OLG Koblenz – Az.: 12 U 7/20 – Beschluss vom 10.06.2020
Gründe
Das Landgericht hat der Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung in erkannter Höhe stattgegeben.
Das Landgericht ist nach durchgeführter Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass die Beklagte im Rahmen eines zwischen ihr und Frau …[A] (im Folgenden die Erblasserin genannt) bestehenden Auftragsverhältnisses vom Konto der Erblasserin im Zeitraum von April 2016 bis zum 18.12.2016 insgesamt 44.600,00 € und nach dem Tod der Erblasserin am 18.12.2016 weitere 1.000,00 € abgehoben hat. Hinzu kommt eine (unstreitige) Überweisung in Höhe von 5.000,00 € welche die Beklagte an sich selbst vorgenommen hat. Von dem Gesamtbetrag von 50.600,00 € habe die Beklagte insgesamt 12.850,00 € nicht an die Erblasserin herausgegeben, sondern für sich selbst vereinnahmt.
Die von dem Landgericht durchgeführte Beweiswürdigung ist nicht zu beanstanden. Im Berufungsrechtszug ist das Gericht grundsätzlich nicht mehr umfassend zweite neue Tatsacheninstanz. Hinsichtlich der erstinstanzlich durch Beweiserhebung getroffenen Feststellungen ist die Überprüfung gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich darauf beschränkt, ob konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Die Beweiswürdigung erster Instanz ist demnach nur insoweit prüfbar, als konkrete Anhaltspunkte erkennbar sind, insbesondere mit der Berufung schlüssig aufgezeigt werden, die Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen dergestalt begründen, dass sich eine erneute Beweisaufnahme zur Ausräumung dieser Zweifel gebietet. Ein derartiger Fehler des Landgerichts bei der Würdigung der erhobenen Beweise ist nicht dargetan, aber auch ansonsten nicht ersichtlich. Die Beweiswürdigung durch die Einzelrichterin ist umfassend, nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei. Sie verstößt nicht gegen Denk-, Natur- oder Erfahrungssätze und ist insgesamt auch nach der eigenen Würdigung des Senats in der Sache zutreffend.
Der Senat teilt zunächst einmal die Auffassung des Landgerichts, dass zwischen der Beklagten und der Erblasserin ein (konkludentes) Auftragsverhältnis im Sinne von § 662 BGB bestand. Insoweit war von dem Vorliegen eines Rechtsbindungswillens auf Seiten der Beklagten auszugehen. Als Vertrag setzt der Auftrag einen Rechtsbindungswillen voraus, der bei bloßen gesellschaftlichen, konventionellen oder freundschaftlichen Zusagen und schlichten Gefälligkeiten des täglichen Lebens fehlt. Dass zwischen den Parteien von einer Bitte oder einer Gefälligkeit die Rede ist, spricht hingegen nicht notwendig gegen den Rechtsbindungswillen. Entscheidend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalles (BGHZ 21, 102). Stehen, dem Beauftragten erkennbar, wesentliche Interessen z. B. erhebliche Vermögenswerte des Auftraggebers auf dem Spiel, lässt dies regelmäßig auf einen Rechtsbindungswillen der Parteien schließen (BGH in NJW 2012, 3366; Palandt/Sprau, BGB, 79. Auflage, § 662, Rn. 4). In diesen Fällen kann dann nicht mehr von dem Vorliegen eines bloßen Gefälligkeitsverhältnisses ausgegangen werden. Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass nach diesen Maßstäben zwischen den Parteien ein Auftragsverhältnis bestand. Die Erblasserin stand zu der Beklagten in keinerlei verwandtschaftlichem Verhältnis. Die mit der Übergabe der EC-Karte nebst PIN verbundene konkludente Erteilung der Bankvollmacht umfasste die Verfügungsbefugnis der Beklagten über ganz erhebliche Vermögenswerte der Erblasserin. Gerade in Anbetracht dieser erheblichen Vermögenswerte hatte die Verwaltung der Gelder durch die Beklagte für die Erblasserin eine derart hohe wirtschaftliche Bedeutung, dass von dem Vorliegen eines bloßen Gefälligkeitsverhältnisses unter keinem Gesichtspunkt mehr ausgegangen werden kann.
