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Gemeinschaftliches Testament – Wir setzen uns gegenseitig zu befreiten Vorerben ein

Ein Mann, drei Testamente und ein erbitterter Streit zwischen Sohn und Stiefmutter – das Oberlandesgericht Karlsruhe musste entscheiden, wer nach dem Tod des Mannes rechtmäßiger Erbe ist. Der Clou: Ein gemeinschaftliches Testament aus dem Jahr 1980 mit der ersten Ehefrau, in dem die gemeinsamen Söhne als Nacherben eingesetzt wurden, entfaltete noch Jahrzehnte später seine bindende Wirkung. Damit waren die späteren Testamente mit der zweiten Ehefrau, die sich darin gegenseitig als Alleinerben einsetzten, unwirksam.

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
  • Datum: 09.12.2024
  • Aktenzeichen: 14 W 87/24 (Wx)
  • Verfahrensart: Beschwerdeverfahren bzgl. Erbscheinseinzugs
  • Rechtsbereiche: Erbrecht

Beteiligte Parteien:

  • Beteiligte Ziffer 1: Zweite Ehefrau des Erblassers, die einen Erbschein beantragte, um als Alleinerbin anerkannt zu werden. Sie argumentierte, dass der gemeinschaftliche Wille im Testament von 1980 keine Bindungswirkung bezüglich ihrer Erbeinsetzung habe.
  • Beteiligte Ziffer 2: Sohn des Erblassers aus erster Ehe, der die Einziehung des Erbscheins wünschte. Er argumentierte, dass der Erbschein unwirksam sei, da die Erbeinsetzung der zweiten Ehefrau gegen die Bindungswirkung des Testaments von 1980 verstoße.

Um was ging es?

  • Sachverhalt: Nach dem Tod seines Vaters und des vorverstorbenen Bruders beantragte der Sohn aus erster Ehe die Einziehung eines zugunsten der zweiten Ehefrau ausgestellten Erbscheins. Der Erblasser hatte in verschiedenen Testamenten seinen Nachlass geregelt, wobei im Testament von 1980 die gemeinsamen Kinder aus erster Ehe als Erben und die Ehegatten als befreite Vorerben bestimmt wurden.
  • Kern des Rechtsstreits: Der Streit drehte sich um die Frage, ob die zweite Ehefrau aufgrund späterer Testamente als Alleinerbin eingesetzt werden könne oder ob die Regelungen aus dem Testament von 1980 bindend waren.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Der Beschluss des Nachlassgerichts Freiburg im Breisgau wurde aufgehoben, und der Erbschein der zweiten Ehefrau wurde eingezogen.
  • Begründung: Die Erbeinsetzung der zweiten Ehefrau widerspricht der bindenden Verfügung aus dem Testament von 1980, das die gemeinsamen Kinder als Vollerben einsetzte. Die Bindungswirkung dieser Verfügung wurde mit dem Tod der ersten Ehefrau ausgelöst.
  • Folgen: Die zweite Ehefrau kann nicht als Alleinerbin gelten. Die Entscheidung verdeutlicht, dass die wechselbezüglichen Verfügungen im Testament von 1980 Bestand haben. Gerichtskosten werden nicht erhoben, und außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen.

Gemeinschaftliches Testament: Wichtige Erbfolgen und Herausforderungen im Fokus

Ein Gemeinschaftliches Testament ermöglicht es Ehegatten, ihre Wünsche zur Erbfolge gemeinsam festzulegen. Durch solche testamentarischen Regelungen können sie sich gegenseitig als befreite Vorerben einsetzen, was bedeutet, dass der überlebende Partner das Erbe verwalten kann, ohne den Pflichtteil der Kinder sofort auszuzahlen. Diese Form der Erbschaftsplanung sorgt dafür, dass der Nachlass nach den individuellen Vorstellungen des Ehepaares aufgeteilt wird und ermöglicht eine klare Nachlassverwaltung.

Die Erstellung eines Ehegatten-Testaments ist jedoch nicht ohne Herausforderungen. Veränderungen in der familiären Situation oder Unklarheiten bezüglich der testamentarischen Verfügungen können zu rechtlichen Auseinandersetzungen führen. Im folgenden Abschnitt werden wir auf ein konkretes Urteil eingehen, das wichtige Aspekte der Erbfolge in einem gemeinschaftlichen Testament beleuchtet.

Der Fall vor Gericht


Erbstreit um gemeinschaftliche Testamente nach Tod des Erblassers

Altes Testament in einem staubigen Dachboden, Dokument mit
Rechtsstreit um gemeinschaftliches Testament und Erbfolge | Symbolfoto: Ideogram gen.

