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Gemeinschaftliches Ehegattentestament in drei getrennten Urkunden

Ein Ehepaar errichtet 1984 drei letztwillige Verfügungen, in denen sie sich gegenseitig als Erben einsetzen und ihre gemeinsamen Kinder als Schlusserben bestimmen. Jahre nach dem Tod ihres Mannes ändert die Ehefrau die Erbquoten in einem neuen Testament – doch das Oberlandesgericht Karlsruhe erklärt dieses nun für unwirksam.

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✔ Der Fall: Kurz und knapp

  • Das Gerichtsurteil betrifft ein gemeinschaftliches Ehegattentestament, das in drei getrennten handschriftlichen Urkunden errichtet wurde.
  • Die Ehegatten testierten jeweils einzeln, dass der andere Ehepartner Alleinerbe sein soll. Zusätzlich errichteten sie ein gemeinschaftliches Testament, das die Kinder als Erben für den Fall ihres gemeinsamen Todes einsetzte.
  • Es bestand Unklarheit darüber, ob diese getrennten Testamente als ein gemeinschaftliches Testament angesehen werden können und somit wirksam sind.
  • Das Amtsgericht hatte zunächst entschieden, dass die getrennt errichteten Testamente nicht den Anforderungen eines gemeinschaftlichen Testaments genügen.
  • Das Oberlandesgericht Karlsruhe hob diese Entscheidung auf und erkannte die Testamente als gemeinschaftlich an.
  • Das Gericht entschied, da alle drei Dokumente am selben Tag und am selben Ort errichtet wurden und die Absicht der Ehegatten eindeutig war.
  • Der Beschluss verdeutlicht, dass die zeitliche und örtliche Nähe der Unterschriften sowie die erkennbare gemeinschaftliche Absicht entscheidend sind.
  • Die Entscheidung schafft Rechtssicherheit für Ehepaare, die getrennt testieren, jedoch gemeinschaftliche Verfügungen treffen wollen.
  • Künftig sollten Paare dokumentieren, dass die geteilten Urkunden zusammen gelten sollen, um rechtliche Unsicherheiten zu vermeiden.
  • Die Entscheidung zeigt, wie wichtig eine präzise und klar formulierte Dokumentation gemeinschaftlicher Testamente ist, um spätere Streitigkeiten zu verhindern.

Geteiltes Ehepaar-Testament für unwirksam erklärt

Das gemeinschaftliche Ehegattentestament ist ein wichtiges und komplexes Thema im deutschen Erbrecht. Es ermöglicht Ehepaaren, gemeinsam ihre Vermögensnachfolge zu regeln und so ihren letzten Willen umfassend festzulegen. Dabei können sie nicht nur bestimmen, wer ihre Erbschaft antritt, sondern auch detaillierte Vorgaben zu Pflichtteilen, Vermächtnissen oder Auflagen treffen.

Interessant ist, dass das Ehegattentestament auch in mehreren getrennten Urkunden errichtet werden kann. Dies bietet zusätzliche Flexibilität, etwa wenn Ehepaare an unterschiedlichen Orten wohnen oder zu unterschiedlichen Zeitpunkten testieren möchten. Aber gerade diese Aufteilung auf mehrere Dokumente kann rechtlich durchaus kompliziert sein und muss sorgfältig umgesetzt werden.

Im Folgenden werden wir einen aktuellen Gerichtsfall näher betrachten, in dem es um die Wirksamkeit eines solchen dreigeteilt errichteten Ehegattentestaments ging. Die Entscheidung der Richter liefert wichtige Erkenntnisse dazu, worauf Paare beim Errichten eines solchen Testaments besonders achten müssen.

✔ Der Fall vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe


Gemeinschaftliches Ehegattentestament vom Oberlandesgericht Karlsruhe für unwirksam erklärt

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte in einem Fall zu entscheiden, bei dem ein Ehepaar im Jahr 1984 drei letztwillige Verfügungen errichtet hatte. Die Ehefrau setzte in ihrer Verfügung ihren Mann zum Alleinerben ein, der Ehemann bestimmte seine Frau zur Alleinerbin. In einer dritten, von beiden unterschriebenen Verfügung setzten sie für den Fall ihres „gemeinsamen Todes“ ihre drei gemeinsamen Kinder zu Erben ein.

Nach dem Tod des Ehemanns im Jahr 2016 errichtete die Ehefrau 2021 ein notarielles Testament, in dem sie die Erbquoten für ihre Kinder änderte. Zwei der Kinder fochten dieses Testament an und begründeten dies mit einer durch den Tod des Vaters eingetretenen Bindungswirkung aus dem gemeinschaftlichen Testament von 1984.

Oberlandesgericht bejaht gemeinschaftliches Testament trotz getrennter Urkunden

Das Oberlandesgericht kam zu dem Ergebnis, dass die drei Verfügungen von 1984 ein gemeinschaftliches Testament der Eheleute darstellen, auch wenn sie in getrennten Urkunden niedergelegt wurden. Entscheidend sei der Wille der Ehegatten, gemeinschaftlich zu testieren. Dies ergebe sich hier aus verschiedenen Indizien wie der gleichlautenden Wortwahl, der Errichtung am selben Tag und Ort sowie der gemeinsamen dritten Verfügung mit der Schlusserbeneinsetzung der Kinder. Insbesondere habe die Ehefrau selbst 2017 gegenüber dem Nachlassgericht versichert, dass das Testament von 1984 auch Verfügungen für den Erbfall des Überlebenden enthalte.

Ehefrau nach Tod des Mannes an Widerruf des gemeinschaftlichen Testaments gehindert

Die gemeinsame Schlusserbeneinsetzung der Kinder in dem gemeinschaftlichen Testament sei wechselbezüglich erfolgt. Daher sei die Ehefrau nach dem Tod ihres Mannes an einem Widerruf dieser Verfügung gehindert gewesen. Das notarielle Testament von 2021 sei somit unwirksam, soweit es die Erbquoten der Kinder abänderte.

