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Gemeinschaftliches Testament – einseitige Abänderung zu Lebzeiten beider Vertragspartner

OLG Stuttgart – Az.: 8 W 241/17 – Beschluss vom 27.12.2018

1. Die Beschwerden der Beteiligten zu 1) und 2) gegen den Beschluss des Notariats Dischingen vom 27.04.2017, Az. NG 17/2016, werden zurückgewiesen.

2. Die Beschwerdeführer tragen die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 3) im Beschwerdeverfahren als Gesamtschuldner. Im Übrigen werden außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

3. Den Beteiligten wird aufgegeben, bis 08.01.2019 Angaben zum Nachlasswert zu machen, damit der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens festgesetzt werden kann.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Erbscheinsverfahren um den Nachlass nach dem am … 2016 verstorbenen Erblasser. Sie sind Angehörige des Erblassers, bzw. seiner am … 2015 vorverstorbenen Ehefrau … …, geb. …. Abkömmlinge gibt es nicht.

Mit notariellem (Ehe- und) Erbvertrag (Bl. 21 d.A.) vom 15.11.1967 setzten der Erblasser und seine Ehefrau einander zu Alleinerben ein. Ansonsten hat der Erbvertrag auszugsweise folgenden Wortlaut (Unterstreichung auch im Original):

„§ 3

Sind keine Abkömmlinge von uns (leibliche Abkömmlinge oder an Kindes Statt angenommene Kinder) vorhanden, so beruft der überlebende Gatte zu seinen Erben:

a) zur Hälfte, die beim Eintritt des Erbfalls geborenen und lebenden Abkömmlinge der Geschwister des Manns; jeder Stamm zum gleichen Anteil und innerhalb des einzelnen Stammes nach den Regeln wie bei gesetzlicher Erbfolge.

b) zur Hälfte, die beim Eintritt des Erbfalls geborenen und lebenden Abkömmlinge der Geschwister der Ehefrau; jeder Stamm zum gleichen Anteil und innerhalb des einzelnen Stammes nach den Regeln wie bei gesetzlicher Erbfolge.

zu a) und b): Bei dieser Erbeinsetzung soll es auch im Falle der Wiederverheiratung des überlebenden Gatten verbleiben.

§ 4

Dem überlebenden Gatten ist es gestattet, nach dem Ableben des zuerststerbenden Gatten die Erbeinsetzung bezüglich seiner eigenen Verwandten beliebig zu ändern, zu widerrufen und bezüglich dieser Hälfe seines Nachlasses anderweitig letztwillig zu verfügen.“(…)

Weiter wurde ein als „gemeinschaftliches Testament“ überschriebenes Schriftstück zur Nachlassakte (Bl. 22) gebracht, das handschriftlich – in Druckschrift – erstellt wurde und auf 01.07.2012 datiert ist. Der verfügende Teil hat auszugsweise folgenden Wortlaut (Schreibfehler auch im Original):

„Wir (..) setzen uns gegenseitig zu unbeschreiben und unbeschrändten Aleinerben ein

der überlebende Ehegatte setzt zu seinem unbeschrängten allein Erben

… … geb. … geb. …

ein

wohnhaft …

…“

Die Unterschriften lauten „H. …“ und „G. …“, wobei die Vornamensinitiale jeweils in Druckschrift, der Familienname jeweils in Sütterlinschrift ausgeführt ist.

Aufgrund von den Beteiligten teilweise geäußerter Zweifel an der Eigenhändigkeit des Textes bzw. der Unterschriften des auf 2012 datierten Schriftstücks holte das Nachlassgericht ein Gutachten des Schriftsachverständigen Dr. … … (Bl. 64) ein. Dieses kam zu dem Ergebnis, dass die Ehefrau des Erblassers (ohne vernünftigen Zweifel) als Erstellerin des Textes und der Unterschrift „G. …“ ausgeschlossen werden könne und dass umgekehrt der Erblasser als Ersteller (mit hoher Wahrscheinlichkeit) des Textes und (mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit) beider Unterschriften anzusehen sei. Für die Einzelheiten, insbesondere die dieser Bewertung zugrunde gelegten Schrift- und Schreibaspekte, wird auf das Gutachten Bezug genommen.

