Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Erbschaftsstreit entschieden: Bindungswirkung gemeinschaftlicher Testamente schränkt Vermächtnisse für Enkel ein
- Ausgangslage des Erbstreits: Ein Vermächtnis für den Enkel und widersprüchliche Testamente
- Streit um die Wirksamkeit des Vermächtnisses: Galt die Abänderungsklausel auch für Vermächtnisse?
- Landgericht Bielefeld weist Klage ab: Keine Zahlungspflicht für den Onkel
- Gerichtliche Begründung: Fehlender Anspruch wegen Unwirksamkeit des Vermächtnisses
- Wechselbezüglichkeit und Fortbestand der Abänderungsklausel im Detail
- Der entscheidende Punkt: Der begrenzte Umfang der Abänderungsbefugnis
- Endgültiges Urteil: Kein Vermächtnis für den Enkel und Kostentragung
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was bedeutet die Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments für den überlebenden Ehepartner?
- Unter welchen Voraussetzungen können Ehepartner in einem gemeinschaftlichen Testament eine Abänderungsklausel vereinbaren?
- Wie wirkt sich eine Abänderungsklausel auf die Anordnung von Vermächtnissen aus?
- Was passiert, wenn mehrere Testamente existieren, die sich widersprechen?
- Welche Rolle spielt die notarielle Form bei gemeinschaftlichen Testamenten im Vergleich zu handschriftlichen Testamenten?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 19 O 76/21 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Bielefeld
- Rechtsbereiche: Erbrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Ein Enkel der Erblasserin, der Zahlung eines Vermächtnisses forderte.
- Beklagte: Der Sohn der Erblasserin und einer ihrer Erben, der die Zahlung des Vermächtnisses verweigerte.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Die Erblasserin und ihr Ehemann hatten gemeinschaftliche Testamente mit Schlusserbeneinsetzung der Kinder und Änderungsklauseln errichtet. Nach dem Tod des Ehemanns setzte die Erblasserin per Einzeltestament Vermächtnisse für ihre Enkel aus. Einer der Enkel (der Kläger) forderte daraufhin sein Vermächtnis von einem Sohn der Erblasserin (dem Beklagten).
- Kern des Rechtsstreits: Es wurde darum gestritten, ob die Erblasserin durch die gemeinschaftlichen Testamente so gebunden war, dass sie nach dem Tod ihres Ehemannes das Vermächtnis für den Enkel nicht wirksam anordnen konnte, obwohl die Testamente eine Abänderungsmöglichkeit vorsahen.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Klage des Enkels auf Zahlung des Vermächtnisses wurde abgewiesen. Der Sohn der Erblasserin wurde nicht zur Zahlung verurteilt. Die Kosten des Rechtsstreits wurden dem Kläger auferlegt.
- Begründung: Das Gericht befand die Anordnung des Vermächtnisses für unwirksam, da die Erblasserin durch die gemeinschaftlichen Testamente nach dem Tod ihres Ehemannes gebunden war. Die in den Testamenten vereinbarte Abänderungsbefugnis umfasste nach Auslegung des Gerichts nur die Schlusserbeneinsetzung der Erben, nicht aber die Anordnung von Vermächtnissen. Das Vermächtnis widersprach dieser Bindungswirkung und war daher ungültig.
- Folgen: Der Kläger erhält das geforderte Vermächtnis nicht. Er muss die Prozesskosten tragen.
Der Fall vor Gericht
Erbschaftsstreit entschieden: Bindungswirkung gemeinschaftlicher Testamente schränkt Vermächtnisse für Enkel ein
Ein komplexer Erbschaftsstreit vor dem Landgericht Bielefeld beleuchtet die Tücken gemeinschaftlicher Testamente und die Grenzen von Abänderungsklauseln nach dem Tod eines Ehepartners.

Im Kern ging es um die Frage, ob eine Witwe trotz einer testamentarisch vereinbarten „Abänderungsmöglichkeit“ wirksam Vermächtnisse zugunsten ihrer Enkel anordnen konnte, oder ob sie durch frühere gemeinsame Verfügungen mit ihrem verstorbenen Ehemann daran gehindert war. Das Gericht entschied zugunsten des Sohnes der Erblasserin und wies die Klage eines Enkels auf Auszahlung eines Vermächtnisses ab. Die Bindungswirkung der gemeinschaftlichen Testamente stand der späteren Anordnung von Vermächtnissen entgegen.
Ausgangslage des Erbstreits: Ein Vermächtnis für den Enkel und widersprüchliche Testamente
Der Rechtsstreit entzündete sich an einem Vermächtnis in Höhe von 41.500,00 Euro, das ein Enkel der Verstorbenen für sich beanspruchte. Seine Großmutter hatte dieses Vermächtnis in einem notariellen Einzeltestament vom 12. April 2018 angeordnet, rund zwei Monate nach dem Tod ihres Ehemannes im Februar 2018. Der Enkel verklagte daraufhin seinen Onkel, einen der Söhne und Miterben der Großmutter, auf Auszahlung dieses Betrages.