Wechselbezüglichkeit bei Schlusserbeneinsetzung gemeinsamer Kinder zu vermuten

Bei der Schlusserbeneinsetzung gemeinsamer Kinder in einem gemeinschaftlichen Testament bestehe nach allgemeiner Lebenserfahrung die Vermutung, dass die zunächst erfolgte Enterbung beim ersten Erbfall im Vertrauen darauf geschieht, dass das gemeinsame Vermögen letztlich bei den Kindern ankommt. Anhaltspunkte, dass dies hier ausnahmsweise nicht gewollt war, seien nicht ersichtlich gewesen.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Das Urteil zeigt, dass auch in getrennten Urkunden errichtete Testamente ein gemeinschaftliches Testament darstellen können, wenn der entsprechende Wille der Ehegatten erkennbar ist. Die wechselbezügliche Schlusserbeneinsetzung gemeinsamer Kinder hindert den überlebenden Ehegatten an einer einseitigen Änderung. Dies entspricht der Lebenserfahrung, wonach die anfängliche Enterbung im Vertrauen auf den letztlichen Übergang des Vermögens auf die Kinder erfolgt.


✔ FAQ – Häufige Fragen

Das Thema: Gemeinschaftliches Ehegattentestament wirft bei vielen Lesern Fragen auf. Unsere FAQ-Sektion bietet Ihnen wertvolle Insights und Hintergrundinformationen, um Ihr Verständnis für dieses Thema zu vertiefen. Weiterhin finden Sie in der Folge einige der Rechtsgrundlagen, die für dieses Urteil wichtig waren.


Was ist ein gemeinschaftliches Ehegattentestament und welche Vorteile bietet es?

Ein gemeinschaftliches Ehegattentestament ist eine besondere Form der letztwilligen Verfügung, die es Ehegatten ermöglicht, ihren Nachlass gemeinsam zu regeln. Der Hauptvorteil liegt darin, dass sich die Ehepartner gegenseitig absichern können. Üblicherweise setzen sie sich wechselseitig als Erben ein, so dass der überlebende Partner zunächst das gesamte Vermögen erhält. Erst nach dessen Tod geht der Nachlass an die endgültigen Erben, meist die gemeinsamen Kinder. So kann der länger lebende Ehegatte seinen gewohnten Lebensstandard halten, ohne befürchten zu müssen, dass Pflichtteilsansprüche der Kinder seine Existenz gefährden.

Ein gemeinschaftliches Testament lässt sich auf verschiedene Arten errichten. Die gängigste Variante ist, dass einer der Ehegatten den Text handschriftlich verfasst und beide unterschreiben. Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass jeder Partner seinen letzten Willen in einer eigenen Urkunde niederschreibt. Dann müssen die getrennten Testamente jeweils vollständig eigenhändig geschrieben und unterzeichnet sein. Aus beiden Schriftstücken muss klar hervorgehen, dass die Eheleute eine gemeinschaftliche Regelung beabsichtigen.

Denkbar ist sogar, dass die Ehegatten drei separate Urkunden aufsetzen: In der ersten treffen sie Anordnungen für den Erbfall des Ehemannes, in der zweiten für den Erbfall der Ehefrau und in der dritten für den gemeinsamen Todesfall. Entscheidend ist, dass die inhaltliche und zeitliche Abstimmung der Verfügungen den gemeinschaftlichen Testierwillen erkennen lässt. Andernfalls würde es sich um rechtlich selbstständige Einzeltestamente handeln.

Die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments in getrennten Urkunden kann sinnvoll sein, wenn die Ehegatten für bestimmte Vermögensgegenstände individuelle Regelungen wünschen. So könnte der Ehemann beispielsweise seinen Anteil am Familienunternehmen einem Neffen vermachen, während die Ehefrau eine Immobilie ihrer Schwester zuwendet. Trotz dieser Sonderverfügungen bleibt die wechselseitige Einsetzung als Erben und Bestimmung der Schlusserben davon unberührt. Die getrennten Urkunden ermöglichen eine flexible Gestaltung, ohne die Vorteile eines Gemeinschaftstestaments aufzugeben.


Wie wird ein gemeinschaftliches Ehegattentestament rechtssicher erstellt?

Ein gemeinschaftliches Ehegattentestament nach § 2265 BGB ermöglicht es Ehegatten, ihren letzten Willen in einer gemeinsamen letztwilligen Verfügung zu regeln. Für die rechtssichere Erstellung eines solchen Testaments sind bestimmte Formvorschriften zu beachten. Grundsätzlich muss das gemeinschaftliche Testament eigenhändig von einem der Ehegatten geschrieben und von beiden unterschrieben werden. Der Ehegatte, der das Testament nicht selbst geschrieben hat, soll bei seiner Unterschrift Ort und Datum angeben, um Zweifeln an der Wirksamkeit vorzubeugen.

Das Gesetz lässt aber auch zu, dass die Ehegatten ihr gemeinschaftliches Testament in getrennten Urkunden errichten. In diesem Fall müssen beide Urkunden die Voraussetzungen eines eigenhändigen Testaments vollständig erfüllen. Das bedeutet, jeder Ehegatte muss seine Urkunde eigenhändig schreiben und unterschreiben. Aus beiden Schriftstücken muss zudem zweifelsfrei hervorgehen, dass die Ehegatten eine gemeinschaftliche letztwillige Verfügung treffen wollten. Dafür reicht es nicht aus, wenn die Urkunden lediglich am selben Tag und Ort errichtet wurden und inhaltlich übereinstimmen. Vielmehr müssen sie einen klaren Bezug aufeinander erkennen lassen.

Denkbar wäre etwa folgende Formulierung: „Mein Ehegatte hat zeitgleich mit dieser Urkunde ebenfalls ein Testament errichtet. Beide Testamente bilden unseren gemeinschaftlichen letzten Willen und sind nur zusammen gültig.“ Fehlt ein solcher wechselseitiger Hinweis, liegen rechtlich zwei separate Einzeltestamente vor, selbst wenn sie in engem zeitlichen Zusammenhang verfasst wurden und sich inhaltlich entsprechen. Die gewünschte Bindungswirkung eines Gemeinschaftstestaments würde dann nicht eintreten.