Im erstinstanzlichen Verfahren haben die Beteiligten wiederholt zu den als Verfügungen von Todes wegen eröffneten Schriftstücken Stellung genommen und hierzu u.a. Folgendes angemerkt:

Sowohl der Erblasser als seine Ehefrau hätten nicht nur in Sütterlinschrift unter-, sondern auch geschrieben. Schon dies schließe beide als Ersteller des Testamentstextes von 2012 aus.

Der Umstand, dass das auf 01.07.2012 datierte Dokument etliche Schreibfehler aufweise, sei mit den bekannten Schreibgewohnheiten und der Korrektheit des Erblassers unvereinbar. Gleichfalls unvereinbar mit seinem Charakter sei die Erstellung eines privatschriftlichen Dokuments; er wäre zum Notar gegangen.

Die Datierung auf 01.07.2012 könne nicht zutreffend sein.

Aus Vorstehendem ergebe sich, dass dieser Text von einer dritten Person geschrieben worden sein müsse.

In rechtlicher Hinsicht ziehen die Beteiligten und aus § 4 des Erbvertrages den Schluss, dass eine abweichende Verfügung dem Erblasser zu Lebzeiten seiner Ehefrau nicht gestattet gewesen sei.

Soweit als Ergebnis der Beweisaufnahme feststehe, dass der Erblasser für seine Ehefrau unterschrieben habe, so müsse dies sanktioniert werden; das Dokument könne daher überhaupt keine Gültigkeit haben, auch nicht als Einzeltestament.

Auf Hinweis des Nachlassgerichts hat die Beteiligte zu 3) ihren am 12.04.2016 (Bl. 24) gestellten Erbscheinsantrag am 31.01.2017 (Bl. 75) geändert und zuletzt beantragt, einen Erbschein zu erteilen, der sie als Erbin zu 1/2 ausweist. Unter anderem die Beteiligten zu 1) und 2) haben sich gegen die Erteilung des beantragten Erbscheins gewandt.

Mit Beschluss vom 27.04.2017 (Bl. 89) hat das Nachlassgericht die Voraussetzungen für die Erteilung dieses Erbscheins als festgestellt erachtet, die sofortige Wirksamkeit seines Beschlusses ausgesetzt und die Erteilung des Erbscheins bis zur Rechtskraft des Beschlusses zurückgestellt.

Der Beschluss wurde der Beteiligten zu 2) am 05.05.2017 (Bl. 95) und dem Beteiligten zu 1) am 06.05.2017 (Bl. 94) zugestellt.

Das als Widerspruch bezeichnete Rechtsmittel der Beteiligten zu 2) ging am 01.06.2017 vorab per Telefax bei dem Nachlassgericht ein (Bl. 99), die Beschwerde des Beteiligten zu 1) am 06.06.2017 ebenfalls vorab per Telefax (Bl. 101). Beide erstreben die Zurückweisung des Erbscheinsantrags der Beteiligten zu 3).

Zur Begründung halten beide daran fest, dass das Schriftstück vom 01.07.2012 nicht von dem Erblasser selbst geschrieben worden sei. Der Beteiligte zu 1) nimmt zudem auf § 4 des Erbvertrages Bezug, nach dem der Erblasser zu einer Änderung zu Lebzeiten seiner Ehefrau nicht befugt gewesen sei.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Im Beschwerdeverfahren bestand Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

Die gegen den Feststellungsbeschluss (§ 352e Abs. 2 FamFG) statthaften (§ 58 FamFG) und auch sonst zulässigen Beschwerden haben in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Nachlassgericht die Voraussetzungen für die Erteilung des Erbscheins in der zuletzt beantragten Form für festgestellt erachtet.

Aufgrund des auf 01.07.2012 datierten Testaments ist die Beteiligte zu 3) Erbin zu 1/2 geworden.

1.

Das als „gemeinschaftliches Testament“ überschriebene Schriftstück ist als solches freilich formunwirksam (§§ 2267, 2247, 125 BGB).

a)

Als handschriftliches gemeinschaftliches Testament war das Schriftstück von einem der Testatoren eigenhändig schriftlich niederzulegen und von beiden eigenhändig zu unterschreiben (§§ 2267 Satz 1, 2247 BGB).

b)

Letztere Voraussetzung ist nicht erfüllt. Nach den durchgeführten Ermittlungen ist davon auszugehen, dass die Ehefrau des Erblassers den Namenszug „G. …“ nicht selbst angebracht hat.

