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Gemeinschaftliches Testament in getrennten Urkunden

Wer erbt die Häuser in Frankreich? Diese Frage stand im Zentrum eines Familienstreits, der vor Gericht eine überraschende Wendung erfuhr. Denn ein vermeintlich eindeutiges Einzeltestament des Vaters wurde von älteren, fast vergessenen gemeinsamen Verfügungen der Eltern ausgehebelt. Nun entscheidet der frühere gemeinsame Wille über das Erbe am Mittelmeer.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 5 U 8/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Oberlandesgericht Saarbrücken
  • Datum: 24.01.2024
  • Aktenzeichen: 5 U 8/23
  • Verfahrensart: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Erbrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Bruder des Beklagten und Sohn des Erblassers. Er fordert die Übertragung von zwei Grundstücken in Frankreich aufgrund eines testamentarischen Vermächtnisses. Hilfsweise macht er Pflichtteilsansprüche geltend.
  • Beklagte: Bruder des Klägers und Sohn des Erblassers. Er wurde durch ein Europäisches Nachlasszeugnis als Alleinerbe des Vaters ausgewiesen.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Nach dem Tod des Vaters stritten die beiden Brüder (Kläger und Beklagter) um das Erbe. Die Eltern hatten zu Lebzeiten mehrere letztwillige Verfügungen (Testamente, Erbvertrag) errichtet. Der Beklagte wurde aufgrund eines notariellen Testaments des Vaters von 2015 durch ein Europäisches Nachlasszeugnis als Alleinerbe ausgewiesen. Der Kläger verlangte jedoch die Übertragung von zwei Grundstücken in Frankreich, die ihm seiner Meinung nach als Vermächtnis aus einer früheren letztwilligen Verfügung zustehen.
  • Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Frage, ob dem Kläger trotz der Einsetzung des Beklagten als Alleinerben ein wirksames Vermächtnis bezüglich der Grundstücke zusteht und ob der Beklagte dieses erfüllen muss.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Oberlandesgericht änderte das Urteil der Vorinstanz (Landgericht Saarbrücken) ab. Der Beklagte wurde verurteilt, der Übertragung der beiden Grundstücke in Frankreich auf den Kläger zuzustimmen und die Eintragung des Klägers als Eigentümer im Grundbuch zu bewilligen.
  • Folgen: Der Beklagte muss die Übertragung der Grundstücke auf den Kläger veranlassen und die Kosten des gesamten Rechtsstreits tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, der Beklagte kann die Vollstreckung aber unter Umständen durch eine Sicherheitsleistung abwenden. Eine weitere Überprüfung durch den Bundesgerichtshof (Revision) ist nicht zugelassen.

Der Fall vor Gericht


Erbschaftsstreit unter Brüdern: OLG Saarbrücken stärkt frühere gemeinschaftliche Testamente

Familie, gemeinsames Testament, Nachlassregelung, Erbrecht.
Erbschaftsstreit wegen gemeinschaftlicher Testamenten | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken hat in einem komplexen Erbschaftsstreit zwischen zwei Brüdern entschieden. Es ging um die Frage, ob ältere testamentarische Verfügungen der Eltern Vorrang vor einem späteren Einzeltestament des Vaters haben. Das Gericht gab dem Kläger Recht und verurteilte seinen Bruder zur Übertragung zweier Immobilien in Frankreich.

Der familiäre Hintergrund und die Klage

Nach dem Tod ihres Vaters im Januar 2021 entbrannte zwischen den Brüdern ein Rechtsstreit um das Erbe. Der Beklagte hatte ein Europäisches Nachlasszeugnis erwirkt, das ihn als Alleinerben auswies. Grundlage hierfür war ein notarielles Testament des Vaters aus dem Jahr 2015. Der Kläger forderte jedoch die Herausgabe zweier französischer Immobilien unter Berufung auf frühere Testamente der Eltern als Vermächtnis. Hilfsweise machte er Pflichtteilsansprüche geltend.

Eine Kette von Testamenten und Verträgen

Die Eltern der Parteien hatten über die Jahre mehrere letztwillige Verfügungen getroffen. Bereits 1989 schlossen sie einen Erbvertrag, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Ergänzend bestimmten sie unverbindlich den Beklagten zum Erben des Längerlebenden. Am selben Tag verzichtete der Kläger in einem separaten Vertrag auf sein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht.

Die maßgeblichen gemeinschaftlichen Verfügungen

Im Juni 2008 verfassten die Eltern ein handschriftliches Gemeinschaftliches Testament. Darin bestimmten sie klar, dass der Kläger als „alleiniger Erbe“ bestimmte Immobilien erhalten sollte: ein Wohnhaus mit Grundstück in H., Frankreich, ein weiteres Wohnhaus in T., Frankreich, sowie eine Eigentumswohnung in Deutschland. Dies stellte eine wichtige Grundlage für die spätere Klage dar.

Anfang Januar 2009 unterzeichneten die Eheleute zudem zwei separate, aber inhaltlich fast identische Dokumente, jeweils überschrieben mit „Mein Testament“. Darin vermachte jeder Ehegatte dem Kläger das Nackteigentum (das Eigentum ohne Nutzungsrecht) an allen Gütern auf französischem Boden. Dem jeweils anderen Ehegatten sollte der lebenslange Nießbrauch (Nutzungsrecht) zustehen. Diese Testamente erwähnten auch, dass der Beklagte das Familienhaus in Deutschland erhalten solle, ebenfalls als Nackteigentum mit Nießbrauch für den überlebenden Elternteil. Ziel war ausdrücklich die Gleichstellung beider Söhne.

