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Familiengerichtliche Genehmigung bei der Ausschlagung einer Erbschaft für ein Kind

OLG Hamm – Az: II-11 WF 112/18 – Beschluss vom 28.06.2018

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Unna vom 12.04.2018 (12 F 116/18) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die durch die Eltern des Antragstellers in der Urkunde des Notars C aus T, UR-Nr. …/2018, für den Antragsteller erklärte Ausschlagung der Erbschaft nach dem am ……..2017 verstorbenen X bedarf nicht der familiengerichtlichen Genehmigung gemäß § 1643 BGB.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Eine Erstattung außergerichtlicher Auslagen wird nicht angeordnet.

Gründe

I.)

Der am ……..2003 geborene Antragsteller erstrebt zwecks Vorlage bei der Nachlassabteilung des Amtsgerichts eine Bescheinigung, dass die von seinen sorgeberechtigten Eltern für ihn erklärte Erbausschlagung nach seinem Großvater keiner Genehmigung bedarf.

Der Antragsteller ist der Enkel des am ……..1942 geborenen und am ……..2017 verstorbenen X (im Folgenden: Erblasser). Der Erblasser errichtete keine Verfügung von Todes wegen. Seine Ehefrau war vorverstorben. Er hinterließ zwei Kinder, nämlich zum einen den Vater des Antragstellers und zum anderen seine Tochter Z. Der Antragsteller ist das einzige Kind seiner Eltern.

Im Jahr 2009 hatte der Erblasser dem Vater des Antragstellers ein mit einem Haus bebautes Grundstück schenkweise übertragen. Eine ähnliche Schenkung an seine Tochter unterblieb. Nach dem Vortrag des Antragstellers, seiner Eltern und weiterer, vom Amtsgericht angeschriebener Personen hatte der Erblasser die Absicht, das andere ihm gehörende Grundstück S-Straße in T seiner Tochter zuzuwenden, um seine beiden Kinder gleichmäßig zu bedenken. Vor seinem unerwarteten Ableben fand er hierzu keine Gelegenheit mehr. Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus diesem weiteren Grundstück.

Der Vater des Antragstellers möchte dem Willen des Erblassers zur Geltung verhelfen. Er und die gesamte Familie empfänden es als ungerecht, wenn er zusätzlich zu dem bereits zu Lebzeiten des Erblassers erhaltenen Hausgrundstück auch noch zur Hälfte an der weiteren Immobilie beteiligt würde. Um Schenkungssteuern in nicht unerheblicher Höhe zu ersparen, sah er davon ab, die Erbschaft anzunehmen und seinen hälftigen Anteil an der Immobilie seiner Schwester zu schenken. Vielmehr schlug er zunächst für sich und sodann gemeinsam mit seiner ebenfalls sorgeberechtigten Ehefrau auch für den Antragsteller die Erbschaft aus.

Die Schwester des Vaters des Antragstellers beantragte sodann, ihr einen Erbschein zu erteilen, durch den sie als alleinige Erbin nach ihrem Vater ausgewiesen werde. Das Nachlassgericht wies darauf hin, dass es eine familiengerichtliche Genehmigung der Ausschlagung für den minderjährigen Antragsteller für erforderlich halte. Zwar sei die Ausschlagung nach dem Wortlaut des § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB genehmigungsfrei. Der Normzweck gebiete vorliegend jedoch eine Genehmigung in Fällen wie diesem, in welchem die werthaltige Erbschaft durch die Ausschlagung in eine bestimmte Richtung gelenkt werde.

Der Antragsteller ist der Ansicht gewesen, der klare Wortlaut des § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB sehe die Genehmigungsfreiheit vor. Im Übrigen liege auch kein von der obergerichtlichen Rechtsprechung entwickelter Ausnahmefall vor. Hilfsweise hat er die Erteilung der Genehmigung beantragt.