Dafür sprach schon die Inaugenscheinnahme des Schriftstücks, denn die Namenszüge der Familiennamen, die im Schriftstück unmittelbar übereinander stehen, sind augenscheinlich identisch; auch die ungewöhnliche Kombination von Vornamensinitiale in Druckschrift und Familienname in Sütterlinschrift tritt bei beiden Unterschriften auf, so dass es bereits vor Einholung des Schriftsachverständigengutachtens wahrscheinlich erschien, dass beide von derselben Person erstellt worden waren.

Daran gibt es angesichts der Befunderhebung und der darauf beruhenden überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen keinen Zweifel mehr.

2.)

Die grundsätzlich vom Gesetz angeordnete Rechtsfolge des Formverstoßes ist Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts (§ 125 BGB). Zu Recht hat jedoch das Nachlassgericht geprüft, ob das Testament – im Wege der Umdeutung – als Einzeltestament (§ 2247 BGB) Gültigkeit hat.

Eine solche Umdeutung (§ 140 BGB) eines so genannten „unvollständigen gemeinschaftlichen Testaments“ ist grundsätzlich möglich (Weidlich, in: Palandt, BGB, 76. Aufl., Rdnr. 4 zu § 2267 m. w. Nachw.).

a)

Die formellen Anforderungen an ein handschriftliches Testament des Erblassers sind erfüllt, denn es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass er es selbst geschrieben und unterschrieben hat. Zutreffend wird zwar darauf hingewiesen, dass der Erblasser mit Vor- und Familienname unterschreiben soll (§ 2247 Abs. 3 Satz 1 BGB), was der Erblasser hinsichtlich des Vornamens nicht getan hat; das Gesetz selbst (§ 2247 Abs. 3 Satz 2 BGB) ordnet jedoch auch an, dass eine Unterschrift in anderer Weise ausreicht, wenn dies zur Feststellung von Urheberschaft und Ernstlichkeit ausreicht. Dies ist hier der Fall, weil die Urheberschaft festgestellt werden kann und die bestehenden Zweifel nicht auf dem Fehlen der restlichen Buchstaben des Vornamens beruhen, sondern in gleicher Weise geäußert worden wären, wenn die Unterschrift den ausgeschriebenen Vornamen enthielte.

Die Überzeugung hinsichtlich der Eigenhändigkeit beruht auf dem Sachverständigengutachten von Dr. … …, das der Senat sowohl hinsichtlich der Befundtatsachen (Übereinstimmungsmerkmale) als auch hinsichtlich der Schlussfolgerungen nachvollziehen kann und nachvollzogen hat.

(aa)

Mit dem Sachverständigen ist der Senat der Auffassung, dass die hohe Zahl an auffälligen Übereinstimmungen nur damit zu erklären ist, dass der Erblasser selbst sowohl den Text als auch die Unterschrift produziert hat. Weder eine zufällige Schrift- und Schreibähnlichkeit noch ein gezieltes Kopieren des Schriftbildes sind geeignet, diese Übereinstimmungen zu erklären. Pausspuren hat der Sachverständige zudem nicht finden können.

(bb)

Der Senat verkennt nicht, dass der Sachverständige unterschiedliche Wahrscheinlichkeitsgrade hinsichtlich der Erstellung des Textes einerseits („hohe Wahrscheinlichkeit“) und der Unterschrift „H. …“ andererseits („sehr hohe Wahrscheinlichkeit“) angenommen hat. Auch wenn der Sachverständige somit differenziert, kann sich der Senat doch für beide untersuchten Teile die Überzeugung bilden, dass sie aus der Hand des Erblassers stammen.

Hierfür sprechen auch hinsichtlich des Testamentstextes neben der Bewertung des Sachverständigen („hohe Wahrscheinlichkeit“) die konkreten – in der Anlage zum Gutachten dokumentierten – auffälligen Schriftbild- und Schreibübereinstimmungen mit den Vergleichsschriftproben.

(cc)

Der Senat hat auch erwogen, ob eine dritte Person als Erstellerin des Textes in Frage kommt. Angesichts der in dem Testament enthaltenen Erbeneinsetzung zu Gunsten der Beteiligten zu 3) käme diese in Betracht. Andererseits spricht der Schreibfehler in ihrem Familiennamen („…“ statt „…“) aus Sicht des Senats deutlich gegen diese Annahme; und eine absichtlich fehlerhafte Schreibweise – um den Verdacht abzulenken – liegt fern.