Der Konflikt: Späteres Einzeltestament gegen frühere gemeinsame Willenserklärungen

Der Kern des Konflikts lag im Widerspruch zwischen diesen früheren gemeinschaftlichen Regelungen und dem notariellen Testament des Vaters von 2015. Nachdem die Mutter 2013 verstorben war, hatte der Vater in diesem späteren Testament den Beklagten zu seinem alleinigen Erben eingesetzt. Das Nachlassgericht stellte daraufhin das Europäische Nachlasszeugnis zugunsten des Beklagten aus.

Die Entscheidung des Landgerichts

Das Landgericht Saarbrücken hatte die Klage des Klägers in erster Instanz abgewiesen (Urteil vom 5. Januar 2023, Az. 16 O 75/22). Die genauen Gründe für diese Entscheidung gehen aus dem OLG-Urteil nicht hervor, aber es ist anzunehmen, dass das Landgericht dem späteren notariellen Testament des Vaters von 2015 den Vorrang gab.

Das Urteil des Oberlandesgerichts Saarbrücken

Das OLG Saarbrücken änderte das Urteil des Landgerichts grundlegend ab und gab der Berufung des Klägers statt (Urteil vom 24. Januar 2024, Az. 5 U 8/23). Der Senat verurteilte den Beklagten, der Übertragung der beiden französischen Grundstücke in H. und T. auf den Kläger zuzustimmen und dessen Eintragung als Eigentümer im Grundbuch zu bewilligen.

Die juristische Kernfrage: Gemeinschaftliches Testament in getrennten Urkunden

Obwohl die detaillierten Urteilsgründe im vorliegenden Auszug nicht enthalten sind, lässt der Titel des Falls – „Gemeinschaftliches Testament in getrennten Urkunden“ – auf die zentrale Argumentation des OLG schließen. Das Gericht hat offenbar die beiden separat unterzeichneten Testamente vom Januar 2009 als ein wirksames gemeinschaftliches Testament gewertet.

Ein gemeinschaftliches Testament entfaltet oft eine Bindungswirkung (§ 2271 BGB). Das bedeutet, dass bestimmte Verfügungen, die im Vertrauen auf die Verfügung des anderen Ehegatten getroffen wurden (sogenannte Wechselbezügliche Verfügungen), nach dem Tod des Erstversterbenden vom überlebenden Ehegatten nicht mehr einseitig geändert oder widerrufen werden können.

Vorrang der bindenden Verfügung

Das OLG Saarbrücken dürfte zu dem Schluss gekommen sein, dass die Vermächtnisse zugunsten des Klägers in den Testamenten von 2009 (und möglicherweise auch schon 2008) solche wechselbezüglichen und damit bindenden Verfügungen darstellten. Der Vater war nach dem Tod seiner Frau im Jahr 2013 an diese gebunden. Sein späteres Einzeltestament aus dem Jahr 2015 konnte diese bindenden Anordnungen bezüglich der französischen Immobilien daher nicht mehr wirksam aufheben.

Der frühere Erb- und Pflichtteilsverzicht des Klägers aus dem Jahr 1989 stand dem Anspruch offenbar nicht entgegen. Ein solcher Verzicht bezieht sich in der Regel auf die gesetzliche Erbfolge und Pflichtteilsansprüche, nicht aber zwingend auf später durch Testament zugewandte spezifische Vermächtnisse.

Kosten und Vollstreckbarkeit

Das OLG entschied, dass der Beklagte die gesamten Kosten des Rechtsstreits tragen muss. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, wobei beiden Parteien die Möglichkeit gegeben wird, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden. Eine Revision zum Bundesgerichtshof wurde nicht zugelassen, was bedeutet, dass das Urteil in dieser Sache rechtskräftig ist. Der Streitwert wurde auf 200.000 Euro festgesetzt.

Bedeutung des Urteils für Betroffene

Für die Parteien des Rechtsstreits

Für den Kläger bedeutet das Urteil einen vollständigen Erfolg. Er erhält die beiden ihm von seinen Eltern zugedachten Immobilien in Frankreich. Seine Ansprüche aus den früheren gemeinschaftlichen Testamenten wurden bestätigt, obwohl er Jahre zuvor auf sein Erbe verzichtet hatte und ein späteres Testament seines Vaters ihn überging.

Für den Beklagten ist das Urteil eine Niederlage. Er verliert die beiden französischen Immobilien an seinen Bruder, obwohl er durch ein notarielles Testament des Vaters als Alleinerbe eingesetzt wurde und ein entsprechendes Nachlasszeugnis besaß. Er muss zudem die erheblichen Kosten des jahrelangen Rechtsstreits tragen.

Für Erblasser und Erben allgemein

Dieses Urteil unterstreicht die enorme Bedeutung und die potenziell starke Bindungswirkung von gemeinschaftlichen Testamenten (oft auch als „Berliner Testament“ bekannt), selbst wenn sie – wie hier möglicherweise im Fall der 2009er-Dokumente – in getrennten Urkunden niedergelegt sind.

Es zeigt, dass spätere einseitige Testamente eines überlebenden Ehegatten unwirksam sein können, wenn sie im Widerspruch zu bindenden Verfügungen aus einem früheren gemeinschaftlichen Testament stehen. Die Wechselbezüglichkeit von Anordnungen ist hierbei entscheidend.

Für Testierende macht der Fall deutlich, wie wichtig klare und unmissverständliche Formulierungen in Testamenten sind. Insbesondere bei gemeinschaftlichen Testamenten sollte genau überlegt werden, welche Verfügungen bindend sein sollen und welche nicht. Rechtsrat ist hier oft unerlässlich.