Die Schwierigkeit des Falls lag in der Vorgeschichte mehrerer Testamente, die die Großeltern gemeinsam verfasst hatten:
- Ein gemeinschaftliches notarielles Testament vom 8. Januar 1998 setzte die Eheleute zunächst gegenseitig als Alleinerben ein. Für den Tod des länger lebenden Partners bestimmten sie ihre Tochter und einen ihrer Söhne (den späteren Beklagten) zu gleichen Teilen als Schlusserben. Entscheidend war eine sogenannte „Öffnungsklausel“: Der überlebende Ehegatte sollte berechtigt sein, „diese Bestimmung“ – gemeint war die Einsetzung der Schlusserben – abzuändern, allerdings nur innerhalb des Kreises der gemeinsamen Abkömmlinge (Kinder, Enkel etc.).
- Ein gemeinschaftliches handschriftliches Testament vom 9. Januar 2008 ergänzte das vorherige. Es stellte klar, dass der Überlebende weiterhin das Recht haben sollte, anderweitig zu verfügen, dabei aber nicht mehr an den Kreis der Abkömmlinge gebunden sei, sondern völlig frei entscheiden könne. Ansonsten sollte das Testament von 1998 unverändert gültig bleiben. Diese Klausel erweiterte die Befugnisse des Überlebenden also erheblich.
- Ein weiteres gemeinschaftliches handschriftliches Testament vom 14. September 2011 änderte das Testament von 1998 erneut ab. Nun sollten nach dem Tod des Längstlebenden alle drei Kinder der Eheleute – die Tochter und beide Söhne (darunter der Vater des klagenden Enkels und der beklagte Onkel) – zu gleichen Teilen erben. Dieses Testament enthielt keine ausdrückliche Wiederholung oder einen Verweis auf die zuvor vereinbarte Öffnungs- oder Abänderungsklausel.
Nachdem ihr Ehemann verstorben war, errichtete die Großmutter am 12. April 2018 jenes notarielle Testament, das zum Streit führte. Sie verwies darin auf die früheren gemeinschaftlichen Testamente und betonte, dass die Abänderungsmöglichkeit aus den Testamenten von 1998 und 2008 weiterhin bestehe und mit ihrem Ehemann so abgesprochen gewesen sei. Sie erklärte sich daher für berechtigt, neu zu verfügen. Sie bestätigte ihre drei Kinder als Erben zu gleichen Teilen (wie im Testament von 2011), ordnete aber zusätzlich Testamentsvollstreckung an und setzte Vermächtnisse für zehn ihrer Enkelkinder aus, darunter das strittige Vermächtnis für den klagenden Enkel.
Nur wenige Monate später, am 15. August 2018, verfasste die Großmutter ein weiteres handschriftliches Testament. Darin setzte sie erneut ihre drei Kinder als Erben ein und verfügte ein zusätzliches Vermächtnis zugunsten ihres Schwiegersohns. Die zuvor angeordneten Vermächtnisse für die Enkelkinder erwähnte sie in diesem letzten Testament nicht mehr.
Die Großmutter verstarb am 10. Juni 2020. Als der Enkel im Oktober 2020 die Auszahlung seines Vermächtnisses von den Erben forderte, lehnte sein Onkel dies ab.
Streit um die Wirksamkeit des Vermächtnisses: Galt die Abänderungsklausel auch für Vermächtnisse?
Der zentrale Streitpunkt vor Gericht war die Frage, ob die Großmutter nach dem Tod ihres Mannes überhaupt noch berechtigt war, die Vermächtnisse für die Enkel anzuordnen.
Der Enkel vertrat die Auffassung, sein Vermächtnis sei wirksam. Er argumentierte, die Testamentsänderungen seien als Einheit zu betrachten. Die ursprüngliche Abänderungsklausel aus dem Jahr 1998 sei durch das Testament von 2008 erweitert worden und auch durch das Testament von 2011 nicht aufgehoben worden. Letzteres habe lediglich die Erbfolge geändert („in Abänderung“), aber die grundlegende Struktur und die Änderungsbefugnis unberührt gelassen. Die Großmutter sei daher aufgrund der erweiterten Klausel frei gewesen, Vermächtnisse anzuordnen – insbesondere zugunsten von Enkeln, die ja Abkömmlinge sind.
Der beklagte Sohn und Onkel sah dies grundlegend anders. Er argumentierte, das gemeinschaftliche Testament von 2011 habe alle vorherigen Regelungen, einschließlich der Abänderungsklausel, vollständig ersetzt und die Erbfolge abschließend geregelt. Da dieses letzte gemeinsame Testament keine neue Abänderungsbefugnis enthielt, sei die Großmutter nach dem Tod ihres Ehemannes an die dort festgelegte Erbeinsetzung ihrer drei Kinder gebunden gewesen (§ 2271 Abs. 2 S. 1 BGB). Sie habe keine weiteren Verfügungen, insbesondere keine die Erben belastenden Vermächtnisse, mehr treffen dürfen. Eine solche spätere Verfügung wäre wegen der Bindungswirkung unwirksam (§ 2289 Abs. 1 S. 2 BGB analog). Zusätzlich machte er geltend, der Nachlass sei noch nicht geteilt (Einrede des ungeteilten Nachlasses), was jedoch für die Entscheidung nicht mehr relevant wurde.
Landgericht Bielefeld weist Klage ab: Keine Zahlungspflicht für den Onkel
Das Landgericht Bielefeld folgte der Argumentation des Sohnes und wies die Klage des Enkels vollständig ab. Der Onkel muss das geforderte Vermächtnis nicht auszahlen. Die Kosten des Rechtsstreits wurden dem Enkel auferlegt.