Das Amtsgericht hat Erkundigungen über den Willen des Erblassers eingeholt. Es hat sodann das beantragte Negativattest abgelehnt und die hilfsweise beantragte familiengerichtliche Genehmigung verweigert. Es ist von einer Genehmigungspflicht ausgegangen. Weiter hat es ausgeführt, die Ermittlungen hätten zwar bestätigt, dass es der Wille des Erblassers gewesen sei, seiner Tochter die andere Immobilie zuzuwenden. Insofern sei es tragisch, dass der Erblasser nichts mehr veranlasst habe. Ausschlaggebender Gesichtspunkt sei jedoch, ob die Ausschlagung der Erbschaft dem Kindeswohl entspreche. Angesichts eines Wertes der Immobilie bzw. der gesamten Erbschaft von 190.000 EUR könne hiervon nicht ausgegangen werden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, mit der er seine erstinstanzlichen Anträge weiter verfolgt. Er macht geltend, der vorliegende Fall sei dem vergleichbar, in welchem das OLG Köln in seiner Entscheidung vom 26.04.2012 (12 UF 10/12) von einer Genehmigungsfreiheit ausgegangen sei. Durch die Ausschlagungen sei dem Willen des Erblassers Rechnung getragen worden. Sein Vater hätte ebenso gut die Erbschaft annehmen und seinen Anteil sodann verschenken können, ohne dass es irgendeiner familiengerichtlichen Genehmigung bedurft hätte. Bei der Interessenabwägung könnten nicht nur wirtschaftliche Überlegungen angestellt werden. Vielmehr sei entscheidend auch das Interesse am Erhalt des Familienfriedens zu berücksichtigen. Die Interessen des Antragstellers seien ausreichend dadurch gewahrt, dass nicht nur sein Vater, sondern auch seine Mutter für ihn die Erbschaft ausgeschlagen habe. Um der Rechtssicherheit willen sei der Kreis der genehmigungspflichtigen Geschäfte formal und nicht nach jedem Einzelfall zu bestimmen.

II.)

Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und begründet.

Der Senat hält die Ausschlagung der dem Antragsteller angefallenen Erbschaft durch seine Eltern für genehmigungsfrei gemäß § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB.

1.)

§ 1643 Abs. 2 Satz 1 BGB bestimmt, dass die Eltern für die Ausschlagung einer Erbschaft für das Kind einer Genehmigung des Familiengerichts bedürfen. § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB trifft eine hiervon abweichende Regelung für den Fall, dass die Erbschaft dem Minderjährigen erst infolge der Ausschlagung eines sorgeberechtigten Elternteils angefallen ist. Dann bedarf es der familiengerichtlichen Genehmigung nicht. Etwas anderes – also die Genehmigungsbedürftigkeit – gilt wiederum nur dann, wenn der Elternteil neben dem Kind berufen war.

Vorliegend sind die Voraussetzungen für die Genehmigungsfreiheit erfüllt. Die Erbschaft ist zunächst dem Vater des Antragstellers angefallen. Dieser war und ist sorgeberechtigt. Der Antragsteller war nicht neben seinem Vater zum Erbe berufen, sondern ihm ist die Erbschaft erst aufgrund der Erbausschlagung seines Vaters angefallen.

2.)

Der Senat sieht vorliegend keinen Anlass, von dem Wortlaut des § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB abzuweichen.

3.)

Zwar wird vielfach in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur (etwa Coester in Staudinger/Heilmann (2016) BGB § 1643 Rn. 38 f. MüKoBGB/Huber, 7. Auflage 2017, BGB § 1643 Rn. 23 ff.; offen lassend Veit in BeckOK BGB, Stand 01.11.2017 BGB § 1643 Rn.11.1) vertreten, dass eine teleologische Reduktion des § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB es gebiete, in bestimmten Fällen die Erbausschlagung für das minderjährige Kind für genehmigungspflichtig zu halten, obgleich ihm die Erbschaft erst aufgrund der Ausschlagung seines sorgeberechtigten Elternteils zugefallen ist.

Dies soll namentlich der Fall sein, wenn ein Elternteil die testamentarische Erbschaft für sich und sein Kind ausschlägt, um den gesetzlichen Erbgang zu ermöglichen, bei welchem er selbst und weitere Verwandte, nicht jedoch sein Kind, als Erben zum Zuge kommen (so OLG Frankfurt NJW 1955, 466). Des Weiteren soll im Fall der sog. selektiven Erbausschlagung eine Genehmigung erforderlich sein (so etwa OLG Hamm, Beschluss vom 13.12.2013 – 15 W 374/13, NJW-RR 2014, 779; KG Berlin, Beschluss vom 13.03.2012 – 1 W 747/11 -).

4.)