Für Erben zeigt das Urteil, dass ein Europäisches Nachlasszeugnis oder ein Erbschein nicht unumstößlich ist. Es kann durch Gerichtsentscheidungen korrigiert werden, wenn sich herausstellt, dass die zugrunde liegenden Annahmen (z.B. die Wirksamkeit eines bestimmten Testaments) falsch waren. Ältere Testamente können auch nach Jahren noch entscheidende Wirkung entfalten.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil zeigt, dass gemeinschaftliche Testamente als Vermächtnisse auch dann gültig bleiben können, wenn der Überlebende eine nachträgliche Anfechtung versucht. Die wechselbezüglichen Verfügungen der Eheleute blieben bindend, wodurch der Sohn als Begünstigter seine Rechte an den französischen Grundstücken durchsetzen konnte. Diese Entscheidung verdeutlicht, dass die Bindungswirkung gemeinsamer Testamente nicht einseitig aufgehoben werden kann, wenn ein erkennbarer Bindungswille bestand – selbst wenn später neue Testamente errichtet werden.

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Unsicherheiten bei gemeinschaftlichen Testamenten?

Häufig entstehen Konflikte, wenn frühere und spätere Testamente widersprüchliche Regelungen enthalten. Insbesondere die Frage, inwieweit ein überlebender Ehepartner an frühere gemeinschaftliche Verfügungen gebunden ist, führt oft zu Streitigkeiten unter den Erben. Die Auslegung von Testamenten und die Klärung der Bindungswirkung sind dabei von entscheidender Bedeutung.

Wir unterstützen Sie bei der Analyse komplexer erbrechtlicher Situationen und der Durchsetzung Ihrer Ansprüche. Unsere Expertise ermöglicht es uns, die Wirksamkeit von Testamenten präzise zu prüfen und Ihre Interessen sowohl außergerichtlich als auch vor Gericht zu vertreten. Sprechen Sie uns an, um Ihre individuelle Situation zu besprechen und eine fundierte Einschätzung zu erhalten.

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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet ein gemeinschaftliches Testament und welche Bindungswirkung hat es?

Ein gemeinschaftliches Testament ist eine besondere Form, wie Ehepaare oder Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft ihren letzten Willen gemeinsam in einem einzigen Dokument festlegen können. Statt zwei einzelner Testamente gibt es nur eines, das von beiden Partnern unterschrieben wird (oder unter bestimmten Voraussetzungen handschriftlich von einem verfasst und vom anderen mitunterzeichnet wird).

Die Besonderheit: Bindungswirkung

Der entscheidende Unterschied zu einem Einzeltestament liegt in der möglichen Bindungswirkung. Das bedeutet, dass bestimmte Regelungen in diesem Testament nach dem Tod eines Partners für den überlebenden Partner bindend werden können. Er oder sie kann diese Teile des Testaments dann nicht mehr einfach ändern.

Abhängige Regelungen: Wechselbezügliche Verfügungen

Diese Bindung entsteht vor allem bei sogenannten wechselbezüglichen Verfügungen. Das sind Regelungen, bei denen man davon ausgeht, dass ein Partner sie nur deshalb getroffen hat, weil auch der andere Partner eine bestimmte, darauf bezogene Regelung getroffen hat. Sie stehen und fallen also miteinander.

  • Beispiel: Ein häufiger Fall ist das „Berliner Testament“. Hier setzen sich die Partner gegenseitig als Alleinerben ein und bestimmen gleichzeitig, dass nach dem Tod des länger lebenden Partners der gemeinsame Nachlass an die Kinder gehen soll. Die Einsetzung der Kinder als Schlusserben durch den einen Partner hängt oft davon ab, dass auch der andere Partner die Kinder als Schlusserben einsetzt. Man geht davon aus, dass die Partner diese Regelung nur gemeinsam so wollten.

Was bedeutet die Bindung konkret?

  • Zu Lebzeiten beider Partner: Änderungen oder ein Widerruf sind möglich, aber oft nur gemeinsam oder in einer bestimmten Form (z.B. notariell beurkundeter Widerruf, der dem anderen Partner zugehen muss).
  • Nach dem Tod des ersten Partners: Hier entfaltet die Bindung ihre volle Wirkung. Der überlebende Partner ist an die wechselbezüglichen Verfügungen grundsätzlich gebunden. Hat das Paar zum Beispiel gemeinsam festgelegt, dass die Kinder nach dem Tod des zweiten Partners alles erben sollen, kann der überlebende Partner dies in der Regel nicht mehr durch ein neues eigenes Testament ändern und etwa eine andere Person zum Erben bestimmen. Ein späteres Testament, das diesen gemeinsamen Regelungen widerspricht, wäre insoweit unwirksam.

Diese Bindungswirkung ist ein zentraler Punkt bei gemeinschaftlichen Testamenten und ein häufiger Grund für spätere Auseinandersetzungen, insbesondere wenn der überlebende Partner Jahre später seine Meinung ändert oder neue Lebensumstände eintreten. Die einmal getroffenen, voneinander abhängigen Regelungen behalten meist ihre Gültigkeit.


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Welche Rolle spielen frühere Testamente, wenn später ein neues Einzeltestament verfasst wird?

Grundsätzlich gilt im deutschen Erbrecht: Ein später verfasstes Testament hebt ein früheres Testament in den Punkten auf, in denen sie sich widersprechen. Wenn Sie also zunächst ein Testament schreiben und später ein neues verfassen, das andere Regelungen enthält, ist normalerweise das neueste Testament maßgeblich. Dies ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) so vorgesehen (§ 2258 BGB), um sicherzustellen, dass immer Ihr aktuellster Wille zählt.

Der Grundsatz: Später hebt Früher auf (bei Einzeltestamenten)

Stellen Sie sich vor, Sie verfassen im Jahr 2020 ein Testament, in dem Sie Person A als Erben einsetzen. Im Jahr 2023 schreiben Sie ein neues, formgültiges Testament und bestimmen nun Person B als Ihren alleinigen Erben. In diesem Fall hebt das Testament von 2023 das Testament von 2020 vollständig auf, da die Erbeinsetzung widersprüchlich ist. Person B würde erben, Person A nicht. Das jüngere Testament hat Vorrang. Das gilt auch, wenn im neueren Testament nicht ausdrücklich steht, dass das alte aufgehoben wird. Der Widerspruch genügt.