Gerichtliche Begründung: Fehlender Anspruch wegen Unwirksamkeit des Vermächtnisses
Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Enkel keinen Anspruch auf das Vermächtnis gemäß §§ 2174, 2147 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hat. Der Grund liegt darin, dass die Anordnung des Vermächtnisses im Testament der Großmutter vom 12. April 2018 unwirksam ist.
Diese Unwirksamkeit ergibt sich aus der Bindungswirkung der vorherigen gemeinschaftlichen Testamente, insbesondere des letzten gemeinsamen Testaments von 2011. Nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten entfalten sogenannte Wechselbezügliche Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament eine starke Bindungswirkung für den Überlebenden (§ 2271 Abs. 2 S. 1 BGB). Der überlebende Ehegatte kann solche Verfügungen grundsätzlich nicht mehr einseitig ändern oder aufheben, wenn sie den gemeinsamen Willen widerspiegeln und voneinander abhängig sind. Eine spätere Verfügung, die diese Bindung beeinträchtigt, ist unwirksam (§ 2289 Abs. 1 S. 2 BGB analog).
Das Gericht ließ dabei offen, ob das Vermächtnis eventuell auch durch das spätere handschriftliche Testament der Großmutter vom August 2018 widerrufen wurde oder ob andere Bedingungen für das Vermächtnis nicht erfüllt waren. Allein die Unwirksamkeit aufgrund der Bindungswirkung genügte zur Abweisung der Klage.
Wechselbezüglichkeit und Fortbestand der Abänderungsklausel im Detail
Das Gericht bestätigte zunächst, dass die Regelungen im gemeinschaftlichen Testament von 1998 – die gegenseitige Erbeinsetzung der Eheleute und die Einsetzung ihrer Kinder als Schlusserben – typische wechselbezügliche Verfügungen im Sinne des § 2270 BGB waren. Das bedeutet, es ist davon auszugehen, dass die Eheleute diese Verfügungen nur deshalb trafen, weil auch der andere Partner entsprechend verfügte; sie sollten miteinander stehen und fallen.
Entgegen der Auffassung des beklagten Sohnes ging das Gericht jedoch davon aus, dass die ursprüngliche Abänderungsklausel aus dem Testament von 1998, erweitert durch das Testament von 2008, auch nach Errichtung des Testaments von 2011 noch fortbestand. Dies ergab sich aus der Auslegung (§ 133 BGB) aller drei gemeinschaftlichen Testamente im Zusammenhang. Das Gericht betonte, dass das bloße Weglassen einer Klausel in einem späteren Testament nicht automatisch deren Widerruf bedeutet (§ 2258 BGB). Ein Widerruf liegt nur vor, wenn das spätere Testament die Erbfolge offensichtlich abschließend und ausschließlich neu regeln soll.
Die Formulierung „in Abänderung“ im Testament von 2011 deute aber gerade darauf hin, dass nur ein Teil – nämlich die Person der Schlusserben – geändert werden sollte, der Rest aber Bestand haben sollte. Auch die Klarstellung im Testament von 2008 („Ansonsten bleibt… unverändert“) stütze die Annahme, dass die Eheleute Änderungen immer nur punktuell vornehmen wollten. Die eigene Aussage der Großmutter im Testament von 2018, die Klausel gelte fort, wurde als unterstützendes Indiz für ihre damalige Vorstellung gewertet, auch wenn sie für die Auslegung des früheren gemeinsamen Willens nicht allein entscheidend ist.
Der entscheidende Punkt: Der begrenzte Umfang der Abänderungsbefugnis
Obwohl die Abänderungsklausel fortbestand, führte dies nicht zum Erfolg der Klage. Der entscheidende Grund für die Abweisung war der Umfang dieser Klausel. Nach sorgfältiger Prüfung kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Befugnis zur Abänderung ausschließlich die Einsetzung der Schlusserben betraf, nicht aber die Anordnung von Vermächtnissen.
Die Auslegung ergab:
- Im notariellen Testament von 1998 war die Änderungsbefugnis ausdrücklich auf „diese Bestimmung“ beschränkt. Durch die Verwendung des Singulars und den direkten Bezug auf den vorherigen Absatz, der die Schlusserbeneinsetzung regelte, war klar, dass nur diese Erbeinsetzung geändert werden durfte. Da es sich um ein notarielles Testament handelte, ging das Gericht davon aus, dass die juristischen Begriffe bewusst und präzise verwendet wurden (§ 17 Beurkundungsgesetz).
- Das Testament von 2008 erweiterte diese Befugnis zwar personell – der Überlebende war nicht mehr an Abkömmlinge gebunden –, änderte aber nichts am sachlichen Umfang der Änderungsbefugnis. Die Formulierung, es solle dabei „verbleiben“, anderweitig verfügen zu können, bezog sich weiterhin nur auf die Möglichkeit, die Schlusserbenregelung zu ändern, nicht aber darauf, beliebige andere Verfügungen wie Vermächtnisse zu treffen.
- Auch das Argument des Enkels, ein Vermächtnis sei doch ein „Weniger“ („minus“) im Vergleich zur Änderung der Erbeinsetzung und müsse daher ebenfalls erlaubt sein, überzeugte das Gericht nicht. Die Eheleute hätten bewusst den Begriff „erben“ bzw. „Schlusserbeneinsetzung“ verwendet und die Änderungsbefugnis klar darauf beschränkt. Hätten sie eine umfassendere Befugnis gewollt, hätten sie dies anders formulieren müssen.