(dd)

Die eher allgemeinen Erwägungen, die der Eigenhändigkeit des Testaments im Übrigen entgegen gehalten werden, haben demgegenüber wenig Gewicht. Der Behauptung, der Erblasser habe überwiegend oder ausschließlich Sütterlinschrift verwendet, stehen die erhobenen Vergleichsschriftproben (Anhang B S. 4-6 des Gutachtens, Bl. 64) entgegen. Zweifel an der Urheberschaft des Erblassers hinsichtlich der Vergleichsschriftproben sind nicht geäußert worden. Damit steht fest, dass der Erblasser auch der Druckschrift mächtig war und sie – zumindest gelegentlich – verwendet hat. Hinzu kommt, dass die Errichtung eines Testaments eine besondere Situation ist, in der auch Sütterlinschreiber sich veranlasst sehen können, entgegen sonstiger Gewohnheit Druckschrift zu verwenden, z.B. um späteren – der Sütterlinschrift nicht kundigen – Lesern das Verständnis zu erleichtern (was bei der Korrespondenz mit Angehörigen, die ihrerseits Sütterlinschrift lesen können, natürlich keine Rolle spielt).

Soweit darüber hinaus dargelegt wird, wegen der charakterlichen Korrektheit des Erblassers sei nicht vorstellbar, dass er sich etliche Schreibfehler – wie sie in dem Dokument vorhanden sind – geleistet haben könne, so ist auch dies nicht geeignet, die auf konkret festgestellten Übereinstimmungen beruhende Bewertung des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen. Zweifel ergeben sich eher umgekehrt hinsichtlich der postulierten Korrektheit, weil der Erblasser nach obigen Ausführungen auch für seine Ehefrau unterschrieben haben würde.

Gleiches gilt für die Frage, ob der Erblasser sich seinen Angehörigen gegenüber zu der Frage, wer ihn beerben würde – ggf. auch relativ zeitnah zum Errichtungsdatum des Testaments, bzw. zu seinem Tod – verbal anderweitig geäußert hat. Solche Äußerungen – unterstellt, sie seien gefallen – geben nicht einmal indiziell Aufschluss darüber, ob das Dokument vom 01.07.2012 von ihm eigenhändig erstellt wurde oder nicht.

b)

Für die Annahme einer – von den Beteiligten teilweise geforderten – Sanktion für die (in objektiver Hinsicht jedenfalls gegebene) Fälschung der Unterschrift der Ehefrau des Erblassers fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage, bzw. besteht die vom Gesetz vorgesehene Sanktion eben in der Unwirksamkeit der mit der gefälschten Unterschrift fingierten Erklärung.

Auch § 134 BGB (Nichtigkeit wegen Gesetzesverstoß) i.V.m. § 267 StGB (Urkundenfälschung) führt in dieser Hinsicht nicht weiter, denn selbst dann wäre jedenfalls der grundrechtlich geschützten (Art. 14 GG) Testierfreiheit des Erblassers zur Geltung zu verhelfen und – mit demselben Ergebnis – nur eine Teilnichtigkeit (§ 139 BGB) anzunehmen.

c)

Dem pauschal gebliebenen Ansinnen einiger Beteiligter, die Testierfähigkeit des Erblassers auf den Zeitpunkt 01.07.2012 zu untersuchen, ist das Nachlassgericht zu Recht nicht nachgegangen. Auch unter Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 26 FamFG) muss die Behauptung der Testierunfähigkeit auf objektivierbare Tatsachen gestützt sein, aus denen ggf. Zweifel an der Testierfähigkeit herzuleiten sind (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 01.06.2012, 3 Wx 273/11; Rüntz, in: Bahrenfuss, FamFG, 3. Aufl., Rdnr. 16 zu § 26). Hieran fehlt es.

d)

Auch inhaltliche Bedenken stehen der vom Nachlassgericht vorgenommenen Umdeutung nicht entgegen.

(aa)

Grundsätzlich ist es – wie gesagt – möglich, das unvollständige gemeinschaftliche Testament als einseitige Verfügung des Erblassers aufrechtzuerhalten (wohl allg. M., z.B. BayObLG, Beschl. v. 29.06.2000, 1Z BR 40/00).

