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Facebook – Auskunftserteilung über digitalen Nachlass – Nutzerkonto

KG Berlin – Az.: 21 W 11/19 – Beschluss vom 09.12.2019

Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 13.02.2019 – 20 O 172/15 – aufgehoben und der Antrag der Gläubigerin vom 05.11.2018, gegen die Schuldnerin ein Zwangsmittel festzusetzen, zurückgewiesen.

Die Gläubigerin hat die Kosten des Vollstreckungsverfahrens zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

Die Parteien streiten über den Zugang zu einem Benutzerkonto des sogenannten sozialen Netzwerks, das die Beklagte betreibt. Die Gläubigerin hat beansprucht, Zugang zu dem bei der Schuldnerin unterhaltenen Konto „Lia …“ ihrer verstorbenen, minderjährigen Tochter Lia W. und „den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten“ zu erhalten. Sie ist neben deren Vater Mitglied der Erbengemeinschaft.

Mit Urteil vom 17.12.2015 hat das Landgericht die Schuldnerin verurteilt, der Erbengemeinschaft Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto der Erblasserin und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten zu gewähren.

Auf die Berufung der Schuldnerin hat der Senat mit Urteil vom 31.05.2017 das Urteil des Landgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Auf die Revision der Gläubigerin hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 12.07.2018 das Urteil des Senats aufgehoben.

Die Schuldnerin hat am 30.08.2018 an die Gläubigerin einen USB-Stick übermittelt, der eine PDF-Datei mit mehr als 14.000 Seiten enthält, die nach den Angaben der Schuldnerin im Anschreiben eine Kopie der ausgelesenen Daten aus dem von der Verstorbenen geführten Konto bei der Schuldnerin enthält. Zwischen den Parteien ist streitig, inwieweit die auf dem USB-Stick enthaltenen Daten strukturiert angeordnet sind.

Auf Antrag der Gläubigerin vom 05.11.2018 hat das Landgericht mit Beschluss vom 13.02.2019 wegen Nichterfüllung der Verpflichtung aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 17.12.2015, der Erbengemeinschaft nach Lia W. bestehend aus Frau Uta W. und Herrn Martin H., Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten der verstorbenen Lia W. zu gewähren, ein Zwangsgeld gegen die Schuldnerin in Höhe von 10.000,00 € festgesetzt.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die Übergabe eines USB-Sticks keine Zugangsgewährung im Sinne der erfolgten Beurteilung sei. „Zugang gewähren“ bedeute, dass die Schuldnerin das Erforderliche zu tun habe, damit es der Gläubigerin möglich sei, den Inhalt des Benutzerkontos so zur Kenntnis zu nehmen, wie es eine Person täte, die sich bei ihr mit ihrem Kennwort anmelden würde. Der Gläubigerin sei nicht nur Zugang zu den im Benutzerkonto vorgehaltenen Kommunikationsinhalten zu gewähren, sondern auch zu dem vollständigen Benutzerkonto. Dem könne die Schuldnerin nicht mit Erfolg entgegen halten, dass sie keinen Login-Zugang zum Account gewähren könne, bei dem die Gläubigerin lediglich Inhalte überprüfen, aber nicht die Funktion des Dienstes nutzen könne. Die Verurteilung gehe lediglich auf die Gewährung von Zugang und nicht auf die Ermöglichung der Nutzung des Accounts. Der Schuldnerin könne im Übrigen auch zugemutet werden, die technischen Möglichkeiten dafür zu schaffen, dass das Konto nicht weiter genutzt werden könne. Im Übrigen gehe es auch nicht darum, der Gläubigerin dauerhaft Zugang zu dem streitgegenständlichen Benutzerkonto zu verschaffen; ihr solle lediglich durch den Zugang – wie bei jeder anderen Einsichtnahme auch – in angemessener Zeit Kenntnis von Informationen in dem streitgegenständlichen Nutzerkonto gegeben werden. Entgegen der Auffassung der Schuldnerin könne auch nicht festgestellt werden, dass sich die Gläubigerin mit der Schuldnerin darüber geeinigt hätten, dass die Verpflichtung aus dem Urteil dadurch erfüllt werden könne, dass die Schuldnerin dem Gläubigervertreter einen Memory-Stick oder ein ähnliches Speichermedium übersende, das alle Information des Benutzerkontos enthalte. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung des Landgerichts wird auf den angefochtenen Beschluss vom 13.02.2019 sowie auf den Beschluss über die Nichtabhilfe vom 01.04 2019 Bezug genommen.