Schließlich können Ehegatten auch drei getrennte Urkunden errichten: Eine für den Erbfall des Ehemannes, eine für den Erbfall der Ehefrau und eine dritte für den gemeinsamen Todesfall. Auch hier müssen alle Urkunden die Voraussetzungen eines eigenhändigen Testaments erfüllen und aufeinander Bezug nehmen. Nur so wird deutlich, dass es sich um eine einheitliche Regelung handelt. Die inhaltliche Abstimmung allein genügt nicht. Vielmehr muss jede Urkunde für sich genommen erkennen lassen, dass sie Teil eines gemeinschaftlichen Testaments ist.


Welche rechtlichen Folgen hat die Wechselbezüglichkeit beim gemeinschaftlichen Testament?

Wechselbezügliche Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament sind solche, die ein Ehegatte nur aufgrund der Verfügung des anderen Ehegatten getroffen hat. Es wird angenommen, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen Ehegatten getroffen worden wäre. Beide Verfügungen stehen in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis. Gegenstand wechselbezüglicher Verfügungen können nur die Erbeinsetzung, ein Vermächtnis oder eine Auflage sein.

Zu Lebzeiten beider Ehegatten sind wechselbezügliche Verfügungen frei widerruflich. Der Widerruf muss dem anderen Ehegatten gegenüber in notariell beurkundeter Form erklärt werden. Der Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung führt automatisch auch zur Unwirksamkeit der anderen wechselbezüglichen Verfügung.

Nach dem Tod eines Ehegatten entfaltet die Wechselbezüglichkeit eine starke Bindungswirkung für den überlebenden Ehegatten. Das Recht zum Widerruf der wechselbezüglichen Verfügungen erlischt. Der überlebende Ehegatte kann dann nicht mehr durch ein neues Testament einseitig von den wechselbezüglichen Verfügungen abweichen. Seine Testierfreiheit erlangt er nur zurück, wenn er die Erbschaft des verstorbenen Ehegatten ausschlägt oder im gemeinschaftlichen Testament ein Änderungsvorbehalt enthalten ist.

Beispiel: Die Eheleute Anton und Berta errichten ein gemeinschaftliches Testament. Sie setzen sich gegenseitig als Alleinerben und ihre gemeinsamen Kinder Carla und David als Schlusserben zu gleichen Teilen ein. Diese Verfügungen sind wechselbezüglich, da sie in Erwartung und Abhängigkeit der Verfügung des anderen Ehegatten getroffen wurden. Verstirbt Anton, ist Berta an die Schlusserbeneinsetzung der Kinder gebunden. Sie kann Carla und David nicht mehr enterben oder die Erbquoten ändern, es sei denn, sie schlägt die Erbschaft nach Anton aus.


Warum kann ein gemeinschaftliches Ehegattentestament auch in getrennten Urkunden gültig sein?

Ein gemeinschaftliches Ehegattentestament muss nicht zwingend in einer einzigen Urkunde niedergelegt werden. Das Gesetz lässt ausdrücklich zu, dass die Ehegatten ihren letzten Willen auch in getrennten Testamenten festhalten. Entscheidend ist, dass jede dieser Urkunden für sich genommen die Voraussetzungen eines eigenhändigen Testaments erfüllt. Das bedeutet, der jeweilige Ehegatte muss seinen Teil vollständig handschriftlich verfassen und unterschreiben.

Damit ein gültiges gemeinschaftliches Testament vorliegt, müssen die getrennten Urkunden jedoch einen eindeutigen Bezug aufeinander erkennen lassen. Aus beiden Schriftstücken muss zweifelsfrei der Wille der Ehegatten hervorgehen, eine gemeinschaftliche letztwillige Verfügung zu errichten. Hierfür genügt es nicht, wenn die Testamente lediglich am selben Ort und zur gleichen Zeit verfasst wurden und inhaltlich übereinstimmen. Vielmehr muss jede Urkunde für sich genommen deutlich machen, dass sie Teil eines Gemeinschaftstestaments ist.

Ein Beispiel verdeutlicht dies: Die Ehefrau setzt in einem eigenhändigen Testament ihren Mann zum Alleinerben ein. Der Ehemann verfügt in einer separaten Urkunde mit identischem Datum, gleicher Uhrzeit und wortgleichem Inhalt dasselbe zugunsten seiner Frau. Hier kann von einer inneren Abhängigkeit der letztwilligen Verfügungen und damit vom Willen der Ehegatten zur Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments ausgegangen werden.

Die Möglichkeit, den gemeinschaftlichen letzten Willen in getrennten Urkunden zu bekunden, eröffnet den Ehegatten einen größeren Gestaltungsspielraum. So können sie etwa für bestimmte Vermögensgegenstände individuelle Sonderregelungen treffen, ohne die Bindungswirkung des Gemeinschaftstestaments aufzugeben. Voraussetzung bleibt aber stets, dass die inhaltliche und zeitliche Abstimmung der Verfügungen den gemeinschaftlichen Testierwillen klar erkennen lässt.


Welche Risiken und Fallstricke gibt es bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen Ehegattentestaments?

Bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen Ehegattentestaments lauern einige Fallstricke, die unbedingt vermieden werden sollten. Bereits bei der Wahl der Form ist Vorsicht geboten. Zwar können Ehegatten ein gemeinschaftliches Testament auch privatschriftlich errichten, indem ein Ehegatte den Text handschriftlich verfasst und der andere mitunterzeichnet. Allerdings birgt dies die Gefahr von Formfehlern, die zur Unwirksamkeit des gesamten Testaments führen können. Wird beispielsweise der Text teilweise vom anderen Ehegatten geschrieben oder fehlt dessen eigene letztwillige Verfügung, ist das Testament nichtig.

