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Europäisches Nachlasszeugnis: Rückweisung bei Einwänden, Ermittlungen im Ausland

Die Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses für einen 36 Millionen Euro schweren internationalen Nachlass wurde beim OLG Frankfurt abgelehnt. Das Gericht begründete dies mit massivem Einspruch gegen die Gültigkeit von Ehe und Abstammung, die umfangreiche Ermittlungen in Drittstaaten erfordern.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 21 W 126/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt am Main
  • Datum: 07.07.2025
  • Aktenzeichen: 21 W 126/24
  • Verfahren: Antrag auf Europäisches Nachlasszeugnis (Beschwerdeverfahren)
  • Rechtsbereiche: Europäisches Erbrecht, Internationales Erbrecht, Verfahrensrecht

  • Das Problem: Ein deutscher und iranischer Doppelstaater starb und hinterließ umfangreiches Vermögen in mehreren Ländern. Mehrere angebliche Ehefrauen und sein behaupteter Sohn stritten sich massiv um die Wirksamkeit ihrer Ehen und die Erbquoten.
  • Die Rechtsfrage: Muss das Gericht ein Europäisches Nachlasszeugnis ausstellen, wenn andere Beteiligte komplexe Einwände erheben, deren Klärung langwierige Ermittlungen im Ausland erfordert?
  • Die Antwort: Nein. Das Gericht wies den Antrag zurück und hob die Erstentscheidung auf. Das Zeugnis darf nicht erteilt werden, wenn die Einwände nur durch aufwendige und zeitintensive Ausforschungen in Drittstaaten geklärt werden können.
  • Die Bedeutung: Die Gerichte müssen ein Europäisches Nachlasszeugnis versagen, wenn die Sachlage durch widersprüchliche Dokumente und ungeklärte Tatsachen aus dem Ausland zu komplex für eine schnelle Abwicklung ist. Eine nachträgliche Antragsrücknahme ist nur mit Zustimmung aller Beteiligten möglich.

Wann wird ein Europäisches Nachlasszeugnis trotz Millionenvermögen verweigert?

Ein Vermögen von über 36 Millionen Euro, verteilt auf vier Länder. Ein Verstorbener mit deutscher und iranischer Staatsbürgerschaft. Und ein erbitterter Streit zwischen vier Personen, die alle als enge Angehörige Anspruch auf das Erbe erheben.

Vier Anspruchsteller sitzen um einen chaotischen Stapel widersprüchlicher internationaler Dokumente und Pässe.
OLG Frankfurt begrenzt Europäisches Nachlasszeugnis bei komplexen internationalen Erbfällen. | Symbolbild: KI

Dieser komplexe internationale Erbfall landete vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main, das in seinem Beschluss vom 07. Juli 2025 (Az.: 21 W 126/24) eine grundlegende Frage klären musste: Ist das Europäische Nachlasszeugnis, eigentlich ein Instrument zur Vereinfachung, auch dann zu erteilen, wenn die Faktenlage einem juristischen Labyrinth gleicht? Die Entscheidung des Gerichts offenbart die Grenzen dieses Instruments und zeigt, wann Gerichte die Notbremse ziehen müssen.

Was war der Auslöser für den jahrelangen Rechtsstreit?

Im Jahr 2021 verstarb ein Mann, der sowohl die iranische als auch die deutsche Staatsbürgerschaft besaß. Sein Nachlass war beträchtlich und international verstreut: Geschäftsanteile, Immobilien und Geldvermögen in Deutschland, Frankreich, Luxemburg sowie weitere Beteiligungen im Iran. Das Reinvermögen wurde auf rund 36,1 Millionen Euro geschätzt.

