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Gemeinschaftliches Testament schlägt Einzeltestament: Stiefkind erbt doch!

Zwei eheliche Söhne hatten sich bereits als alleinige Erben ihres Vaters gesehen und einen entsprechenden Erbschein erhalten. Doch wenige Monate nach dessen Tod meldete sich ein vorehelich geborener Stiefsohn zu Wort, beanspruchte ebenfalls einen Anteil und legte Widerspruch ein. Unerwartet erklärte das Gericht den gültigen Erbschein daraufhin für ungültig, da ein gemeinschaftliches Testament aus dem Jahr 1997 nun eine vollkommen andere Erbfolge als das spätere Einzeltestament des Vaters aufwarf.

Zum vorliegenden Urteil Az.: I-3 Wx 116/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Urteil in 30 Sekunden

  • Das Problem: Nach dem Tod eines Familienvaters glaubten dessen zwei Söhne, die alleinigen Erben zu sein. Ein Stiefsohn forderte jedoch seinen Anteil, woraufhin das Gericht den Erbschein der Söhne einzog.
  • Die Frage: Durfte der Vater seinen Stiefsohn vom Erbe ausschließen, obwohl dieser im gemeinsamen Testament der Eltern als Erbe vorgesehen war?
  • Die Antwort: Nein, das spätere Testament des Vaters war nicht gültig. Das gemeinsame Testament der Eheleute war bindend und der Stiefsohn zählte als Erbe dazu.
  • Das bedeutet das für Sie: Ein gemeinsames Testament wird oft bindend, sobald ein Partner stirbt. Der Überlebende kann es dann nicht mehr ändern, und auch Stiefkinder können als Erben zählen, wenn sie zur Familie gehörten.

Die Fakten im Blick

  • Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
  • Datum: 24.07.2025
  • Aktenzeichen: I-3 Wx 116/25
  • Verfahren: Beschwerdeverfahren
  • Rechtsbereiche: Erbrecht, Kostenrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Die ehelichen Kinder des Erblassers und seiner vorverstorbenen Ehefrau. Sie wollten erreichen, dass ein Erbschein sie als alleinige Erben des Vaters ausweist.
  • Beklagte: Der voreheliche Sohn der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers. Er forderte, als Miterbe im Testament anerkannt zu werden.

Worum ging es genau?

  • Sachverhalt: Ein verstorbener Mann hatte zwei Testamente hinterlassen. Seine ehelichen Kinder und sein Stiefsohn stritten über das Erbe.

Welche Rechtsfrage war entscheidend?

  • Kernfrage: Gehört der Stiefsohn zu den im gemeinsamen Testament genannten „unseren Kindern“ und ist er damit Erbe, oder ist das spätere Einzeltestament des Vaters, das ihn ausschließt, gültig?

Entscheidung des Gerichts:

  • Urteil im Ergebnis: Die Beschwerde der ehelichen Kinder gegen die Einziehung des Erbscheins wurde zurückgewiesen.
  • Zentrale Begründung: Das gemeinsame Testament der Eheleute schließt den Stiefsohn als Erben ein, weil die Formulierung „unsere Kinder“ auch ihn meint und die spätere Änderung durch ein Einzeltestament unwirksam war.
  • Konsequenzen für die Parteien: Die ehelichen Kinder sind nicht Alleinerben, müssen die Prozesskosten tragen und dem Stiefsohn seine Auslagen erstatten.

Der Fall vor Gericht


Wie begann der Erbstreit um den Nachlass eines Familienvaters?

Nach dem Tod eines Familienvaters in einer nordrhein-westfälischen Stadt entbrannte ein ungewöhnlicher Streit um sein Erbe. Die beiden ehelichen Söhne des Verstorbenen und seiner vor ihm verstorbenen Frau hatten bereits einen Erbschein erhalten, der sie als alleinige Erben auswies. Ein Erbschein ist ein amtliches Dokument, das bestätigt, wer Erbe ist und wie groß sein Erbteil ist. Er ist oft notwendig, um beispielsweise auf Bankkonten zugreifen zu können. Doch dieser Schein sollte nicht lange gültig bleiben.

Eine verzierte Holzkiste und ausgebreitete alte Papiere auf einem Holztisch, darunter ein gemeinschaftliches Testament und ein späteres Einzeltestament, zeugen von einem komplexen Erbschaftsstreit um die Ansprüche eines Stiefkindes.
Erbstreit: Gericht prüft Testamentsauslegung und Bindungswirkung gemeinsamer Verfügungen. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Wenige Monate später meldete sich der vorehelich geborene Sohn der Ehefrau des Verstorbenen zu Wort. Er legte Widerspruch ein und behauptete, auch er sei ein rechtmäßiger Miterbe. Seine Einwände führten dazu, dass das für Erbsachen zuständige Amtsgericht den bereits ausgestellten Erbschein für ungültig erklärte und einzog. Ein Schock für die beiden ehelichen Söhne, die sich nun gezwungen sahen, diese Entscheidung anzufechten und ihren Anspruch auf das Alleinerbe vor einem höheren Gericht zu verteidigen. Sie wollten den ursprünglichen Erbschein, der sie als die einzigen Erben auswies, wieder in Kraft setzen lassen.