Die Besonderheit: Gemeinschaftliche Testamente und ihre Bindungswirkung

Eine wichtige Ausnahme von diesem Grundsatz besteht bei gemeinschaftlichen Testamenten, die häufig von Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern verfasst werden (oft als „Berliner Testament“ bekannt). Solche Testamente enthalten oft sogenannte wechselbezügliche Verfügungen. Das sind Regelungen, die die Partner in gegenseitiger Abhängigkeit treffen. Ein typisches Beispiel: Ehepartner setzen sich gegenseitig als Alleinerben ein und bestimmen, dass nach dem Tod des länger lebenden Partners der gemeinsame Sohn erben soll.

Der Knackpunkt: Nach dem Tod des erstversterbenden Partners entfalten diese wechselbezüglichen Verfügungen oft eine starke Bindungswirkung für den überlebenden Partner (§ 2271 Abs. 2 BGB). Das bedeutet: Der Überlebende kann die Regelungen, die als wechselbezüglich gelten (wie die Einsetzung des Sohnes als Schlusserben im Beispiel), in einem späteren eigenen Einzeltestament nicht mehr ohne Weiteres ändern oder aufheben.

Wenn der überlebende Partner also nach dem Tod des Erstverstorbenen ein neues Einzeltestament verfasst, das den bindenden Regelungen des gemeinschaftlichen Testaments widerspricht (z.B. indem er statt des Sohnes eine andere Person als Schlusserben einsetzt), ist dieses neue Testament in den widersprechenden Punkten unwirksam. Es gilt dann weiterhin die Regelung aus dem gemeinschaftlichen Testament.

Wann kann ein späteres Einzeltestament dennoch wirksam sein?

Trotz der Bindungswirkung gibt es Situationen, in denen ein späteres Einzeltestament des überlebenden Partners doch wirksam sein kann:

  1. Keine Bindung im gemeinschaftlichen Testament: Das gemeinschaftliche Testament enthielt keine wechselbezüglichen, bindenden Verfügungen oder hat dem überlebenden Partner ausdrücklich erlaubt, die Regelungen später zu ändern (sog. Änderungsvorbehalt).
  2. Ausschlagung der Erbschaft: Der überlebende Partner hat die Erbschaft nach dem erstverstorbenen Partner ausgeschlagen. Damit entfällt auch die Bindung an das gemeinschaftliche Testament (§ 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB).
  3. Anfechtung: Es liegen Gründe vor, die eine Anfechtung der bindenden Verfügung rechtfertigen könnten. Dies ist jedoch an strenge Voraussetzungen und Fristen gebunden. Ein Beispiel wäre das Auftauchen eines neuen Pflichtteilsberechtigten, den der Erblasser bei Testamentserrichtung nicht kannte (§ 2281 BGB analog).
  4. Kein Widerspruch: Das neue Testament regelt nur Dinge, die nicht im Widerspruch zu den bindenden Verfügungen des gemeinschaftlichen Testaments stehen.

Wie entscheidet das Gericht bei widersprüchlichen Testamenten?

Im Streitfall prüft das Nachlassgericht genau, welche Testamente vorliegen und wie sie sich zueinander verhalten:

  • Gültigkeit: Zunächst wird geprüft, ob alle Testamente formgültig errichtet wurden (z.B. handschriftlich oder notariell).
  • Auslegung: Das Gericht versucht, den tatsächlichen Willen der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung zu ermitteln. Es liest und interpretiert die Formulierungen in den Testamenten (§ 133, § 2084 BGB).
  • Prüfung der Bindungswirkung: Bei gemeinschaftlichen Testamenten prüft das Gericht sehr sorgfältig, ob wechselbezügliche Verfügungen vorliegen und ob dadurch eine Bindungswirkung für den überlebenden Partner entstanden ist. Hier gibt es gesetzliche Auslegungsregeln (§ 2270 Abs. 2 BGB).
  • Abwägung: Schließlich entscheidet das Gericht, welche Regelungen wirksam sind. Ein späteres Einzeltestament kann ein früheres Einzeltestament aufheben. Ein späteres Einzeltestament kann jedoch bindende Verfügungen eines früheren gemeinschaftlichen Testaments nach dem Tod des Erstverstorbenen in der Regel nicht aufheben.

Die Abgrenzung und Auslegung kann komplex sein, insbesondere wenn Formulierungen unklar sind oder mehrere Testamente über die Jahre verfasst wurden.


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Was ist der Unterschied zwischen einem Vermächtnis und einer Erbeinsetzung?

Der wesentliche Unterschied liegt in der rechtlichen Stellung, die Sie durch ein Testament oder einen Erbvertrag erhalten:

  • Als Erbe treten Sie die Rechtsnachfolge des Verstorbenen an. Das bedeutet, Sie erhalten grundsätzlich das gesamte Vermögen (oder einen bestimmten Anteil davon, wenn es mehrere Erben gibt) – dazu gehören alle Rechte, aber auch alle Pflichten (wie Schulden).
  • Mit einem Vermächtnis erhalten Sie keinen Erbteil, sondern lediglich einen konkreten Anspruch gegen den Erben (oder die Erbengemeinschaft). Dieser Anspruch bezieht sich auf einen bestimmten Gegenstand (z.B. ein Auto, ein Schmuckstück) oder einen bestimmten Geldbetrag.

Der Erbe: Der Rechtsnachfolger

Stellen Sie sich vor, der Erbe tritt vollständig in die Fußstapfen des Verstorbenen. Er übernimmt das gesamte Erbe als Ganzes, nicht nur einzelne Teile. Das nennt man Gesamtrechtsnachfolge.