Ob ein Erbschein für die zweite Ehefrau als Alleinerbin rechtmäßig erteilt wurde, musste das OLG Karlsruhe in einem Rechtsstreit zwischen dem Sohn aus erster Ehe und der zweiten Ehefrau des 2021 verstorbenen Mannes entscheiden. Im Zentrum stand dabei die Frage nach der bindenden Wirkung eines früheren gemeinschaftlichen Testaments.

Drei Testamente mit unterschiedlichen Regelungen

Der verstorbene Mann hatte insgesamt drei gemeinschaftliche Testamente errichtet. Das erste Testament aus dem Jahr 1980 verfasste er mit seiner ersten Ehefrau, die 1981 verstarb. Darin setzten sich die Ehepartner „gegenseitig zu befreiten Vorerben“ ein. Als Nacherben wurden die beiden gemeinsamen Söhne zu gleichen Teilen bestimmt. Nach dem Tod der ersten Ehefrau heiratete der Mann 1983 erneut. Mit seiner zweiten Ehefrau errichtete er 2007 und 2019 zwei weitere gemeinschaftliche Testamente, in denen sie sich jeweils gegenseitig als Alleinerben einsetzten.

Rechtliche Bewertung des ersten Testaments

Nach dem Tod des Mannes beantragte die zweite Ehefrau einen Erbschein, der sie als Alleinerbin auswies. Das Nachlassgericht erteilte diesen zunächst. Der noch lebende Sohn aus erster Ehe beantragte jedoch die Einziehung des Erbscheins. Das OLG Karlsruhe gab dem Sohn Recht und wies das Nachlassgericht an, den Erbschein einzuziehen.

Das Gericht stellte fest, dass das erste Testament von 1980 eine bindende Wirkung entfaltete. Die verwendete Formulierung „Nacherben auf das Erbe des Letztverstorbenen sollen unsere Söhne zu je ½ sein“ legte nach Ansicht des Gerichts nahe, dass die Eheleute auch eine Regelung für die Erbfolge nach dem Tod des länger lebenden Ehegatten treffen wollten. Diese Regelung sei wechselbezüglich, das heißt die Verfügung des einen Ehegatten wäre ohne die Verfügung des anderen nicht getroffen worden.

Bindende Wirkung für den überlebenden Ehegatten

Das OLG betonte, dass ein Ehegatte den anderen typischerweise nur deshalb als befreiten Vorerben einsetzt, weil er darauf vertraut, dass das beim Tod des Überlebenden verbliebene gemeinsame Vermögen auf die gemeinsamen Kinder übergehen wird. Mit dem Tod der ersten Ehefrau trat eine erbrechtliche Bindung ein, die den überlebenden Mann daran hinderte, diese Verfügung noch wirksam zu widerrufen oder abweichend davon zu testieren. Die späteren Testamente mit der zweiten Ehefrau waren daher unwirksam.

Bedeutung der Vorerbschaft

Die Richter erläuterten, dass die Einsetzung als „befreiter Vorerbe“ zwar weitgehende Verfügungsrechte zu Lebzeiten einräumt, jedoch keine Ermächtigung enthält, durch Testament über das Vermögen anders zu verfügen. Auch wenn ein befreiter Vorerbe ähnliche Rechte wie ein Vollerbe hat, bleibt die grundsätzliche Bindung an die Nacherbfolge bestehen.


Die Schlüsselerkenntnisse


Das Urteil stellt klar, dass bei einem gemeinschaftlichen Testament die Formulierung „Wir setzen uns gegenseitig zu befreiten Vorerben ein“ mit der Bestimmung von Nacherben eine bindende Wirkung entfaltet. Spätere anderslautende Testamente können diese Bindungswirkung nicht aufheben. Es wird der Erfahrungssatz bestätigt, dass Ehegatten sich gegenseitig nur deshalb als befreite Vorerben einsetzen, weil sie darauf vertrauen, dass das gemeinsame Vermögen später an die gemeinsamen Kinder übergeht.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie als Ehepaar ein gemeinschaftliches Testament mit Vor- und Nacherbschaft errichten, sind Sie an diese Regelung gebunden und können sie später nicht mehr einseitig ändern. Als überlebender Ehegatte können Sie trotz „befreiter“ Vorerbschaft nicht frei über das geerbte Vermögen verfügen oder es anderen Personen vererben. Die als Nacherben eingesetzten Kinder haben einen rechtlich durchsetzbaren Anspruch auf ihr Erbe, auch wenn der überlebende Elternteil später ein neues Testament macht. Prüfen Sie daher vor Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments genau, ob Sie diese dauerhafte Bindung wirklich eingehen möchten.