Demgegenüber wird anderweitig sowohl in der obergerichtlichen Rechtsprechung als auch in der Literatur (z.B. Sagmeister ZEV 2012, 121) eine andere Auffassung vertreten.

Der teleologischen Reduktion wird entgegen gehalten, dass bereits fraglich sei, ob der Gesetzgeber die als Ausnahme angenommenen Sachverhalte nicht bedacht habe. Nach den Motiven habe er gerade verhindern wollen, dass die Gerichte den Wert eines Nachlasses prüfen. Zum einen habe er dabei ihre Entlastung vor Augen gehabt. Zum anderen habe er befürchtet, dass die Gerichte allzu leicht die Genehmigung verweigern, um sich der Prüfung des Nachlasses und der damit verbundenen Verantwortung zu entziehen. Durch Einführung des Gesamtvertretungsgrundsatzes sei der Schutz des Kindes noch einmal dadurch verstärkt worden, dass auch der andere Elternteil der Ausschlagung zustimmen müsse. Dann bestehe aber kein weiteres Schutzbedürfnis. Auch bei einer selektiven Ausschlagung sei das Kind, für das die Ausschlagung erklärt werde, nicht rechtlich benachteiligt. Denn der Elternteil hätte ebenso gut die Erbschaft annehmen und anderweitig hierüber verfügen, sie insbesondere dem einen Kind vorenthalten und dem anderen zuwenden können. Die mehreren, selektiven Ausschlagungen stellten damit lediglich einen einfacheren Weg dar (Sagmeister ZEV 2012 121 [124 f.]).

Ferner wird hervorgehoben, dass der Kreis der genehmigungspflichtigen Geschäfte aus Gründen der Rechtssicherheit nicht wegen der Umstände des Einzelfalls durch eine analoge Gesetzesanwendung erweitert werden könne (OLG Frankfurt, Beschluss vom 13.04.2011 – 20 W 374/09 -, FamRZ 2012, 664; OLG Köln, Beschluss vom 26.04.2012 – 12 UF 10/12 -, DNotZ 2012, 855).

Hierbei hatte das OLG Frankfurt in der vorstehend genannten Entscheidung darüber zu befinden, ob eine Ausschlagung eines Elternteils für ein Kind genehmigungsfrei oder -pflichtig war, die den Zweck hatte, das Erbe auf die beiden Geschwister des Elternteils überzuleiten, weil sich der Elternteil als abgefunden betrachtet hatte und der Erbanfall bei den beiden Geschwistern dem Erblasserwillen entsprach. Lediglich aufgrund einer früheren letztwilligen Verfügung, deren Aufhebung übersehen worden war, war dem Elternteil noch ein Erbe zugeflossen. Das OLG Frankfurt war der Ansicht, in einer solchen Konstellation liege kein Ausnahmefall einer selektiven Ausschlagung bzw. Annahme vor. Es hat hervorgehoben, dass auch der Aspekt zu beachten sei, dass durch eine andere Beurteilung die bisher intakte Familie in einen Konflikt getrieben würde.

In dem der Entscheidung des OLG Köln zugrunde liegenden Fall hatte der Vater für sich und gemeinsam mit der sorgeberechtigten Mutter für ihre Kinder die Erbschaft ausgeschlossen. In gleicher Weise hatten die Geschwister des Vaters für sich und ihre Abkömmlinge gehandelt. Ziel dieses Vorgehens war, die Erbschaft dem Ehemann der Erblasserin zuzuleiten und mit diesem weitere Verträge zu schließen, die den Willen der Erblasserin umzusetzen sollten, wenn auch auf andere Weise als von ihr vorgesehen. Zugleich sollten steuerliche Nachteile in erheblicher Höhe vermieden werden. Das OLG Köln war der Ansicht, dass ein Ausnahmefall einer lenkenden Erbausschlagung, die nach dem Normzweck des § 1643 BGB genehmigungspflichtig sein müsse, nicht vorliege. Letztlich sei nur dem Erblasserwillen zur Geltung verholfen worden.

5.)

Der dem Senat vorliegende Fall lässt sich, wie vom Rechtspfleger richtig erkannt, unter eine selektive bzw. lenkende Ausschlagung subsumieren, die die bislang überwiegende Ansicht für genehmigungspflichtig hält.