Gegen den am 18.02.2019 zugestellten Beschluss hat die Schuldnerin am 04.03.2019 sofortige Beschwerde eingelegt.

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(Symbolfoto: PK Studio/Shutterstock.com)

Zur Begründung trägt die Schuldnerin vor, das BGH-Urteil verlange keinen Login-Zugang. Auch der BGH gehe davon aus, dass er Tenor des Urteils des Landgerichts die Schuldnerin lediglich dazu verpflichte, die entsprechenden Inhalte der Gläubigerin zur Verfügung zu stellen, wie dies durch die Schuldnerin mit der Überlassung von nahezu 14.000 Seiten durchsuchbarer, nach Kategorien in chronologischer Form gegliederter Daten auf einem Memory-Stick erfolgt sei. Aus technischer Sicht sei die Schuldnerin nicht in der Lage, einen Zugriff auf ein Konto zu eröffnen, in dem die Gläubigerin lediglich Inhalte sehen könne, also Funktionen, wie etwa das „Posten“ von Nachrichten, nicht nutzbar seien. Ein solcher Modus existiere nicht. Selbst wenn die Schuldnerin die Verwendung von Funktionen wie das „Posten“ sperren könnte, könnten andere Funktionen, die zur Einrichtung eines echten passiven oder schreibgeschützten Modus notwendig wären, wahrscheinlich erst zu einem späteren Zeitpunkt identifiziert werden. Dann müsste erneut ein Programm geschrieben werden, um diese neu identifizierten Funktionen zu sperren. Die einzig technische Alternative, um der Gläubigerin die Inhalte Verfügung zu stellen, die sie bereits erhalten habe, wäre, es ihr zu ermöglichen, sich beim gegenständlichen Konto anzumelden und es aktiv zu nutzen. Wenn jemand das Konto der Verstorbenen aktiv nutzen könnte, als wäre sie noch am Leben, würde das jedoch zu sehr negativen unerwarteten Erfahrungen anderer Nutzer führen. Zudem hätten sich die Prozessbevollmächtigten der Parteien darauf geeinigt, dass die Schuldnerin ihre Verpflichtungen aus dem BGH-Urteil nachkomme, in dem die Schuldnerin die Daten des Kontos der Verstorbenen einen Memory-Stick oder einen anderen Datenspeicher zur Verfügung stelle und an die Gläubigerin übermittele. Die Schuldnerin sei dieser Vereinbarung nachgekommen.

Die Schuldnerin beantragt, den angefochtenen Beschluss des Landgerichts Berlin vom 13. Februar 2019, Aktenzeichen 20 O 172/15, abzuändern und den Antrag der Gläubigerin auf Erlass eines Zwangsgeldes gegen die Schuldnerin zurückzuweisen.

Die Gläubigerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die im Vollstreckungs- und Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat in der Sache Erfolg. Der Beschluss des Landgerichts war aufzuheben und der Antrag der Gläubigerin auf Verhängung eines Zwangsgeldes gegen die Schuldnerin zurückzuweisen.