Gemeinschaftliche Testamente: Rechtliche Sicherheit schaffen

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat entschieden: Die Bestimmung von Nacherben in einem gemeinschaftlichen Testament ist bindend. Auch spätere Testamente können diese Regelung nicht aufheben. Gerade bei gemeinschaftlichen Testamenten ist daher besondere Sorgfalt geboten. Wir unterstützen Sie dabei, Ihre individuellen Wünsche und Bedürfnisse rechtssicher in einem Testament zu verankern und so spätere Streitigkeiten zu vermeiden.
Fordern Sie unsere Ersteinschätzung an!


Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet ein gemeinschaftliches Testament für Ehepartner?

Ein gemeinschaftliches Testament ist eine besondere Form der letztwilligen Verfügung, die ausschließlich Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern vorbehalten ist. Wenn Sie und Ihr Ehepartner ein solches Testament errichten, können Sie gemeinsam über Ihren Nachlass verfügen und sich gegenseitig absichern.

Formelle Anforderungen

Die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments ist formal unkompliziert. Es genügt, wenn ein Ehepartner das Testament handschriftlich verfasst und beide Partner unterschreiben. Der nicht schreibende Partner muss lediglich Ort und Datum seiner Unterschrift angeben.

Bindungswirkung und Widerruflichkeit

Die wichtigste Besonderheit des gemeinschaftlichen Testaments liegt in seiner Bindungswirkung. Wenn Sie Wechselbezügliche Verfügungen treffen, bedeutet dies:

  • Zu Lebzeiten beider Partner können Änderungen nur durch eine notariell beurkundete Erklärung gegenüber dem anderen Ehegatten widerrufen werden.
  • Nach dem Tod des ersten Partners kann der Überlebende die getroffenen Verfügungen grundsätzlich nicht mehr ändern.

Wechselbezügliche Verfügungen

Eine typische Gestaltung ist, dass sich die Ehepartner gegenseitig als Alleinerben einsetzen und bestimmen, wer nach dem Tod des Längerlebenden erben soll. Solche Verfügungen sind regelmäßig wechselbezüglich, das heißt, jeder Partner hätte seine Verfügung ohne die des anderen nicht getroffen.

Rechtliche Konsequenzen

Die Bindungswirkung betrifft nur die Verfügungen von Todes wegen. Sie können also weiterhin frei über Ihr Vermögen zu Lebzeiten verfügen. Allerdings ist zu beachten, dass das Testament bei einer Scheidung automatisch unwirksam wird. Wenn Sie die Bindungswirkung vermeiden möchten, können Sie einen Änderungsvorbehalt in das Testament aufnehmen.


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Welche Rechte und Pflichten hat ein befreiter Vorerbe?

Ein befreiter Vorerbe genießt deutlich mehr Freiheiten bei der Verwaltung des Nachlasses als ein nicht befreiter Vorerbe. Der Erblasser kann den Vorerben von den meisten gesetzlichen Beschränkungen befreien, was in § 2136 BGB geregelt ist.

Erweiterte Verfügungsrechte

Der befreite Vorerbe darf Grundstücke und andere Vermögenswerte eigenständig veräußern oder belasten, ohne die Zustimmung des Nacherben einzuholen. Wenn Sie beispielsweise als befreiter Vorerbe ein Haus aus dem Nachlass für 150.000 € verkaufen, tritt dieser Erlös an die Stelle des verkauften Objekts.

Grenzen der Verfügungsfreiheit

Trotz der Befreiung bestehen wichtige Einschränkungen. Der befreite Vorerbe darf keine Schenkungen aus dem Nachlass vornehmen. Eine Ausnahme bilden lediglich Schenkungen aufgrund sittlicher Pflicht oder aus Anstand, wie etwa übliche Hochzeitsgeschenke.

Verwaltung und Nutzung

Als befreiter Vorerbe stehen Ihnen sämtliche Erträge aus dem Nachlass zu, wie etwa Zinsen oder Mieteinnahmen. Sie müssen aus diesen Erträgen oder aus eigenen Mitteln die gewöhnlichen Erhaltungskosten tragen, beispielsweise Instandhaltung von Immobilien, Steuern und Versicherungsprämien.

