eigenen Namen und auf eigene Rechnung berechtigt zu sein, würde er zwar nur nach den allgemeinen Regeln haften (§ 687 Abs. 1 BGB). Auch die deshalb heranzuziehenden Regelungen des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses und des Bereicherungsrechts enthalten aber jeweils Bestimmungen, die einerseits zu einer Verpflichtung des Beklagten führen, das Erlangte herauszugeben, andererseits erkennen lassen, dass zwingend anfallende Gegenpositionen zu berücksichtigen sind. § 987 BGB und selbst § 988 BGB, der überwiegend auf den rechtsgrundlos Besitzenden entsprechend angewandt wird, enthalten eine Anordnung, dass gezogene Nutzungen herauszugeben sind, explizit. Eine entsprechende Rechtsfolge ergibt sich ferner aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, § 818 Abs. 1 u. 2 BGB.

c) Der Senat hält es nicht für erforderlich, Beweis zu erheben, ob die Umsatzsteuer in der geltend gemachten Höhe von 4.137,98 € tatsächlich an das Finanzamt abgeführt wurde.

1) Aufgrund der Natur und des Wesens der Steuerschuld genügt es, um die Umsatzsteuer als Abzugsposten zu berücksichtigen, dass diese objektiv angefallen ist und davon auszugehen ist, dass das Finanzamt von dem Steuersachverhalt Kenntnis erlangt. Grund ist die nach den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen gerechtfertigte Annahme, dass eine bekannte Steuerschuld von den Finanzbehörden verfolgt wird.

2) Die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken unterliegt gem. § 4 Nr. 12 UStG grundsätzlich der Umsatzsteuer, wenn nicht eine gegenteilige Option gem. § 9 UStG ausgeübt wird; dies ist jedoch im Vertrag zwischen dem Beklagten und der R… M… GbR vom 24. November 2016 gerade nicht erfolgt (dort § 3 1. lit b)). Die Klägerin stützt sich für ihre Klage ausdrücklich auf diesen Vertrag vom 24. November 2016, der insofern eine Nettomiete regelt und einen Umsatzsteueranteil gesondert ausweist. Die Klägerin kann daher nicht, wie in der Berufungserwiderung erfolgt, die Behauptung, der Beklagte habe für die Vorsteuer optiert, bestreiten und/oder als verspätet zurückweisen. Vielmehr liegen die Dinge so, dass der Beklagte, indem er bereits in der ersten Instanz auf die Abführung der Umsatzsteueranteile hingewiesen hat, sich die entsprechenden Regelungen des Mietvertrags zu eigen gemacht hat; es hätte der Klägerin oblegen, konkret aufzuzeigen, wie trotz der dortigen Regelung und Gestaltung der Miethöhe eine Umsatzsteuerpflicht des Beklagten nicht bestehen solle.

3) Davon, dass die Finanzbehörden von dem Sachverhalt Kenntnis haben, muss der Senat ebenfalls ausgehen. Dabei kann dahinstehen, ob das Schreiben des Hausverwalters als Beweismittel verspätet ist und ob es eine Überzeugung begründen könnte, dass entsprechende Umsatzsteuervoranmeldungen erfolgt sind. Nach der Lebenserfahrung kann der Senat unterstellen, dass auch die Mieterin, die ein Gewerbe betreibt und umsatzsteuerpflichtig ist, die auf die gezahlte Miete entfallene Steuer geltend macht (da dies für sie günstig ist) und deshalb die Finanzbehörden jedenfalls auf diesem Weg von dem Vorgang Kenntnis besitzen. Dann ist aber mit einer Berücksichtigung auch beim Beklagten sicher zu rechnen.

d) Keinen Erfolg hat demgegenüber die Aufrechnung mit Gegenansprüchen wegen Aufwendungen wie Stromkosten, Grundabgaben und Versicherungsbeiträgen. Es fehlen weiter ausreichende Darlegungen, inwieweit die vorgetragenen und belegten Kosten auf das konkrete Grundstück entfallen sind. Auch auf den Hinweis des Senats wurde der Vortrag des Beklagten und Widerklägers nicht ergänzt und präzisiert.

Der Klageantrag erweist sich daher nur in reduziertem Umfang als begründet, so dass die Berufung des Beklagten insoweit teilweise Erfolg hat.

III.

Den Streitwert für das Berufungsverfahren setzt der Senat mit insgesamt 673.308,37 € fest. Analog den Erwägungen des Landgerichts waren die Widerklageanträge mit 660.350,00 € zu berücksichtigen und der Klageantrag, dessen Abwehr die Berufung erstrebt, mit 50 % des erstinstanzlich zuerkannten Betrags, somit mit 12.958,37 €.

Die Kostenentscheidung für die erste Instanz ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO; für die zweite Instanz wendet der Senat § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO an, da der Erfolg des Berufungsführers nicht ins Gewicht fällt.

Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst. Der Senat weicht bei seiner rechtlichen Bewertung, welche Anforderungen bei einer derartigen sukzessiven Testamentserrichtung gelten, nicht von anderen obergerichtlichen oder höchstrichterlichen Entscheidungen ab. Es ist wegen der Außergewöhnlichkeit eines solchen Vorgehens auch nicht zu erwarten, dass sich derartige Fragen wiederholt stellen und deshalb eine höchstrichterliche Entscheidung erklärend auswirken kann.

 

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