Welche Verfügungen hatten die Eheleute getroffen?

Der Kern des Streits lag in den letztwilligen Verfügungen der Familie, also den Testamenten. Die Geschichte begann bereits im September 1997, als der Familienvater und seine Frau gemeinsam ein handschriftliches Testament aufsetzten. Ein solches gemeinschaftliches Testament ist eine Besonderheit im deutschen Erbrecht, bei dem Eheleute oder eingetragene Lebenspartner ihren letzten Willen gemeinsam festhalten können. Sie nannten es schlicht „Unser Letzter Wille“. Darin setzten sie sich zunächst gegenseitig als Alleinerben ein. Das bedeutet, wenn einer von ihnen starb, sollte der andere alles erben. Für den Fall, dass der überlebende Partner ebenfalls verstarb, legten sie fest, dass der gesamte Nachlass – also das verbleibende Vermögen – zu gleichen Teilen an „unsere Kinder“ fallen solle.

Dieses gemeinsame Testament enthielt noch weitere wichtige Klauseln. Eine sogenannte Pflichtteilsstrafklausel besagte, dass jedes Kind, das nach dem Tod des ersten Elternteils seinen Pflichtteil – einen gesetzlich garantierten Mindestanteil am Erbe – einfordern würde, nach dem Tod des zweiten Elternteils nur noch diesen Pflichtteil erhalten und vom restlichen Erbe ausgeschlossen sein sollte. Außerdem gab es eine Wiederverheiratungsklausel: Sollte der überlebende Ehepartner erneut heiraten, so war er verpflichtet, einen großen Teil des Nachlasswertes an die Kinder auszuzahlen.

Nachdem die Ehefrau im Juli 2020 verstorben war, setzte der Familienvater im Juli 2022 ein weiteres handschriftliches Testament auf – diesmal allein. In diesem Einzeltestament bestimmte er explizit seine beiden ehelichen Söhne als alleinige Erben und fügte hinzu, dass dies auch dem gemeinsamen Willen entsprochen habe, den er und seine Frau bei der Erstellung des gemeinschaftlichen Testaments von 1997 gehabt hätten.

Warum schaltete sich das Nachlassgericht ein und zog den Erbschein ein?

Nach dem Tod des Familienvaters im Jahr 2024 beantragten die beiden ehelichen Söhne beim Nachlassgericht einen Erbschein, der sie als alleinige Erben auswies. Dieser Erbschein wurde ihnen am 22. Oktober 2024 erteilt. Doch die Freude währte nicht lange. Im März 2025 meldete sich der vorehelich geborene Sohn der verstorbenen Ehefrau. Er war zwar nicht der leibliche Sohn des Familienvaters, aber im Haushalt der Eheleute aufgewachsen. Er argumentierte, die Formulierung „unsere Kinder“ im gemeinschaftlichen Testament von 1997 schließe ihn als vorehelich geborenen Sohn seiner Mutter mit ein. Damit sei er ebenfalls Miterbe.

Das Amtsgericht, das als Nachlassgericht fungierte, prüfte die Sachlage. Es schloss sich der Ansicht des Stiefsohnes an. Mit einem Beschluss vom 12. Juni 2025 erklärte es den bereits ausgestellten Erbschein für inhaltlich falsch und zog ihn ein. Dies bedeutete, dass der Erbschein seine Gültigkeit verlor und die beiden ehelichen Söhne nicht länger als alleinige Erben galten.

Was sagten die Parteien vor dem höheren Gericht?

Die ehelichen Söhne des verstorbenen Familienvaters waren mit der Entscheidung des Amtsgerichts natürlich nicht einverstanden und legten Beschwerde beim Oberlandesgericht ein, einer höheren Instanz. Sie hielten an ihrem Standpunkt fest, dass sie die alleinigen Erben seien. Ihre Argumentation stützte sich maßgeblich auf die Annahme, dass die Formulierung „unsere Kinder“ im gemeinschaftlichen Testament ausschließlich sie, die gemeinsamen ehelichen Kinder, umfassen sollte. Das spätere Einzeltestament des Vaters aus dem Jahr 2022, in dem er sie ausdrücklich als alleinige Erben einsetzte und betonte, dies entspreche dem ursprünglichen gemeinsamen Willen, sollte ihren Anspruch untermauern. Zudem brachten sie vor, das Verhältnis zwischen ihrem Vater und dem Stiefsohn sei „nie wirklich gut“ gewesen, was eine Begünstigung des Stiefsohnes im Testament unwahrscheinlich mache.

Der Stiefsohn hingegen bekräftigte seinen Anspruch. Er argumentierte, dass die Formulierung „unsere Kinder“ im gemeinschaftlichen Testament von 1997 ihn, den vorehelich geborenen Sohn seiner Mutter, der im gemeinsamen Haushalt aufgewachsen war, sehr wohl einschließe. Er bestritt die Wirksamkeit des Einzeltestaments des Familienvaters aus dem Jahr 2022. Nach seiner Ansicht waren die Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament bindend geworden und konnten nicht einfach durch ein späteres Einzeltestament abgeändert werden.