Haftung und Rechenschaft

Der befreite Vorerbe muss im Nacherbfall nur die noch vorhandenen Erbschaftsgegenstände herausgeben. Eine Schadensersatzpflicht besteht nur in zwei Fällen:

  • Bei Verschenkung von Nachlassgegenständen
  • Bei absichtlicher Benachteiligung des Nacherben

Auch als befreiter Vorerbe müssen Sie dem Nacherben auf Verlangen ein Nachlassverzeichnis erstellen. Dies dient der Transparenz und dem Schutz des Nacherben.


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Wie bindend sind Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten nach dem Tod des ersten Partners?

Nach dem Tod des ersten Ehegatten entfaltet ein gemeinschaftliches Testament eine starke Bindungswirkung für den überlebenden Partner, sofern die Verfügungen wechselbezüglich sind.

Wechselbezügliche Verfügungen und ihre Bindung

Eine Verfügung gilt als wechselbezüglich, wenn sie derart mit der Verfügung des anderen Ehegatten verbunden ist, dass sie ohne diese nicht getroffen worden wäre. Wenn Sie sich beispielsweise mit Ihrem Ehepartner gegenseitig zu Alleinerben einsetzen und gemeinsame Kinder als Schlusserben bestimmen, sind diese Verfügungen in der Regel wechselbezüglich.

Konsequenzen für den überlebenden Ehegatten

Der überlebende Ehegatte kann nach dem Tod des Partners von wechselbezüglichen Verfügungen nicht mehr einseitig abweichen. Ein später errichtetes Testament, das den wechselbezüglichen Verfügungen widerspricht, ist unwirksam.

Möglichkeiten zur Aufhebung der Bindungswirkung

Es gibt zwei Wege, wie der überlebende Ehegatte die Bindungswirkung aufheben kann:

  1. Durch Ausschlagung der Erbschaft: Wenn der überlebende Ehegatte das Erbe ausschlägt, kann er anschließend frei über seinen Nachlass verfügen.
  2. Bei Pflichtteilsentzug: Ist ein gemeinsames Kind von wechselbezüglichen Verfügungen betroffen, können diese nur widerrufen werden, wenn ein Pflichtteilsentzug möglich ist – etwa wenn das Kind dem Erblasser lebensgefährliche Schäden zugefügt hat.

Ein typisches Beispiel verdeutlicht die Bindungswirkung: Wenn Eheleute sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzen und ihre gemeinsame Tochter als Schlusserbin bestimmen, kann der überlebende Ehegatte nach dem Tod des Partners nicht einfach ein neues Testament errichten und stattdessen seinen neuen Lebenspartner zum Erben einsetzen.


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Ab wann können Nacherben ihre Rechte geltend machen?

Der Nacherbfall tritt ein, wenn das vom Erblasser festgelegte Ereignis eintritt. Wenn der Erblasser keinen speziellen Zeitpunkt bestimmt hat, fällt die Erbschaft dem Nacherben automatisch mit dem Tod des Vorerben zu.

Rechte vor dem Nacherbfall

Bereits vor dem Nacherbfall können Sie als Nacherbe wichtige Rechte ausüben:

  • Sie haben ein umfassendes Auskunftsrecht über den Bestand und die Verwaltung des Nachlasses
  • Sie können die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses verlangen, das bei Bedarf notariell aufgenommen wird
  • Sie dürfen eine Sicherheitsleistung vom Vorerben fordern, wenn die Befürchtung einer erheblichen Verletzung Ihrer Rechte besteht

Rechte beim Eintritt des Nacherbfalls

Mit Eintritt des Nacherbfalls werden Sie automatisch zum Erben des ursprünglichen Erblassers. Sie können dann:

  • Die Herausgabe des gesamten Nachlasses vom Vorerben oder dessen Erben verlangen
  • Die Korrektur des Grundbuchs und Löschung des Nacherbenvermerks beantragen
  • Einen neuen Erbschein beantragen, der Ihre Rechtsstellung als Nacherbe dokumentiert

Ausschlagung der Nacherbschaft

Sie können die Nacherbschaft bereits beim Tod des ursprünglichen Erblassers ausschlagen. Die Ausschlagungsfrist von sechs Wochen beginnt erst, wenn Sie vom Nacherbfall Kenntnis erlangen. Dies gibt Ihnen ausreichend Zeit, Ihre rechtliche Position zu prüfen und eine fundierte Entscheidung zu treffen.


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Wann ist ein Erbschein anfechtbar?

