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Gemeinschaftliches Testament – Erbeinsetzung für den Fall des gleichzeitigen Versterbens

OLG Nürnberg – Az.: 15 W 1544/11 – Beschluss vom 01.02.2012

I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Erlangen vom 21. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

II. Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahren.

III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 41.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die am 28.03.2010 kinderlos verstorbene Erblasserin M. S. hatte mit ihrem am 08.12.2002 vorverstorbenem Ehemann am 25.01.1979 ein gemeinschaftliches eigenhändiges Testament errichtet. Darin setzten sie sich gegenseitig zu Erben ein. Weiter hatte das Testament folgenden Inhalt:

Der Überlebende von uns soll so lange er lebt den Niessbrauch und die Verwaltung des gesamten Nachlasses des Erstverstorbenen erhalten. Er ist befugt über die einzelnen Vermögensstücke unter den Lebenden frei zu verfügen.

Weiter bestimmen wir: Werden wir beide gemeinsam und gleichzeitig aus dem Leben abberufen so setzen wir für unseren Nachlass folgende Personen als unsere Erben zu gleichen Teilen ein:

L. G. Landwirt in

M. K., Hausfrau.

….

Das Testament wurde am 18.12.1988 ergänzt mit der neuen Anschrift der Beteiligten M. K.

Die Eheleute hatten ferner zuvor einen notariellen Ehe- und Erbvertrag vom 16.04.1957 geschlossen, in dem sie allgemeine Gütergemeinschaft vereinbart, sich gegenseitig zu Erben eingesetzt und Regelungen getroffen hatten für den Fall, dass Abkömmlinge vorhanden sind. Für den Fall dass keine vorhanden sind, waren keine Bestimmungen getroffen worden.

Bei den Beteiligten zu 1) bis 4) handelt es sich um gesetzliche Erben. Sie sind Kinder der vorverstorbenen Schwester der Erblasserin.

Mit Urkunde des Notars Dr. B. vom 10.05.2011 haben die Beteiligten zu 1) und 4) die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie aufgrund des handschriftlichen Testaments zu Erben jeweils zur Hälfte ausweist. Sie sind der Auffassung, ihre Erbeinsetzung solle gelten, obwohl die Erblasserin und ihr Ehemann in erheblichen zeitlichen Abstand verstorben sind.

Mit Beschluss vom 21.06.2011 hat das Amtsgericht – Nachlassgericht – Erlangen diesen Antrag zurückgewiesen. Dabei ging das Gericht davon aus, dass aufgrund der eindeutigen Formulierung des Testaments eine Erbeinsetzung der Beteiligten G. und K. nur bei gemeinsamem und gleichzeitigem Versterben der Eheleute S. angenommen werden könne. Da dieser Fall nicht eingetreten und eine weitere testamentarische Regelung für die Erbfolge nicht vorhanden sei, sei von der gesetzlichen Erbfolge auszugehen.

Gegen diesen, ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 18.07.11 zugestellten, Beschluss hat die Beteiligte zu 1) durch Anwaltsschriftsatz vom 25.07.2011, eingegangen am 26.07.2011, Beschwerde eingelegt. Hiermit verfolgt sie ihren erstinstanzlichen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, der sie als Miterbin zur Hälfte ausweist, weiter und beantragt demgemäß den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das Nachlassgericht anzuweisen, einen entsprechenden Erbschein zu erteilen. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, das Testament vom 25.01.1979 sei dahingehend auszulegen, dass die Eheleute S. nach ihrer beider Ableben M. K. und L. G. als Schlusserben je zur Hälfte einsetzen wollten. Unter Hinweis auf Rechtsprechung führt sie aus, für die Auslegung des Testaments sei nicht nur auf den Wortlaut abzustellen, vielmehr der wirkliche Wille der Erblasserin zu erforschen. Hierfür hätte das Amtsgericht die angebotenen Zeugen anhören müssen.

Mit Beschluss vom 27.07.2011 hat das Amtsgericht Erlangen der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die genannten Entscheidungen und Schriftsätze Bezug genommen.

Der Senat hat keine Beweiserhebung durchgeführt.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig (§§ 58, 63 FamFG). Die Beteiligte zu 1) ist gem. § 59 Abs. 1 FamFG beschwerdeberechtigt, weil ihr Erbscheinsantrag abgelehnt worden ist.

2. In der Sache bleibt das Rechtsmittel allerdings ohne Erfolg.

Der Senat teilt die Auffassung des Amtsgerichts, dass die Beschwerdeführerin aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments vom 25.01.1979 nicht Miterbin zur Hälfte geworden ist. Die Voraussetzung für den Eintritt der gewillkürten Erbfolge sind nicht gegeben. Zu Recht geht das Amtsgericht von gesetzlicher Erbfolge aus.

Die letztwillige Verfügung stellt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin keine allgemein gültige Schlusserbeinsetzung der Nichte K. und des Neffen G. dar, sondern war auf eine bestimmte Fallkonstellation beschränkt. Die im Testament genannte besondere Situation ist im Streitfall nicht eingetreten, da die Erblasserin und ihr Ehemann nicht – beide gemeinsam und gleichzeitig – verstorben sind.