Nach seinem Tod entbrannte ein erbitterter Streit um die Erbfolge, an dem vier zentrale Parteien beteiligt waren:

  • Ein Mann, der angab, der Sohn des Verstorbenen zu sein. Er legte eine amerikanische Geburtsurkunde vor.
  • Eine Frau, die behauptete, seit 1990 in Kalifornien mit dem Erblasser verheiratet gewesen zu sein. Sie legte eine kalifornische Eheurkunde vor.
  • Eine weitere Frau, die ihre Eheschließung mit einer Urkunde aus Teheran aus dem Jahr 1994 zu belegen versuchte. Sie bestritt vehement, dass der angebliche Sohn tatsächlich vom Erblasser abstammte.
  • Eine dritte Frau, die anführte, sie habe 2005 in Deutschland eine nach iranischem Recht wirksame Heiratszeremonie vollzogen.

Die Situation wurde zusätzlich durch eine Flut von widersprüchlichen Dokumenten und Gerichtsentscheidungen aus dem Ausland verkompliziert. Insbesondere aus dem Iran lagen diverse Urteile von verschiedenen Gerichten vor, die sich gegenseitig aufhoben, die Echtheit von Urkunden mal bestätigten und mal verneinten. Eine rechtskräftige Entscheidung aus Teheran verurteilte die Frau mit der Teheraner Heiratsurkunde sogar wegen Urkundenfälschung. Es war ein undurchdringliches Dickicht aus Behauptungen, Gegenbehauptungen und zweifelhaften Beweismitteln.

Inmitten dieses Chaos beantragten der angebliche Sohn und die in Kalifornien getraute Frau beim zuständigen deutschen Nachlassgericht die Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses. Dieses Dokument sollte ihre Erbenstellung nach iranischem Recht mit festen Erbquoten bescheinigen. Das erstinstanzliche Gericht signalisierte seine Absicht, dem Antrag stattzugeben. Dagegen legten die beiden anderen Frauen, die sich ebenfalls als Ehefrauen sahen, Beschwerde ein.

Welche Rolle spielt das Europäische Nachlasszeugnis in diesem Fall?

Um die Entscheidung des Gerichts zu verstehen, müssen Sie das Kerninstrument dieses Verfahrens kennen: das Europäische Nachlasszeugnis (ENZ). Es wurde durch die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO) eingeführt, um die Abwicklung von Erbfällen mit Bezug zu verschiedenen EU-Ländern zu beschleunigen und zu vereinfachen. Das ENZ ist eine Art universeller Erbschein, der in fast allen EU-Mitgliedstaaten anerkannt wird und es den Erben erleichtert, auf Vermögen im Ausland zuzugreifen.

Die Verordnung regelt klar, wann und wie ein solches Zeugnis auszustellen ist. Ein zentraler Punkt findet sich in Artikel 67 Abs. 1 der EuErbVO. Dieser Artikel schreibt vor, dass die ausstellende Behörde das Zeugnis verweigern muss, wenn gegen die beantragten Angaben Einwände erhoben werden. Dieser Mechanismus soll verhindern, dass ein Dokument mit weitreichender Wirkung auf einer unsicheren oder umstrittenen Tatsachengrundlage ausgestellt wird.

Genau dieser Artikel stand im Mittelpunkt der Frankfurter Entscheidung. Es ging um die Frage: Wie ernst und wie fundiert müssen solche Einwände sein, um die Erteilung eines ENZ zu blockieren?

Warum wies das Gericht den Antrag zurück – trotz klarer Zuständigkeit?

Das Oberlandesgericht Frankfurt hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und wies den Antrag auf Erteilung des Europäischen Nachlasszeugnisses entschieden zurück. Obwohl das deutsche Gericht grundsätzlich für den Fall zuständig war, sah es ein unüberwindbares Hindernis für die Ausstellung des Zeugnisses. Die Richter begründeten ihre Entscheidung mit einer klaren und nachvollziehbaren Argumentationskette.