Nach welchen Grundsätzen prüfte das Gericht den Fall?

Das Oberlandesgericht musste nun entscheiden, ob der vom Amtsgericht eingezogene Erbschein tatsächlich falsch war und der Stiefsohn Miterbe geworden war. Dazu legte es verschiedene wichtige Rechtsgrundsätze zugrunde:

  1. Die Auslegung eines Testaments: Wenn ein Gericht ein Testament auslegt, geht es nicht nur darum, den buchstäblichen Wortsinn zu verstehen. Vielmehr muss der wahre Wille der Person erforscht werden, die das Testament verfasst hat. Dafür dürfen alle Umstände außerhalb des Testaments herangezogen werden, selbst Notizen, die nicht in Testamentsform verfasst von Eheleuten ist der übereinstimmende Wille beider zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung entscheidend.
  2. Die Bindungswirkung gemeinschaftlicher Verfügungen: Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament können sogenannte wechselbezügliche Verfügungen sein. Das bedeutet, dass die Verfügung des einen Ehepartners nur getroffen wurde, weil der andere eine bestimmte Verfügung gemacht hat. Sie sind quasi voneinander abhängig. Eine solche Verfügung wird mit dem Tod des ersten Ehepartners bindend. Danach kann der überlebende Partner diese Verfügung nicht mehr einseitig ändern oder aufheben. Ob diese Wechselbezüglichkeit vorliegt, muss für jede einzelne Anordnung im Testament geprüft werden. Gibt es Zweifel, ob Verfügungen voneinander abhängen oder nicht, dann wird in der Regel angenommen, dass sie wechselbezüglich sind, besonders wenn sich die Eheleute gegenseitig bedenken oder jemand bedacht wird, der dem anderen Ehepartner nahesteht, wie ein Kind.
  3. Die Einziehung eines falschen Erbscheins: Ein bereits ausgestellter Erbschein muss eingezogen werden, wenn er inhaltlich unrichtig ist.

Wie begründete das Gericht die Einbeziehung des Stiefsohnes?

Das Oberlandesgericht bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts und wies die Beschwerde der ehelichen Söhne zurück. Es stellte fest, dass der Familienvater nicht nur von seinen beiden ehelichen Söhnen, sondern auch zu einem Drittel von dem Stiefsohn beerbt worden war. Das spätere Einzeltestament des Vaters von 2022 sei dabei irrelevant.

Das Gericht begründete seine Entscheidung zur Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments von 1997 detailliert:

  • Der Begriff „unsere Kinder“ schließt den Stiefsohn ein: Obwohl der Wortlaut „unsere Kinder“ zunächst auf die gemeinsamen ehelichen Kinder hindeutet, ist dieses Verständnis nicht zwingend. Ein vorehelich geborenes Kind eines Ehepartners kann unter diese Formulierung fallen, wenn der andere Ehepartner zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung eine sehr enge persönliche Beziehung zu diesem Kind hatte und es emotional wie sein eigenes betrachtete.
  • Die besonderen Umstände des Falles: Der Stiefsohn war bis ins Erwachsenenalter im ehelichen Haushalt des Familienvaters und seiner Mutter aufgewachsen. Bei der Geburt des ersten gemeinsamen Kindes war der Stiefsohn fast zehn Jahre alt und somit fast zehn Jahre lang das einzige Kind der Eheleute. Diese Umstände legten nahe, dass der Familienvater seinen Stiefsohn als ein zur Familie gehörendes Kind ansah und ihn mit der Formulierung „unsere Kinder“ in die Erbregelung einbeziehen wollte.
  • Die umfassende Absicht des Testaments: Das gemeinschaftliche Testament sollte die Erbfolge umfassend und abschließend regeln. Es enthielt, wie erwähnt, eine Pflichtteilsstrafklausel und eine Wiederverheiratungsklausel. Nur wenn die Formulierung „unsere Kinder“ auch den Stiefsohn umfasste, erfüllte das Testament seinen Zweck vollständig und klärte die Erbfolge auch für die vorverstorbene Ehefrau in vollem Umfang. Es gab keine Hinweise darauf, dass die Ehefrau nur ihre ehelichen Söhne begünstigen wollte, nicht aber ihren vorehelich geborenen Sohn, der wie ein eheliches Kind aufgewachsen war.
  • Die Wiederverheiratungsklausel als entscheidendes Indiz: Ein besonders starkes Argument für die Einbeziehung des Stiefsohnes lieferte die Wiederverheiratungsklausel im Testament. Diese sah vor, dass der überlebende Ehepartner im Falle einer Wiederheirat drei Viertel des Nachlasswertes an „die Kinder“ als Vermächtnis auszahlen sollte. Der Zweck war, den Nachlass zwischen dem überlebenden Ehepartner und den Kindern aufzuteilen und eine neue Ehepartnerin vom Vermögen auszuschließen. Wenn die begünstigten Kinder (hier drei Personen: die zwei ehelichen Söhne und der Stiefsohn) drei Viertel des Nachlasswertes erhalten sollten, impliziert dies eine Aufteilung in Viertel – ein Viertel für den überlebenden Ehepartner und drei Viertel für die drei Kinder. Wären nur zwei Kinder begünstigt gewesen, würde der Nachlass gedrittelt werden (ein Drittel an den Ehepartner, zwei Drittel an die beiden Kinder). Dies führte das Gericht zu dem zwingenden Schluss, dass der Stiefsohn zu den im gemeinschaftlichen Testament genannten Kindern gehört und somit neben den ehelichen Söhnen als Schlusserbe eingesetzt wurde.