(α)

Für die Abgrenzung zwischen wirksamer einseitiger Verfügung und gescheitertem Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments ist auf den Willen der Person abzustellen, die das Dokument erstellt hat (BayObLG, a.a.O.). Wollte diese die in dem Dokument enthaltenen Anordnungen auch als einseitige Verfügungen von Todes wegen, sind sie wirksam. Sollten sie hingegen nur gelten, wenn auch der Ehegatte der Erklärung beitreten würde, handelt es sich um einen bloßen Entwurf.

(β)

Dass der Erblasser seine Erklärung auf jeden Fall – unabhängig von der Gültigkeit des gemeinschaftlichen Testaments – wirksam abgeben wollte, ergibt sich für den Senat schon daraus, dass er das Dokument – wie die erstinstanzlichen Ermittlungen ergeben haben – vollständig selbst erstellt hat (einschließlich der anderen Unterschrift), so dass ihm – anders als in anderen Fällen – klar sein musste, dass es sich um eine nur von ihm stammende Verfügung von Todes wegen handelte und es eine korrespondierende Erklärung seiner Ehefrau weder gab noch geben würde.

(γ)

Besonderer Prüfung bedarf die Umdeutung eines unvollständigen gemeinschaftlichen Testaments, wenn wechselbezügliche Verfügungen oder eine Schlusserbeneinsetzung gewollt waren (Weidlich, in: Palandt, BGB, 76. Aufl., Rdnr. 4 zu § 2267, a.a.O., BayObLG, a.a.O.), weil diese – in der Regel – denknotwendig das gemeinschaftliche Testat voraussetzen.

Gerade an dieser Stelle liegt die Konstellation hier aber anders als die in der veröffentlichten Rechtsprechung diskutierten Fälle, weil es zwar durchaus um eine Schlusserbeneinsetzung geht, aber konkret um die Änderung einer bereits erfolgten Schlusserbeneinsetzung, zu der der Erblasser (auch einzeltestamentlich) befugt war, so dass dies einer Umdeutung nicht entgegensteht.

Im einzelnen: Dem unvollständigen gemeinschaftlichen Testament von 2012 war der Erbvertrag von 1967 vorangegangen, der in § 3 eine „Schlusserbeneinsetzung nach Stämmen“ enthielt. Bedacht werden sollten die Angehörigen des Erblassers einerseits und die seiner Ehefrau andererseits, je zur Hälfte, dies unabhängig davon, welcher der Ehegatten zuerst versterben würde.

Damit wollten die Ehegatten sicherstellen, dass die Hälfte des Nachlasses nach dem Letztversterbenden an die vom zuerst verstorbenen Ehegatten ausgewählten Personen fließt, während es dem anderen Ehegatten unbenommen bleiben sollte, für „seine“ Hälfte ggf. eine andere Person oder anderen Personen zu benennen. Dies wird auch deutlich aus § 4 des Erbvertrages, auf den sogleich – wegen des zeitlichen Aspekts – noch zurückzukommen sein wird.

Jedenfalls ist genau dies – die Änderung der Schlusserbeneinsetzung für „seine“ Hälfte – das Ergebnis der Umdeutung; eine solche Verfügung von Todes wegen durfte der Erblasser auch durch Einzeltestament herbeiführen. Vertragsmäßig Bedachte im Sinne von § 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB waren aus seiner Sicht die von seiner Ehefrau für ihre Hälfte benannten Schlusserben und nicht die Schlusserben, die er selbst – für seine Hälfte – benannt hatte.

Da der Erblasser der Beteiligten zu 3) – mit anderen Worten – das zuwenden wollte, was er ihr nach der ihm erbvertraglich eingeräumten Änderungsbefugnis zuwenden konnte, ergibt die Umdeutung eine Erbquote von 1/2, weil er ihr lediglich „seine“ Hälfte vom Schlussnachlass zuwenden konnte und wollte, während die Zuwendung der anderen Hälfte daran gescheitert ist, dass die Ehefrau des Erblassers das gemeinschaftliche Testament nicht unterschrieben und auch nicht sonst in dieser Weise letztwillig verfügt hat.

bb)

Die Bedenken, die mit Blick auf den zeitlichen Ablauf einerseits und den Wortlaut von § 4 des Erbvertrages (“nach dem Ableben“) andererseits vorgebracht werden, sind dem Senat nachvollziehbar, greifen aber letztlich nicht.