Auch inhaltlich gibt es einige Stolpersteine. Häufig setzen sich Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmen ihre gemeinsamen Kinder zu Schlusserben. Diese Verfügungen sind in der Regel wechselbezüglich, das heißt sie stehen in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander. Der überlebende Ehegatte ist dann nach dem Tod des Erstversterbenden an die Schlusserbeneinsetzung gebunden und kann diese nicht mehr einseitig ändern. Dies kann problematisch sein, wenn sich die Lebensumstände ändern oder es zum Streit mit den Kindern kommt.

Um mehr Flexibilität zu wahren, sollten Ehegatten einen Änderungsvorbehalt in das Testament aufnehmen. Dieser ermöglicht es dem Überlebenden, die Erbquoten unter den Kindern anzupassen. Allerdings erhöht ein weitreichender Änderungsvorbehalt auch das Risiko, dass die Kinder nach dem ersten Todesfall ihren Pflichtteil geltend machen, da sie nicht sicher sein können, ob sie letztendlich erben werden.

Unklare oder widersprüchliche Formulierungen sind eine weitere Gefahrenquelle. Sie führen zu Auslegungsschwierigkeiten und Streit unter den Erben. Ehegatten sollten daher präzise formulieren und juristische Fachbegriffe vermeiden, wenn sie deren Bedeutung nicht genau kennen. Im Zweifel empfiehlt sich die Errichtung eines notariellen Ehegattentestaments, um Formfehler und Unklarheiten von vornherein auszuschließen.

Schließlich ist zu beachten, dass ein gemeinschaftliches Testament durch Scheidung der Ehe unwirksam wird. Verstirbt ein Ehegatte vor Rechtskraft des Scheidungsurteils und lagen die Scheidungsvoraussetzungen bereits vor, kann dies ebenfalls zur Unwirksamkeit führen. Ehegatten sollten daher vorsorglich regeln, ob das Testament auch für den Fall der Scheidung gelten soll.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 2265 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Gemeinschaftliches Testament — Regelt die Möglichkeit für Ehegatten, gemeinsam ein Testament zu errichten. Relevant, weil es beschreibt, dass ein gemeinschaftliches Testament auch in getrennten Dokumenten gültig sein kann, wenn die Absicht der gemeinschaftlichen Verfügung klar ist.
  • § 2269 BGB: Bindungswirkung nach dem Tode eines Ehegatten — Erklärt, dass Verfügungen, die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament treffen, grundsätzlich bindend sind, sobald einer der Ehegatten verstorben ist. In diesem Fall ist dies relevant, weil die Erblasserin möglicherweise durch das Testament von 1984 gebunden war.
  • § 2270 BGB: Wechselbezügliche Verfügungen — Definiert, welche Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament als wechselbezüglich gelten und somit nur unter bestimmten Umständen geändert werden können. Dies betrifft die Frage, ob die Erblasserin das Testament von 2021 rechtswirksam erstellen konnte.
  • Testamentarische Anfechtung (§ 2078 BGB): Irrtum bei der Errichtung des Testaments — Gilt, wenn jemand ein Testament erstellt hat und dabei einem Irrtum unterlag. Hier relevant, da Beteiligte 2 und 3 das Testament von 2021 mit dem Argument eines Irrtums anfechten.
  • Nachlassgericht (§ 343 FamFG – Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit): Zuständigkeit für die Nachlasssache — Das Nachlassgericht überprüft die Gültigkeit von Testamenten. Hier relevant, weil das Amtsgericht Freiburg im Breisgau ursprünglich einer Ansicht war, die später durch OLG Karlsruhe korrigiert wurde.
  • Erbscheinverfahren (§ 2353 BGB): Erteilung eines Erbscheins — Beschreibt das Verfahren zur Erteilung eines Erbscheins, der die Erben legitimiert. Im konkreten Fall ist die Frage des Erbscheins zentrales Element des Streits.
  • § 199 BGB: Berechnung der Verjährungsfrist — Relevant für die zeitliche Einordnung der Anfechtung des Testaments. Hier könnte zu klären sein, ob die Anfechtung rechtzeitig erfolgte.
  • Kostenentscheidung (§ 81 FamFG): Kosten des Verfahrens — Erklärt, wer die Kosten eines Erbschaftsverfahrens zu tragen hat. Hier wird darauf verwiesen, dass keine außergerichtlichen Kosten erstattet werden.


⇓ Das vorliegende Urteil vom Oberlandesgericht Karlsruhe

OLG Karlsruhe – Az.: 14 W 89/22 (Wx) – Beschluss vom 04.01.2023

1. Auf die Beschwerden der Beteiligten Ziffer 2 und Ziffer 3 wird der Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Freiburg im Breisgau vom 27.07.2022, Az. 914 VI 2082/21, aufgehoben.

2. Die zur Erteilung des Erbscheins gemäß Antrag der Beteiligten Ziffer 1 vom 11.08.2021 erforderlichen Tatsachen werden nicht für festgestellt erachtet.

3. Von der Erhebung der Kosten wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

4. Der Gegenstandswert wird auf 198.625 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die am … geborene, verwitwete Erblasserin ist am ……..2021 verstorben. Ihr Ehemann, P R, ist am ……..2016 vorverstorben. Die Beteiligten Ziffer 1 bis Ziffer 3 sind die gemeinsamen Kinder der verstorbenen Ehegatten.

Am 02.08.1984 errichtete R ein handschriftliches Testament mit folgendem Inhalt:

„Mein letzter Wille.

Im Falle meines Todes bestimme ich meine Frau, G R, geb. O, zum alleinigen Erben.“

Am selben Tag und am selben Ort errichtete die Erblasserin ebenfalls ein handschriftliches Testament mit folgendem Inhalt:

„Mein letzter Wille.

Im Falle meines Todes bestimme ich meinen Mann, P R, zum alleinigen Erben.“

Ebenfalls am 02.08.1984 errichteten beide Ehegatten gemeinsam ein Testament, in dem es heißt:

„Unser letzter Wille.