Warum konnte das spätere Einzeltestament des Erblassers die Erbschaft nicht ändern?

Da das Oberlandesgericht festgestellt hatte, dass der Stiefsohn durch das gemeinschaftliche Testament von 1997 Miterbe geworden war, musste es noch klären, welche Rolle das spätere Einzeltestament des Familienvaters von 2022 spielte.

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass das Einzeltestament unwirksam war. Dies begründete es mit der bereits erwähnten Wechselbezüglichkeit der Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament:

  • Bindungswirkung der Schlusserbenbestimmung: Die gegenseitige Erbeinsetzung der Eheleute im gemeinschaftlichen Testament war wechselbezüglich. Aber auch die Bestimmung der Schlusserben – also die Anordnung, dass nach dem Tod des Überlebenden die Kinder das Erbe erhalten sollten – war wechselbezüglich zur gegenseitigen Erbeinsetzung. Es ist eine allgemeine Lebenserfahrung, dass ein Ehepartner den anderen als Alleinerben einsetzt, weil er darauf vertraut, dass das gemeinsame Vermögen beim Tod des Überlebenden an die gemeinsamen Kinder übergeht. Dieser Grundsatz galt auch hier, zumal die Eheleute in ihrem gemeinschaftlichen Testament die beiden ehelichen Söhne und den Stiefsohn gleichbehandelt hatten.
  • Konsequenz: Diese Schlusserbenbestimmung, die den Stiefsohn einschloss, war mit dem Tod der Ehefrau bindend geworden. Das bedeutete, der überlebende Familienvater konnte diese Anordnung nicht mehr einseitig ändern oder aufheben. Da sein Einzeltestament von 2022 den Stiefsohn von der Schlusserbfolge ausschloss, verstieß es gegen diese bindend gewordene Verfügung des gemeinschaftlichen Testaments und war damit unwirksam.

Welche Gegenargumente wies das Gericht zurück?

Das Oberlandesgericht prüfte auch die Argumente der ehelichen Söhne, um deren Beschwerde abzuweisen:

  • Die Behauptung im Einzeltestament 2022: Die Aussage des Familienvaters in seinem späteren Einzeltestament, dass die Einsetzung der beiden ehelichen Söhne als alleinige Erben auch dem ursprünglichen gemeinsamen Willen im gemeinschaftlichen Testament entsprochen habe, wies das Gericht als nicht stichhaltig zurück. Diese Behauptung sei mit den zuvor erörterten Gesichtspunkten – insbesondere der Wiederverheiratungsklausel und dem Wunsch nach einer umfassenden Regelung der Erbfolge – unvereinbar. Der spätere Wille des Familienvaters sei für die Auslegung des übereinstimmenden Willens bei der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments irrelevant.
  • Das angeblich schlechte Verhältnis zum Stiefsohn: Die Behauptung, das Verhältnis des Familienvaters zum Stiefsohn sei „nie wirklich gut“ gewesen, wurde als nicht aussagekräftig genug bewertet. Sie reiche nicht aus, um daraus zu schließen, dass der Stiefsohn nicht zu den testamentarisch Begünstigten gehöre. Zudem schließe sie nicht aus, dass der Vater seiner Ehefrau zuliebe alle drei Kinder testamentarisch gleich bedacht hat.
  • Abbruch des Kontakts nach dem Tod der Mutter: Die Tatsache, dass der Stiefsohn nach dem Tod seiner Mutter den Kontakt zum Familienvater abgebrochen haben soll, war für die Auslegung des Testaments bedeutungslos, da es auf den Zeitpunkt der Testamentserrichtung ankommt.
  • Finanzielle Aspekte: Argumente wie die Behauptung, der Familienvater habe das Familieneinkommen allein verdient oder es habe finanzielle Unterstützung durch die Eltern gegeben, wurden als unerheblich angesehen. Sie betrafen entweder nicht den Zeitpunkt der Testamentserrichtung oder fanden keinerlei Niederschlag im Testamentstext und konnten daher nicht in die Auslegung einbezogen werden.

Am Ende wies das Oberlandesgericht die Beschwerden der ehelichen Söhne zurück. Sie hatten gesamtschuldnerisch die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und dem Stiefsohn die notwendigen Aufwendungen zu ersetzen. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wurde auf 50.000 Euro festgesetzt, basierend auf einem Nachlasswert von 150.000 Euro und dem Erbteil des Stiefsohnes von einem Drittel. Die Entscheidung ist damit rechtskräftig.