Das Hauptproblem: Komplexe Einwände erfordern langwierige Ermittlungen

Der entscheidende Grund für die Zurückweisung lag in den massiven Einwänden der beiden anderen potenziellen Erbinnen. Diese Einwände waren alles andere als trivial. Sie betrafen die fundamentalen Grundlagen der Erbfolge:

  • Ist die vorgelegte Heiratsurkunde aus Teheran echt oder eine Fälschung?
  • Stammt der angebliche Sohn tatsächlich vom Erblasser ab?
  • Welche der angeblich geschlossenen Ehen ist nach welchem Recht gültig?
  • Welche der widersprüchlichen iranischen Gerichtsentscheidungen hat Bestand?

Das Gericht stellte fest, dass die Klärung dieser Fragen „umfangreiche, langwierige und im Ausland anzulegende Ermittlungen“ erfordern würde. Man hätte Gutachten zur Echtheit von Urkunden einholen, die Rechtslage in Kalifornien und im Iran prüfen und die Verlässlichkeit ausländischer Gerichtsurteile bewerten müssen.

Hier zog das OLG eine klare Linie und berief sich auf eine jüngere Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urt. v. 23.01.2025, Rs. C-187/23). Demnach ist der Zweck des Europäischen Nachlasszeugnisses – eine schnelle und unkomplizierte Abwicklung – genau dann konterkariert, wenn das Ausstellungsverfahren selbst zu einem aufwendigen internationalen Beweisverfahren wird. Das ENZ ist für klare Fälle gedacht, nicht für die Auflösung hochkomplexer Erbstreitigkeiten. Sobald ernsthafte Einwände im Raum stehen, die nicht mit einfachen Mitteln ausgeräumt werden können, muss die Ausstellung gemäß Artikel 67 Abs. 1 EuErbVO unterbleiben.

Die vergebliche Flucht: Warum die Rücknahme des Antrags scheiterte

Im Laufe des Beschwerdeverfahrens versuchten die ursprünglichen Antragsteller – der Sohn und eine der Frauen –, ihren Antrag auf das ENZ zurückzunehmen. Vermutlich erkannten sie, dass das Verfahren aussichtslos wurde, und wollten stattdessen einen rein deutschen Erbschein beantragen. Doch dieser Schachzug scheiterte.

Das Gericht erklärte die Rücknahme für unwirksam. Der Grund dafür liegt im deutschen Verfahrensrecht: Eine Antragsrücknahme ist nach Erlass einer erstinstanzlichen Endentscheidung nur noch mit Zustimmung der anderen Verfahrensbeteiligten möglich (§ 35 Abs. 1 IntErbRVG i.V.m. § 22 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Da eine der beschwerdeführenden Frauen ihre Zustimmung ausdrücklich verweigerte, blieb der ursprüngliche Antrag rechtlich bestehen. Das Gericht war also gezwungen, über diesen Antrag zu entscheiden – und ihn letztlich zurückzuweisen.

Argument der Antragsteller: Sollte das Gericht nicht einfach alles aufklären?

Ein zentrales Gegenargument lautet oft: Warum hat das Beschwerdegericht die Einwände nicht einfach selbst geprüft und den Sachverhalt aufgeklärt? Die Richter stellten hierzu klar, dass dies nicht die Aufgabe des Gerichts im ENZ-Verfahren ist. Die EuErbVO zielt auf Effizienz. Eine Verlagerung einer kompletten erstinstanzlichen Sachaufklärung in die Beschwerdeinstanz würde das Verfahren unverhältnismäßig in die Länge ziehen und dem Sinn der Verordnung widersprechen. Die Rolle des Gerichts ist es nicht, jahrelange Ermittlungen in Drittstaaten zu führen, um ein Dokument auszustellen, das eigentlich für Klarheit sorgen soll. Die Botschaft ist unmissverständlich: Liegen derart tiefgreifende Zweifel vor, ist das Europäische Nachlasszeugnis schlicht der falsche Weg.

Die Frage des Beschwerderechts: Warum durften alle mitreden?