Nach der Überzeugung des Senats ist das Landgericht auch zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum Kontoabhebungen in einem Gesamtumfang von 45.600,00 € vorgenommen hat. Hinzu kommt die Überweisung in Höhe von 5.000,00 €. Weiter nicht zu beanstanden ist die Annahme des Landgerichts, dass die Beklagte von dem sich ergebenden Gesamtbetrag von 50.600,00 € „lediglich“ einen Betrag von 37.750,00 € an die Erblasserin herausgegeben hat.
Die Beklagte hat im Rahmen ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 04.06.2018 eingeräumt, ab Juni 2016 immer wieder Geld von dem Konto der Erblasserin abgehoben zu haben. Zu diesem Zweck sei ihr von der Erblasserin jeweils die EC-Karte übergeben worden. Auch sei ihr von der Erblasserin die PIN mitgeteilt worden. Sie habe die EC-Karte jeweils nach Durchführung der Abhebungen an die Erblasserin zurückgegeben.
Gemäß den Aussagen der Zeugen …[B] und …[C] begannen die Abhebungen durch die Beklagten hingegen bereits im Zeitraum ab Ostern 2016 (25.03.2016-28.03.2016). Die Zeugin …[C] hat angegeben, sie habe bis zu diesem Zeitpunkt die Kontoabhebungen für die Erblasserin getätigt. Die Erblasserin habe ihr zu diesem Zweck die EC-Karte überlassen und auch die PIN mitgeteilt. Nach Ostern habe sie ihre Tätigkeiten für die Erblasserin eingestellt. Der Zeuge …[B] hat in der mündlichen Verhandlung vom 17.06.2019 angegeben, er habe zum ersten Mal im Zeitraum April/Mai 2016 wahrgenommen, dass die Beklagte für die Erblasserin tätig geworden sei, insbesondere Überweisungen durchgeführt habe.
Das Landgericht hat sorgfältig und nachvollziehbar dargelegt, weshalb es von der Glaubwürdigkeit der Zeugen …[C] und …[B] ausgegangen ist. So habe die Zeugin …[C] keinerlei Belastungstendenzen erkennen lassen und frei geschildert, in welchen Zeiträumen sie selbst Geld von dem Konto der Erblasserin abgehoben habe. Es sei auch kein Grund ersichtlich, weshalb die Zeugin hinsichtlich des Schlusses ihrer Tätigkeit und des Beginns der Tätigkeit der Beklagten die Unwahrheit hätte sagen sollen. Die Aussage der Zeugin …[C] decke sich insoweit auch mit der Aussage des Zeugen …[B]. Der Senat sieht keinen Anlass an dieser Würdigung des Landgerichts Anstoß zu nehmen.
Gemäß § 286 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Im Rahmen des § 286 ZPO wird hierbei mehr als die subjektive Überzeugung nicht gefordert. Absolute Gewissheit zu verlangen, hieße die Grenze menschlicher Erkenntnisfähigkeit zu ignorieren. Dass die Sachverhaltsdarstellung durch das Abstellen auf das persönliche Überzeugtsein mit subjektiven Einflüssen belastet wird, ist im Bereich menschlichen Richtens unvermeidbar. Der Richter muss nach der Feststellung der Wahrheit streben, darf sie aber nicht zur Voraussetzung seiner Entscheidung machen. Rechtsfehlerhaft ist es daher, einen Beweis deswegen als nicht erbracht anzusehen, weil keine absolute, über jeden denkbaren Zweifel erhabene Gewissheit gewonnen werden konnte. Der Richter muss sich vielmehr mit einer persönlichen Gewissheit begnügen, welche den Zweifeln Schweigen gebietet ohne sie völlig auszuschließen (Zöller/Greger, ZPO, 32. Auflage, § 286 Rn. 19).