Zutreffend ist, dass am 01.07.2012 , als das als „gemeinschaftliches Testament“ überschriebene Schriftstück seiner Datierung nach erstellt wurde, die Ehefrau des Erblassers noch lebte.

Gleichwohl teilt der Senat die Auffassung des Nachlassgerichts, dass die genannte Klausel des Erbvertrages den Erblasser auch an einer Änderung zu Lebzeiten seiner Ehefrau nicht hinderte, wenn und weil diese nur die Schlusserbeneinsetzung auf seiner Seite betraf.

Die Vorschriften des BGB zu Erbverträgen (§§ 2274ff.) unterscheiden zwischen vertragsmäßigen Verfügungen einerseits, von denen ein Erblasser nur unter engen Voraussetzungen Abstand nehmen kann und die ihn an späteren Verfügungen von Todes wegen hindern, die den vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigen würden (§ 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB), sowie einseitigen Verfügungen andererseits, die nach den allgemeinen Vorschriften für letztwillige Verfügungen änderbar sind (§ 2299 Abs. 2 Satz 1 BGB).

Das ist auch interessengerecht, denn der Erstversterbende hat nach seinem Tode keine Möglichkeit mehr zu reagieren, wenn der Letztversterbende anders (als erbvertraglich vereinbart) testieren will, weswegen vertragsmäßige Verfügungen besonderen Schutz in der Zeit nach dem Tode des Erstversterbenden verdienen. Dieses Interesse des Erstversterbenden erstreckt sich aber gerade nicht auf die einseitigen Verfügungen seines Vertragspartners.

Im Fall war – wie bereits ausgeführt – nach dem Willen der Ehegatten die Schlusserbeneinsetzung (“nach Stämmen“) nur insoweit vertragsmäßig und damit bindend, als gewährleistet werden sollte, dass die Hälfte des Nachlasses, die gemäß Erbvertrag der jeweils andere seiner Familie (oder anderen von ihm auszuwählenden Personen) zugewandt hatte, nur einer Änderung durch ihn selbst zugänglich sein sollte. Darüber hinaus – insbesondere also hinsichtlich der Fragen, wie der Letztversterbende mit „seiner“ Hälfte verfuhr, welche Familienangehörigen oder anderen Personen er bedachte und ggf. mit welchem Anteil „seiner“ Hälfte – handelte es sich nicht um vertragsmäßige und bindende Verfügungen, sondern um einseitige, die nach den allgemeinen Vorschriften für letztwillige Verfügungen änderbar sein sollten.

Dies vorausgeschickt, sieht der Senat keine Anhaltspunkte in der Erbvertragsurkunde, die darauf hindeuten, dass die beiden Erblasser eine Bindung gewollt haben könnten, die – gleichsam in Umkehrung der oben skizzierten Interessenlage – zu Lebzeiten sogar stärker wäre als nach dem Tode des Erstversterbenden. Dem Senat erschließt sich nicht, aus welchem Grund die Erblasser sich in dieser Weise selbst in der Testierfreiheit hätten beschränken wollen, wenn sie doch zugleich bestimmten, dass die Zuwendung der Hälfte des Letztversterbenden selbst nach dem Tode des Erstversterbenden geändert werden durfte.

Die Wendung „nach dem Ableben“ ist somit nicht als zeitliche Beschränkung (im Sinne von „erst und nur nach dem Ableben“) zu verstehen, sondern als Zuschreibung einer zusätzlichen und nicht für selbstverständlich gehaltenen Änderungsbefugnis (“sogar nach dem Ableben“).

III.

Nach allem lagen die Voraussetzungen für den Erlass des ergangenen Feststellungsbeschlusses vor. Die Beschwerde war somit zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Bei Zurückweisung eines Rechtsmittels ist die Kostentragung durch den Rechtsmittelführer die gesetzliche Regel, von der abzuweichen hier kein Anlass besteht. Die Geschäftswertfestsetzung konnte mangels hinreichender Anhaltspunkte zum Nachlasswert noch nicht erfolgen; der Wert wird gesondert festgesetzt werden. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 FamFG) lagen nicht vor.

 

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