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Erstellung notarielles Nachlassverzeichnis – Anforderungen

OLG Celle – Az.: 6 U 74/20 – Beschluss vom 25.03.2021

Nach übereinstimmender Erklärung der Erledigung der Hauptsache werden die Kosten des Rechtsstreits nach einem Wert von bis zu 6.000 € gegeneinander aufgehoben.

Gründe

I.

Die Klägerin macht durch eine isolierte Auskunftsklage als Pflichtteilsberechtigte einen Auskunftsanspruch durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses geltend.

Am 6. Februar 2018 verstarb die gemeinsame Mutter der Parteien. Der Beklagte ist testamentarischer Alleinerbe.

Mit Anwaltsschreiben vom 13. März 2018 (Anlagenband Klägerin) verlangte die Klägerin vom Beklagten Auskunft durch Vorlage eines geordneten Bestandsverzeichnisses über den Nachlass sowie Auskunft über mögliche „Vorschenkungen“ der Erblasserin.

Mit Anwaltsschreiben vom 15. Mai 2018 (Anlagenband Klägerin) verlangte sie die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses. Mit weiterem Anwaltsschreiben vom 24. Juli 2018 (Anlagenband Klägerin) konkretisierte die Klägerin ihre Anforderungen an das zu erstellende notarielle Nachlassverzeichnis.

Der Notar C. erstellte unter dem 1. März 2019 zur UR-Nr. 80/19 ein „notarielles Nachlassverzeichnis“, in dem niedergelegt wurde, welche Angaben der Beklagte zum Nachlass der Erblasserin zum Zeitpunkt des Todes machte (Anlagenband Klägerin). Danach hat der Beklagte nach seinen Angaben am 23. Februar 2017 eine Schenkung der Erblasserin in Höhe von 50.000 € erhalten. Außerdem heißt es, weitere Guthaben/Konten als die mit der Nr. 259 783 70.. und das Sparkonto 259 783 72.. (Mietsicherheit), H. V., seien nicht vorhanden. Beigefügt wurden insbesondere Kontoauszüge für das Konto 259 783 70.. der Erblasserin bei der H. V..

Unter dem 20. November 2019 ergänzte der Notar zur UR-Nr. 501/19 (Anlagenband Beklagter) das „notarielle Nachlassverzeichnis“ durch die Erklärung des Beklagten, dass er andere Zuwendungen und Schenkungen zu Lebzeiten seiner Mutter als in dem Nachlassverzeichnis angeführt, nicht erhalten habe.

Mit am 11. November 2020 verkündetem Urteil hat die Einzelrichterin der 12. Zivilkammer des Landgerichts Hannover die Klage abgewiesen.

Der Antrag der Klägerin sei dahingehend auszulegen, dass sie nicht die Vorlage eines neu angefertigten notariellen Nachlassverzeichnisses begehre, sondern vielmehr eine Ergänzung um die im Schriftsatz vom 17. September 2020 angekündigten Fragen.

Im Grundsatz könne keine Ergänzung verlangt werden. Ein Ausnahmefall liege nicht vor. Eine Unrichtigkeit sei nicht ersichtlich. Der Notar sei kein Detektiv; ohne konkrete Anhaltspunkte müsse er nicht in alle Richtungen ermitteln. Der Notar habe nicht jede Barabhebung der Erblasserin in das Nachlassverzeichnis als mögliche Schenkung aufnehmen müssen. Zu berücksichtigen sei auch, wie transparent der Erbe von Anfang an hinsichtlich der Darstellung des Nachlasses vorgegangen sei.

Gegen das Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Das Nachlassverzeichnis erfülle die Anforderungen nicht. Einige Konten der Erblasserin seien dort gar nicht wiedergegeben worden, weil sie der Beklagte dem Notar nicht bekannt gegeben habe. Nicht ausreichend sei, dass der Beklagte nach dem Hinweis der Klägerin im Schriftsatz vom 27. Mai 2020 versucht habe, Erklärungen zu diesen Konten abzugeben. Sie lege aber Wert darauf, dass insoweit der Notar die Verantwortung übernehme. Dieser habe Informationen von Seiten der H. V. einzuholen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Beklagte der Klägerin eine umfassende unwiderrufliche Vollmacht erteilt, selbst Auskünfte bei der H. V. einzuholen. Im Anschluss daran haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

II.

Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, war nach § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO über die Kosten des Rechtsstreits „unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen“ zu entscheiden. Dies führte dazu, diese Kosten in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 1 ZPO gegeneinander aufzuheben.

1. Unzweifelhaft stehen der Klägerin grundsätzlich die Ansprüche aus § 2314 Abs. 1 BGB zu. Die Anforderungen an ein notarielles Nachlassverzeichnis sind in ihren wesentlichen Grundzügen auch längst geklärt.

„Das notarielle Nachlassverzeichnis gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB soll eine größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft bieten als ein privates Verzeichnis, welches der auskunftsverpflichtete Erbe erstellt hat. Dazu ist es erforderlich, dass es von der Amtsperson selbst erstellt wird und diese nicht lediglich die Erläuterungen des Erben protokolliert und beurkundet. Der Notar ist dabei regelmäßig auch zur selbständigen Ermittlung der aufzunehmenden Gegenstände und Forderungen berechtigt und verpflichtet, er muss zudem durch eine Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringen, für den Inhalt verantwortlich zu sein (…). Ein Verzeichnis, das sich inhaltlich lediglich auf die dem Notar seitens des Erben vorgelegte Auflistung beschränkt und nicht eine eigenständige Feststellung des Notars dazu enthält, dass weitere Nachlassgegenstände nicht vorhanden und weitere Verbindlichkeiten nicht festzustellen seien, erfüllt daher die Anforderungen nicht“ (BVerfG, 1 BvR 2423/14, Nichtannahmebeschluss vom 25. April 2016, Rn. 3 bei juris).

2. Der Anspruch der Klägerin auf ein notarielles Nachlassverzeichnis ist durch das vorliegende notarielle Nachlassverzeichnis und dessen Ergänzung nicht erfüllt worden. Beide Urkunden enthalten im Wesentlichen lediglich eine Beurkundung einer Erklärung des Beklagten. Beim notariellen Nachlassverzeichnis geht es aber nicht um die Beurkundung einer Willenserklärung im Sinne von §§ 6 ff. BeurkG, sondern um einen Bericht über eigene Wahrnehmungen des Notars im Sinne von § 37 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BeurkG.

Vier Konten der Erblasserin bei der H. V. sind in dem notariellen Nachlassverzeichnis unerwähnt geblieben. Das notarielle Nachlassverzeichnis vom 1. März 2019 erwähnt lediglich ein weiteres Konto, dies freilich ebenfalls bei der H. V.. Hätte der Notar seine Pflichten bei der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses ernst genommen, sich nicht allein auf die Angaben des Beklagten verlassen, sondern eigene Ermittlungen angestellt, und zwar diejenigen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde (vgl. BGH, IV ZR 193/19, Beschluss vom 20. Mai 2020, zit. nach juris), hätte er bei der V. nach weiteren Konten fragen müssen und hätte aller Voraussicht nach die nunmehr bekannt gewordenen Konten in das Nachlassverzeichnis aufgenommen und sich (erst) damit seinen Gebührenanspruch „verdient“ (vgl. BGH, IX ZR 434/00, Urteil vom 17. Januar 2002, zit. nach juris).

Dabei war es dem Notar nicht von vornherein verwehrt, das Wissen des beklagten Erben sowie das in seiner Person vorhandene Aufklärungspotenzial in der Weise zu nutzen, dass er den Beklagten auffordert, eigene Auskunftsansprüche gegenüber Geldinstituten bzw. sonstigen Dritten durchzusetzen (vgl. BGH, IV ZR 193/19, Urteil vom 20. Mai 2020, Rn. 9 bei juris). Dass der Notar dies getan hat, ist aber gerade nicht ersichtlich.

