Übersicht
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Geschäftsführer einer GmbH und Kündigungsschutz: Aktuelle Rechtsprechung analysiert
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- FAQ – Häufige Fragen
- Welche Kündigungsschutzregelungen gelten für GmbH-Geschäftsführer?
- Unter welchen Umständen kann ein GmbH-Geschäftsführer dennoch Kündigungsschutz genießen?
- Welche Rolle spielt der Anstellungsvertrag eines Geschäftsführers im Hinblick auf den Kündigungsschutz?
- Wie kann sich ein GmbH-Geschäftsführer gegen eine Kündigung wehren?
- Was sollten GmbH-Geschäftsführer bei der Vertragsverhandlung bezüglich des Kündigungsschutzes beachten?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Der Kläger und die Beklagte streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und ob der Kläger Kündigungsschutz genießt.
- Der Kläger war Geschäftsführer und Operations Director bei der Beklagten, einem großen Chemieunternehmen.
- Der Kläger wurde als Geschäftsführer abberufen und erhielt eine ordentliche Kündigung, die er anfechtete.
- Die zentrale Frage war, ob der Kläger als Geschäftsführer unter den allgemeinen Kündigungsschutz fällt.
- Das Gericht entschied, dass Geschäftsführer keinen allgemeinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) genießen.
- Der Kündigungsschutz greift nicht, weil Geschäftsführer als Organmitglieder nicht als Arbeitnehmer im Sinne des KSchG gelten.
- Selbst wenn ein Arbeitsverhältnis bestünde, würde die negative Fiktion des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG die Anwendung des Kündigungsschutzes ausschließen.
- Die Parteien hatten keinen ausdrücklich vereinbarten Kündigungsschutz im Anstellungsvertrag festgelegt.
- Es war keine Anhörung des Betriebsrates erforderlich, da der Kläger nicht als Arbeitnehmer galt.
- Die Revision gegen das Urteil wurde zugelassen, was bedeutet, dass der Fall möglicherweise vor einem höheren Gericht weiterverhandelt wird.
Geschäftsführer einer GmbH und Kündigungsschutz: Aktuelle Rechtsprechung analysiert
Die Frage, ob Geschäftsführer einer GmbH den allgemeinen Kündigungsschutz genießen, ist kompliziert und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Grundsätzlich gilt der allgemeine Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) für Arbeitnehmer, die in einem Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate beschäftigt sind. Geschäftsführer einer GmbH hingegen sind in der Regel keine Arbeitnehmer im Sinne des KSchG, sondern Gesellschafter-Geschäftsführer. Dies bedeutet, dass sie im Grundsatz nicht durch das KSchG geschützt sind. Dennoch kann es in bestimmten Fällen, beispielsweise bei einer sog. „faktischen Arbeitsverhältnis“, einen Anspruch auf Kündigungsschutz geben.
In der Praxis sind die Grenzen zwischen Arbeitnehmer und Gesellschafter-Geschäftsführer jedoch fließend. Viele Geschäftsführer einer GmbH erfüllen die Kriterien für ein Arbeitsverhältnis, da sie ihren Arbeitsalltag mit den Aufgaben eines „normalen“ Arbeitnehmers verbringen, während sie gleichzeitig die Rechte und Pflichten eines Gesellschafters innehaben. Ob der allgemeine Kündigungsschutz in einem konkreten Fall greift, ist daher eine Frage der Einzelfallbetrachtung, die von spezialisierten Gerichten entschieden werden muss. Um dies zu veranschaulichen, wollen wir im Folgenden ein Gerichtsurteil analysieren, das sich mit den Voraussetzungen für den Schutz vor Kündigung im Fall eines Geschäftsführers auseinandersetzt.
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Der Fall vor Gericht
Kein Kündigungsschutz für GmbH-Geschäftsführer trotz arbeitsvertragsähnlicher Stellung
Das Hessische Landesarbeitsgericht hat in einem bemerkenswerten Urteil entschieden, dass GmbH-Geschäftsführer auch dann keinen allgemeinen Kündigungsschutz genießen, wenn sie faktisch wie Arbeitnehmer behandelt werden. Der Fall betraf einen langjährigen Geschäftsführer, der sich gegen seine Kündigung zur Wehr setzte.
Hintergrund des Rechtsstreits
Der Kläger war seit 2007 als Geschäftsführer für eine GmbH tätig. Neben seiner Organstellung hatte er einen „Außertariflichen Anstellungsvertrag“ abgeschlossen, der typische Elemente eines Arbeitsvertrags enthielt. In einem separaten Schreiben wurde ihm zugesichert, dass er „im Innenverhältnis als Arbeitnehmer“ behandelt werde.