Da die Anordnung von Vermächtnissen nicht von der Abänderungsklausel gedeckt war, blieb die Großmutter nach dem Tod ihres Mannes an die im letzten gemeinsamen Testament von 2011 getroffene Regelung – Einsetzung der drei Kinder als Erben – gebunden. Die spätere Anordnung der Vermächtnisse im Testament vom April 2018 widersprach dieser Bindung und war daher gemäß § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB analog unwirksam.
Endgültiges Urteil: Kein Vermächtnis für den Enkel und Kostentragung
Folglich hat der Enkel keinen durchsetzbaren Anspruch auf das Vermächtnis. Die Klage wurde als unbegründet abgewiesen. Da der Hauptanspruch nicht besteht, wurden auch die Nebenforderungen auf Zinsen und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits muss der unterlegene Enkel tragen (§ 91 ZPO). Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, jedoch nur gegen Leistung einer Sicherheit durch den obsiegenden Onkel (§ 709 ZPO).
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht, dass bei gemeinschaftlichen Testamenten der überlebende Ehepartner in seinen Verfügungsmöglichkeiten stark eingeschränkt sein kann, selbst wenn eine Abänderungsklausel existiert. Die präzise Formulierung solcher Klauseln ist entscheidend – sie erlauben nur genau die Änderungen, die explizit genannt sind (hier: nur die Änderung der Schlusserben, nicht die Anordnung von Vermächtnissen). Für Erblasser ist es daher essentiell, bei der Testamentsgestaltung die gewünschten Spielräume für den überlebenden Partner eindeutig und umfassend zu definieren, während Erben und potenzielle Vermächtnisnehmer die Bindungswirkung gemeinschaftlicher Testamente und deren Grenzen kennen sollten.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet die Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments für den überlebenden Ehepartner?
Ein gemeinschaftliches Testament wird von Ehepartnern oder eingetragenen Lebenspartnern gemeinsam errichtet. Oft setzen sich die Partner darin gegenseitig als Erben ein und bestimmen gleichzeitig, wer nach dem Tod des länger lebenden Partners das Vermögen erhalten soll (sogenannte wechselbezügliche Verfügungen). Das bedeutet: Eine Anordnung im Testament wurde nur getroffen, weil der andere Partner eine entsprechende andere Anordnung getroffen hat. Man kann sich das vorstellen wie ein gegenseitiges Versprechen im Testament.
Die Bindungswirkung ist eine zentrale Folge solcher wechselbezüglichen Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament. Sie beschränkt die Testierfreiheit des überlebenden Ehepartners nach dem Tod des zuerst verstorbenen Partners.
Konkret bedeutet das:
- Wenn der erste Ehepartner verstorben ist und der überlebende Ehepartner das Erbe oder ein Vermächtnis aus diesem Testament annimmt, dann ist der Überlebende an die wechselbezüglichen Verfügungen gebunden.
- Die Verfügung, die der zuerst Verstorbene getroffen hat und die wechselbezüglich zur Verfügung des Überlebenden war, kann vom Überlebenden nach dessen Tod nicht mehr einfach durch ein neues Testament geändert oder aufgehoben werden. Beispielsweise, wenn im gemeinschaftlichen Testament die gemeinsamen Kinder als Schlusserben nach dem Letztversterbenden eingesetzt wurden, kann der überlebende Ehepartner diese Einsetzung in einem späteren Testament in der Regel nicht mehr ändern.
- Der überlebende Ehepartner kann zwar grundsätzlich weiterhin ein neues Testament errichten, Verfügungen, die im Widerspruch zu den bindend gewordenen Anordnungen im gemeinschaftlichen Testament stehen, sind jedoch unwirksam.
Diese Bindungswirkung tritt in der Regel erst mit dem Tod des ersten Partners ein und verfestigt sich, wenn der überlebende Partner das Erbe annimmt.
Es gibt allerdings auch Umstände, unter denen diese Bindungswirkung entfallen oder gar nicht erst entstehen kann:
- Zu Lebzeiten beider Partner: Solange beide Ehepartner leben, kann ein gemeinschaftliches Testament grundsätzlich geändert oder aufgehoben werden. Eine einseitige Änderung einer wechselbezüglichen Verfügung ist aber nur durch eine notariell beurkundete Erklärung möglich, die dem anderen Partner zugestellt werden muss.
- Nach dem Tod des ersten Partners: Die Bindung entfällt, wenn der überlebende Ehepartner das ihm Zugewendete (Erbe oder Vermächtnis) ausschlägt. Auch das Testament selbst kann Klauseln enthalten, die dem überlebenden Partner ausdrücklich das Recht geben, bestimmte Verfügungen zu ändern. In seltenen Ausnahmefällen kann eine bindende Verfügung auch angefochten werden, zum Beispiel bei bestimmten Verfehlungen des als Erben eingesetzten oder wenn nach Testamentserrichtung ein Pflichtteilsberechtigter entstanden ist, der nicht bedacht wurde.
Die Bindungswirkung sorgt also dafür, dass die im gemeinsamen Willen beider Ehepartner getroffenen wesentlichen erbrechtlichen Anordnungen nach dem ersten Todesfall Bestand haben und nicht einseitig geändert werden können, um den ursprünglichen Wunsch beider Partner zu sichern.
Unter welchen Voraussetzungen können Ehepartner in einem gemeinschaftlichen Testament eine Abänderungsklausel vereinbaren?