Für Sie als Erbe bedeutet das: Sie werden Eigentümer aller Vermögenswerte (Immobilien, Konten, Wertpapiere etc.), aber Sie haften auch für die Schulden des Verstorbenen, unter Umständen sogar mit Ihrem eigenen Vermögen. Wenn es mehrere Erben gibt (eine Erbengemeinschaft), gehört das Erbe zunächst allen gemeinsam, bis es aufgeteilt wird (Auseinandersetzung).

Der Vermächtnisnehmer: Der Anspruchsberechtigte

Im Gegensatz zum Erben wird der Vermächtnisnehmer nicht Rechtsnachfolger. Er erhält nur einen Anspruch darauf, dass ihm der im Testament genannte spezifische Vorteil vom Erben übertragen wird.

Für Sie als Vermächtnisnehmer bedeutet das: Sie haben das Recht, vom Erben die Herausgabe des vermachten Gegenstandes (z.B. das erwähnte Auto) oder die Zahlung des vermachten Geldbetrages zu verlangen. Sie werden nicht automatisch Eigentümer des Gegenstandes mit dem Erbfall, sondern müssen Ihren Anspruch aktiv gegenüber dem Erben geltend machen. Wichtig ist auch: Sie haften grundsätzlich nicht für die Schulden des Verstorbenen.

Ein Beispiel zur Verdeutlichung

Ein Verstorbener hat in seinem Testament seinen Sohn als Alleinerben eingesetzt. Seiner Nichte hat er seine Uhrensammlung als Vermächtnis zugewendet.

  • Der Sohn erbt das gesamte Vermögen (Haus, Geld, Aktien etc.) und muss auch für eventuelle Schulden geradestehen. Er ist der Erbe.
  • Die Nichte erbt nichts vom restlichen Vermögen und haftet nicht für Schulden. Sie hat aber das Recht, vom Sohn (dem Erben) die Herausgabe der Uhrensammlung zu fordern. Sie ist die Vermächtnisnehmerin.

Die klare Unterscheidung ist wichtig, um zu verstehen, welche Rechte und Pflichten jemand nach einem Erbfall hat und welche Ansprüche er (wie im beschriebenen Fall des Klägers) geltend machen kann.


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Wie wirkt sich ein Erbverzicht auf spätere Erbansprüche aus?

Ein Erbverzicht hat weitreichende Folgen für Ihre zukünftigen Erbansprüche. Wenn Sie einen wirksamen Erbverzicht gegenüber einer Person (dem zukünftigen Erblasser) erklären, werden Sie von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen. Das bedeutet, Sie erben nach dem Tod dieser Person grundsätzlich nichts mehr, so als wären Sie zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits verstorben.

Verlust von Erbe und Pflichtteil

Dieser Ausschluss betrifft nicht nur Ihr gesetzliches Erbrecht, sondern in der Regel auch Ihren Pflichtteilsanspruch. Der Pflichtteil ist der Mindestanteil am Erbe, der nahen Angehörigen (wie Kindern, Ehepartnern oder Eltern) normalerweise zusteht, selbst wenn sie durch ein Testament enterbt wurden. Mit einem Erbverzicht verlieren Sie also normalerweise beides: das gesetzliche Erbe und den Pflichtteil.

Notwendige Form: Der Notarvertrag

Ein Erbverzicht ist nur dann gültig, wenn er in einem Vertrag zwischen Ihnen und dem zukünftigen Erblasser vereinbart wird. Ganz wichtig: Dieser Vertrag muss immer von einem Notar beurkundet werden. Eine einfache schriftliche Vereinbarung oder eine mündliche Absprache reichen nicht aus und sind unwirksam.

Auswirkungen auf Kinder und Enkel

Ein Erbverzicht wirkt sich im Zweifel auch auf Ihre Kinder und weiteren Nachkommen aus. Das heißt, wenn Sie auf Ihr Erbe verzichten, erben normalerweise auch Ihre Kinder nichts von der Person, gegenüber der Sie den Verzicht erklärt haben. Es ist jedoch möglich, im notariellen Vertrag ausdrücklich etwas anderes zu vereinbaren, sodass der Verzicht nur für Sie persönlich gilt.

Möglichkeit der Anfechtung

Obwohl ein notariell beurkundeter Erbverzicht grundsätzlich bindend ist, kann er unter bestimmten, eng begrenzten Umständen unwirksam sein oder angefochten werden. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Verzicht durch eine Täuschung oder Drohung zustande kam, wenn ein relevanter Irrtum vorlag oder wenn der Vertrag sittenwidrig ist, etwa weil er eine Seite in grob unfairer Weise benachteiligt. Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Anfechtung sind jedoch hoch.


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Was bedeutet Nackteigentum mit Nießbrauch und wie beeinflusst dies die Rechte der Erben?

Stellen Sie sich vor, das Eigentum an einer Sache, zum Beispiel einem Haus, wird aufgeteilt: Eine Person wird Eigentümer auf dem Papier, darf das Haus aber nicht selbst nutzen oder vermieten. Eine andere Person erhält das umfassende Recht, das Haus zu bewohnen, zu vermieten und die Mieteinnahmen für sich zu behalten, obwohl ihr das Haus nicht gehört. Genau das beschreibt die Konstruktion von Nackteigentum und Nießbrauch.

Was ist Nackteigentum?

Nackteigentum bedeutet, dass jemand zwar der rechtliche Eigentümer einer Sache (z.B. einer Immobilie, eines Grundstücks oder auch eines Unternehmensanteils) ist, aber kein Recht zur Nutzung dieser Sache hat, solange der Nießbrauch besteht. Der Nackteigentümer hat sozusagen das „leere“ oder „nackte“ Eigentum ohne die Möglichkeit, Erträge daraus zu ziehen. Er kann die Sache nicht selbst bewohnen, vermieten oder anderweitig wirtschaftlich nutzen. Seine Rechte beziehen sich primär auf die Substanz der Sache. Er muss beispielsweise dulden, dass der Nießbraucher die Sache nutzt, ist aber im Gegenzug oft für außergewöhnliche Lasten verantwortlich, die den Wert der Sache betreffen.