Ende 2019 wurde der Kläger als Geschäftsführer abberufen und sein Vertragsverhältnis gekündigt. Er klagte dagegen mit der Begründung, ihm stehe aufgrund der arbeitsvertragsähnlichen Ausgestaltung seines Dienstverhältnisses der allgemeine Kündigungsschutz zu.
Entscheidung des Landesarbeitsgerichts
Das Hessische Landesarbeitsgericht wies die Klage ab und bestätigte damit das erstinstanzliche Urteil. Entscheidend war, dass der Kläger im Zeitpunkt der Kündigung noch als Geschäftsführer bestellt war. Nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) gilt der allgemeine Kündigungsschutz nicht für Organmitglieder juristischer Personen wie GmbH-Geschäftsführer.
Das Gericht stellte klar: Diese Ausnahme vom Kündigungsschutz greift selbst dann, wenn das der Organstellung zugrundeliegende Vertragsverhältnis materiell-rechtlich als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren wäre. Entscheidend sei allein die formale Organstellung zum Zeitpunkt der Kündigung.
Keine abweichende vertragliche Vereinbarung
Das Gericht prüfte auch, ob die Parteien vertraglich eine Abweichung von § 14 KSchG und die Anwendung des Kündigungsschutzes vereinbart hatten. Dies verneinte es jedoch:
- Der Anstellungsvertrag enthielt keine Regelung zum Kündigungsschutz.
- Die Zusage, den Kläger „im Innenverhältnis als Arbeitnehmer“ zu behandeln, bezog sich nach Auslegung des Gerichts nicht eindeutig auf den Kündigungsschutz.
- Für eine Ausnahme von der gesetzlichen Regelung des § 14 KSchG wäre eine klare vertragliche Vereinbarung erforderlich gewesen.
Bedeutung für die Praxis
Das Urteil verdeutlicht, dass GmbH-Geschäftsführer grundsätzlich vom allgemeinen Kündigungsschutz ausgenommen sind – selbst wenn ihr Vertragsverhältnis arbeitsvertragsähnlich ausgestaltet ist. Entscheidend ist allein die formale Organstellung.
Geschäftsführer, die Kündigungsschutz genießen möchten, müssen dies ausdrücklich und eindeutig vertraglich vereinbaren. Allgemeine Zusagen zur arbeitnehmerähnlichen Behandlung reichen dafür nicht aus.
Für Unternehmen bedeutet die Entscheidung mehr Flexibilität bei der Trennung von Geschäftsführern. Gleichzeitig müssen sie bei Zusagen zur arbeitsrechtlichen Stellung von Geschäftsführern sehr sorgfältig formulieren, um keine ungewollten Rechtsfolgen auszulösen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Die Entscheidung bekräftigt, dass GmbH-Geschäftsführer grundsätzlich keinen allgemeinen Kündigungsschutz genießen, selbst wenn ihr Vertragsverhältnis arbeitsvertragsähnlich ausgestaltet ist. Entscheidend ist allein die formale Organstellung zum Zeitpunkt der Kündigung. Für eine Ausnahme von dieser Regel bedarf es einer ausdrücklichen und eindeutigen vertraglichen Vereinbarung. Allgemeine Zusagen zur arbeitnehmerähnlichen Behandlung reichen hierfür nicht aus.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Als GmbH-Geschäftsführer genießen Sie grundsätzlich keinen gesetzlichen Kündigungsschutz, selbst wenn Ihr Vertragsverhältnis arbeitnehmerähnlich ausgestaltet ist. Entscheidend ist allein Ihre formale Organstellung zum Zeitpunkt der Kündigung. Um Kündigungsschutz zu erhalten, müssen Sie dies ausdrücklich und eindeutig vertraglich vereinbaren. Allgemeine Zusagen zur arbeitnehmerähnlichen Behandlung oder die Bezeichnung als „Arbeitnehmer im Innenverhältnis“ reichen dafür nicht aus. Prüfen Sie daher Ihren Vertrag genau und verhandeln Sie bei Bedarf eine klare Kündigungsschutzklausel. Ohne eine solche können Sie im Falle einer Kündigung deutlich einfacher aus dem Unternehmen ausscheiden als ein normaler Arbeitnehmer.
FAQ – Häufige Fragen
Als Geschäftsführer einer GmbH steht man vor vielen rechtlichen Herausforderungen. Die Frage nach dem Kündigungsschutz von GmbH-Geschäftsführern beschäftigt dabei viele. Um Ihnen Klarheit zu verschaffen und die wichtigsten Fragen zu beantworten, haben wir eine FAQ-Rubrik erstellt. Hier finden Sie verständliche und präzise Antworten auf Ihre Fragen.