Die Urteilslogik

Ein gemeinschaftliches Testament entfaltet eine bindende Wirkung, die einen später allein verfassten letzten Willen unwirksam machen kann, wenn es um die Erbfolge geht.

  • Testamentsauslegung nach dem wahren Willen: Ein Testament wird stets nach dem wahren Willen seiner Verfasser ausgelegt; dafür zieht das Gericht alle relevanten Umstände zum Zeitpunkt der Errichtung heran, um Begriffe wie „unsere Kinder“ präzise zu verstehen.
  • Bindungswirkung gemeinschaftlicher Verfügungen: Wechselbezügliche Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament werden mit dem Tod des zuerst versterbenden Partners bindend und lassen sich danach nicht mehr einseitig ändern.
  • Maßgeblichkeit des Errichtungszeitpunkts: Für die Auslegung eines Testaments zählen ausschließlich die Absichten und Verhältnisse, die zum Zeitpunkt seiner Erstellung bestanden; spätere Entwicklungen oder geänderte persönliche Meinungen spielen keine Rolle.

Die sorgfältige Formulierung und die rechtliche Tragweite gemeinschaftlicher Testamente prägen die spätere Erbfolge maßgeblich und dauerhaft.


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Das Urteil in der Praxis

Für jeden, der Verträge aufsetzt, sollte dieses Urteil ab sofort zur Pflichtlektüre gehören. Das Gericht seziert hier mit forensischer Präzision, wie die Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments unerbittlich zuschlägt und selbst spätere, vermeintlich klärende Verfügungen des Überlebenden ins Leere laufen. Besonders die tiefgreifende Auslegung der „Wiederverheiratungsklausel“ als Schlüssel zur Bedeutung von „unsere Kinder“ zeigt, wie scheinbar kleine Details die gesamte Erbfolge umkrempeln können. Das ist ein schallender Weckruf: Wer gemeinsame Testamente verfasst, muss sich der unwiderruflichen Tragweite bewusst sein – nachträgliche Korrekturversuche sind meist vergebene Liebesmüh und garantieren nur Streit.


Das Bild zeigt auf der linken Seite einen großen Text mit "ERBRECHT FAQ Häufig gestellte Fragen" vor einem roten Hintergrund. Auf der rechten Seite sind eine Waage, eine Schriftrolle mit dem Wort "Testament", ein Buch mit der Aufschrift "BGB", eine Taschenuhr und eine Perlenkette zu sehen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wie wird der wahre Wille bei der Auslegung eines Testaments ermittelt, insbesondere wenn Formulierungen unklar sind?

Gerichte ermitteln den wahren Willen einer Person bei der Testamentsauslegung, indem sie nicht nur den reinen Wortlaut, sondern alle relevanten Umstände zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung berücksichtigen. Es geht darum, die tatsächliche Absicht der testierenden Person zu verstehen, selbst wenn die Formulierungen im Testament unklar erscheinen.

Man kann sich das vorstellen wie bei der Entschlüsselung eines alten Rezepts: Nicht nur die aufgeschriebenen Zutaten sind wichtig, sondern auch das Wissen über die Kochgewohnheiten des Verfassers oder die damals verfügbaren Lebensmittel, um das Gericht richtig zuzubereiten. Genauso sucht das Gericht nach dem eigentlichen „Geschmack“ des Testaments.

Dazu dürfen Gerichte auch Informationen und Beweise heranziehen, die außerhalb des eigentlichen Testaments liegen. Dies können etwa persönliche Beziehungen, die familiäre Situation oder frühere Äußerungen und Absichten der Person sein, die das Testament verfasst hat.

Ein typisches Beispiel hierfür ist die Auslegung von Formulierungen wie „unsere Kinder“ in Patchwork-Familien. Hier wird geprüft, ob zum Beispiel Stiefkinder aufgrund ihrer Lebensumstände und der emotionalen Bindung vom Erblasser wie eigene Kinder betrachtet und somit mitbedacht werden sollten, obwohl der reine Wortlaut dies vielleicht nicht offensichtlich macht.

Ziel dieser umfassenden Auslegung ist es, die gesamte Absicht des Testaments zu erfassen und eine gerechte sowie abschließende Regelung der Erbfolge zu gewährleisten, die dem ursprünglichen Willen der verstorbenen Person entspricht.


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Welche Bindungswirkung haben Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament nach dem Tod des ersten Partners, und können sie später einseitig geändert werden?

Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament, die voneinander abhängen (wechselbezüglich sind), werden nach dem Tod des ersten Partners bindend und können vom überlebenden Partner nicht mehr einseitig geändert werden. Dies bedeutet, dass eine solche Anordnung unwiderruflich gilt.

Stellen Sie sich vor, zwei Fußballspieler machen eine Vereinbarung: „Ich schieße, wenn du den Ball vorlegst.“ Sobald der eine Spieler den Ball vorgelegt hat, ist der andere Spieler an seine Zusage, zu schießen, gebunden. Er kann seine Meinung nicht mehr ändern und plötzlich passen wollen, denn seine Aktion war von der des anderen abhängig.