1.

a) Erfüllt der Schuldner eine Verpflichtung nicht, eine Handlung vorzunehmen, die durch einen Dritten nicht vorgenommen werden kann, so ist, wenn die Handlung ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängt, gemäß § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO auf Antrag zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft anzuhalten ist.

b) Bei der durch das Urteil des Landgerichts rechtskräftig titulierten Verpflichtung der Schuldnerin, Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto der Erblasserin und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten zu gewähren, handelt es sich um eine Verpflichtung zu einer Handlung, die im Sinne von § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO durch einen Dritten nicht vorgenommen werden kann und ausschließlich vom Willen der Schuldnerin abhängt, da sowohl eine Übermittlung der im Benutzerkonto der Erblasserin vorgehaltenen Kommunikationsinhalte, als auch eine darüber hinausgehende Zugangsgewährung zum Account der Erblasserin nur aufgrund einer Handlung der Schuldnerin vorgenommen werden kann. Die Schuldnerin wäre daher auf Antrag der Gläubigerin durch Zwangsmittel zur Zugangsgewährung zum Account der Erblasserin anzuhalten, wenn sie ihre Verpflichtung zur Zugangsgewährung nicht bereits mit der Übermittlung des USB-Sticks am 30.08.2018 erfüllt hätte. Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Schuldnerin auch im Zwangsvollstreckungsverfahren mit ihrem Einwand zu hören, der vollstreckbare Anspruch sei erfüllt (BGH, Beschluss vom 06. Juni 2013 – I ZB 56/12 -, Rn. 9, juris).

2.

Nach Ansicht des Senats ist davon auszugehen, dass die Schuldnerin mit der Übermittlung des USB-Sticks ihrer Verpflichtung, den Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto der Erblasserin und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten zu gewähren, hinreichend nachgekommen ist, sodass die Verhängung eines Zwangsmittels nach § 888 BGB nicht gerechtfertigt ist.

a) Das Vollstreckungsgericht hat durch Auslegung des Vollstreckungstitels zu ermitteln, welche Handlung durch diesen geboten ist (vgl. für eine Unterlassungsverpflichtung BGH, Urteil vom 30. Januar 2014 – I ZR19/13, GRUR 2014,794 Rn. 12). Die Auslegung hat vom Tenor der zu vollstreckenden Entscheidung auszugehen; erforderlichenfalls sind ergänzend die Entscheidungsgründe heranzuziehen (BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 – I ZB 79/11, GRUR 2013,1071 Rn. 14). Für die Auslegung ist vorliegend dabei von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs auszugehen, durch die die erstinstanzliche Entscheidung unter Aufhebung des Senatsurteils wieder hergestellt worden ist. Denn diese Entscheidung beruht danach nicht mehr auf den vom Landgericht dazu geäußerten Entscheidungsgründen, sondern auf den Gründen, die das Revisionsgericht zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung herangezogen hat.

b) Die Auslegung des wiederhergestellten Tenors der erstinstanzlichen Entscheidung allein ergibt kein eindeutiges Ergebnis über den Umfang der danach geschuldeten Handlung der Schuldnerin. Die danach auferlegte Verpflichtung der Schuldnerin, Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto der Erblasserin und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten zu gewähren, lässt sowohl eine Auslegung dahin zu, dass der Gläubigerin insoweit lediglich Kenntnis der im Benutzerkonto der Erblasserin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten vermittelt werden muss, als auch, dass der Gläubigerin darüber hinaus ein – wie auch immer ausgestaltetes – „Agieren“ im Account der Erblasserin gestattet werden muss.

c) Unter Heranziehung der Begründung des Bundesgerichtshofs ergibt sich nach Ansicht des Senats jedoch, dass die Verpflichtung der Schuldnerin sich darin erschöpft, der Gläubigerin Kenntnis vom Inhalt der im Account vorgehaltenen Kommunikationsinhalte zu vermitteln.