Ein gemeinschaftliches Testament, oft auch Ehegattentestament genannt, wie zum Beispiel das beliebte Berliner Testament, bindet Ehepartner in der Regel stark. Haben sich die Ehepartner darin gegenseitig als Erben eingesetzt und bestimmt, wer nach dem Tod des Längstlebenden erben soll, kann der überlebende Ehepartner diese Regelungen nach dem ersten Todesfall grundsätzlich nicht mehr einfach ändern. Diese sogenannte Bindungswirkung soll den gemeinsamen Willen der Ehepartner schützen.
Flexibilität durch eine Abänderungsklausel
Um trotz dieser Bindungswirkung eine gewisse Flexibilität für den überlebenden Ehepartner zu ermöglichen, können die Eheleute bereits bei der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments eine sogenannte Abänderungsklausel aufnehmen. Diese Klausel ist eine ausdrückliche Bestimmung im Testament, die dem überlebenden Ehepartner das Recht einräumt, bestimmte Verfügungen im Testament nach dem ersten Todesfall zu ändern.
Stellen Sie sich vor, die Ehepartner möchten sicherstellen, dass der überlebende Teil auf veränderte Lebensumstände reagieren kann, ohne an die ursprünglichen Bestimmungen gebunden zu sein. Eine Abänderungsklausel ermöglicht dies.
Gestaltungsmöglichkeiten und Anforderungen an die Formulierung
Die Ehepartner können in der Abänderungsklausel sehr unterschiedliche Grade der Freiheit für den Überlebenden festlegen. Die Möglichkeiten reichen von einer weiten Befugnis, fast alles zu ändern, bis hin zu stark eingeschränkten Rechten.
Wichtig ist, dass die Ehepartner klar und unzweifelhaft im Testament formulieren, was genau der überlebende Teil ändern darf und was nicht. Ungenaue Formulierungen führen oft zu Streitigkeiten und sind möglicherweise unwirksam.
Beispiele für Gestaltungsmöglichkeiten:
- Umfassende Abänderungsbefugnis: Der überlebende Ehepartner darf die Erben nach dem eigenen Tod frei neu bestimmen oder die Erbquoten ändern.
- Eingeschränkte Abänderungsbefugnis: Die Änderungen sind begrenzt, zum Beispiel:
- Der überlebende Ehepartner darf nur innerhalb eines bestimmten Personenkreises (z.B. nur unter den gemeinsamen Kindern) Änderungen vornehmen, aber keine außenstehenden Personen als Erben einsetzen.
- Es dürfen nur bestimmte Anordnungen geändert werden, wie die Verteilung von Vermächtnissen, aber nicht die Einsetzung der Haupterben.
- Die Befugnis beschränkt sich auf die Einsetzung von Ersatzerben oder die Regelung von Auflagen.
Wirksamkeit der Klausel
Eine Abänderungsklausel ist nur wirksam, wenn sie ausdrücklich im gemeinschaftlichen Testament vereinbart wurde und der Umfang der eingeräumten Änderungsbefugnis klar erkennbar ist. Es reicht nicht aus, nur vage anzudeuten, dass Änderungen möglich sein sollen. Die Ehepartner müssen sich zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung über den Inhalt und die Reichweite der Abänderungsklausel einig sein und diese gemeinsam im Testament niederschreiben.
Für Sie als Leser bedeutet das: Wenn Sie in einem gemeinschaftlichen Testament Flexibilität für den Überlebenden wünschen, muss dies klar und präzise im Testament festgeschrieben werden. Die genaue Formulierung ist entscheidend, um späteren Unsicherheiten oder ungewollten Bindungen vorzubeugen.
Wie wirkt sich eine Abänderungsklausel auf die Anordnung von Vermächtnissen aus?
Eine Abänderungsklausel in einem Testament kann dem überlebenden Partner Spielraum geben, Verfügungen des zuerst Verstorbenen zu ändern oder neue Verfügungen zu treffen. Ob dieser Spielraum auch das Ändern, Aufheben oder neu Hinzufügen von Vermächtnissen (das ist die Zuwendung eines bestimmten Gegenstandes oder Geldbetrages an eine bestimmte Person, die nicht Erbe wird) erlaubt, hängt entscheidend vom genauen Wortlaut der Klausel im Testament ab.
Stellen Sie sich ein gemeinsames Testament von Ehepartnern vor. Oft enthält es Regelungen, die für den Überlebenden bindend sind, damit der Wille beider Partner nach dem Tod des Ersten nicht einfach ignoriert werden kann. Eine Abänderungsklausel lockert diese Bindung für den Überlebenden.
Entscheidend für Ihre Frage ist, auf welche Art von Verfügungen sich die Abänderungsklausel bezieht.
- Klausel bezieht sich nur auf die Erbeinsetzung: Manche Klauseln erlauben dem überlebenden Partner nur, die Erbeinsetzung (also wer den Nachlass oder Teile davon als Erbe erhält) neu zu regeln. Das bedeutet, dass der Überlebende die Einsetzung der Erben ändern kann, Anordnungen über Vermächtnisse des zuerst Verstorbenen aber trotzdem bindend bleiben können. Der Überlebende darf dann in der Regel keine neuen Vermächtnisse anordnen, die im ursprünglichen Testament nicht vorgesehen waren.