Die Abhängigkeit einer Verfügung von einer anderen nennt man „Wechselbezüglichkeit“. Das gemeinsame Testament der Eheleute im vorliegenden Fall setzte sie zuerst gegenseitig als Alleinerben ein. Gleichzeitig legten sie fest, dass nach dem Tod des Überlebenden „unsere Kinder“ das gesamte Erbe erhalten sollten. Eine solche Einsetzung von Schlusserben, die nach dem Tod beider Partner erben sollen, gilt in der Regel als wechselbezüglich zur gegenseitigen Erbeinsetzung der Ehepartner.

Stirbt der erste Ehepartner, so wird diese wechselbezügliche Verfügung des gemeinschaftlichen Testaments bindend. Der überlebende Partner kann diese Anordnung dann nicht mehr einfach durch ein neues, eigenes Testament ändern oder aufheben. Das Gericht hat im vorliegenden Fall festgestellt, dass das spätere Einzeltestament des Vaters, das den Stiefsohn von der Schlusserbfolge ausschloss, unwirksam war, da es gegen die bindend gewordene Regelung im gemeinschaftlichen Testament verstieß.

Diese Bindungswirkung schützt den ursprünglichen gemeinsamen Willen beider Partner und stellt sicher, dass ihre Absichten zur Vermögensweitergabe nach dem Tod des ersten Partners respektiert werden.


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Unter welchen Voraussetzungen kann ein bereits ausgestellter Erbschein vom Nachlassgericht wieder eingezogen werden?

Ein bereits ausgestellter Erbschein wird vom Nachlassgericht eingezogen, wenn sich nachträglich herausstellt, dass sein Inhalt nicht korrekt ist. Ein Erbschein ist ein wichtiges amtliches Dokument, das bestätigt, wer Erbe ist und welchen Erbteil jemand erhält, und ist oft für den Zugriff auf Vermögenswerte notwendig.

Stellen Sie sich vor, ein Schiedsrichter im Fußball pfeift ein Tor ab, weil er nachträglich durch den Videobeweis feststellt, dass der Ball vor dem Tor im Aus war. So wie die ursprüngliche Entscheidung korrigiert wird, muss auch ein Erbschein korrigiert werden, wenn er auf falschen Annahmen beruhte oder sich die Sachlage geändert hat.

Die Unrichtigkeit des Erbscheins kann verschiedene Ursachen haben. Ein häufiger Grund ist, dass ein bisher unbekannter oder nicht berücksichtigter Miterbe auftaucht, der ebenfalls einen Anspruch auf das Erbe hat. Auch die nachträgliche, korrigierte Auslegung eines Testaments, die zu einer anderen Erbfolge führt als ursprünglich angenommen, macht einen Erbschein inhaltlich unrichtig.

Wenn ein Erbschein eingezogen wird, verliert er seine Gültigkeit. Er kann dann nicht mehr dazu verwendet werden, die in ihm angegebene Erbenstellung nachzuweisen. Diese Regelung gewährleistet, dass die tatsächliche und korrekte Erbfolge jederzeit rechtlich verbindlich festgestellt ist und das Vertrauen in die Richtigkeit des Erbscheins gewahrt bleibt.


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Was sollten Ehepaare mit Stiefkind beachten, wenn sie ein gemeinschaftliches Testament aufsetzen, um Missverständnisse zu vermeiden?

Um Missverständnisse in einem gemeinschaftlichen Testament zu vermeiden, ist es für Ehepaare mit Stiefkindern entscheidend, präzise Formulierungen zu wählen, insbesondere bei der Benennung von Erben. Ein gemeinschaftliches Testament sollte eindeutig festlegen, welche Personen mit Begriffen wie „unsere Kinder“ gemeint sind, da diese Formulierung rechtlich unterschiedlich ausgelegt werden kann und in Patchwork-Familien oft zu Erbstreitigkeiten führt.

Man kann es sich vorstellen wie eine Gästeliste für eine wichtige Feier: Wenn nicht jeder Name einzeln genannt wird, können unklare Formulierungen wie „unsere Familie“ leicht dazu führen, dass Personen kommen, die nicht erwartet wurden, oder wichtige Personen fehlen. Nur durch die genaue Nennung jedes Einzelnen ist Klarheit garantiert.

Daher sollte ein solches Testament explizit benennen, ob leibliche Kinder beider Partner, nur gemeinsame Kinder, oder auch Stiefkinder in die Erbfolge einbezogen werden sollen. Fehlt diese Klarheit, muss der tatsächliche Wille der Verfasser im Streitfall aufwendig durch das Gericht ermittelt werden. Zudem werden die Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament nach dem Tod des ersten Ehepartners bindend und können vom überlebenden Partner in der Regel nicht mehr einseitig geändert werden. Auch spezielle Klauseln, wie etwa zur Pflichtteilsstrafe oder bei Wiederheirat, müssen so formuliert sein, dass ihre Auswirkungen auf alle möglichen Kinder unzweifelhaft sind und der umfassende Zweck des Testaments für alle Beteiligten erkennbar ist.