aa) Zwar verwendet der Bundesgerichtshof an verschiedenen Stellen seiner Entscheidung eine Formulierung, bei der ein Zugang zum Benutzerkonto scheinbar kumulativ zum Zugang zu den dann vorgehaltenen Kommunikationsinhalten bestehen soll. So heißt es zum Beispiel in Rz. 17, dass die Klägerin berechtigt sei, „von der Beklagten zu verlangen, der Erbengemeinschaft Zugang zum Benutzerkonto der Erblasserin sowie den darin enthaltenen Inhalten zu gewähren“. Entsprechende Formulierungen finden sich weiterhin in Rz. 18, 21 und 28 der Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

bb) Entscheidend ist allerdings, dass der Bundesgerichtshof in Rz. 36 des Revisionsurteils ausführt, dass „Gegenstand des Rechtsstreits […] lediglich die Bereitstellung der vorhandenen Kontoinhalte zum Abruf durch die Erben“ sei. Geht der Bundesgerichtshof danach davon aus, dass der Gegenstand des Rechtstreits allein auf die Bereitstellung der Kontoinhalte beschränkt ist, kann der Begriff des „Zugangs zum Konto“ nur dahin verstanden werden, dass er sich insoweit gerade auf die Vermittlung der in dem Konto enthaltenen Informationen beschränkt, ohne dass damit eine besondere Art und Weise des Zugangs zu den Informationen in Form eines Zugangs zum Account gemeint ist, der die Gläubigerin in die Lage versetzen würde, sich – ohne neue Inhalte kreieren zu können – im Account der Verstorbenen in einer Weise „zu bewegen“, die einem Login wie ein originärer Account-Inhaber gleichkommen würde. Denn es ist nicht ersichtlich, dass der Bundesgerichtshof der Gläubigerin etwas gewähren wollte, was sie seiner Auffassung nach mit der Klage überhaupt nicht begehrt hat.

cc) Diese Beschränkung der Verpflichtung der Schuldnerin auf die bloße Vermittlung der Kommunikationsinhalte wird auch durch weitere Formulierungen des Bundesgerichtshofs bestätigt. Insoweit ist in Rz. 37 von einer „Zugangsgewährung zu den bestehenden Kontoinhalten“ die Rede, ohne dass insoweit von einem darüber hinausgehenden weiteren Zugang zum Konto die Rede ist. Auch aus der in Rz. 69 enthaltenen Formulierung, „mit dem Zugang zum Benutzerkonto des Erblassers erhält der Erbe die Möglichkeit, auf die Kommunikation oder die mit dem Erblasser geteilten Bilder und sonstigen Inhalte zuzugreifen“, ergibt sich, dass es lediglich um den Zugang zu den im Account gespeicherten Inhalten geht. Dies folgt auch aus den Aussagen des Bundesgerichtshofs in Rz. 79 seines Urteils, wonach „der Zugang zu dem Benutzungskonto […] regelmäßig auch dazu [dient], um zu prüfen, ob sich aus dem Inhalt Ansprüche der Erblasserin gegen Dritte oder Ansprüche Dritter gegen die Erblasserin ergeben“.

dd) Ist der Begriff des „Zugangs zum Konto“ danach nicht so zu verstehen, dass die Gläubigerin sich im Konto der Verstorbenen so „bewegen“ kann, als ob sie – ohne das Recht zu haben, weitere Funktionen auslösen zu können – einen „normalen“ Zugang zum Account hätte, steht der Schuldnerin grundsätzlich frei, auf welche Weise sie der Gläubigerin die Inhalte des Accounts vermittelt. Bestehen mehrere Möglichkeiten, um einen bestimmten Erfolg herbeizuführen, kann dem Schuldner i. d. R. nicht eine von mehreren Handlungsmöglichkeiten vorgegeben werden. Das gilt vor allem für unvertretbare Handlungen i. S. v. § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO. In solchen Fällen bleibt dem Schuldner überlassen, wie er seiner Pflicht nachkommt (vgl. BAG, Urteil vom 19. Mai 2009 – 9 AZR 241/08 -, BAGE 131, 18-29, Rn. 17). Insoweit ist davon auszugehen, dass die Übermittlung eines Daten-Sticks, auf dem die im Account der Erblasserin vorhandenen Kommunikationsinhalte gespeichert und abrufbar sind, dem Anspruch der Gläubigerin auf eine nach dem Urteil des Landgerichts geschuldeten Informationsverschaffung grundsätzlich genügen kann.