Zwar haben die Eltern des Antragstellers nicht zwischen mehreren Kindern unterschieden. Der Antragsteller ist ihr einziges Kind. Gleichwohl bestand das Ziel der Erbausschlagungen darin, das Erbe auf die Schwester des Vaters umzuleiten. Richtig ist zwar, dass dies geschah, um dem Willen des Erblassers Genüge zu tun und den Familienfrieden zu erhalten. Gleichwohl wird der Nachlass durch die Ausschlagungen gelenkt und umgeleitet.

Es ist auch nicht einsichtig, weshalb nur im Falle der Ausschlagung für ein Kind bei gleichzeitiger Annahme der Erbschaft für ein anderes Kind von einer „selektiven“ Ausschlagung die Rede sein soll. Wird – wie hier ebenso wie in den zuvor beschriebenen Fällen – infolge der Ausschlagung des werthaltigen Nachlasses entsprechend dem Willen der Eltern eine andere Person als das minderjährige Kind Erbe, steht stets eine Selektion im Raum. Auch in dem vom OLG Frankfurt im Jahr 1954 entschiedenen Fall ging es nur vordergründig darum, dass ein Elternteil sein testamentarisches Erbe und das testamentarische Erbe seines Kindes ausgeschlagen hatte, um es als gesetzlicher Erbe anzunehmen. Moralischer Angelpunkt war, dass die gesetzliche Erbschaft dazu geführt hatte, dass auch der Bruder und die Mutter des Elternteils gesetzliche (Mit-) Erben werden konnten.

6.)

Mithin liegt ein Fall vor, der nach bislang überwiegender Ansicht für genehmigungspflichtig gehalten wurde. Der Senat schließt sich indessen der Auffassung an, dass § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB im Falle einer lenkenden Erbausschlagung nicht im Wege einer teleologischen Reduktion gegen seinen Wortlaut auszulegen ist.

a)

Die Voraussetzungen für eine solche teleologische Reduktion liegen nicht vor.

Die teleologische Reduktion setzt sich mit dem Wortlaut einer Rechtsnorm in Widerspruch. Sie setzt eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus (BGHZ 179, 27 Rn. 22). Ob eine derartige Lücke vorhanden ist, ist vom Standpunkt des Gesetzes und der ihm zugrundeliegenden Regelungsabsicht zu beurteilen. Das Gesetz muss also, gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht, unvollständig sein (BGHZ 149, 165-178, Rn. 35).

Vorliegend lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber nicht wollte, dass durch die Ausschlagung des Elternteils für sich und für sein minderjähriges Kind ein werthaltiger Nachlass einer anderen Person zugutekommt.

aa)

Bereits bei Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuches war vorgesehen, dass der Elternteil, der selbst die Erbschaft ausgeschlagen hat, die Ausschlagung genehmigungsfrei für sein minderjähriges Kind erklären kann, wenn das Kind erst infolge der Ausschlagung des Elternteils Erbe geworden ist.

Auch damals bestand die Möglichkeit, dass dem Elternteil und nachfolgend dem Kind nicht nur ein überschuldeter, sondern auch ein werthaltiger Nachlass anfallen könnte und dass die Ausschlagung eines solchen werthaltigen Nachlasses dazu führen würde, dass ein anderer in den Genuss dieses positiven Nachlasses kommt. Gleichwohl hat der Gesetzgeber die Genehmigungsfreiheit angeordnet. Dabei hätte er ebenso bestimmen können, dass nur für die Ausschlagung überschuldeter Nachlässe eine Genehmigung entbehrlich ist.

bb)

Dem Wortlaut der Motive zum BGB lässt sich nichts anderes entnehmen.

Der Entwurf des BGB sah vor, dass der heutige § 1643 Abs. 1 und Abs. 2 BGB im Rahmen des Erbrechts verankert werden sollte. Dabei entspricht der heutige § 1643 Abs. 1 BGB dem Entwurf des damaligen § 2043 BGB. Der heutige § 1643 Abs. 2 BGB ist im Wesentlichen mit dem Entwurf des damaligen § 2044 BGB inhaltsgleich.

§ 2043 des Entwurfs bestimmte, dass dann, wenn der als Erbe Berufene unter elterlicher Gewalt oder Vormundschaft steht, zur Ausschlagung der Erbschaft die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erforderlich sei.