Ein klar und unmissverständlich formuliertes Testament gewährleistet, dass der tatsächliche letzte Wille der Eheleute nach ihrem Tod ohne Zweifel umgesetzt wird und spätere familiäre Konflikte vermieden werden.


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Warum ist eine präzise und juristisch fundierte Formulierung des letzten Willens entscheidend, um Erbstreitigkeiten vorzubeugen?

Eine präzise und juristisch fundierte Formulierung des letzten Willens ist entscheidend, um Erbstreitigkeiten vorzubeugen und den wahren Willen einer Person nach ihrem Tod sicherzustellen. Stellen Sie sich vor, man gibt einem Schiedsrichter beim Fußball unklare Regeln an die Hand: Jede Entscheidung könnte angefochten werden, weil die Vorgaben Spielraum für unterschiedliche Interpretationen lassen. Genauso verhält es sich mit einem Testament.

Unklare Formulierungen, wie im vorliegenden Fall der Begriff „unsere Kinder“, können erhebliche Auslegungsschwierigkeiten verursachen. Dies zwingt Gerichte dazu, den tatsächlichen Willen der testierenden Person im Nachhinein zu erforschen, was langwierige und kostspielige Gerichtsverfahren nach sich zieht. Im konkreten Fall führte die unpräzise Wortwahl dazu, dass ein bereits ausgestellter Erbschein eingezogen und eine bereits getroffene Erbfolge angefochten wurde.

Nur ein juristisch korrekt verfasstes Testament gewährleistet, dass der ursprüngliche Wille des Erblassers nach dessen Tod tatsächlich umgesetzt wird und nicht durch Interpretationen Dritter oder später erfolgte, aber unwirksame Verfügungen verfälscht wird. Dies vermeidet nicht nur erhebliche finanzielle Belastungen durch Gerichtskosten und Anwaltsgebühren, sondern schützt auch den Familienfrieden der Hinterbliebenen.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Auslegung eines Testaments

  1. Die Auslegung eines Testaments ist der rechtliche Prozess, bei dem ein Gericht versucht, den wahren Willen einer verstorbenen Person zu entschlüsseln, selbst wenn die Formulierungen im Testament unklar sind.
  2. Dabei geht es nicht nur um den reinen Wortlaut, sondern darum, die tatsächliche Absicht des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserstellung zu ermitteln. Das Gericht berücksichtigt alle relevanten Umstände, die außerhalb des Testaments liegen, um die letztwilligen Verfügungen korrekt umzusetzen.
  3. Beispiel: Im vorliegenden Fall musste das Gericht die Formulierung „unsere Kinder“ im gemeinschaftlichen Testament auslegen, um zu klären, ob der Stiefsohn vom Familienvater und seiner Frau mitbedacht werden sollte, obwohl er nicht ihr leibliches, gemeinsames Kind war.

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Einziehung eines Erbscheins

  1. Die Einziehung eines Erbscheins bedeutet, dass ein bereits ausgestelltes amtliches Dokument, das Erben ausweist, seine Gültigkeit verliert, weil es sich als falsch herausgestellt hat.
  2. Ein Erbschein ist ein wichtiger Nachweis der Erbenstellung, der beispielsweise für Bankgeschäfte benötigt wird. Er muss eingezogen werden, sobald das Nachlassgericht feststellt, dass die darin enthaltenen Informationen – etwa über die Identität der Erben oder deren Erbteile – nicht der tatsächlichen Rechtslage entsprechen.
  3. Beispiel: Nachdem der voreheliche Sohn der Ehefrau seinen Anspruch geltend gemacht hatte, stellte das Amtsgericht fest, dass der ursprünglich den ehelichen Söhnen ausgestellte Erbschein, der sie als Alleinerben auswies, inhaltlich unrichtig war und zog ihn deshalb ein.

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Gemeinschaftliches Testament

  1. Ein gemeinschaftliches Testament ist eine besondere Form des Testaments im deutschen Erbrecht, das Ehepartner oder eingetragene Lebenspartner gemeinsam erstellen, um ihre Erbfolge gegenseitig und für den Fall des Überlebens des anderen zu regeln.
  2. Es ermöglicht Paaren, ihren letzten Willen aufeinander abzustimmen und oft auch festzulegen, wer nach dem Tod des länger lebenden Partners erben soll (sogenannte Schlusserben). Eine Besonderheit ist die Bindungswirkung der Verfügungen nach dem Tod des ersten Partners, die einseitige Änderungen durch den überlebenden Partner erschwert oder unmöglich macht.
  3. Beispiel: Der Familienvater und seine Frau hatten 1997 ein handschriftliches gemeinschaftliches Testament aufgesetzt, in dem sie sich zuerst gegenseitig als Alleinerben einsetzten und anschließend „unsere Kinder“ als Schlusserben bestimmten.