d) Der Senat geht insoweit auch davon aus, dass die Schuldnerin ihrer Verpflichtung zur Zugänglichmachung der auf dem Account der Verstorbenen gespeicherten Kommunikationsinhalte durch die Übermittlung des Datensticks am 30.08.2018 nachgekommen ist.

aa) Nachdem die Gläubigerin hinsichtlich der mit Hilfe des USB-Sticks übersandten PDF-Dokumente eingewandt hat, dass das Dokument weder eine Strukturierung, sei es thematisch oder in Form von verschiedenen Unterordnern, noch ein Inhaltsverzeichnis, noch Navigationshilfen oder sonstige Hinweise, die den Inhalt des Dokuments in irgendeiner Art und Weise handhabbar machen würden, enthalte, ist die Schuldnerin dem entgegentreten, indem sie unter Vorlage einzelner – allerdings für die Vorlage im Verfahren geschwärzter – „Bildschirm-Shots“ vorgetragen hat, dass sie der Gläubigerin nahezu 14.000 Seiten elektronisch durchsuchbarer Daten zur Verfügung gestellt habe, die nach Kategorien in chronologischer Form gegliedert seien. So würden die entsprechenden Daten zum Beispiel Tausende von Seiten mit Nachrichten, die die Verstorbene mit anderen Nutzern der Schuldnerin ausgetauscht habe, wiedergeben, die den gesamten Inhalt der Nachrichten, den Namen des Nutzers, der die Benachrichtigung versendet habe, den jeweiligen Empfänger der Nachricht, Rückantworten und das Datum und Uhrzeit des Versands der Nachrichten chronologisch für jeden Nachrichtenstrang geordnet enthielten. Diesem Vortrag der Schuldnerin ist die Gläubigerin nicht mehr weiter entgegengetreten. Angesichts dessen ist das zunächst erfolgte Vorbringen der Gläubigerin dahin, dass das Dokument weder eine Strukturierung, noch eine Gliederung, noch ein Inhaltsverzeichnis, noch Navigationshilfen oder sonstige Hinweise, die den Inhalt des Dokuments in irgendeiner Art und Weise handhabbar machen würden, zu unsubstantiiert, um damit die Erfüllung der Verpflichtung der Schuldnerin aus dem landgerichtlichen Urteil zu bestreiten, zumal dieser Vortrag auch ohne jegliche konkreten Beispiele erfolgt.

bb) Die Gläubigerin hat auch nicht hinreichend bestritten, dass ihr mit der Übermittlung des USB-Sticks sämtliche Inhalte des bei der Schuldnerin geführten Accounts der Erblasserin übermittelt worden sind. Insoweit ist weder der Vortrag, dass Chat-Abläufe unvermittelt abbrechen würden, noch das Vorbringen, dass die Gläubigerin Fotos, die ihr aufgrund eines „Über-die-Schulter-Blickens“ bei anderen Teilnehmern am Netzwerk der Schuldnerin in Erinnerung geblieben seien, nicht habe auffinden können, als substantiiertes Bestreiten der Vollständigkeit ausreichend, zumal dieses Vorbringen ohne jegliche konkreten Beispiele erfolgt ist, anhand derer das Fehlen bestimmter Inhalte konkret hätte festgestellt werden können. Insoweit kann weder ausgeschlossen werden, dass die Gläubigerin eine unzutreffende Erinnerung an vermeintliche Inhalte des Accounts hat, noch dass Chats tatsächlich ohne weitere Fortführung unvermittelt abgebrochen sind. Dies gilt umso mehr, als nichts dafür ersichtlich ist, dass die Schuldnerin ein Interesse daran haben sollte, der Gläubigerin einzelne Inhalte des Accounts ihrer verstorbenen Tochter vorzuenthalten, nachdem sie rechtskräftig zum Zugang zu den Kommunikationsinhalten verurteilt worden ist und in Erfüllung dieser Verpflichtung der Gläubigerin solche Inhalte im Umfang von ca. 14.000 Druckseiten übermittelt hat.