Ein Erbschein kann angefochten werden, wenn die Annahme der Erbschaft durch Irrtum, Drohung oder arglistige Täuschung zustande gekommen ist.

Anfechtungsgründe

Ein häufiger Anfechtungsgrund ist der Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses. Dies trifft beispielsweise zu, wenn Sie die Erbschaft in der Annahme angenommen haben, dass der Nachlass schuldenfrei sei, während sich später erhebliche Verbindlichkeiten offenbaren. Auch ein Irrtum über die rechtliche Tragweite der Annahme kann zur Anfechtung berechtigen.

Eine widerrechtliche Drohung liegt vor, wenn Sie durch Zwang zur Annahme der Erbschaft gedrängt wurden. Von arglistiger Täuschung spricht man, wenn Ihnen wichtige Informationen über den Nachlass vorenthalten oder falsche Tatsachen vorgespiegelt wurden.

Anfechtungsfristen

Die Anfechtung muss innerhalb bestimmter Fristen erfolgen:

  • Sechs Wochen ab Kenntnis des Anfechtungsgrundes im Normalfall
  • Sechs Monate bei Aufenthalt im Ausland oder wenn der Verstorbene seinen letzten Wohnsitz im Ausland hatte
  • Bei Drohung beginnt die Frist erst nach Ende der Bedrohungslage

Durchführung der Anfechtung

Die Anfechtung erfolgt in drei Schritten:

Der Anfechtungsgrund muss durch qualitätsvolle Beweise nachgewiesen werden. Die Anfechtungserklärung muss beim zuständigen Nachlassgericht zur Niederschrift oder in notariell beglaubigter Form eingereicht werden. Bei erfolgreicher Anfechtung wird der Erbschein für nichtig erklärt und gilt als nie existent.

Im Fall eines gemeinschaftlichen Testaments mit gegenseitiger Einsetzung zu befreiten Vorerben ist zu beachten: Jeder Erbe innerhalb der Erbgemeinschaft ist zur Anfechtung berechtigt. Die Anfechtung hat weitreichende Konsequenzen für die gesamte Erbgemeinschaft, da der angefochtene Erbschein seine Wirkung vollständig verliert.


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Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Gemeinschaftliches Testament

Ein gemeinschaftliches Testament ist eine besondere Form der letztwilligen Verfügung, die nur Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern offensteht. Dabei treffen beide Partner gemeinsam in einer Urkunde Regelungen über ihren Nachlass (§ 2265 BGB). Die Besonderheit liegt darin, dass bestimmte Verfügungen nach dem Tod des ersten Partners nicht mehr einseitig vom überlebenden Partner geändert werden können. Dies gilt besonders für wechselbezügliche Verfügungen, bei denen die Anordnungen der Partner voneinander abhängig sind. Beispiel: Wenn sich Ehepartner gegenseitig als Erben einsetzen und gemeinsam bestimmen, dass nach dem Tod des Längstlebenden die gemeinsamen Kinder erben sollen.


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Vorerbe

Ein Vorerbe ist ein zeitlich begrenzter Erbe, der den Nachlass zunächst erhält, ihn aber später an einen vom Erblasser bestimmten Nacherben weitergeben muss (§§ 2100 ff. BGB). Der Vorerbe darf grundsätzlich nicht über die Erbschaft verfügen, es sei denn, er ist als „befreiter Vorerbe“ von diesen Beschränkungen befreit worden. Ein typisches Beispiel ist die Einsetzung des überlebenden Ehepartners als Vorerben mit den gemeinsamen Kindern als Nacherben. Der Vorerbe kann dann den Nachlass nutzen, muss ihn aber für die Nacherben erhalten.


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Wechselbezügliche Verfügungen

Wechselbezügliche Verfügungen sind Anordnungen in einem gemeinschaftlichen Testament, die so eng miteinander verknüpft sind, dass die eine nicht ohne die andere getroffen worden wäre (§ 2270 BGB). Sie werden rechtlich als Einheit behandelt. Nach dem Tod des ersten Partners können sie vom überlebenden Partner nicht mehr geändert werden. Beispiel: Wenn Eheleute sich gegenseitig zu Erben einsetzen unter der Bedingung, dass nach dem Tod des Längstlebenden die gemeinsamen Kinder erben sollen.