In § 2044 des Entwurfs heißt es:

Fällt die Erbschaft in Folge der Ausschlagung einer Person an, welche unter der elterlichen Gewalt des Ausschlagenden steht, so ist zu der Erklärung, durch welche der Inhaber der elterlichen Gewalt die Erbschaft für das Kind ausschlägt, die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts nicht erforderlich. Auch können in einem solchen Falle beide Ausschlagungen mittels einer und derselben Erklärung erfolgen.

Die Vorschrift des ersten Satzes des ersten Absatzes findet keine Anwendung, wenn der ausschlagende Inhaber der elterlichen Gewalt mit dem Kinde als Miterbe berufen ist.

Die Motive zu dem Entwurf des § 2044 BGB lauten:

Von der Regel des § 2043 macht der § 2044 eine Ausnahme für den Fall, daß der Inhaber der elterlichen Gewalt nicht als Miterbe mit dem Kinde zur Erbschaft berufen ist. Er soll alsdann die Erbschaft für das Kind ohne Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes ausschlagen dürfen, falls die Erbschaft in Folge seiner Ausschlagung dem unter seiner elterlichen Gewalt stehenden Kinde anfällt. Auch wird ihm die Befugnis beigelegt, in einem solchen Falle beide Ausschlagungen mittels einer und derselben Erklärung zu bewirken.

Einige geltende Rechte gehen weiter, indem sie den Inhaber der väterlichen Gewalt stets ohne Genehmigung des Gerichtes ausschlagen lassen [Fußnote 1]. Wenn der Inhaber der väterlichen Gewalt die zunächst ihm angefallene Erbsschaft ausschlägt, so ist fast mit Gewißheit anzunehmen, daß die Erbschaft überhaupt für den Berufenen, also auch für das nächstberufene Kind, ohne Vorteil sein werde, da der Inhaber das dringende Interesse hat, die Erbschaft zu erwerben und nicht leicht ohne gehörige Prüfung der Sachlage ausschlagen wird. Dieser Umstand rechtfertigt eine Erweiterung der regelmäßigen Befugnisse des Inhabers der elterlichen Gewalt und gestattet, ihm gegenüber von dem Erfordernis der Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes abzusehen. Eine Erweiterung der Machtbefugnisse des Inhabers der elterlichen Gewalt in dieser Richtung ist im praktischen Interesse um so mehr angemessen, als es sonst leicht dazu kommen kann, daß das Vormundschaftsgericht, um jede Verantwortlichkeit von sich fern zu halten, auf Annahme der Erbschaft für das Kind, welchem das Inventarrecht zustehe, besteht, auch wenn die Insolvenz der Erbschaft kaum zu bezweifeln ist. Bleibt unbedacht, welche Last und Mühe dem Inhaber der elterlichen Gewalt aus einer solchen widerwilligen Annahme der Erbschaft erwächst, so ist zu besorgen, dass daraus erhebliche Nachtheile für das Kind und sein Verhältnis zu dem Inhaber der elterlichen Gewalt sich ergeben.

Hiernach besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber den Fall, dass ein werthaltiger Nachlass vorhanden ist, den der zunächst zum Erbe berufene Elternteil von sich weg- und anderen Personen zuleiten will, übersehen hat.

Es ist zwar davon die Rede, es bestehe im Falle der Genehmigungspflicht die Gefahr, dass selbst bei einer Insolvenz des Nachlasses die Ausschlagung für das Kind gerichtlich verweigert werden könnte. Die wirtschaftliche Werthaltigkeit des Nachlasses stellt jedoch nicht den tragenden Grund dar. Dieser besteht vielmehr darin, dass die Erbschaft für den Berufenen mutmaßlich ohne Vorteil sein werde, da auch der zuvor berufene Elternteil ein Interesse an der Erbschaft und nicht leichtfertig ohne Prüfung der Sachlage entschieden habe.