Zwar ist der Beschwerde zuzugeben, dass der Inhalt letztwilliger Verfügungen auszulegen und dabei der Wortlaut nicht allein bindend ist. Die Testamentsauslegung hat vielmehr zum Ziel, den wirklichen Willen des Erblasser zu erforschen. Dabei ist zunächst vom Wortlaut auszugehen. Der Wortsinn und die vom Erblasser benutzten Ausdrücke sind zu hinterfragen, um festzustellen, was er mit seinen Worten hat sagen wollen und ob er mit ihnen genau das wiedergegeben hat, was er zum Ausdruck bringen wollte (BGH, NJW 1993, 256 m.w.N.). Maßgeblich ist insoweit allein sein subjektives Verständnis der von ihm verwendeten Begriffe (BGH, FamRZ 1987, 475 f.; Palandt, BGB 70. Aufl. § 2084 Rdn. 1). Zur Ermittlung des Inhalts der testamentarischen Verfügung ist der gesamte Inhalt der Testamentsurkunde einschließlich aller Nebenumstände, auch solcher außerhalb des Testaments heranzuziehen und zu würdigen. Allerdings muss der durch Auslegung ermittelte Erblasserwille wegen der Formbedürftigkeit letztwilliger Verfügungen wenigstens ansatzweise oder auch versteckt angedeutet sein (BGHZ 86, 41, OLG Hamm Beschluss vom 6.1.2011, Az. 15 Wx 484/10 zitiert nach juris).

Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass es grundsätzlich sinnvoll und naheliegend erscheint, wenn Eheleute, die gegenseitige Beerbung anordnen und im Übrigen, wie vorliegend, dem Überlebenden freie Hand lassen wollen, eine zusätzliche Regelung jedenfalls für den Fall treffen, dass keiner den anderen überlebt oder der Überlebende wegen zeitnahen Nachversterbens zu einer letztwilligen Verfügung nicht mehr in der Lage ist. Auf diese Fallgestaltung wollen Ehegatten mit der Verwendung von Formulierungen wie „gleichzeitiges“ oder „gemeinsames Ableben“ eine Schlusserbeneinsetzung regelmäßig beschränken und so dem Überlebenden von ihnen die Bestimmung überlassen, wer ihn beerben soll (vergl. OLG München FamRZ 2011, 504 ff m.w.N.; Palandt a.a.O., § 2269 Rdn. 9). Eine für den Fall des gleichzeitigen Versterbens getroffene Erbeinsetzung gilt daher schon von dem mit ihr verfolgten Zweck grundsätzlich nicht für den Fall, dass die Eheleute nacheinander in erheblichem zeitlichen Abstand versterben. Hinzu kommt, dass die Annahme eines gemeinsamen und gleichzeitigen Versterbens bereits nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine zeitliche Nähe der beiden Sterbefälle voraussetzt und sich deshalb im Allgemeinen verbietet, wenn zwischen den Todeszeitpunkten eine ganz erhebliche Zeitspanne (hier mehr als sieben Jahren) liegt. Dies gilt auch wenn die Testatoren, wie die Beschwerde meint, – nicht gewandt mit juristischen Fachausdrücken, sondern einfache Leute – und – nicht juristisch vorgebildet – gewesen sind.

Eine Ausnahme hiervon kann nur angenommen werden, wenn aufgrund besonderer Umstände festzustellen ist, dass die Testierenden hier die Formulierung „Werden wir beide gemeinsam und gleichzeitig aus dem Leben abberufen“ entgegen dem Wortsinn über den Fall des gemeinsamen Versterbens hinaus ausdehnen wollten und wenn sich außerdem hierfür eine Grundlage in dem vorliegenden Testament findet.

Das ist nicht der Fall. Das Testament selbst enthält keinerlei Anhaltspunkte für diese Annahme. Vielmehr sollte der Überlebende in seiner Verfügungsmacht ausdrücklich in keiner Weise beschränkt werden. Dass das Testament an den Beteiligten G. übergeben wurde, bestätigt nicht dessen Schlusserbeneinsetzung nach dem Letztversterbenden. Denn die Übergabe erfolgte zu Lebzeiten beider Eheleute. Auch der Umstand, dass er und die Beschwerdeführerin sich insbesondere um die Erblasserin nach dem Tod ihres Ehemannes gekümmert haben, vermag die Auffassung der Beschwerde nicht zu stützen. Für den Regelungswillen kommt es nämlich auf den Zeitpunkt der Testamentserrichtung an.

Die Beschwerde kann ihre gegenteilige Meinung bezüglich der Testamentsauslegung auch nicht auf die von ihr zitierten Entscheidungen der Oberlandesgerichte Hamm und München stützen. Diese betrafen von der vorliegenden Fallgestaltung abweichende Sachverhalte. Im Fall, der dem Beschluss des OLG Hamm vom 6.1.2011 (a.a.O) zugrunde lag und in dem Eheleute bei ihrem gleichzeitigem Versterben einen Schlusserben eingesetzt hatten, war die dortige Erblasserin zum Zeitpunkt des Versterbens ihres Ehemannes selbst nicht mehr testierfähig. Eine auch für diesen besonderen Fall möglicherweise gewollte Schlusserbeneinsetzung hielt das Gericht für denkbar. Gegenstand der Entscheidung des OLG München vom 16.7.2007 (FamRZ 2008, 921 f.) war eine sprachlich mehrdeutige letztwillige Verfügung. Diese enthielt neben den Worten „gleichzeitig ableben“ auch die weiter gefasste Formulierung „nach unserem Ableben“. Zugleich ergab sich dort aus dem gesamten Inhalt der Verfügung, Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern. Es handelt sich vorliegend um eine Einzelfallentscheidung, die über die hier konkret zu beurteilende Frage der Auslegung des Testaments keine hinausgehende Bedeutung hat.

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