Diesen Maßstab zugrunde gelegt ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass allein die Beklagte die streitgegenständlichen Abhebungen ab April 2016 durchgeführt hat. Die ausreichende „persönliche Gewissheit“ in dem oben dargelegten Sinn ergibt sich über die Aussagen der Zeugen …[B] und …[C] hinaus auch aus folgenden Überlegungen. Die Beklagte hat im Rahmen ihrer informatorischen Parteianhörung angegeben, sie habe der Erblasserin nach jeder Abhebung die EC-Karte wieder ausgehändigt, die Erblasserin habe diese dann in Verwahrung genommen. Dies ist aber in keiner Weise in Deckung zu bringen mit den insoweit auch nicht bestrittenen Angaben der Zeugin …[D] in der mündlichen Verhandlung vom 04.06.2018. Die von dem Landgericht ebenfalls als glaubhaft angesehene Zeugin …[D] hat angegeben, die Beklagte sei nach dem Tod der Erblasserin im Besitz der Schlüssel zur Wohnung der Erblasserin und auch der Bankkarte gewesen. Auch habe sich die Beklagte zunächst hartnäckig geweigert, die Bankkarte abzugeben. Die Aussage der Zeugin …[D] lässt hierbei durchaus den Schluss zu, dass sich die Beklagte, insbesondere zu dem Zeitpunkt, zu dem sich die Barabhebungen augenscheinlich häuften (dies ist spätestens ab Ende Juni 2016 anzunehmen), wobei diese Häufung offensichtlich einherging mit einer Verschlechterung des Zustandes der Erblasserin, permanent im Besitz der EC-Karte befand und von dieser Karte auch umfänglich Gebrauch gemacht hat. Weiter war zu beachten, dass auch der Senat nicht zu erkennen vermag, wer außer der Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum mit der EC-Karte der Erblasserin und in Kenntnis deren PIN Abhebungen von dem Konto getätigt haben soll. Die Erblasserin war hierzu unstreitig nicht mehr in der Lage. Die Zeugin …[C] hat – wie bereits oben ausgeführt – glaubhaft angegeben, sie habe nach Ostern 2016 keine Abhebungen mehr durchgeführt. Der Zeuge …[B] hat angegeben, die „Überweisungen“ seien ab April/Mai 2016 von der Beklagten getätigt worden. Die Beklagte hat zwar im Rahmen ihrer informatorischen Parteianhörung angegeben, die Erblasserin habe mehreren Personen die Nummer von der EC-Karte gegeben. Sie war aber nicht in der Lage auch nur eine konkrete Gelegenheit zu benennen, zu der Abhebungen von einer solchen Person durchgeführt worden sein sollen. Gerade auf Grund der Tatsache, dass die Beklagte auch nach der Überzeugung des Senats eine umfassende Verfügungsgewalt über die EC-Karte hatte, wäre entsprechender Vortrag hier an der Beklagten gewesen. Auch aus den Aussagen der vernommenen Zeugen und dem gesamten Inhalt der Akte ist für den Senat kein Fall ersichtlich, wo es zu einer Abhebung durch den Kläger, seinen Bruder oder eine weitere Person im streitgegenständlichen Zeitraum gekommen ist. Sollte der Kläger im zeitweiligen Besitz der EC-Karte gewesen sein und sollte ihm auch die PIN bekannt gewesen sein, wäre er auch erkennbar nicht auf die „Bargeldzuwendungen“ der Erblasserin angewiesen gewesen. Er hätte sich ja insoweit selbst von dem Konto bedienen können.
Im Ergebnis geht somit aber auch der Senat davon aus, dass sämtliche streitgegenständlichen Abhebungen von der Beklagten selbst durchgeführt worden sind.
Es war somit von Kontoabhebungen der Beklagten in einem Gesamtumfang von 45.600,00 € auszugehen. Hinzuzurechnen war die Überweisung in Höhe von 5.000,00 € welche die Beklagte nach dem Tod der Erblasserin, an sich selbst vorgenommen hat. Mit dem Landgericht ist der Senat der Überzeugung, dass die Beklagte auch hinsichtlich dieser Überweisung grundsätzlich zur Herausgabe des entsprechenden Betrages an die Erbengemeinschaft verpflichtet ist. Ein Recht zum Behaltendürfen ist insoweit von der Beklagten nicht bewiesen worden. Insbesondere hat die Beklagte keinen Beweis für ihre Behauptung erbringen können, der entsprechende Betrag sei ihr von Seiten der Klägerin geschenkt worden. Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass der diesbezügliche Vortrag der Beklagten bereits nicht konsistent ist. So hat sie zunächst in einem Schreiben vom 09.05.2017 gegenüber dem Kläger im Zusammenhang mit der Zahlung der 5.000,00 € ein Weihnachtsgeschenk durch die Erblasserin ins Feld geführt. Anschließend soll der Betrag dann als Entschädigung für kleinere „Macken“ an dem Auto der Beklagten gedacht gewesen sein. Der Senat nimmt in diesem Zusammenhang ausdrücklich Bezug auf die weiteren diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung.