Im Falle unseres gemeinsamen Todes bestimmen wir unsere 3 Kinder F, S, L zu gemeinsamen Erben bis auf meinen Schmuck, den meine Tochter S erbt. G, P“

Auf die jeweiligen Urkunden wird Bezug genommen (AS I 13 ff; Verwahrakte des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Freiburg im Breisgau 914 IV 909/21 AS 6 f; 93).

Mit notariellem Testament vom 12.01.2021, auf das verwiesen wird (Verwahrakte 914 IV 909/21 AS 27 ff), setzte die Erblasserin die Beteiligte Ziffer 1 zu 65 % und die Beteiligten Ziffer 2 und Ziffer 3 zu je 17,5 % Erbteilen ein.

Mit Schriftsatz vom 09.07.2021, auf den verwiesen wird (AS I 1 ff), haben die Beteiligten Ziffer 2 und Ziffer 3 gegenüber dem Amtsgericht – Nachlassgericht – Freiburg im Breisgau die Anfechtung des Testaments der Erblasserin vom 12.01.2021 erklärt. Begründet wird diese mit einem behaupteten Irrtum der Erblasserin über eine Bindungswirkung durch die wechselbezüglichen Verfügungen vom 02.08.1984.

Unter dem 11.08.2021 hat die Beteiligte Ziffer 1 die Erteilung eines Erbscheins auf Grundlage der Erbteile aus dem Testament vom 12.01.2021 beantragt. Auf den Schriftsatz wird verwiesen (AS I 37 ff).

Mit Beschluss vom 27.07.2022 hat das Amtsgericht – Nachlassgericht – Freiburg im Breisgau die zur Erteilung des Erbscheins gemäß Antrag der Beteiligten Ziffer 1 vom 11.08.2021 erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Auf die Entscheidung wird Bezug genommen (AS I 257 ff).

Gegen diesen den Beteiligten Ziffer 2 und Ziffer 3 am 08.08.2022 zugestellten Beschluss richten sich die Beschwerden der beiden Beteiligten vom 08.09.2022, die am selben Tag beim Amtsgericht eingegangen sind (AS I 297). Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, das Amtsgericht sei zu Unrecht von keinem gemeinschaftlichen Testament mit wechselbezüglichen Verfügungen und daraus resultierender Bindungswirkung ausgegangen. Außerdem habe es unterlassen, notwendige Beweise hinsichtlich der behaupteten Testierunfähigkeit der Erblasserin am 12.01.2021 zu erheben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdeschrift (AS 298 ff) verwiesen.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 27.07.2022, auf den Bezug genommen wird (AS I 321), nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht gemäß §§ 58, 59, 63 Abs. 1, 64 FamFG eingelegten Beschwerden der Beteiligten Ziffer 2 und Ziffer 3 sind begründet.

Das notarielle Testament der Erblasserin vom 12.01.2021 ist unwirksam, da die Erblasserin aufgrund der durch den Tod ihres Ehemannes eingetretenen Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments vom 02.08.1984 nach § 2271 Abs. 2 BGB an einem Widerruf gehindert war.

Die testamentarischen Verfügungen vom 02.08.1984 stellen ein gemeinschaftliches Testament der Ehegatten im Sinne des § 2265 BGB dar (1.). Aus der gemeinschaftlichen Verfügung vom 02.08.1984 ergibt sich, dass die gemeinsamen Kinder als Schlusserben eingesetzt worden sind, § 2270 BGB (2.). Die Schlusserbeneinsetzung der gemeinsamen drei Kinder war wechselbezüglich (3.).

1.

Die Ehegatten haben am 02.08.1984 ein gemeinschaftliches Testament errichtet.

a) Nach § 2265 BGB kann von Ehegatten ein gemeinschaftliches Testament errichtet werden. Zur Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments nach § 2247 BGB genügt es, wenn einer der Ehegatten das Testament in der dort vorgeschriebenen Form errichtet und der andere Ehegatte die gemeinschaftliche Erklärung eigenhändig mitunterzeichnet, § 2267 S. 1 BGB.

Der Begriff des gemeinschaftlichen Testaments ist gesetzlich nicht definiert. Maßgeblich ist nach heutiger herrschenden Meinung, dass die Ehegatten den Willen hatten, gemeinschaftlich zu testieren. Es kommt hingegen – entgegen früherer Auffassungen (vgl. RGZ 72, 204, 206) – nicht darauf an, dass dies in einer einzigen Urkunde geschieht (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 28. Mai 2018 – 3 Wx 70/17 -, Rn. 25, juris; OLG München, Beschluss vom 24. August 2020 – 31 Wx 241/18 -, Rn. 22, juris; MüKoBGB/Musielak, 9. Aufl. 2022, BGB § 2267 Rn. 22).

Erforderlich ist nach zutreffender und weitaus überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur in einem solchem Fall, dass die Gemeinschaftlichkeit der Erklärungen nach den allgemeinen Grundsätzen formgerechter Äußerung eines letzten Willens aus den Einzeltestamenten selbst wenigstens andeutungsweise nach außen erkennbar ist (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 11. April 2000 – 1 W 8565/98 -, Rn. 8, juris).

Jeder der beiden Ehegatten muss im Zeitpunkt der Errichtung in einem tatsächlichen Sinne wissen und wollen, dass er zusammen mit dem Anderen letztwillig verfügt (vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3. Januar 2017 – I-3 Wx 55/16 -, Rn. 19, juris).

Die Gemeinschaftlichkeit des Testierens kann aus allen Umständen des Testaments selbst, des Errichtungsvorgangs oder auch aus sonstigen Umständen entnommen werden, wobei die Beweislast derjenige zu tragen hat, der das Vorliegen eines gemeinschaftlichen Testaments behauptet (Staudinger/Kanzleiter (2019) Vorbemerkung BGB § 2265 Rn. 19 ff).

Zu solchen Umständen zählen auch Äußerungen eines der testierenden Ehegatten nach dem Tod des anderen (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 9. Januar 2018 – 3 U 17/17 -, Rn. 69, juris).