Das Gericht bejahte auch die Beschwerdeberechtigung aller Beteiligten. Selbst für die Frau, deren in Deutschland geschlossene religiöse Ehe nach deutschem Recht formunwirksam wäre (§ 1310 BGB), ließen die Richter die Beschwerde zu. Sie argumentierten, dass es auf europäischer Ebene noch nicht abschließend geklärt sei, ob die Gültigkeit einer Ehe nach dem Recht des Gerichtsstaates oder nach dem anwendbaren Erbrecht (hier: iranisches Recht) zu beurteilen sei. Solange also die Möglichkeit besteht, dass sie als Erbin infrage kommt, muss ihr auch das Recht zugestanden werden, die Entscheidung anzufechten (Art. 72 EuErbVO).

Was bedeutet das Urteil jetzt für Sie?

Die Entscheidung des OLG Frankfurt ist eine wichtige Leitlinie für alle, die mit internationalen Erbfällen zu tun haben. Sie verdeutlicht, dass das Europäische Nachlasszeugnis kein Allheilmittel ist. Es ist ein scharfes und nützliches Werkzeug für unstreitige oder einfach zu klärende Fälle, stößt aber an seine Grenzen, wenn die Grundlagen des Erbrechts selbst – wie die Gültigkeit einer Ehe oder die Abstammung – in Zweifel gezogen werden.

Checkliste: Wann ist ein Europäisches Nachlasszeugnis der falsche Weg?

Prüfen Sie anhand der folgenden Punkte kritisch, ob das ENZ-Verfahren für Ihre Situation geeignet ist. Trifft einer oder mehrere dieser Punkte zu, ist das Verfahren wahrscheinlich nicht der richtige Weg und Sie sollten sich auf ein streitiges Erbscheinverfahren oder eine Erbenfeststellungsklage einstellen.

  • Fundamentale Fakten sind umstritten: Es herrscht Uneinigkeit darüber, wer überhaupt Erbe ist (z. B. durch Streit über die Gültigkeit eines Testaments, die Vaterschaft oder den Familienstand).
  • Die Echtheit von Schlüssel-Dokumenten wird bestritten: Wichtige Urkunden wie Heirats-, Geburts- oder Testamentsurkunden werden von anderen Beteiligten als Fälschungen bezeichnet.
  • Es gibt widersprüchliche Gerichtsentscheidungen aus dem Ausland: Gerichte in anderen Ländern haben bereits Urteile gefällt, die sich gegenseitig widersprechen oder deren Anerkennung in Deutschland unklar ist.
  • Komplexes ausländisches Recht ist unklar: Die Klärung der Erbfolge erfordert die aufwendige Auslegung von schwer verständlichem oder umstrittenem ausländischem Recht.
  • Andere Beteiligte haben bereits angekündigt, jeden Schritt rechtlich anzufechten: In einem hochkonflikthaften Umfeld ist es wahrscheinlich, dass Einwände erhoben werden, die das ENZ-Verfahren blockieren.

In solchen Fällen dient die Zurückweisung des Antrags auf ein Europäisches Nachlasszeugnis dem Schutz aller Beteiligten. Sie verhindert, dass auf unsicherer Grundlage Fakten geschaffen werden, die später mühsam in weiteren Gerichtsverfahren korrigiert werden müssten.

Die Urteilslogik

Das Europäische Nachlasszeugnis dient der Vereinfachung internationaler Erbfälle, muss jedoch scheitern, sobald die Grundlagen der Erbfolge selbst im Streit stehen.

  • Effizienz schlägt Aufklärung: Gerichte müssen die Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses verweigern, sobald die Klärung massiver Einwände gegen Abstammung, Ehegültigkeit oder Dokumentenechtheit aufwendige, internationale Ermittlungen in Drittstaaten erforderlich macht.
  • Grenzen der gerichtlichen Zuständigkeit: Die schnelle Abwicklung internationaler Nachlässe verlangt, dass Gerichte im ENZ-Verfahren keine vollständige, langwierige Beweisaufnahme oder Sachaufklärung hochkomplexer Erbstreitigkeiten betreiben.
  • Verfahrensbindung der Antragsteller: Nachdem die erste Instanz eine Endentscheidung getroffen hat, können Antragsteller ihren Antrag auf ein Nachlasszeugnis nur zurücknehmen, wenn sämtliche übrige Verfahrensbeteiligte der Rücknahme ausdrücklich zustimmen.