Somit war von einem grundsätzlich herauszugebenden Betrag in Höhe von 50.600,00 € auszugehen.
Das Landgericht hat von diesem Betrag in nicht zu beanstandender Art und Weise einen Gesamtbetrag in Höhe von 37.750,00 € in Abzug gebracht. Bezüglich dieser Gelder stand zur Überzeugung des Landgerichts fest, dass die Beklagte diese im Zeitraum April bis Dezember 2016 an die Erblasserin herausgegeben hat. Dies betrifft die Positionen Zuwendungen an den Kläger (1.150,00 €), Pflegekräfte (17.100,00 €), Lebenshaltungskosten der Erblasserin (5.400,00 €), Alkohol- und Tabakkonsum der Erblasserin (4.500,00 €), Krebsmedikamente (600,00 €) und die eigene „Entlohnung“ der Beklagten in einer Höhe von 9.000,00 €. Bezüglich der weiteren Einzelheiten verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auch hier auf die Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung. Die Beklagte ist der Berechnung des Landgerichts im Rahmen ihrer Berufung nicht entgegengetreten. Noch weitergehende Abzugsbeträge sind auch sonst nicht erkennbar. Soweit der Senat, insoweit in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Klägers in der Anschlussberufung, einzelne Positionen durchaus für „diskutabel“ hält (so wurde monatlich wohl nur eine Pflegekraft beschäftigt, so dass dafür nur die hälftigen Kosten in Ansatz zu bringen gewesen wären (8.550,00 €)), war auf die Angriffe des Klägers derzeit nicht einzugehen. Die Anschlussberufung des Klägers würde insoweit bei einer Zurückweisung der Berufung der Beklagten durch Beschluss ihre Wirkung verlieren (§ 524 Abs. 4 ZPO).
Die gegebenen Abweichungen des Landgerichts von der Überzeugung des Senats haben sich im Ergebnis allesamt zugunsten der Beklagten ausgewirkt, so dass eine Beschwer der Beklagten durch das landgerichtliche Urteil nicht gegeben ist.
Die Beklagte hat auch nicht belastbar dargetan, inwieweit es in einem, den Betrag von 37.750,00 € übersteigenden Umfang, zu weiteren Herausgaben von Geld an die Erblasserin gekommen sein soll. Die Beweislast für die Richtigkeit der Rechnung trifft hierbei den Beauftragten, dies gilt insbesondere für den Verbleib der Einnahmen und dafür, dass er über nicht mehr vorhandene Vermögenswerte nach Weisungen oder Interesse des Auftraggebers verfügt hat (Palandt/Sprau, BGB, 79. Auflage, § 666 Rn. 4). Entgegen der auch mit der Berufung vertretenen Auffassung der Beklagten konnte hier auch nicht von einem endgültigen (konkludenten) Verzicht der Erblasserin auf eine Rechnungslegung ausgegangen werden. Nach der Überzeugung des Senats verbietet sich eine solche Annahme bereits angesichts des Umfanges und der wirtschaftlichen Bedeutung der von der Beklagten getätigten Transaktionen. Ein solcher Verzicht hätte vorliegend ausdrücklich von der Erblasserin erklärt werden müssen. Dass dies geschehen ist, wird von der Beklagten nicht dargelegt.
Mit dem Landgericht ergibt sich somit aber auch für den Senat eine (Mindest-)Zahlungsverpflichtung auf Seiten der Beklagten in Höhe von 12.850,00 €.
Auf die Anschlussberufung des Klägers ist – wie bereits oben ausgeführt – derzeit nicht einzugehen, da sie bei der Zurückweisung der Berufung der Beklagten durch Beschluss ihre Wirkung verliert (§ 524 Abs. 4 ZPO).
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt der Senat aus Kostengründen die Rücknahme des Rechtsmittels nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
Es ist beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 30.850 € festzusetzen.