Zwar reicht der Umstand, dass Ehegatten ihre Testamente an demselben Tag und an demselben Ort errichtet haben, für sich allein genommen für die Annahme eines gemeinschaftlichen Testaments nicht aus. Dieser Umstand verstärkt jedoch bei Hinzutreten weiterer Anhaltspunkte für einen Willen zur Gemeinschaftlichkeit deren indizielle Wirkung. Gleiches gilt für die Aufbewahrung der Testamentsurkunden in einem gemeinsamen Umschlag. Auch die Verwendung eines einheitlichen Briefpapiers kann beim Vorliegen weiterer Indizien für einen gemeinschaftlichen Errichtungswillen sprechen (BeckOGK/Braun, 01.04.2022, BGB § 2265 Rn. 25).

Ein Indiz für den Willen, gemeinschaftlich testieren zu wollen, kann sich des Weiteren aus einem gemeinschaftlich verfassten (weiteren) Testament ergeben, das die beiden Einzeltestamente ergänzt (vgl. hierzu OLG München, Beschluss vom 23. Juli 2008 – 31 Wx 34/08 -, Rn. 16, juris).

b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist von einem gemeinschaftlichen Testament der Ehegatten auszugehen, auch wenn hier (drei) getrennte Urkunden vorliegen.

aa) Ein Indiz für das Vorliegen eines gemeinschaftlichen Testaments ist zunächst die getroffene Wortwahl in den drei letztwilligen Verfügungen, die mit Ausnahme der verwendeten Namen und der Unterschriften gleichlautend ist. In allen drei Verfügungen heißt es nämlich „Im Falle meines Todes bestimme ich bzw. bestimmen wir… zum alleinigen Erben bzw. zu gemeinsamen Erben“. Die Wortwahl war demnach abgesprochen.

bb) Hinzu kommt, dass alle drei Verfügungen am selben Tag und am selben Ort abgefasst worden sind. Jedenfalls die Verfügung der Erblasserin vom 02.08.1984 und die von beiden Erblassern unterschriebene Verfügung sind augenscheinlich auf gleichem Papier geschrieben worden.

cc) Die von beiden Ehegatten unterschriebene Verfügung, die sich in einem Umschlag befand, der mit „Gemeinsames Testament von P u. G“ beschriftet ist (Verwahrakte 914 IV 909/21 AS 745), ist ebenfalls am selben Tag verfasst worden. Dies lässt den Rückschluss zu, dass es sich um zwischen den Ehegatten abgestimmte Verfügungen handelt. Aus dem Inhalt dieser gemeinsamen Verfügung ergibt sich eine Ergänzung der weiter getroffenen einzelnen Verfügungen, auch wenn semantisch kein direkter Bezug zu den beiden anderen Verfügungen hergestellt wird. Das seinem Wortlaut nach zweifelsfrei vom gemeinsamen Willen der Erblasser getragene Dokument ist aus objektiver Sicht das Bindeglied zwischen den drei getrennt verfassten Dokumenten.

dd) Zwar ist unklar, ob die beiden Einzelverfügungen auch in dem mit „Gemeinsames Testament von P u. G“ beschrifteten Umschlag aufbewahrt waren, allerdings befanden sich sämtliche Dokumente offensichtlich bis zum Tod des Ehemanns der Erblasserin in gemeinsamer Verwahrung der Ehegatten.

ee) Schließlich – dies ist für den Senat ein besonders maßgeblicher und letztlich der entscheidende Umstand – hat die Erblasserin ausweislich des Protokolls des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Nordenham am 27.01.2017 in Kenntnis der Verfügungen vom 02.08.1984 eidesstattlich versichert, das gemeinschaftliche Testament vom 02.08.1984 enthalte (auch) Verfügungen für den Erbfall des überlebenden Ehegatten. Ihren Kindern – so die an Eides statt versicherte Erklärung der Erblasserin – sollten Erbansprüche erst beim Tod des Letztversterbenden und nur aus dessen Nachlass zustehen. Hierin dokumentiert sich eindrucksvoll der gemeinsame Wille der Ehegatten, sich zunächst wechselseitig als Alleinerben einzusetzen und im Hinblick auf den „gemeinsamen Tod“ nachfolgend die gemeinsamen Kinder (vgl. hierzu im Einzelnen unten 2.).

ff) Aus dem Passus der Erblasserin im notariellen Testament vom 12.01.2021, wonach sie weder durch erbvertragliche noch durch wechselbezügliche Verfügungen von Todes wegen eingeschränkt sei, lässt sich kein Rückschluss auf die Motivationslage zum maßgeblichen Zeitpunkt der Testamentserrichtung am 02.08.1984 ziehen.

Zwar heißt es in dem notariellen Testament vom 12.01.2021 in § 1, in dem gemeinschaftlichen Testament vom 02.08.1984 seien ihre drei Kinder lediglich für den Fall des „gemeinsamen Versterbens“ als Erben eingesetzt worden, sodass sie ausdrücklich zu freien Verfügungen von Todes wegen berechtigt sei. Soweit hierdurch neben den juristischen Wertungen der Erblasserin zum Ausdruck gebracht werden sollte, am 02.08.1984 habe kein gemeinsamer Verfügungswille der Ehegatten vorgelegen, steht dies im Widerspruch zu den im engen zeitlichen Zusammenhang nach dem Tod ihres Ehemanns am 06.09.2016 getätigten Äußerungen gegenüber dem Amtsgericht Nordenham am 27.01.2017. Hier ist die Motivationslage der Erblasserin am 12.01.2021 zu sehen, die zu diesem Zeitpunkt schwer erkrankt sowie pflegebedürftig war und sich bei der Beteiligten Ziffer 1 aufgehalten hatte. Dass sich die Erblasserin angesichts dieser Situation gegenüber der Beteiligten Ziffer 1 erkenntlich zeigen wollte, erscheint nachvollziehbar. Allerdings ergab sich hieraus auch zwingend das Erfordernis einer fehlenden Bindung, was die Beteiligten offensichtlich wussten.

gg) Damit ist in der Gesamtschau der Verfügungen vom 02.08.1984 der sogenannte Errichtungszusammenhang nach der Überzeugung des Senats gegeben, der auch hinreichend in den drei Dokumenten nach außen angedeutet wird.