Was ist Nießbrauch?

Der Nießbrauch ist das umfassende Nutzungsrecht an einer fremden Sache (§§ 1030 ff. Bürgerliches Gesetzbuch – BGB). Der Nießbraucher darf die Sache selbst nutzen (z.B. im Haus wohnen), Früchte daraus ziehen (z.B. Mieteinnahmen kassieren, Zinsen von Kapital erhalten) und alle Vorteile genießen, die die Sache bietet, so als wäre er der Eigentümer. Der Nießbrauch ist ein sehr starkes Recht, das bei Immobilien im Grundbuch eingetragen wird. Wichtig ist: Der Nießbrauch ist an die Person des Nießbrauchers gebunden. Er kann nicht vererbt oder verkauft werden und endet in der Regel mit dem Tod des Nießbrauchers. Der Nießbraucher trägt im Gegenzug die gewöhnlichen Unterhaltungskosten und öffentlichen Lasten (wie Grundsteuer).

Wie beeinflusst das die Erben?

Gerade in gemeinschaftlichen Testamenten, beispielsweise zwischen Ehepartnern, wird diese Gestaltung häufig genutzt: Der überlebende Partner erhält den Nießbrauch am Nachlass (oder an wichtigen Teilen wie dem Familienheim), während die Kinder als Erben das Nackteigentum erhalten. Das hat konkrete Folgen:

  • Der Erbe als Nackteigentümer: Dieser Erbe wird zwar Eigentümer, kann aber über die Sache nicht frei verfügen oder sie nutzen, solange der Nießbrauch besteht. Er muss die umfassenden Rechte des Nießbrauchers dulden. Ein Verkauf der Sache durch den Nackteigentümer ist zwar rechtlich möglich, aber praktisch oft schwierig, da der Käufer den Nießbrauch ebenfalls dulden müsste, was den Wert erheblich mindert. Erst nach dem Tod des Nießbrauchers erhält der Nackteigentümer das volle, uneingeschränkte Eigentum und kann die Sache dann frei nutzen oder verkaufen.
  • Der Erbe (oder Vermächtnisnehmer) als Nießbraucher: Diese Person erbt nicht das Eigentum selbst, sondern nur das Recht zur Nutzung und zum Ziehen der Erträge. Sie kann die Sache wirtschaftlich voll ausschöpfen, darf sie aber nicht verkaufen oder die Substanz wesentlich verändern. Der Nießbraucher ist für die gewöhnliche Instandhaltung verantwortlich (z.B. normale Reparaturen). Sein Recht ist zeitlich begrenzt und endet mit seinem Tod.

Auswirkungen auf den Nachlass?

Die Aufteilung in Nackteigentum und Nießbrauch kann die Verwaltung und spätere Verwertung des Nachlasses beeinflussen. Der wirtschaftliche Wert des Erbes ist für den Nackteigentümer zunächst geringer, da die Nutzungsmöglichkeit fehlt. Der Nießbraucher hat die Vorteile der Nutzung, trägt aber auch die laufenden Kosten und Pflichten. Entscheidungen, die über die gewöhnliche Nutzung hinausgehen, wie zum Beispiel ein Verkauf der gesamten Sache oder sehr große Sanierungen, erfordern in der Regel die Zustimmung beider Seiten (Nackteigentümer und Nießbraucher). Dies kann bei unterschiedlichen Interessenlagen zu Konflikten führen, insbesondere wenn es um Investitionen oder die Veräußerung der Sache geht. Die klare Trennung von Eigentum (Substanz) und Nutzung (Erträge) muss bei allen finanziellen und verwaltungstechnischen Aspekten des Nachlasses berücksichtigt werden.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Gemeinschaftliches Testament

Ehepartner oder eingetragene Lebenspartner können zusammen ein Testament errichten (§§ 2265 ff. BGB). Darin setzen sie sich oft gegenseitig als Erben ein und bestimmen gemeinsam, wer nach dem Tod des längerlebenden Partners erben soll (häufig als „Berliner Testament“ bezeichnet). Entscheidend ist der gemeinsame Wille zum Zeitpunkt der Errichtung. Im vorliegenden Fall wertete das OLG offenbar die zwei separaten Dokumente der Eltern von 2009 als ein solches gemeinsames Testament mit rechtlichen Konsequenzen für spätere Verfügungen des Vaters.


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Vermächtnis

Ein Vermächtnis ist die Zuwendung eines bestimmten Vermögensvorteils (z.B. eine Geldsumme, ein Gegenstand, eine Immobilie) aus dem Nachlass durch Testament oder Erbvertrag (§ 1939 BGB). Der Empfänger, der Vermächtnisnehmer, wird dadurch nicht Erbe (also nicht Gesamtrechtsnachfolger), sondern hat lediglich einen Anspruch gegen den oder die Erben auf Herausgabe des vermachten Gegenstands. Im Fall argumentierte der Kläger, dass ihm die Eltern die französischen Immobilien per Testament als Vermächtnis zugewendet hatten.


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Nackteigentum

Nackteigentum bezeichnet das Eigentum an einer Sache (z.B. Grundstück, Haus), bei dem das umfassende Nutzungsrecht (der sogenannte Nießbrauch, § 1030 BGB) einer anderen Person zusteht. Der Nackteigentümer ist zwar der rechtliche Eigentümer, kann die Sache aber erst nach dem Ende des Nießbrauchs (oft mit dem Tod des Nießbrauchers) selbst uneingeschränkt nutzen oder darüber verfügen. In den Testamenten von 2009 wurde dem Kläger und seinem Bruder das Nackteigentum an Immobilien vermacht, während der überlebende Elternteil den Nießbrauch (das Nutzungsrecht) erhalten sollte.