- Klausel bezieht sich auch auf Vermächtnisse oder ist sehr weit gefasst: Andere Abänderungsklauseln sind weiter gefasst. Sie können dem überlebenden Partner ausdrücklich erlauben, auch Verfügungen über Vermächtnisse zu ändern, aufzuheben oder neue Vermächtnisse anzuordnen. Dies ist der Fall, wenn die Klausel sich nicht nur auf die Erbeinsetzung beschränkt, sondern zum Beispiel allgemein das Recht gibt, „letztwillige Verfügungen“ zu ändern oder „frei über den Nachlass zu verfügen“.
Die genaue Formulierung der Abänderungsklausel ist daher der Schlüssel. Sie bestimmt den Umfang der Befugnisse des überlebenden Partners und klärt, ob Vermächtnisse von seinem Abänderungsrecht umfasst sind oder nicht. Nur wenn die Klausel dem Überlebenden die Befugnis erteilt, auch über Vermächtnisse neu zu bestimmen, kann er diese abweichend vom ursprünglichen Testament anordnen.
Für Sie bedeutet das: Um zu wissen, welche Befugnisse der überlebende Ehepartner bezüglich Vermächtnissen hat, müssen Sie die betreffende Abänderungsklausel im Testament sorgfältig lesen und ihren genauen Wortlaut verstehen.
Was passiert, wenn mehrere Testamente existieren, die sich widersprechen?
Wenn jemand mehrere Testamente hinterlässt, die unterschiedliche Regelungen enthalten, stellt sich die Frage, welcher Wille am Ende gelten soll. Dies kommt häufiger vor, als man denkt, zum Beispiel wenn ein älteres Testament durch ein neueres ersetzt oder ergänzt werden sollte, aber das alte Dokument nicht vernichtet wurde.
Das Prinzip: Der letzte Wille zählt – meistens
Grundsätzlich gilt im deutschen Erbrecht: Der zuletzt verfasste Wille des Erblassers ist maßgeblich. Das bedeutet, ein neues Testament kann ein früheres Testament ganz oder teilweise aufheben oder verändern. Juristen sprechen hier vom Widerruf eines Testaments durch ein späteres.
Beispiel: Hat jemand 2010 in einem Testament seinen Neffen bedacht und verfasst 2020 ein neues Testament, in dem er sein gesamtes Vermögen einer Stiftung vermacht, so ist das Testament von 2010 durch das von 2020 im Normalfall vollständig aufgehoben.
Wenn Testamente sich nur teilweise widersprechen oder ergänzen
Es kann aber auch sein, dass ein späteres Testament ein früheres nicht komplett ersetzt, sondern nur einzelne Punkte ändert oder ergänzt. Widersprechen sich einzelne Bestimmungen aus verschiedenen Testamenten, gilt die jüngere Regelung. Alle anderen Bestimmungen aus den früheren Testamenten, die nicht im Widerspruch zum jüngeren stehen, bleiben weiterhin gültig.
Beispiel: Im Testament von 2010 wird das Haus der Nichte vermacht und der Rest des Vermögens dem Neffen. Im Testament von 2020 steht nur: „Mein Auto soll meine Freundin bekommen.“ Hier widersprechen sich die Verfügungen (also die einzelnen Anweisungen) nicht direkt. Das Testament von 2020 ändert nichts an der Erbeinsetzung von Nichte und Neffe bezüglich Haus und Restvermögen, sondern fügt nur eine weitere Anweisung für das Auto hinzu. Alle Verfügungen – die aus 2010 und die aus 2020 – sind dann wirksam.
Die Aufgabe des Nachlassgerichts: Den wahren Willen herausfinden
Existieren mehrere Testamente, prüft das zuständige Nachlassgericht (ein Teil des Amtsgerichts) alle vorliegenden Dokumente. Die Hauptaufgabe ist dabei immer, den wirklichen Willen des Erblassers zum Zeitpunkt der Errichtung des jeweiligen Testaments zu ermitteln. Dies nennt man Testamentsauslegung.
Dabei wird nicht nur der Wortlaut der Testamente betrachtet. Das Gericht versucht, die Umstände zu verstehen, unter denen die Testamente geschrieben wurden, und zieht gegebenenfalls auch Aussagen von Personen heran, die den Erblasser gut kannten. Ziel ist es, die verschiedenen Verfügungen so zu deuten, dass sie möglichst sinnvoll und widerspruchsfrei sind und dem letzten Willen des Erblassers entsprechen.
Worauf es ankommt
Für die Klärung ist es sehr wichtig, dass Testamente klar formuliert sind und das Datum der Errichtung tragen. Gibt es kein Datum oder sind die Testamente widersprüchlich und der Wille des Erblassers kann nicht eindeutig ermittelt werden, kann dies zu großen Schwierigkeiten und Unsicherheiten führen.
Was das für Sie bedeutet
Wenn Sie als Angehöriger oder potenzieller Erbe mit mehreren Testamenten konfrontiert sind, ist es entscheidend zu wissen, dass nicht automatisch das jüngste Dokument alles andere hinfällig macht. Es muss genau geprüft werden, wie die Testamente aufeinander aufbauen oder sich widersprechen und was der tatsächliche Wille des Erblassers war.
Welche Rolle spielt die notarielle Form bei gemeinschaftlichen Testamenten im Vergleich zu handschriftlichen Testamenten?