3. Zweifelhaft ist der Anspruch der Klägerin dessen ungeachtet geblieben, und zwar aus zwei Gründen. Zum einen besteht nunmehr auf der Grundlage des Schreibens der H. V. vom 24. Februar 2020 (Anlagenband Beklagter) Kenntnis von den Konten. Darüber hinaus hat die V. mit Schreiben vom 2. Juli 2020 (Anlagenband Beklagter) Unterlagen zu diesen Konten vorgelegt. Diese sind mittlerweile auch der Klägerin bekannt. Insoweit kann es nur noch darum gehen, wie die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung an sich durchaus zutreffend vorträgt, die durch den Notar vermittelte Sicherheit insoweit zu bekommen. Der weitere Aspekt ist aber, dass die Anträge aus der Berufungsbegründung dahin gehen, dass der Notar hinsichtlich der vier Konten die Frage beantworten soll, ob sich aus der Einsicht in die Umsätze Hinweise auf Schenkungen pp. ergeben. Was der Notar genau tun soll, bleibt damit eher unklar. Soll er eine ihm an sich nicht obliegende Würdigung vornehmen, die die Klägerin, soweit ihr die Unterlagen vorliegen, auch selbst vornehmen kann? Darauf ist die Klägerin vor der mündlichen Verhandlung hingewiesen worden.

Inwieweit der Notar zur Durchsicht von Kontounterlagen verpflichtet ist, insbesondere um zu prüfen, ob im Verwendungszweck „Schenkung“ oder eine ähnliche Formulierung gebraucht ist, oder ob er die Kontoauszüge auf Auffälligkeiten überprüfen muss, die für eine Schenkung sprechen, kann der Senat vorliegend dahinstehen lassen; schwierige Rechtsfragen sind in dem Verfahren nach § 91 a ZPO wegen der nur noch summarischen Prüfung im Hinblick auf den zu prognostizierenden Ausgang des Rechtsstreits ohne Eintritt der Erledigung nicht zu klären (vgl. nur OLG Celle, 13 U 60/12, Beschluss vom 15. Oktober 2012, Rn. 6 bei juris m. w. N.).

Zwar darf nicht aus den Augen verloren werden, dass § 2314 BGB es dem Pflichtteilsberechtigten ermöglichen soll, sich die notwendigen Kenntnisse zur Bemessung seines Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen. Die Pflichten des Erben und des Notars werden sich aber in vielen Fällen nur im konkreten Einzelfall bestimmen lassen. Allgemein gilt, dass die Verpflichtung des Erben zur Mitwirkung an der Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses sich danach richtet, in welchem Umfang diese Mitwirkung für die ordnungsgemäße Aufnahme des Verzeichnisses erforderlich ist. Danach erscheint es dem Senat vertretbar und angemessen, dass der Notar die Pflicht zur Durchsicht von Kontounterlagen auf den Erben delegiert, jedenfalls solange nicht der Pflichtteilsberechtigte bestimmte Auffälligkeiten benennen kann, die den Notar zu eigener Ermittlung insoweit veranlassen können. Es lässt sich aber nicht in allgemeingültiger Weise sagen, dass der Notar zur Durchsicht von Kontounterlagen in keinem Fall verpflichtet sein könnte (vgl. OLG Koblenz, 2 W 495/13, Beschluss vom 18. März 2014, juris). Im Sinne einer Faustformel wird sich sagen lassen, dass die Pflichten des Notars umso weiter reichen, je konkreter die Hinweise des Pflichtteilsberechtigten auf pflichtteilsrelevante Vorgänge sind oder je mehr solche Hinweise sich aus Unterlagen oder sonst dem Notar bekannten Umständen ergeben. Rechtliche Würdigungen soll und darf aber der Erbe ebenso wie der Notar nicht vorwegnehmen (OLG Hamburg, 2 U 29/15, Urteil vom 28. September 2016, Rn. 61 bei juris).

Dabei ging es jedenfalls bis zur mündlichen Verhandlung nur noch um diese vier Konten. Zwar ist der Antrag darauf nicht ausdrücklich beschränkt, auch wenn man darüber streiten kann, was mit „unter besonderer Berücksichtigung“ gemeint sein soll. Aber die Klagabweisung über diese vier Anträge hinaus dürfte mit der Berufungsbegründung nicht angefochten worden sein.

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