Die Vermächtnisse der Erblasserin vom 23.01.2005 und 10.11.2006 (Verwahrakte 914 IV 909/21 AS 95 f) ändern nichts an diesem Ergebnis. Zum einen ist unklar, ob diese mit ihrem Ehemann abgesprochen waren, zum anderen sollte hierdurch die Alleinerbenstellung ihres Ehemannes nicht geändert werden. Vielmehr bekräftigte die Erblasserin ihre Verfügung vom 02.08.1984 am 23.01.2005 durch den Vermerk „bestätigt“, auch wenn dieser von ihr nicht unterschrieben worden ist.

2.

Die gemeinsamen drei Kinder, die Beteiligten Ziffer 1 bis 3, wurden in dem gemeinschaftlichen Testament zu Schlusserben eingesetzt.

a) Bei der Auslegung eines jeden Testaments ist der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften (§ 133 BGB). Handelt es sich – wie hier – um ein gemeinschaftliches Testament, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der Auslegung stets zu prüfen, ob ein nach dem Verhalten des einen Ehegatten mögliches Auslegungsergebnis auch dem Willen des anderen Teils entsprochen hat.

Das ist nötig, weil die beiderseitigen Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten nicht nur aufeinander abgestimmt werden (§ 2270 BGB), sondern erfahrungsgemäß nicht selten auch inhaltlich abgesprochen und insofern Ergebnis und Ausdruck eines gemeinsam gefassten Entschlusses beider Teile sind (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 – IV ZR 160/91 -, Rn. 12, juris).

b) Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend von einer gemeinsamen Schlusserbeneinsetzung der Kinder der Ehegatten auszugehen.

aa) Der Wortlaut „im Falle unseres gemeinsamen Todes“ bedarf der Auslegung, da er nicht eindeutig ist. Dieser Wortlaut steht nicht grundsätzlich einer Auslegung entgegen, wonach eine Schlusserbeneinsetzung auch für den Fall eines Versterbens in größerem zeitlichen Abstand erfolgen sollte. Maßgeblich ist der anhand der Auslegung zu ermittelnde (gemeinschaftliche) Wille der Erblasser.

Die Verwendung des Begriffs „gemeinsamer Tod“ ist nach allgemeinem Sprachverständnis – anders als der Begriff „gleichzeitiger Tod“ – nicht notwendig auf einen identischen Todeszeitpunkt oder einen engen zeitlichen Zusammenhang beschränkt. Denn das Eigenschaftswort „gemeinsam“ beinhaltet nach dem allgemeinen Sprachgebrauch keine zeitliche Komponente, sondern hat die Bedeutung von „zusammen“, „miteinander“ oder „gemeinschaftlich“. Die Betonung liegt damit nicht auf einem in einem engen zeitlichen Zusammenhang stehenden Ereignis, sondern kann auch auf einen Sachverhalt hindeuten, der einen „gemeinsamen“ Zustand beschreibt, nämlich den Tod beider Eheleute nach dem Versterben des zunächst überlebenden Ehegatten. Dementsprechend kann die Formulierung auch in dem Sinne zu verstehen sein, dass damit der Zeitpunkt gemeint sein soll, in dem beide Eheleute „gemeinsam“ tot sind, also im Sinne „wenn wir beide tot sind“ (vgl. nur KG Berlin, Beschluss vom 15. Januar 2020 – 6 W 45/19 -, Rn. 18, juris mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Die Formulierung „Bei einem gemeinsamen Tod“ stellt auch im Hinblick auf das Formerfordernis des § 2247 BGB eine hinreichende Andeutung im Testamentstext dar, die ein Auslegungsergebnis zulässt, nach dem die Ehegatten eine Schlusserbenregelung auch für den Fall getroffen haben, dass sie in zeitlich größerem Abstand voneinander versterben (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 31. Januar 2019 – 3 W 37/18 -, Rn. 22, juris).

Allein der Umstand, dass die Erblasser, wie die Beteiligte Ziffer 1 vorträgt, eine Vielzahl gemeinsamer Reisen antraten, spricht nicht dafür, dass sie eine Erbfolgeregelung nur für den Fall eines gemeinsamen Todes auf einer dieser Reisen treffen wollten (OLG Köln, Beschluss vom 02. Oktober 1995 – 2 Wx 33/95 -, Rn. 18, juris).

bb) Für eine zum maßgeblichen damaligen Zeitpunkt gewollte Schlusserbeneinsetzung der gemeinsamen Kinder auch im Falle eines Versterbens in größerem zeitlichen Abstand spricht in objektiver Hinsicht, dass es sich bei den drei Kindern um die gesetzlichen Erben der Erblasser handelt. Es war juristisch also nicht notwendig, diese testamentarisch nur für den Fall des (annähernd) zeitgleichen Ablebens als Erben zu gleichen Teilen zu bestimmen. Dass gemeinsame Kinder im Falle des Fehlens anderweitiger Regelungen ihre Eltern gesetzlich zu gleichen Teilen beerben, darf auch als unter juristischen Laien grundsätzlich bekannt vorausgesetzt werden. Dies legt nahe, dass die Erblasser eine Regelungsbedürftigkeit gesehen haben.

Gegenüber dem Amtsgericht – Nachlassgericht – Nordenham hat die Erblasserin angegeben, es sei gemeinsamer Wille gewesen, dass der Überlebende in keiner Weise über das Ererbte beschränkt sei. Ihren Kindern sollten Erbansprüche erst beim Tod des Letztversterbenden und nur aus dessen Nachlass zustehen. Durch diese Äußerungen machte die Erblasserin deutlich, was der gemeinsame Wille der Eheleute zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung war, nämlich die Anordnung einer Voll- und Schlusserbschaft. Anhaltspunkte für die Annahme einer Ermächtigung des Überlebenden auch zu Verfügungen von Todes wegen finden sich nicht. Im Gegenteil ergibt sich aus diesen Angaben der Erblasserin gerade, dass die Kinder nach dem Tod des Letztversterbenden erben sollten. (Nur) zu Lebzeiten sollte der überlebende Ehegatte über das gesamte Vermögen frei verfügen können.