Die Europäische Erbrechtsverordnung schützt die Rechtssicherheit, indem sie die Ausstellung weitreichender Dokumente auf Basis fundierter, klarer Fakten beschränkt.


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Experten Kommentar

Ein Europäisches Nachlasszeugnis klingt nach dem ultimativen Turbo für internationale Erbfälle – doch dieses Urteil zeigt, dass es keine Abkürzung für grundlegenden Familienstreit gibt. Das OLG Frankfurt zieht konsequent die rote Linie: Dieses Schnellverfahren ist nur für klare Fälle gedacht, nicht, um die Echtheit widersprüchlicher Auslandsdokumente oder komplexe Fragen zur Abstammung aufzuklären. Für Mandanten bedeutet das eine klare Ansage: Sobald fundamentale Einwände gegen die Gültigkeit von Ehen oder die Vaterschaft im Raum stehen, scheitert der Versuch der schnellen Abwicklung. Man muss dann den mühsameren Weg des regulären, langwierigen Erbscheinverfahrens gehen – eine wichtige Klarstellung für jeden hochkomplexen Fall mit Auslandsbezug.


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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wann lehnt das Gericht meinen Antrag auf ein Europäisches Nachlasszeugnis ab?

Gerichte lehnen den Antrag auf ein Europäisches Nachlasszeugnis (ENZ) ab, sobald die Klärung der Erbfolge umfangreiche und langwierige Ermittlungen im Ausland erfordert. Das ENZ ist primär für unstrittige Fälle konzipiert. Massive, fundierte Einwände gegen die grundlegenden Fakten der Erbenstellung sind das zentrale Hindernis, das zur Zurückweisung führt.

Der entscheidende Rechtshebel ist Artikel 67 Abs. 1 der EuErbVO. Stehen ernsthafte Zweifel im Raum, die sich nicht mit einfachen Mitteln ausräumen lassen, muss das Gericht die Ausstellung verweigern. Solche Zweifel betreffen oft die Gültigkeit von Ehen, die Abstammung oder die Echtheit vorgelegter Urkunden. Das ENZ soll eine schnelle Abwicklung gewährleisten. Wenn das Verfahren selbst zu einem langwierigen internationalen Beweisverfahren mutiert, konterkariert dies seinen eigentlichen Zweck.

Nehmen wir an, es liegen widersprüchliche Gerichtsentscheidungen aus einem Drittstaat vor oder die Echtheit von Heiratsurkunden wird fundamental bestritten. Solche Klärungen erfordern oft teure Gutachten zur Auslegung komplexen ausländischen Rechts oder zur Untersuchung der Dokumente. Die Gerichte ziehen hier eine klare Grenze. Wie der Fall vor dem OLG Frankfurt zeigte, führt der Versuch, das ENZ für hochkomplexe, streitige Erbfälle zu nutzen, nur zur abschließenden Zurückweisung des Antrags.

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Welche Einwände muss ich vorbringen, damit das Europäische Nachlasszeugnis verweigert wird?

Um das Europäische Nachlasszeugnis (ENZ) erfolgreich zu blockieren, müssen Sie nachweisen, dass die Erbfolge nicht unstrittig ist. Die Einwände müssen die grundlegenden Fakten der Erbenstellung erschüttern. Trivialitäten reichen nicht aus; notwendig sind substanzielle Beweise, die aufzeigen, dass eine Klärung umfangreiche und langwierige Ermittlungen im Ausland erfordert. Die Verweigerung des ENZ dient als taktischer Hebel, um den Gegner in das aufwendigere nationale Verfahren zu zwingen.