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Bindungswirkung

Die Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments tritt nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten/Partners ein (§ 2271 Abs. 2 BGB). Sie bewirkt, dass der überlebende Partner bestimmte, gemeinsam getroffene Verfügungen (sogenannte wechselbezügliche Verfügungen) grundsätzlich nicht mehr einseitig durch ein neues Testament ändern oder aufheben kann. Im Fall führte die Bindungswirkung der gemeinschaftlichen Testamente von 2008/2009 dazu, dass das spätere Einzeltestament des Vaters von 2015 bezüglich der französischen Immobilien unwirksam war.


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Wechselbezügliche Verfügungen

Wechselbezügliche Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament sind Anordnungen, bei denen davon auszugehen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten/Partners nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre (§ 2270 Abs. 1 BGB). Es besteht also eine gegenseitige Abhängigkeit: Jeder testiert nur deshalb so, weil auch der andere eine entsprechende Anordnung trifft. Typische Beispiele sind die gegenseitige Erbeinsetzung und die gemeinsame Bestimmung des Schlusserben. Nur solche wechselbezüglichen Verfügungen entfalten nach dem Tod des Erstversterbenden die beschriebene Bindungswirkung. Das OLG musste prüfen, ob die Vermächtnisse zugunsten des Klägers in den Testamenten von 2009 wechselbezüglich waren.


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Europäisches Nachlasszeugnis

Das Europäische Nachlasszeugnis (ENZ) ist ein Dokument, das in Erbfällen mit Bezug zu mehreren EU-Mitgliedstaaten (außer Dänemark, Irland) verwendet wird. Es dient dazu, den Status und die Rechte von Erben, Vermächtnisnehmern oder Nachlassverwaltern EU-weit nachzuweisen und die Abwicklung des Nachlasses zu vereinfachen (geregelt in der EU-Erbrechtsverordnung). Im Text hatte der Beklagte zunächst ein ENZ erhalten, das ihn als Alleinerben auswies; dieses Zeugnis spiegelte jedoch nach Ansicht des OLG nicht die wahre Rechtslage wider, da es die bindenden früheren Testamente nicht berücksichtigte.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Testamentarische Verfügung (§§ 1937 ff. BGB): Eine testamentarische Verfügung ist eine Erklärung, in der eine Person festlegt, wie ihr Vermögen nach dem Tod verteilt werden soll. Ein Testament kann verschiedene Anordnungen enthalten, wie z.B. Erbeinsetzungen oder Vermächtnisse, und muss bestimmte Formvorschriften einhalten, um wirksam zu sein. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Hier existieren mehrere testamentarische Verfügungen des Erblassers und seiner Ehefrau, die sich widersprechen. Das Gericht muss klären, welche dieser Verfügungen gültig und für die Verteilung des Nachlasses maßgeblich sind, insbesondere im Hinblick auf das Vermächtnis der französischen Immobilien an den Kläger.
  • Vermächtnis (§§ 2147 ff. BGB): Ein Vermächtnis ist die Zuwendung eines Vermögensvorteils an eine Person (den Vermächtnisnehmer), ohne diese zum Erben zu machen. Der Erbe ist verpflichtet, das Vermächtnis zu erfüllen, d.h. dem Vermächtnisnehmer den zugewendeten Gegenstand oder Wert zukommen zu lassen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Kläger begehrt die Erfüllung eines Vermächtnisses, nämlich die Übertragung der französischen Grundstücke. Das Gericht musste prüfen, ob ein wirksames Vermächtnis zugunsten des Klägers besteht und ob der Beklagte als Erbe zur Herausgabe verpflichtet ist.
  • Erbvertrag (§§ 2274 ff. BGB): Ein Erbvertrag ist eine Vereinbarung zwischen dem Erblasser und einer anderen Person, die erbvertragliche Bindungen hinsichtlich der Vermögensnachfolge begründet. Im Gegensatz zum Testament ist der Erblasser an einen Erbvertrag grundsätzlich gebunden und kann spätere, widersprechende Verfügungen in der Regel nicht mehr wirksam treffen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Eltern hatten 1989 einen Erbvertrag geschlossen, der den überlebenden Ehegatten zum Alleinerben und den Beklagten als Schlusserben vorsah. Dieser Erbvertrag könnte die nachfolgenden Testamente in ihrer Wirksamkeit beschränken, insbesondere wenn diese dem Erbvertrag widersprechen.
  • Europäisches Nachlasszeugnis (EuErbVO): Das Europäische Nachlasszeugnis ist ein von einem Nachlassgericht ausgestelltes Dokument, das in den EU-Mitgliedstaaten die Rechtsstellung von Erben und Vermächtnisnehmern vereinfacht nachweist. Es dient als Nachweis der Erbenstellung, ist aber nicht in allen Fällen abschließend und kann inhaltlich falsch sein, wenn es auf unzutreffenden Informationen beruht. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Beklagte hatte ein Europäisches Nachlasszeugnis erwirkt, das ihn als Alleinerben ausweist. Das Gericht hat jedoch entschieden, dass dieses Zeugnis die testamentarischen Rechte des Klägers auf das Vermächtnis nicht außer Kraft setzt und der Beklagte zur Übertragung der Grundstücke verpflichtet ist.
  • Formgültigkeit von Testamenten, insbesondere handschriftliches Testament (§ 2247 BGB): Ein handschriftliches Testament ist formgültig, wenn es vom Erblasser eigenhändig geschrieben und unterschrieben ist. Dies soll sicherstellen, dass der letzte Wille des Erblassers authentisch und von ihm selbst verfasst ist. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das „Testament“ von 2008 und die „Mein Testament“ von 2009 sind handschriftliche Testamente. Ihre Formgültigkeit ist eine Voraussetzung dafür, dass sie überhaupt rechtliche Wirkung entfalten können und das Vermächtnis an den Kläger begründen.