cc) Der Erfüllung der Verpflichtung der Schuldnerin steht nicht entgegen, dass aufgrund der Seitenanzahl von über 14.000 und des damit einhergehenden Dateivolumens sämtliche Scroll- und Suchvorgänge innerhalb des Dokuments mit einem jeweils zeitaufwändigen Ladevorgang verbunden sein sollen, so dass die Sichtung der Inhalte des Dokuments nach Ansicht der Gläubigerin „unzumutbar“ sei. Der Umfang der übermittelten Daten ist primär dem Umfang der von der Erblasserin entfalteten Aktivität im Account geschuldet. Insoweit ist nicht ersichtlich, dass das Auffinden von im Account enthaltenen Informationen bei einer anderen Art des Zugangs zu diesen Informationen mit einem so wesentlich geringeren Aufwand möglich gewesen wäre, dass die von der Schuldnerin gewählte Art der Informationsvermittlung als unzumutbar anzusehen wäre.

dd) Auch die Rüge der Gläubigerin, dass die Chat-Verläufe fast immer mit dem neuesten Eintrag beginnen würden, steht der Annahme einer Erfüllung der Verpflichtung der Schuldnerin nicht entgegen. Vielmehr ist eine solche Reihenfolge für die Wiedergabe eines Gesprächsverlaufs innerhalb sozialer Medien typisch. Auch wenn der Gläubigerin ein weitergehender Zugang zum Account der Verstorbenen ermöglicht worden wäre, hätte sie die Inhalte der geführten „Chats“ lediglich in der Reihenfolge „neu vor alt“ wahrnehmen können.

ee) Ohne Erfolg moniert die Gläubigerin schließlich, dass die Suchfunktion des übermittelten Dokuments lediglich mit Hilfe von Suchbegriffen in englischer Sprache funktioniert. Dieser Umstand steht der Annahme einer Erfüllung der ausgeurteilten Verpflichtung der Schuldnerin nicht entgegen. Abgesehen davon, dass es sich bei der Suchfunktion nicht um die geschuldete „Hauptleistung“ der Schuldnerin handelt, sondern diese als ein Instrument anzusehen ist, welches der Gläubigerin die Erfassung der im Account vorhandenen und von der Schuldnerin übermittelten Inhalte erleichtern soll, ist zu beachten, dass die Gläubigerin die ihr von der Schuldnerin angebotene Hilfe zur Wahrnehmung der übermittelten Inhalte nicht angenommen hat. Entgegen der Ansicht der Gläubigerin ist ihr die Annahme einer solchen Hilfe durch die Schuldnerin auch nicht unzumutbar, da dies nicht bedeutet, dass sie die Inhalte der übermittelten Dokumente nur in Gegenwart von Mitarbeitern der Schuldnerin einsehen kann. Vielmehr hätte die Inanspruchnahme einer solchen Hilfe lediglich dazu geführt, dass der Gläubigerin der Umgang mit der Suchfunktion des Dokuments vermittelt worden wäre, ohne dass für die weitere Suche die Anwesenheit von Mitarbeitern der Schuldnerin erforderlich wäre.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

4.

Die Rechtsbeschwerde war nach § 574 ZPO zuzulassen Die entscheidungserhebliche Frage, was hinsichtlich des digitalen Erbes unter dem Begriff des Zugangs zum Account eines verstorbenen Nutzers digitaler sozialer- Medien zu verstehen ist, ist von grundsätzlicher Bedeutung und noch nicht durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt.

 

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