Das Gericht ist verpflichtet, die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses gemäß Artikel 67 Absatz 1 der EuErbVO zu verweigern, wenn ernsthafte Zweifel an den vom Antragsteller gemachten Angaben bestehen. Das ENZ dient der schnellen, grenzüberschreitenden Abwicklung. Sobald die Klärung der Sachlage die Einholung komplexer Gutachten zum ausländischen Recht oder langwierige Echtheitsprüfungen von Dokumenten im Ausland notwendig macht, ist das Verfahren ungeeignet.

Konkret legen Sie Beweise vor, die die Echtheit der vom Gegner eingereichten Schlüssel-Dokumente massiv anzweifeln. Zeigen Sie auf, dass widersprüchliche Registerauszüge oder frühere Gerichtsentscheidungen aus dem Drittstaat vorliegen, die eine Fälschung belegen könnten. Bestreiten Sie die Gültigkeit des Familienstandes nach dem anwendbaren ausländischen Recht und betonen Sie, dass dessen Klärung die Einholung aufwendiger Gutachten erfordert.

Identifizieren Sie alle einwandsrelevanten Dokumente des Gegners und lassen Sie die Echtheit ausländischer Siegel durch notariell beglaubigte Übersetzungen substanziieren.


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Was ist der Unterschied zwischen einem Europäischen Nachlasszeugnis und einem Erbschein?

Der zentrale Unterschied liegt in ihrem Ziel und ihrem Anwendungsbereich. Der deutsche Erbschein dient primär dem nationalen Nachweis Ihrer Erbenstellung. Das Europäische Nachlasszeugnis (ENZ) hingegen wurde geschaffen, um grenzüberschreitende Erbfälle innerhalb der EU effizient und schnell abzuwickeln. Es funktioniert quasi als universeller Erbschein für europäisches Vermögen.

Die Regelung: Das ENZ basiert auf der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) und genießt Anerkennung in fast allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Es ist somit das Dokument der Wahl, wenn Sie auf Vermögen in mehreren EU-Ländern zugreifen möchten, solange der Fall unstrittig ist. Der deutsche Erbschein stützt sich auf nationales Recht (BGB/FamFG) und muss bei Auslandsbezug oft durch zusätzliche Anerkennungsverfahren ergänzt werden.

Konkret liegt der wesentliche Unterschied in der Handhabung von Streitigkeiten. Der Erbschein ist das korrekte juristische Instrument, um auch hochkomplexe, streitige Klärungsverfahren zu führen, selbst wenn umfangreiche Ermittlungen im Ausland nötig sind. Das ENZ stößt schnell an seine Grenzen. Sobald fundamentale Fakten der Erbfolge massiv bestritten werden – etwa die Gültigkeit von Ehen oder die Echtheit von Urkunden – muss die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses gemäß Artikel 67 EuErbVO verweigert werden.

Vermeiden Sie doppelte Kosten und Verzögerungen, indem Sie vor der Antragsstellung einen Fachanwalt konsultieren, um zu klären, ob ein ENZ- oder ein deutsches Erbscheinverfahren realistischer und zielführender ist.


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Was passiert, wenn die Erbfolge wegen Dokumenten-Fälschung unklar ist?

Wenn der Verdacht auf Urkundenfälschung besteht und dieser durch fundierte Beweise untermauert wird, stoppt das deutsche Nachlassgericht die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses (ENZ). Die Klärung der Echtheit von Dokumenten ist ein fundamentaler Streitpunkt, der langwierige Ermittlungen erfordert. Das beschleunigte ENZ-Verfahren ist für solch komplexe Sachverhalte nicht geeignet und muss gemäß Art. 67 EuErbVO blockiert werden.

