OLG Stuttgart – Az.: 19 U 48/18 – Beschluss vom 27.04.2018
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Rottweil vom 9. Januar 2018 (3 O 4/17) wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das in Ziff. 1 genannte Urteil des Landgerichts Rottweil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Streitwert des Berufungsverfahrens:
Berufungsantrag Ziff. 1 (gegen die Beklagte zu 1): 10.182,01 €;
Berufungsantrag Ziff. 2 (gegen die Beklagte zu 2): 35.785,99 €;
insgesamt: 45.968,00 €.
Gründe
I.
Der Senat hatte die Parteien mit Beschluss vom 26. März 2018 (GA III 585 ff.) auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür im Einzelnen hingewiesen (vgl. § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
Auf die weiterhin zutreffenden Gründe dieses Beschlusses nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gleichermaßen vollumfänglich Bezug (vgl. § 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO) wie auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, hinsichtlich derer keine Änderungen oder Ergänzungen veranlasst waren (§ 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO).
II.
Der Schriftsatz der Klägerin vom 23. April 2018 (GA III 594 ff.), welcher innerhalb der gem. § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO gesetzten Frist zur Stellungnahme auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 26. März 2018 eingegangen ist und auf welchen der Senat Bezug nimmt, veranlasste insoweit keine abweichende rechtliche Würdigung.
Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass der Klägerin gegen die Beklagten die vorliegend allein in Betracht kommenden Ansprüche aus §§ 2287, 818 BGB analog nicht zustehen.
1. a)
Entgegen der Auffassung der Klägerin in ihrer Stellungnahme vom 23. April 2018 (S. 1 f.; GA III 594 f.) beanspruchen die seitens des Senats auf S. 4 seines Beschlusses vom 26. März 2018 (GA III 588) zitierten höchstrichterlichen und obergerichtlichen Entscheidungen keineswegs lediglich für den Fall Geltung, dass „der eingesetzte Schlusserbe durch lebzeitige Verfügungen eines Ehegatten beeinträchtigt wird“, sondern sehr wohl auch für den Fall, dass – wie vorliegend – ein Ehegatte den anderen Ehegatten „durch lebzeitige Verfügungen beeinträchtigt“.
Denn nach dieser Rechtsprechung, welcher sich der Senat anschließt, ist die Regelung des § 2287 Abs. 1 i.V.m. §§ 818 ff. BGB auf wechselbezügliche Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testaments, das nach dem Tod des erstverstorbenen Ehegatten unwiderruflich geworden ist, entsprechend anzuwenden, ohne dass eine entsprechende Differenzierung vorgenommen würde.
Insoweit verweist der Senat exemplarisch auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 26. Oktober 2011 (IV ZR 72/11, NJW-RR 2012, 207 Tz. 7). Anders als die Klägerin (GA III 595) behauptet, hat der Bundesgerichtshof in seiner Rechtsprechung sehr wohl postuliert, dass § 2287 BGB nur auf wechselbezügliche Verfügungen anwendbar sind, die nach dem Tod des erstverstorbenen Ehegatten unwiderruflich geworden sind. So heißt es in dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23. Februar 1983 (IV a ZR 186/81, NJW 1983, 1487, 1488) ausdrücklich wie folgt:
„… Ein Anspruch des Kl. aus § 2287 BGB kommt hier schon deshalb nicht in Betracht, weil die Ehefrau des Erblassers zur Zeit der Schenkung (Abtretung) am 29.1.1976 noch lebte und weil deshalb die wechselbezüglichen Verfügungen des Erblassers in dem gemeinschaftlichen Testament von 1955 noch nicht bindend geworden waren …“
b)
Anders als die Klägerin (GA III 595) meint, bleiben selbst wechselbezügliche Verfügungen frei widerruflich, solange beide Ehegatten noch leben. Insoweit gilt lediglich für die Form des Widerrufs eine besondere Regelung, der zufolge dieser in der gleichen Weise wie der Rücktritt vom Erbvertrag – d.h. in notariell beurkundeter Form – zu erfolgen hat (§ 2271 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2296 BGB).
Fehl geht in diesem Zusammenhang der Hinweis der Klägerin (GA III 596), dass man unter Zugrundelegung der Auffassung des Senats bereits zu dem Schluss hätte kommen müssen, dass das handschriftliche Testament des Erblassers vom 10. Oktober 2015 (Anlage K 5; GA I 11) wirksam gewesen sei, was „völlig unstreitig nicht der Fall“ sei.