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Nacherbe

Der Nacherbe ist derjenige, der nach dem Vorerben den Nachlass erhält (§§ 2100 ff. BGB). Die Nacherbschaft tritt zu einem vom Erblasser festgelegten Zeitpunkt ein, typischerweise beim Tod des Vorerben. Der Nacherbe erhält dann den Nachlass in dem Zustand, in dem er sich zu diesem Zeitpunkt befindet. Im Familienkontext werden oft die Kinder als Nacherben eingesetzt, während der überlebende Ehegatte zunächst Vorerbe wird. Die Nacherbschaft sichert so den Vermögensübergang auf die nächste Generation.


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Erbschein

Der Erbschein ist eine amtliche Urkunde, die vom Nachlassgericht ausgestellt wird und die Erbenstellung einer Person nachweist (§§ 2353 ff. BGB). Er dient als Legitimationspapier gegenüber Behörden, Banken und anderen Stellen. Der Erbschein kann eingezogen werden, wenn sich seine Unrichtigkeit herausstellt. Beispiel: Eine Bank verlangt von einem Erben einen Erbschein, um ihm Zugriff auf das Konto des Verstorbenen zu gewähren.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB (Bindungswirkung bei wechselbezüglichen Verfügungen): Im gemeinschaftlichen Testament können Ehegatten wechselbezügliche Verfügungen treffen, die nach dem Tod eines Ehegatten bindend werden. Dies bedeutet, dass der Überlebende an diese Verfügungen gebunden ist und sie nicht einseitig widerrufen kann. In diesem Fall wurde im Testament von 1980 eine wechselbezügliche Verfügung getroffen, die die Kinder des Erblassers als Erben des Letztversterbenden einsetzt.
    Der Zusammenhang liegt darin, dass die Bindungswirkung des Testaments von 1980 der späteren Erbeinsetzung der zweiten Ehefrau entgegensteht, da die Verfügung im Testament von 1980 als wechselbezüglich angesehen wird.
  • § 2269 Abs. 1 BGB (Erbeinsetzung im gemeinschaftlichen Testament): Ehegatten können sich in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als Erben einsetzen und gleichzeitig eine Schlusserbeneinsetzung für Dritte bestimmen. Das Testament von 1980 enthält eine solche Regelung, indem die Ehegatten sich gegenseitig zu befreiten Vorerben und die Kinder zu Schlusserben bestimmten.
    Die Relevanz besteht darin, dass die nachfolgende Einsetzung der zweiten Ehefrau als Alleinerbin im Testament von 2007 und 2019 die zuvor getroffene Regelung nicht wirksam ersetzen konnte, da die Kinder als Schlusserben vorgesehen waren.
  • § 2084 BGB (Auslegung von Verfügungen von Todes wegen): Der wirkliche Wille des Erblassers ist bei der Auslegung von Testamenten maßgeblich. Dies schließt auch den Kontext und die Absicht ein, die hinter bestimmten Formulierungen steht. Hier ergibt die Auslegung des Testaments von 1980, dass die Testierenden die Kinder eindeutig als Schlusserben einsetzen wollten.
    Der Fall zeigt, dass die spätere Änderung der Erbfolge durch das Testament von 2019 nicht im Einklang mit dem ursprünglichen Willen des Erblassers und seiner ersten Ehefrau stand, was die Auslegung des OLG Karlsruhe bestätigt.
  • § 2136 BGB (Befreiter Vorerbe): Ein befreiter Vorerbe hat umfassendere Rechte als ein unbefreiter Vorerbe, insbesondere hinsichtlich der Verwaltung und Verfügung über das Nachlassvermögen. Im Testament von 1980 wurde der überlebende Ehegatte als befreiter Vorerbe eingesetzt.
    Der Fall verdeutlicht, dass diese Regelung nicht nur die Rechte des längerlebenden Ehegatten stärkte, sondern auch das Vertrauen der Testierenden widerspiegelt, dass das Vermögen nach dem Tod des Letztversterbenden an die Kinder übergeht.
  • § 2361 Satz 1 BGB (Unrichtigkeit des Erbscheins): Ein erteilter Erbschein ist unrichtig, wenn die darin getroffene Feststellung der Erbfolge mit der tatsächlichen Rechtslage nicht übereinstimmt. Im vorliegenden Fall wurde festgestellt, dass der Erbschein zugunsten der zweiten Ehefrau falsch war, da er gegen die Bindungswirkung des Testaments von 1980 verstieß.
    Die Bedeutung liegt in der Korrektur der Erbfolge zugunsten der Kinder aus erster Ehe, da die ursprüngliche testamentarische Verfügung Vorrang hat.

Das vorliegende Urteil


OLG Karlsruhe – Az.: 14 W 87/24 (Wx) – Beschluss vom 09.12.2024


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