Der Zweck des Europäischen Nachlasszeugnisses ist die schnelle, grenzüberschreitende Abwicklung unstrittiger Erbfälle. Liegen jedoch substanziierte Einwände vor, die die Grundlage der Erbfolge fundamental infrage stellen, muss das Gericht die Ausstellung verweigern. Eine Echtheitsprüfung erfordert in internationalen Fällen oft umfangreiche, kostspielige Sachverständigengutachten und umfassende Beweisaufnahmen im Ausland. Solche tiefgreifenden Ermittlungen sprengen den Rahmen des ENZ-Verfahrens und konterkarieren dessen zentrales Effizienzgebot.

Die juristische Konsequenz ist die Umleitung in ein streitiges Verfahren. An die Stelle des ENZ tritt dann ein Erbscheinverfahren oder eine Erbenfeststellungsklage. Nur in diesen Verfahren können formelle Beweise aufgenommen und die Fakten umfassend geklärt werden. Massive Zweifel an der Echtheit der Dokumente genügen dafür: Bereits existierende, rechtskräftige ausländische Urteile, die eine Fälschung feststellen – wie eine Entscheidung aus Teheran in einem konkreten Fall – gelten als starker Einwand und müssen dem Gericht vorgelegt werden.

Beschaffen Sie umgehend offizielle, notariell beglaubigte Kopien aller ausländischen Gerichtsentscheidungen, die die Fälschung belegen, und lassen Sie diese ins Deutsche übersetzen, um Ihre Position zu stärken.


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Wie plane ich mein internationales Erbe, um Streitigkeiten zu verhindern?

Um langwierige internationale Erbstreitigkeiten effektiv zu verhindern, ist proaktive Planung entscheidend. Sie müssen frühzeitig eine klare, notariell beurkundete Rechtswahl treffen und Ihren Familienstand rechtssicher dokumentieren lassen. Stellen Sie sicher, dass alle Schlüssel-Dokumente wie Heirats- und Geburtsurkunden bereits zu Lebzeiten in Deutschland beglaubigt und hinterlegt werden. Dies beugt späteren Anfechtungen wegen Fälschung oder Ungültigkeit vor und sichert die Verteilung Ihres internationalen Erbes.

Der wichtigste präventive Schritt ist die Festlegung des anwendbaren Erbrechts. Nutzen Sie die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO), um in Ihrem Testament explizit das Recht festzulegen, das auf Ihren Nachlass Anwendung finden soll, beispielsweise deutsches Erbrecht. Ohne diese eindeutige Regelung droht die Anwendung unklarer, streitanfälliger ausländischer Rechtsordnungen, welche die Erbfolge massiv verkomplizieren können. Diese notarielle Rechtswahl schafft eine stabile juristische Grundlage für die gesamte Abwicklung.

Zusätzlich müssen Sie Ihren Familienstand zentral klären. Lassen Sie alle Ehen, die im Ausland geschlossen wurden, in das deutsche Eheregister eintragen und stellen Sie die Abstammung Ihrer Kinder durch offizielle deutsche Urkunden fest. Das Landgericht Frankfurt deutete an, dass Gerichte die Gültigkeit von Erbansprüchen anzweifeln, wenn sich Beteiligte nur auf lose, religiös geschlossene Ehen stützen, die nach deutschem Recht formunwirksam sein können (§ 1310 BGB). Eine präventive Beglaubigung und Hinterlegung relevanter Dokumente entkräftet zudem Fälschungsvorwürfe.

Vereinbaren Sie einen Beratungstermin bei einem auf internationales Erbrecht spezialisierten Fachanwalt, um die Gültigkeit Ihres derzeitigen Familienstands nach deutschem Kollisionsrecht umfassend prüfen zu lassen.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Antragsrücknahme

Wenn ein Verfahrensbeteiligter merkt, dass sein Antrag aussichtslos geworden ist, bezeichnet die Antragsrücknahme den formalen Akt, mit dem dieser Antrag aus dem laufenden Gerichtsverfahren wieder entfernt wird.
Nach deutschem Verfahrensrecht (§ 22 Abs. 1 S. 2 FamFG) soll diese Möglichkeit den Parteien erlauben, unnötige Prozesse zu beenden; allerdings ist die Rücknahme nach einer erstinstanzlichen Endentscheidung stark eingeschränkt, um das Verfahren nicht zum Spielball der Beteiligten zu machen.