Hinweise und Tipps

Praxistipps für Erben und Vermächtnisnehmer bei widersprüchlichen Testamenten und Vermächtnissen

Nach einem Todesfall ist oft unklar, welches Testament gilt, besonders wenn mehrere vorhanden sind. Widersprechen sich alte gemeinsame Verfügungen der Eltern und ein neues Einzeltestament? Unsicherheit über das Erbe, gerade bei Vermächtnissen, ist die Folge.

Hinweis: Diese Praxistipps stellen keine Rechtsberatung dar. Sie ersetzen keine individuelle Prüfung durch eine qualifizierte Kanzlei. Jeder Einzelfall kann Besonderheiten aufweisen, die eine abweichende Einschätzung erfordern.


Tipp 1: Prüfen Sie ältere gemeinsame Testamente oder Erbverträge
Ein späteres Einzeltestament (z. B. nur vom Vater oder der Mutter) hebt nicht automatisch ein früheres gemeinsames Testament oder einen Erbvertrag beider Elternteile auf. Insbesondere wenn die Eltern darin bindende Regelungen getroffen haben (oft bei gegenseitiger Erbeinsetzung), können diese älteren Verfügungen Vorrang vor einem neueren Einzeltestament haben. Gehen Sie nicht davon aus, dass das jüngste Dokument immer das einzig gültige ist.

⚠️ ACHTUNG: Das Ignorieren älterer gemeinsamer Verfügungen kann dazu führen, dass die Erbfolge oder die Verteilung von Vermächtnissen anders ausfällt, als im letzten Einzeltestament vorgesehen.


Tipp 2: Vertrauen Sie nicht blind auf einen Erbschein oder ein Nachlasszeugnis
Auch wenn ein deutscher Erbschein oder ein Europäisches Nachlasszeugnis jemanden als Alleinerben ausweist, muss das nicht die endgültige Rechtslage widerspiegeln. Wenn es überzeugende Hinweise auf ältere, gültige und bindende Testamente oder Erbverträge gibt, die dem Erbschein widersprechen (z. B. weil darin ein Vermächtnis für Sie angeordnet wurde), kann der Erbschein angefochten oder die Erfüllung des Vermächtnisses trotzdem verlangt werden.

Beispiel: Sie wurden in einem alten gemeinsamen Testament Ihrer Eltern mit einem Haus bedacht (Vermächtnis). Ihr Bruder legt ein späteres Einzeltestament nur des Vaters vor, das ihn als Alleinerben ausweist und ein Europäisches Nachlasszeugnis bestätigt dies. Ihr Vermächtnis aus dem gemeinsamen Testament könnte trotzdem gültig sein, wenn es bindend war.


Tipp 3: Machen Sie Ihre Ansprüche als Vermächtnisnehmer aktiv geltend
Wurden Sie in einem Testament oder Erbvertrag mit einem bestimmten Gegenstand oder Geldbetrag bedacht (Vermächtnis)? Fordern Sie diesen Anspruch aktiv vom Erben ein. Selbst wenn der Erbe durch ein späteres Testament zum Alleinerben bestimmt wurde, kann Ihre Forderung berechtigt sein, insbesondere wenn das Vermächtnis aus einer älteren, bindenden Verfügung stammt (wie einem gemeinsamen Testament oder Erbvertrag).

⚠️ ACHTUNG: Beachten Sie mögliche Verjährungsfristen für Vermächtnisansprüche. Diese betragen in der Regel drei Jahre, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem Sie von dem Vermächtnis und der Person des Erben Kenntnis erlangt haben.


Tipp 4: Klären Sie die Rechtslage bei Immobilien im Ausland
Befinden sich Immobilien oder andere Vermögenswerte im Ausland (wie im Fallbeispiel in Frankreich), wird die Abwicklung komplizierter. Es muss geklärt werden, welches Erbrecht (z. B. deutsches oder französisches) für die Immobilie gilt und wie ein Anspruch auf Übertragung im Ausland durchgesetzt werden kann. Ein Europäisches Nachlasszeugnis kann hier hilfreich sein, löst aber nicht automatisch alle Konflikte bei widersprüchlichen Testamenten.


Weitere Fallstricke oder Besonderheiten?
Der zentrale Punkt des beschriebenen Falls ist die sogenannte Bindungswirkung gemeinsamer Testamente oder Erbverträge. Haben Ehegatten einmal bindende Verfügungen getroffen (z. B. sich gegenseitig als Erben eingesetzt und bestimmt, wer nach dem Tod des Längerlebenden erben soll, oder bestimmte Vermächtnisse angeordnet), kann ein Ehegatte diese nach dem Tod des anderen oft nicht mehr einseitig durch ein neues Testament ändern. Auch zu Lebzeiten beider Ehegatten ist ein Widerruf oft nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Dies wird häufig übersehen, wenn später Einzeltestamente verfasst werden.

Checkliste: Widersprüchliche Testamente und Vermächtnisse

  • Liegen alle bekannten Testamente und Erbverträge vor (auch sehr alte)?
  • Gibt es frühere gemeinsame Verfügungen der Eltern (gemeinschaftliches Testament, Erbvertrag)?
  • Könnten diese früheren Verfügungen bindend sein und einem späteren Einzeltestament vorgehen?
  • Ist mein eigener Anspruch klar (Erbe, Miterbe, Vermächtnisnehmer)?
  • Sind Vermögenswerte im Ausland betroffen und ist die Rechtslage dafür geklärt?
  • Sind Fristen zu beachten (z. B. Verjährung von Vermächtnisansprüchen, Ausschlagungsfrist)?

Das vorliegende Urteil


Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 U 8/23 – Urteil vom 24.01.2024


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