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Pflichtteil

  1. Der Pflichtteil ist ein gesetzlich garantierter Mindestanteil am Erbe, der bestimmten nahen Angehörigen zusteht, auch wenn sie durch ein Testament enterbt wurden.
  2. Er schützt enge Familienmitglieder wie Kinder, Ehepartner oder Eltern vor völliger Enterbung und sichert ihnen eine finanzielle Mindestbeteiligung am Nachlass. Die Höhe des Pflichtteils beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.
  3. Beispiel: Das gemeinschaftliche Testament im Fall enthielt eine Pflichtteilsstrafklausel, die besagte, dass jedes Kind, das seinen Pflichtteil nach dem Tod des ersten Elternteils einfordert, nach dem Tod des zweiten Elternteils nur noch diesen Pflichtteil erhalten und vom restlichen Erbe ausgeschlossen sein sollte.

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Wechselbezügliche Verfügung

  1. Eine wechselbezügliche Verfügung in einem gemeinschaftlichen Testament ist eine Anordnung, die nur deshalb getroffen wurde, weil der andere Ehepartner eine bestimmte Gegenleistung oder Anordnung im selben Testament getroffen hat, und die mit dem Tod des ersten Partners bindend wird.
  2. Diese Abhängigkeit führt dazu, dass der überlebende Partner die betreffende Verfügung nicht mehr einfach ändern oder aufheben kann. Sie dient dazu, den gemeinsamen Willen der Ehepartner nach dem Tod des ersten Partners zu schützen und sicherzustellen, dass die ursprünglich vereinbarte Erbfolge eingehalten wird.
  3. Beispiel: Im vorliegenden Fall stellte das Gericht fest, dass die Einsetzung der einseitig durch ein späteres Einzeltestament ändern konnte.

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Wiederverheiratungsklausel

  1. Eine Wiederverheiratungsklausel ist eine Bestimmung in einem Testament, die festlegt, welche Konsequenzen es für das Erbe hat, wenn der überlebende Ehepartner erneut heiratet.
  2. Diese Klausel soll oft verhindern, dass Vermögen durch eine neue Ehe in eine fremde Familie abwandert. Sie kann beispielsweise vorsehen, dass im Falle einer Wiederheirat bestimmte Teile des Nachlasses an die Kinder ausgezahlt werden müssen, um deren Erbansprüche zu sichern.
  3. Beispiel: Das gemeinschaftliche Testament der Eheleute enthielt eine Wiederverheiratungsklausel, die vorschrieb, dass der überlebende Partner im Falle einer erneuten Heirat einen Großteil des Nachlasswertes an „die Kinder“ auszahlen musste, was dem Gericht als Indiz dafür diente, dass auch der Stiefsohn als Kind gemeint war.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Wechselbezügliche Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament (Bindungs) (§ 2270 BGB, § 2271 BGB)
    Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament sind wechselbezüglich, wenn die eine Verfügung nur deshalb getroffen wurde, weil der andere Partner eine bestimmte Verfügung getroffen hat, und werden mit dem Tod des Erstversterbenden bindend und können vom Überlebenden nicht mehr geändert werden.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Bestimmung der Schlusserben im gemeinschaftlichen Testament der Eltern war wechselbezüglich zur gegenseitigen Erbeinsetzung, wurde mit dem Tod der Ehefrau bindend und konnte daher vom Vater nicht mehr durch sein späteres Einzeltestament geändert werden.
  • Auslegung eines Testaments (Erf des wahren Willens) (§ 133 BGB, § 2070 B)
    Bei der Auslegung eines Testaments nicht nur der Wortlaut, sondern der wahre Wille des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung erforscht werden, wobei alle Umstände außerhalb des Testaments berücksichtigt werden dürfen.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht musste den wahren gemeinsamen Willen der Eheleute bei der Formulierung „unsere Kinder“ im Testament von 1997 ermitteln, um zu klären, ob der voreheliche Sohn der Ehefrau damit eingeschlossen war.
  • Das gemeinschaftliche Testament vongatten (§ 2265GB)
    Ein gemeinschaftliches Testament ist eine besondere Form des Testaments, bei der Eheleute oder eingetragene Lebenspartner ihren letzten Willen gemeinsam in einer Urkundehalten.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Eheleute hatten ein solches gemeinschaftliches Testament errichtet, dessen spezifische Regeln – insbesondere die Möglichkeit der Bindungswirkung – entscheidend für die Beurteilung der späteren Einzelverfügung des Vaters waren.
  • Einziehung eines unrichtigen Erbscheins (§ 2361 BGB)
    Ein bereits ausgestellter Erbschein muss vom Nachlassgericht eingezogen werden, wenn sich nachträglich herausstellt, dass er inhaltlich unrichtig ist und die tatsächliche Erbfolge nicht korrekt wiedergibt.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Da das Amtsgericht feststellte, dass der erste Erbschein die beiden ehelichen Söhne fälschlicherweise als Alleinerben auswies und der Stiefsohn ebenfalls Miterbe war, musste dieser Erbschein als inhaltlich falsch eingezogen werden.

Das vorliegende Urteil


OLG Düsseldorf – Az.: I-3 Wx 116/25 – Beschluss vom 24.07.2025


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