Soweit es um den Vorteil geht, der nach Einschätzung des zunächst zum Erbe berufenen Elternteils nicht besteht, wird nicht darauf abgestellt, dass es sich um einen wirtschaftlichen Vorteil handeln muss. Gerade weil nach den Motiven für die Genehmigungsfreiheit auch streitet, dass dem Sorgeberechtigten andernfalls aus einer widerwilligen Annahme Last und Mühe erwachsen und dies das Verhältnis zum Kind verschlechtern könnte, wird deutlich, dass auch ideelle, nicht am Geldwert des Nachlasses orientierte Erwägungen eine Rolle spielen dürfen.

cc)

Ferner ist zu bedenken, dass sich der Gesetzgeber im Jahr 1979 zuletzt noch einmal mit § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB befasst hat. Er hat die Vorschrift dem neu eingeführten Gesamtvertretungsrecht beider Eltern angepasst. In der BT-Drucks. 8/2788 heißt es dazu weiter, dass dann, wenn beide Elternteile für das Kind ausschlagen, davon ausgegangen werden könne, dass eine Benachteiligung des Kindes auch dann nicht zu besorgen sei, wenn die Erbschaft dem Kind lediglich durch die Ausschlagung eines der Elternteile anfalle.

Der Gesetzgeber hat die Vorschrift somit nicht geändert, obgleich bereits Entscheidungen wie die des OLG Frankfurt aus dem Jahr 1954 ergangen waren, wonach das Gesetz gegen seinen Wortlaut auszulegen sei.

b)

Gegen eine Auslegung, die dem klaren Wortlaut widerspricht, ist ferner einzuwenden, dass die Rechtssicherheit und Rechtsklarheit es erfordern, das Gesetz seinem Wortlaut gemäß anzuwenden.

Jeder Bürger, der sich durch die Gesetzeslektüre darüber Klarheit verschaffen möchte, welche Rechtsfolgen sein Handeln hat, kann § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB nur dahin verstehen, dass er genehmigungsfrei für sein Kind die Ausschlagung erklären kann, wenn seinem Kind erst infolge seiner Ausschlagung das Erbe angefallen ist.

Zudem gebietet die Sicherheit des Rechtsverkehrs eine klare Regelung auch deshalb, weil sich der Elternteil, dem eine Erbschaft angefallen ist und der sich mit dem Gedanken trägt, diese auszuschlagen, in Zeitnot befindet. Die Erbausschlagung kann er nur innerhalb einer bestimmten Frist erklären. Diese Zeit steht ihm aber nicht zur Verfügung, wenn er – womöglich über mehrere Instanzen – erst noch gerichtlich klären lassen müsste, ob in seinem speziellen Fall von einer Genehmigungspflicht auszugehen und ob ggf. eine Genehmigung zu erteilen ist.

Sollte die Bestimmung der Genehmigungsfreiheit allgemein für grob unbillig gehalten werden, wäre es Sache des Gesetzgebers, die Bestimmung zu ändern und eine andere Regelung einzuführen.

c)

Auch nach Sinn und Zweck der Vorschrift ist nicht zu erkennen, dass der Minderjährige, für den die Ausschlagung erklärt wird, eines besonderen Schutzes bedürfte.

Die Genehmigungsfreiheit betrifft ausschließlich den Fall, dass das Kind nur deshalb Erbe wird, weil ein Elternteil zuvor für sich die Erbschaft ausgeschlagen hatte. Hätte der Elternteil die Erbschaft angenommen, hätte das Kind keinerlei Anspruch darauf erworben. Der Elternteil hätte das ererbte Vermögen ebenso gut an andere Personen verschenken können. Gerade das macht einsichtig, dass der betreffende Elternteil dann – gemeinsam mit dem anderen sorgeberechtigten Elternteil – auch für das Kind genehmigungsfrei die Erbschaft ausschlagen kann. Er kann nicht gezwungen werden, stattdessen die Erbschaft anzunehmen und sie dann zu verschenken, was häufig erhebliche Schenkungssteuern auslöst.

Die Argumentation, die Lenkung der werthaltigen Erbschaft auf andere Personen sei derart gravierend, dass sie genehmigungspflichtig sei, überzeugt vor diesem Hintergrund nicht.

Im Übrigen bedeutet der Umstand, dass die Eltern durch die Zuleitung der Erbschaft nur auf eines ihrer Kinder diese einem anderen Kind vorenthalten, für sich genommen noch längst nicht, dass sie dieses Kind schlechter stellen. Womöglich haben sie auf andere Weise einen Ausgleich geschaffen. Aber selbst wenn eine gezielte Benachteiligungsabsicht bestehen sollte, hätten sie die Möglichkeit hierzu ebenfalls, wenn der zunächst zum Erbe berufene Elternteil die Erbschaft angenommen hätte. Denn dann hätte er das Vermögen anschließend ebenso nur einem seiner Kinder schenken können.

7.)

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