Beispiel: Im komplexen Erbfall scheiterte die Antragsrücknahme der ursprünglichen Antragsteller daran, dass eine der beschwerdeführenden Erbinnen die nach § 35 IntErbRVG notwendige Zustimmung ausdrücklich verweigerte.

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Beschwerdeberechtigung

Die Beschwerdeberechtigung ist das gesetzlich verankerte Recht einer Person, eine richterliche Entscheidung anzufechten, wenn diese ihre eigenen rechtlichen Interessen in irgendeiner Weise berührt.
Dieses fundamentale Verfahrensrecht stellt sicher, dass alle potenziellen Erben, deren Erbanspruch noch nicht final geklärt ist, die Möglichkeit haben, sich gegen ein Urteil der Vorinstanz zur Wehr zu setzen (Art. 72 EuErbVO).

Beispiel: Das Oberlandesgericht bejahte die Beschwerdeberechtigung selbst für die Frau, deren religiöse Eheschließung nach deutschem nationalen Recht formunwirksam galt, da sie potenziell Erbin nach iranischem Recht sein konnte.

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Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO)

Als zentrales Fundament des grenzüberschreitenden Erbrechts in der EU legt die Europäische Erbrechtsverordnung die Regeln fest, welches Recht bei internationalen Nachlässen Anwendung findet und wie das Verfahren zur Abwicklung abzulaufen hat.
Die EuErbVO wurde geschaffen, um die Abwicklung von Erbfällen, die Vermögen in verschiedenen EU-Ländern umfassen, drastisch zu beschleunigen und bürokratische Hürden zwischen den Mitgliedstaaten abzubauen.

Beispiel: Die Zurückweisung des Antrags auf ein Europäisches Nachlasszeugnis stützte sich maßgeblich auf Artikel 67 Abs. 1 der Europäischen Erbrechtsverordnung, da die Einwände zu umfangreiche, internationale Ermittlungen erfordert hätten.

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Europäisches Nachlasszeugnis (ENZ)

Das Europäisches Nachlasszeugnis (ENZ) ist ein standardisiertes, grenzüberschreitendes Dokument, das die Erbenstellung in den meisten EU-Ländern rechtsgültig nachweist und somit den Zugriff auf ausländische Vermögenswerte vereinfacht.
Dieses Zeugnis dient als universeller Erbschein für europäisches Vermögen und soll vor allem in klaren und unstrittigen Fällen eine schnelle, unkomplizierte Abwicklung gewährleisten.

Beispiel: Die Antragssteller wollten mit dem Europäischen Nachlasszeugnis ihre Erbenstellung nach iranischem Recht feststellen lassen, stießen jedoch an die Grenze des Instruments, da die Faktenlage zu streitig und widersprüchlich war.

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Rechtswahl

Bei der Rechtswahl handelt es sich um eine testamentarische oder notarielle Erklärung, mit der der Erblasser festlegt, welche nationale Rechtsordnung (z. B. deutsches oder französisches Erbrecht) auf seinen gesamten Nachlass angewendet werden soll.
Diese präventive Maßnahme ist essenziell im internationalen Erbrecht, um unklare Zuständigkeiten und komplizierte Kollisionsnormen zu vermeiden und so langwierigen Streitigkeiten unter den Erben vorzubeugen.

Beispiel: Durch eine frühzeitige Rechtswahl hätte der Erblasser verhindern können, dass nach seinem Tod aufwendige Gutachten zur Auslegung des komplexen iranischen Rechts in Bezug auf die Erbquoten notwendig wurden.

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Das vorliegende Urteil


OLG Frankfurt – Az.: 21 W 126/24 – Beschluss vom 07.07.2025


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