Denn wie aus § 2271 Abs. 1 Satz 2 BGB hervorgeht, kann durch Widerrufstestament oder sachlich widersprechende letztwillige Verfügung eine wechselbezügliche Verfügung nicht einseitig aufgehoben werden.
2.
Zu Unrecht verweist die Klägerin (GA III 596) schließlich weiter darauf, dass man selbst unter Zugrundelegung der Auffassung des Senats zum frühestmöglichen Zeitpunkt einer entsprechenden Anwendung von § 2287 BGB im vorliegenden Fall eine solche Analogie bejahen müsste, da die Zuwendung an die Beklagten jeweils auf den Tod des Zuwendenden – hier: des Erblassers – bedingt sei, „die Schenkung somit erst im Zeitpunkt des Todes des Erblassers“ vollzogen werde und „in der gleichen logischen juristischen Sekunde“ auch die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments eingreife.
Denn hierbei verkennt die Klägerin, dass im vorliegenden Fall – wie der Senat bereits in seinem Hinweisbeschluss vom 26. März 2018 (S. 5; GA III 589) aufgezeigt hat – die Änderung der streitgegenständlichen Bezugsrechte zugunsten der beiden Beklagten dazu führte, dass die jeweiligen Ansprüche der Beklagten auf die Versicherungssumme originär in der Person der betreffenden Beklagten entstanden sind und nicht – auch nicht durchgangsweise – in den Nachlass des Erblassers fielen (§§ 328, 331 BGB; vgl. nur Weidlich in: Palandt, BGB, 77. Aufl., § 1922 Rz. 39 m.w.N.).
Selbst wenn man auf der Grundlage des Vortrags der Klägerin davon ausginge, dass das Valutaverhältnis zwischen dem Erblasser und den beiden Beklagten zu dessen Lebzeiten durch ein den Formerfordernissen des § 518 Abs. 1 BGB nicht genügendes Schenkungsversprechen begründet worden wäre und keine andere rechtliche Causa gehabt hätte, so wäre der Mangel nach § 518 Abs. 2 BGB gleichwohl im Zeitpunkt des Todes des Erblassers geheilt gewesen, da die Beklagten ihre jeweiligen Ansprüche aus den Verträgen zu Gunsten Dritter (§§ 328, 331 BGB) – wie oben bereits erwähnt – mit dem Todesfall im Wege eines Vonselbsterwerbs erlangt gehabt hätten (vgl. nur Leipold, Erbrecht, 21. Aufl., Rz. 579 m.w.N.). Die Beklagte zu 1 wie auch die minderjährige Beklagte zu 2, vertreten durch erstere, hätten ein – in dem an sie gerichteten Schreiben des Erblassers vom 10. Oktober 2015 (GA I 58) enthaltenes – formungültiges Schenkungsversprechen des Erblassers vor dessen am 23. Oktober 2015 eingetretenen Tod gem. § 151 Satz 1 BGB formlos angenommen. In dem Schreiben heißt es wie folgt:
„Liebe …, liebe …,
das Testament vom 18.6.2015 ist leider unwirksam, da das ‚Gemeinsame Testament‘ vom 1.7.2012 Vorrang hat und nicht einseitig geändert werden kann (Notarauskunft). Momentan habe ich deshalb … in meinem Kapitalisierungsvertrag einer Lebensversicherung begünstigt (ca. 36.000 €) Zuschuss für Schule und Studium. Für Dich liebe … habe ich ja schon die LV über 10.000 € als Begünstigte.
Euer …“.
3.
Das vorstehende Ergebnis hätte die Klägerin vermeiden können, wenn sie mit dem Erblasser seinerzeit einen Erbvertrag abgeschlossen statt mit ihm ein gemeinschaftliches Testament errichtet hätte.
4.
Nach alledem vermag die Stellungnahme der Klägerin nichts an der einstimmigen Überzeugung des Senats zu ändern, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Da die Rechtssache nach fortbestehender einstimmiger Überzeugung des Senats weder grundsätzliche Bedeutung hat (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats in Form eines Urteils erfordert (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO) und eine mündliche Verhandlung gleichermaßen nicht geboten war (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO), war die Berufung nach alledem gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch Senatsbeschluss zurückzuweisen.
III.
1.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
2.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit resultiert aus §§ 708 Nr. 10 Satz 2, 711 ZPO.