3.

Die Schlusserbeneinsetzung der Kinder war wechselbezüglich.

a) Wechselbezüglich sind nach § 2270 Abs. 1 BGB diejenigen in einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament getroffenen Verfügungen, von denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde. Es muss also für jede einzelne Verfügung geprüft werden, ob sie in einem solchen Verhältnis der Wechselbezüglichkeit zu der letztwilligen Verfügung des erstverstorbenen Ehegatten steht. Die Wechselbezüglichkeit von Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament ist vorrangig durch individuelle Auslegung zu ermitteln. Lediglich wenn diese zu keinem zweifelsfreien Ergebnis führt, kommt die Anwendung der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB in Betracht (OLG Hamm, Beschluss vom 12. Juni 2001 – 15 W 127/00 -, Rn. 24, juris).

Die Vermutung des § 2270 Abs. 2 BGB geht von der gewöhnlichen Lebenserfahrung über die Vorstellungen und Absichten der Ehegatten in solchen Fällen aus. Eine allgemein anerkannte, weil besonders zuverlässige Erfahrungsregel im Sinne der gesetzlichen Vermutung knüpft sich an die Fallgestaltung eines sogenannten Berliner Testaments: Eheleute, die ihr gemeinsames Vermögen „letztlich“ an ihre eigenen – gemeinsamen – Kinder weitergeben möchten, jedoch mit Rücksicht auf die Altersversorgung des anderen Ehegatten ihre Abkömmlinge für den Fall ihres eigenen Vorversterbens enterben, tun das jeweils in der offenkundigen Erwartung, dass aufgrund der gleichzeitigen Schlusserbeneinsetzung des anderen Teiles das gemeinsame Vermögen mit dem Tode des Ehegatten auf ihre Kinder übergehen wird. Dieses Vertrauen der testierenden Eheleute wird unter anderem dadurch geschützt, dass ein Widerruf nach dem Tod des Erstversterbenden grundsätzlich ausgeschlossen ist (§ 2271 Abs. 2 BGB).

Es wird deshalb nicht der Lebenserfahrung gerecht und greift somit auch auslegungsmethodisch zu kurz, wenn die Vermutung des § 2270 Abs. 2 BGB mit der Erwägung relativiert wird, es sei regelmäßig anzunehmen, dass jeder Ehegatte die Kinder wegen des Verwandtschaftsverhältnisses bedenkt und nicht, weil der andere dies auch tut. Vielmehr hat es bei der Prüfung der auslegungserheblichen Umstände entscheidend darauf anzukommen, ob sich darin – innerhalb oder außerhalb des Testaments – eine Willensbekundung objektiviert hat, die trotz dieses zuverlässigen Erfahrungshintergrunds mit der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB nicht in Einklang steht (OLG Bamberg, Beschluss vom 6. November 2015 – 4 W 105/15 -, Rn. 18 – 19, juris).

Für die vor Anwendung der Auslegungsregel erforderliche Auslegung nach dem tatsächlichen Willen der Erblasser besteht nach zutreffender Meinung kein Erfahrungssatz, dass jeder Ehegatte die gemeinsamen Kinder nur deshalb bedenkt, weil dies auch der andere tut; wohl aber gibt es den Erfahrungssatz, dass ein Ehegatte bei der gegenseitigen Erbeinsetzung seine Kinder beim Tod als Erstversterbender nur enterbt, weil er darauf vertraut, dass das gemeinsame Vermögen beim Tod des Überlebenden auf die gemeinsamen Kinder übergehen wird (vgl. Staudinger/Kanzleiter (2019) BGB § 2270, Rn. 26a auch zur Gegenmeinung).

b) Gemessen hieran stellt sich die Schlusserbeneinsetzung der gemeinsamen Kinder der Ehegatten als wechselbezüglich dar.

Dies ergibt sich aus Sicht des Senats bereits aus dem zur Auslegung heranzuziehenden allgemeinen Erfahrungssatz, wonach die Enterbung der gemeinsamen Kinder beim ersten Erbfall regelmäßig im Hinblick auf die gemeinsame Schlusserbeneinsetzung erfolgt, was das Amtsgericht bei seiner Argumentation übersehen hat. Anhaltspunkte dafür, dass dies im vorliegenden Fall ausnahmsweise nicht der Fall sein sollte, finden sich nicht.

Der Heranziehung der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB bedarf es daher nicht, wobei diese vorliegend zum selben Ergebnis führen würde.

4.

Da das notarielle Testament der Erblasserin vom 12.01.2021 hinsichtlich der abgeänderten Erbquoten und ausgesetzten Vermächtnisse unwirksam ist, kann es vorliegend dahinstehen, ob die Erblasserin testierfähig gewesen ist.

Die erklärte Anfechtung geht ins Leere.

Ob das notarielle Testament dem Rechtsgedanken des § 2057a BGB entspricht, ist ohne Belang. § 2057a Abs. 4 BGB gewährt dem Abkömmling bei besonderen Leistungen im Sinne des § 2057a Abs. 1 BGB lediglich einen durch den angemessenen Ausgleichsbetrag erhöhten Auseinandersetzungsanspruch. Bis zur Auseinandersetzung ist die Ausgleichung für die Rechtsstellung der Miterben weder im Innen- noch im Außenverhältnis bedeutsam (Schermann in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 2057a BGB (Stand: 23.06.2020), Rn. 118).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 FamFG.

Der Gegenstandswert beläuft sich auf den Wert des Nachlasses (AS I 213).

Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, sind nicht ersichtlich.

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