Ein gemeinschaftliches Testament wird typischerweise von Ehepartnern oder eingetragenen Lebenspartnern errichtet. Es gibt grundsätzlich zwei Wege, ein solches Testament wirksam zu erstellen: handschriftlich oder notariell. Die Wahl der Form hat wichtige Auswirkungen.
Handschriftliches gemeinschaftliches Testament
Bei dieser Form muss das gesamte Testament von einem der Partner eigenhändig geschrieben und von beiden Partnern eigenhändig unterschrieben werden. Wichtig ist, dass Ort und Datum angegeben werden.
Vorteile:
- Es fallen keine unmittelbaren Kosten an.
Nachteile:
- Es besteht ein höheres Risiko für Formfehler, die das Testament unwirksam machen können.
- Die Formulierung kann unklar oder widersprüchlich sein, was später zu Streitigkeiten führen kann.
- Nach dem Todesfall ist oft ein Erbschein erforderlich, um sich als Erbe auszuweisen. Die Beantragung eines Erbscheins verursacht Kosten und dauert Zeit.
Notarielles gemeinschaftliches Testament
Bei dieser Form wird das Testament von einem Notar entworfen, mit Ihnen besprochen und anschließend vor dem Notar von beiden Partnern unterschrieben. Der Notar beurkundet das Testament.
Vorteile:
- Die notarielle Form gewährleistet in der Regel die rechtliche Wirksamkeit des Testaments, da der Notar die Einhaltung aller Formvorschriften prüft.
- Der Notar hilft bei der klaren und eindeutigen Formulierung, die Ihre Wünsche rechtssicher umsetzt.
- Ein notarielles Testament kann nach dem Todesfall oft den Erbschein ersetzen. Das Nachlassgericht prüft das notarielle Testament und erteilt darauf basierend einen Eröffnungsprotokoll, das meist ausreichend ist, um z.B. auf Bankkonten zuzugreifen oder Grundstücke umschreiben zu lassen. Dies spart Zeit und Kosten im Nachlassverfahren.
- Der Notar registriert das Testament beim Zentralen Testamentsregister.
Nachteile:
- Für die Errichtung fallen Notarkosten an, deren Höhe sich nach dem Vermögenswert richtet.
Die Rolle des Notars bei gemeinschaftlichen Testamenten
Der Notar prüft nicht nur die Formalien. Er erörtert mit Ihnen Ihre Vorstellungen zur Vermögensnachfolge und erklärt die verschiedenen rechtlichen Möglichkeiten. Er achtet darauf, dass das Testament die Absicht beider Partner klar und rechtlich bindend wiedergibt und klärt über die Konsequenzen bestimmter Regelungen auf (z.B. Bindungswirkung beim sogenannten Berliner Testament). Der Notar stellt sicher, dass der letzte Wille formgerecht und inhaltlich verständlich dokumentiert wird.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Bindungswirkung gemeinschaftlicher Testamente
Die Bindungswirkung bei gemeinschaftlichen Testamenten bedeutet, dass der überlebende Ehepartner nach dem Tod des anderen an bestimmte Verfügungen gebunden ist, die gemeinsam getroffen wurden. Insbesondere bei wechselbezüglichen Verfügungen – also Testamenten, die nur gemeinsam sinnvoll sind – kann der Überlebende diese nicht mehr einseitig ändern. Nach § 2271 Abs. 2 BGB gilt, dass der überlebende Partner nicht einfach das gesamte Testament neu gestalten kann, wenn er von einem gemeinschaftlichen Testament profitiert hat. Diese Bindung schützt den gemeinsamen Willen der Verfassenden und gewährt Sicherheit für alle Erben.
Beispiel: Ehegatten setzen sich gegenseitig als Erben ein und bestimmen, dass nach dem Tod des Letztversterbenden deren gemeinsame Kinder erben. Der Überlebende kann diese Erbeinsetzung dann nicht einfach aufheben oder abändern.
Abänderungsklausel in gemeinschaftlichen Testamenten
Eine Abänderungsklausel ist eine ausdrückliche Regelung im gemeinschaftlichen Testament, die dem überlebenden Ehepartner das Recht einräumt, bestimmte Bestimmungen nach dem Tod des ersten Ehepartners zu ändern. Diese Klausel schafft eine Ausnahme von der sonst bindenden Wirkung gemeinschaftlicher Testamente. Wichtig ist, dass die Klausel klar bestimmt, welche Aspekte geändert werden dürfen und welche nicht, da unklare Formulierungen häufig zu Streit führen. Fehlt eine solche Klausel, besteht nach dem ersten Todesfall kaum eine Möglichkeit zur Änderung des gemeinsamen Willens.
Beispiel: Ein gemeinsames Testament erlaubt dem Überlebenden, die Erben neu zu bestimmen, beschränkt ihn aber auf die gemeinsamen Kinder.
Wechselbezügliche Verfügungen
Wechselbezügliche Verfügungen sind testamentarische Anordnungen, die nur gemeinsam gelten, weil jeder Partner seine eigene Verfügung mit der Erwartung getroffen hat, dass der andere ebenso verfügt. Nach § 2270 BGB geht man davon aus, dass die Partner dieses „aufeinander bezogene“ Testament als Einheit wollten. Das bedeutet, eine Verfügung ist nur gültig, wenn die andere betreffende Verfügung ebenfalls besteht. Dies führt dazu, dass Änderungen durch den Überlebenden nur eingeschränkt möglich sind, da sonst der gemeinsame Wille zerrissen würde.
