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Formwirksames privatschriftliches Testament – Unterschriftsplatzierung

Oberlandesgericht Naumburg – Az.: 2 Wx 55/20 – Beschluss vom 30.07.2021

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Merseburg vom 10. September 2020 aufgehoben.

Das Nachlassgericht wird angewiesen, der Beteiligten zu 1) auf deren Antrag vom 26. Mai 2020 einen Erbschein zu erteilen, der ausweist, dass die im Beschlusseingang genannte Erblasserin von der Beteiligten zu 1) allein beerbt worden ist.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beteiligte zu 2) zu tragen.

Der Kostenwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 40.000,00 € festgesetzt.

Gründe

A.

Die Erblasserin war in zweiter Ehe verheiratet mit dem vorverstorbenen W. G. Die Beteiligte zu 1) ist ihre Tochter aus ihrer ersten Ehe mit H. N.

Die Erblasserin hatte ein notariell beurkundetes Testament zu UR Nr. 1394/2019 der Notarin R. W. in H. vom 13.02.2019 errichtet und in amtliche Verwahrung gegeben (Az.: 04 IV 69/19 (G) AG Merseburg). Dieses Testament wurde am 08.10.2019 auf deren Antrag an die Erblasserin herausgegeben. Die Erblasserin wurde darauf hingewiesen, dass das Testament durch die Rückgabe aus der amtlichen Verwahrung als widerrufen gilt.

Die Erblasserin verfasste unter dem 08.10.2019 handschriftlich ein Schriftstück mit folgendem Inhalt:

 „Testament

Hiermit hebe ich alle Verfügungen von Todes wegen auf und

und testatiere wie folgt neu:

Ich setze als meine Erben die deutsche Krebshilfe für für Kinder ein.

In jeden Fall enterbe ich meine Tochter und meinen Enkel S. V. .

D. den 8.10.2019“

Das Schriftstück ist nicht unterzeichnet.

Das Amtsgericht – Nachlassgericht – Merseburg hat nach der Anzeige des Todesfalls durch die Beteiligte zu 1) am 21.02.2020 das vorgenannte Schriftstück als Testament eröffnet und im Protokoll darauf hingewiesen, dass mit der Eröffnung keine Klärung der Wirksamkeit des Testaments erfolgt (Az.: 04 IV 18/20 (G)).

Am 26.05.2020 hat die Beteiligte zu 1) die Erteilung eines Erbscheins beantragt, welcher sie als Alleinerbin ausweist und sich auf den Eintritt der gesetzlichen Erbfolge berufen.

formwirksames privatschriftliches Testament - Unterschriftsplatzierung
(Symbolfoto: Ambient Ideas/Shutterstock.com)

Die Beteiligte zu 2) ist dem Antrag entgegengetreten und hat geltend gemacht, dass sie die Alleinerbin kraft testamentarischer Erbfolge geworden sei. Sie hat die Auffassung vertreten, dass der Antrag auf Herausgabe des notariellen Testaments als Begleitschreiben zu dem handschriftlichen Testament und deswegen das handschriftliche Testament als eigenhändig unterschrieben anzusehen seien.

Das Nachlassgericht hat mit seinem Beschluss vom 10.09.2020 festgestellt, dass beabsichtigt ist, den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins der Beteiligten zu 1) vom 26.05.2020 zurückzuweisen, und die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses ausgesetzt. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Erblasserin am Tage der Testamentserrichtung ein weiteres Schreiben verfasst und unterzeichnet habe, mit dem die Herausgabe des in amtlicher Verwahrung befindlichen notariellen Testaments und „offensichtlich“ die Entgegennahme des neuen handschriftlichen Testaments in amtliche Verwahrung begehrt worden sei. Aus dem Gesamtzusammenhang beider Schriftstücke sei auf eine wirksame Testamentserrichtung nach § 2247 BGB zu schließen.

Gegen diese, ihr am 16.09.2020 zugestellte Entscheidung wendet sich die Beteiligte zu 1) mit ihrer am 07.10.2020 beim Nachlassgericht eingegangenen Beschwerde. Sie verweist darauf, dass das Testament selbst nicht unterzeichnet sei. In dem Protokoll der Herausgabe des notariellen Testaments finde ein neues Testament keine Erwähnung; dieses Protokoll habe die Erblasserin zudem nicht unterschrieben, sondern lediglich ihren Namen in Druckbuchstaben daruntergesetzt. Hilfsweise sei zu berücksichtigen, dass die Erbeinsetzung in dem handschriftlich errichteten Testament unbestimmt sei. Es gebe eine Reihe von selbständigen Institutionen, welche die Begriffe „deutsch“, „Krebshilfe“ und „Kinder“ jeweils in ihrem Namen führten, ohne dass zu erkennen sei, welche Organisation die Erblasserin habe bezeichnen wollen.

Das Nachlassgericht hat mit seinem Beschluss vom 08.10.2020 dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung vorgelegt.

Im Beschwerdeverfahren ist den Beteiligten rechtliches Gehör gewährt worden.

B.

I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist zulässig. Sie ist nach § 58 Abs. 1 FamFG statthaft, die nach § 61 Abs. 1 FamFG notwendige Mindestbeschwer ist überschritten. Die Beschwerdefrist des § 63 Abs. 1 FamFG ist gewahrt worden.

II. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

Der von der Beteiligten zu 1) begehrte Erbschein gibt die Erbfolge nach der Erblasserin zutreffend wieder. Die Erblasserin ist im Wege der gesetzlichen Erbfolge nach der ersten Erb-ordnung i.S.v. § 1924 Abs. 1 BGB ausschließlich von ihrer Tochter, der Beteiligten zu 1), beerbt worden.

Das Nachlassgericht geht in seiner angefochtenen Entscheidung zu Unrecht davon aus, dass die gesetzliche Erbfolge durch die wirksame Errichtung eines Testaments ausgeschlossen worden sei.

1. Die Erblasserin hinterließ jedenfalls keine andere Verfügung von Todes wegen als das Schriftstück vom 08.10.2019. Soweit sie zeitlich davor ein notariell beurkundetes Testament errichtet hatte, hatte sie dieses Testament nach § 2256 Abs. 1 BGB wirksam widerrufen durch die Rücknahme dieses Testaments aus der amtlichen Verwahrung.

2. Das Testament vom 08.10.2019 wurde nicht wirksam errichtet.

a) Nach § 2247 Abs. 1 BGB ist es eine konstitutive Wirksamkeitsvoraussetzung für ein eigenhändiges Testament, dass dieses vom jeweiligen Erblasser eigenhändig geschrieben und unterschrieben ist. Die Unterschrift des Erblassers ist eine notwendige und unverzichtbare Voraussetzung für die Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung, weil nur sie die Ernstlichkeit und die abschließende Willensbildung des Erblassers garantiert.

b) Die vorliegend als Testament der Erblasserin in Betracht zu ziehende Urkunde vom 08.10. 2019 ist entgegen der Vorschrift des § 2247 Abs. 1 BGB von der Erblasserin nicht unterschrieben worden und deswegen nichtig (vgl. § 125 Abs. 1 BGB), auch wenn an der Urheberschaft der Erblasserin nach den Feststellungen des Nachlassgerichts kein Zweifel besteht.

3. Auch wenn der erkennende Senat den abschließenden Namenszug auf dem eigenhändigen Schreiben der Erblasserin vom 08.10.2019 zum Kassenzeichen 1755-A-384429 (die amtliche Verwahrung des notariellen Testaments betreffend; künftig: Herausgabeantrag) trotz der geringen Individualität des Schriftzuges (nahezu Druckschrift) als eine eigenhändige Unterschrift der Erblasserin ansieht, kommt dieser Unterschrift rechtlich keine Bedeutung für die Errichtung des Testamentes vom selben Tage zu.

a) Die eigenhändige Unterschrift i.S.v. § 2247 Abs. 1 BGB muss räumlich so zu der letztwilligen Verfügung stehen, dass diese von ihr gedeckt ist (vgl. S. Kapller/T. Kappler in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 2247 Rn. 9 m.w.N.).

b) Diese Anforderung an die räumliche Anordnung der Unterschrift ist hier nicht erfüllt. Die Unterschrift befindet sich auf einem anderen Blatt Papier; beide Schriftstücke vom 08.10. 2019 sind auch nicht etwa körperlich miteinander verbunden.

4. Entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts besteht hier auch kein enger innerer Zusammenhang zwischen der unterschriebenen Urkunde vom 08.10.2019 und dem nicht unterzeichneten Testament vom selben Tage.

a) Allerdings ist in der Rechtsprechung ausnahmsweise die Unterschrift auf einem Begleitschreiben als ausreichend angesehen worden. Das kommt aber nur dann in Betracht, wenn dem Begleitschreiben keine eigenständige Bedeutung zukommt, so etwa bei einem bloßen Anschreiben an den Notar anlässlich der Übersendung des (nicht unterzeichneten) Testaments (vgl. BayObLG, Beschluss v. 07.05.1991 – BReg 1a Z 65/90, FamRZ 1992, 477). Schon dann, wenn dieses Anschreiben eine weitere Anweisung enthält, fehlt es an einem ausreichenden inneren Zusammenhang (vgl. S. Kappler/T. Kappler, a.a.O., Rn. 9). An die Annahme eines hinreichenden inneren Zusammenhangs sind hohe Anforderungen zu stellen; so ist auch die auf einem verschlossenen Briefumschlag mit dem (nicht unterzeichneten) Testament befindliche Namensangabe des Erblassers neben dem handschriftlichen Vermerk „Testament“ nicht als Testamentsunterschrift anerkannt worden, weil sie auch der Kennzeichnung des Inhalts des Briefumschlags dienen und deswegen nicht ohne weiteres als äußere Fortsetzung und Abschluss der im Umschlag befindlichen Testamentsurkunde verstanden werden kann (vgl. OLG Hamm, Beschluss v. 27.06.2000, 15 W 13/00, FamRZ 2002, 642).

b) Nach diesen rechtlichen Maßstäben vermag sich der erkennende Senat der Auffassung des Nachlassgerichts, wonach die Unterschrift unter dem Herausgabeantrag einer eigenhändigen Unterzeichnung des Testaments vom 08.10.2019 durch die Erblasserin gleichstehe, nicht anzuschließen. Der Herausgabeantrag hatte einen eigenständigen Erklärungswert; mit ihm leitete die Erblasserin letztlich den Widerruf ihres notariellen Testaments ein. Die von der Erblasserin gewählte Formulierung:

„… Ich bitte um Herausgabe des Testaments und

in amtlicher Verwahrung des alten neuen Testaments.“

lässt u.U. auf einen ernsthaften Willen der Erblasserin schließen, nicht nur das alte (notarielle) Testament zu widerrufen, sondern zugleich eine neue Verfügung von Todes wegen zu treffen, sie rechtfertigt jedoch nicht den Schluss darauf, dass die in einem anderen, separaten Schriftstück niedergelegte und nicht unterzeichnete Willensäußerung der Erblasserin bereits Ausdruck von deren abschließender Willensbildung ist.

c) Weitere äußere Umstände, die für eine wirksame Testamentserrichtung in Betracht gezogen werden könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere nahm die Erblasserin im Rahmen ihrer zur Niederschrift des Nachlassgerichts am 08.10.2019 aufgenommenen Erklärung nicht etwa Bezug auf ein neu errichtetes Testament oder beantragte ausdrücklich dessen amtliche Verwahrung.

5. Angesichts der Formunwirksamkeit der letztwilligen Verfügung der Erblasserin vom 08.10.2019 kommt es auf den weiteren, von der Beteiligten zu 1) erhobenen Einwand der inhaltlichen Unbestimmtheit der Erbeinsetzung nicht mehr entscheidungserheblich an.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81, 82 und 84 FamFG.

Die Festsetzung des Kostenwerts des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus §§ 36 Abs. 1, 40 Abs. 1 GNotKG. Der Senat hat dabei die Angaben der Beteiligten zu 1) zum Wert des bereinigten Nachlasses anlässlich ihrer Antragstellung am 26.05.2020 zugrunde gelegt.

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