Beispiel: Ein Ehepaar setzt sich gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmt, dass nach dem Tod des Letztversterbenden die gemeinsamen Kinder erben. Diese Verfügungen bilden ein wechselseitiges Gesamtbild.
Vermächtnis
Ein Vermächtnis ist eine testamentarische Zuwendung, durch die eine bestimmte Person einen bestimmten Vermögensgegenstand oder Geldbetrag erhält, ohne selbst Erbe zu sein (§ 2174 BGB). Der Begünstigte des Vermächtnisses hat einen Anspruch gegenüber den Erben auf Herausgabe dieses Vermögens. Im Gegensatz zum Erbe hat ein Vermächtnis keinen Einfluss auf die Erbfolge, sondern stellt eine Nebenbestimmung dar. Ob der überlebende Ehepartner nach dem Tod des Erstversterbenden Vermächtnisse anordnen oder ändern darf, hängt vom Wortlaut der Abänderungsklausel ab.
Beispiel: Die Großmutter setzt ihrem Enkel einen Geldbetrag als Vermächtnis ein, ohne ihn als Erben zu bestimmen.
Testamentsauslegung (§ 133 BGB)
Testamentsauslegung bedeutet, den wirklichen Willen des Erblassers bei unklaren oder mehrdeutigen Testamenten zu ermitteln. Nach § 133 BGB ist für die Auslegung entscheidend, was der Erblasser mit seiner Verfügung bezwecken wollte, nicht allein der Wortlaut. Bei gemeinschaftlichen Testamenten mit widersprüchlichen oder unvollständigen Regelungen wird geprüft, wie einzelne Bestimmungen zu verstehen sind und ob frühere Klauseln aufgehoben oder erhalten bleiben. Dies hilft zu klären, ob zum Beispiel eine Abänderungsklausel weiterhin gilt oder das Testament von 2011 frühere Regelungen ersetzt.
Beispiel: Liegen drei Testamente mit unterschiedlichen Bestimmungen vor, analysiert das Gericht den Zusammenhang, um den gemeinsamen Willen zu erkennen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB (Bindungswirkung gemeinschaftlicher Testamente): Diese Norm regelt, dass der überlebende Ehepartner an die gemeinsamen Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testaments nach dem Tod des ersten Ehepartners gebunden ist und sie grundsätzlich nicht einseitig ändern darf. Dies schützt den gemeinsamen Willen der Ehegatten und verhindert einseitige Änderungen durch den Überlebenden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht berief sich darauf, dass die Großmutter nach dem Tod des Ehemanns an die Verfügungen des letzten gemeinschaftlichen Testaments von 2011 gebunden war und daher die Vermächtnisse zu Gunsten der Enkel nicht wirksam ändern konnte.
- § 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB analog (Unwirksamkeit widersprechender Verfügungen): Diese Vorschrift zum „Berliner Testament“ wird hier analog angewendet und besagt, dass ein überlebender Ehegatte spätere Verfügungen, die der Bindungswirkung gemeinschaftlicher Testamente widersprechen, nicht treffen darf, diese also unwirksam sind. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die späteren Vermächtnisse der Großmutter vom April 2018 wurden wegen Verstoßes gegen die Bindungswirkung als unwirksam angesehen und konnten daher nicht gegenüber den Erben geltend gemacht werden.
- § 2174 BGB (Vermächtnisanordnung): Dieser Paragraf bestimmt, dass ein Vermächtnis an eine Person zugunsten dieser Person eine Verfügung von Todes wegen ist, die eine bestimmte Leistung oder einen bestimmten Anspruch umfasst. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das strittige Vermächtnis für den Enkel war eine Verfügung zugunsten eines Dritten, die aufgrund der Bindungswirkung aber keine Rechtswirkung entfalten konnte.
- § 2270 BGB (Wechselbezügliche Verfügungen): Vorschrift zur Wechselbezüglichkeit von gemeinschaftlichen Testamenten, die besagt, dass Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten nur zusammen betrachtet werden dürfen, weil sie sich aufeinander beziehen und aufeinander abgestimmt sind. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die gemeinschaftlichen Testamente der Eheleute galten als wechselbezogene Verfügungen, weshalb eine einzelne Änderung durch die Großmutter im Erbfall streng an die ursprüngliche gemeinsame Vereinbarung gebunden ist.
- § 2258 BGB (Widerruf gemeinschaftlicher Testamente): Regelt, dass ein gemeinschaftliches Testament nur dann widerrufen wird, wenn dies ausdrücklich folgt oder eine neue Verfügung die alte offensichtlich aufhebt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Testament von 2011 widerrief nicht die Abänderungsklausel aus den vorherigen Testamenten, da es diese nicht ausdrücklich oder offensichtlich aufhob, sondern nur die Erbfolge abänderte.
- § 133 BGB (Auslegung von Willenserklärungen): Die Auslegung erfolgt nach dem wirklichen Willen des Erklärenden unter Berücksichtigung des gesamten Kontextes und des objektiven Empfängerhorizonts. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Zur Klärung, ob die Abänderungsklausel aus 1998/2008 auch die Vermächtnisse umfasste, wurde das gesamte Testament sowie die Formulierungen und Umstände berücksichtigt, woraufhin das Gericht die Änderungsbefugnis auf die Schlusserbenregelung beschränkte.
Das vorliegende Urteil
LG Bielefeld – Az.: 19 O 76/21 – Urteil vom 03.03.2022
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