Wichtige Fragen, kurz erläutert:
- Welche Kündigungsschutzregelungen gelten für GmbH-Geschäftsführer?
- Unter welchen Umständen kann ein GmbH-Geschäftsführer dennoch Kündigungsschutz genießen?
- Welche Rolle spielt der Anstellungsvertrag eines Geschäftsführers im Hinblick auf den Kündigungsschutz?
- Wie kann sich ein GmbH-Geschäftsführer gegen eine Kündigung wehren?
- Was sollten GmbH-Geschäftsführer bei der Vertragsverhandlung bezüglich des Kündigungsschutzes beachten?
Welche Kündigungsschutzregelungen gelten für GmbH-Geschäftsführer?
Für GmbH-Geschäftsführer gelten grundsätzlich andere Kündigungsschutzregelungen als für normale Arbeitnehmer. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass Geschäftsführer in der Regel nicht unter den Schutz des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) fallen.
Dies ergibt sich aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG, wonach die Vorschriften über den allgemeinen Kündigungsschutz nicht für Personen gelten, die zur gesetzlichen Vertretung einer juristischen Person berufen sind. GmbH-Geschäftsführer fallen als Organmitglieder der Gesellschaft genau in diese Kategorie.
Konkret bedeutet dies, dass ein GmbH-Geschäftsführer keinen Schutz vor sozial ungerechtfertigten Kündigungen genießt. Die Gesellschafter können das Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers grundsätzlich jederzeit unter Einhaltung der vereinbarten oder gesetzlichen Kündigungsfrist beenden, ohne dass dafür ein besonderer Grund vorliegen muss.
Allerdings gibt es einige wichtige Ausnahmen und Besonderheiten zu beachten:
In seltenen Fällen kann ein Geschäftsführer ausnahmsweise als Arbeitnehmer eingestuft werden. Dies kommt in Betracht, wenn er trotz seiner Organstellung in einem starken Abhängigkeitsverhältnis zur Gesellschaft steht und weisungsgebunden arbeitet. In solchen Fällen könnte das KSchG doch Anwendung finden.
Auch wenn das KSchG nicht gilt, haben Geschäftsführer einen gewissen Schutz durch das allgemeine Zivilrecht. So darf eine Kündigung nicht sittenwidrig oder treuwidrig sein. Zudem gelten die Regelungen zum Diskriminierungsschutz aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) auch für Geschäftsführer.
Besonders zu beachten ist, dass die Abberufung als Geschäftsführer und die Kündigung des Anstellungsvertrags zwei getrennte Vorgänge sind. Die Abberufung als Organ der Gesellschaft ist jederzeit ohne Grund möglich. Die Kündigung des Anstellungsvertrags muss hingegen unter Einhaltung der vereinbarten Fristen erfolgen.
Geschäftsführer können sich durch vertragliche Vereinbarungen zusätzlich absichern. Üblich sind etwa längere Kündigungsfristen oder Abfindungsregelungen für den Fall einer vorzeitigen Vertragsbeendigung.
In der Praxis ist es für GmbH-Geschäftsführer daher besonders wichtig, auf eine sorgfältige Gestaltung ihres Anstellungsvertrags zu achten. Dieser sollte klare Regelungen zu Kündigungsfristen, möglichen Abfindungen und den Voraussetzungen für eine Kündigung enthalten.
Es ist zu betonen, dass trotz des fehlenden gesetzlichen Kündigungsschutzes GmbH-Geschäftsführer nicht völlig schutzlos sind. Sie genießen zwar nicht den gleichen umfassenden Schutz wie normale Arbeitnehmer, haben aber durchaus Möglichkeiten, ihre Position vertraglich abzusichern und sich gegen willkürliche oder diskriminierende Kündigungen zu wehren.
Unter welchen Umständen kann ein GmbH-Geschäftsführer dennoch Kündigungsschutz genießen?
Grundsätzlich genießt ein GmbH-Geschäftsführer keinen gesetzlichen Kündigungsschutz. Dies ergibt sich aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 des Kündigungsschutzgesetzes, der Organmitglieder juristischer Personen vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausdrücklich ausnimmt. Dennoch gibt es einige Ausnahmen und Sonderkonstellationen, in denen ein GmbH-Geschäftsführer Kündigungsschutz genießen kann.
Eine wichtige Ausnahme bildet der Fall des Fremdgeschäftsführers, der keine Gesellschaftsanteile an der GmbH hält. Ist dieser in seiner Tätigkeit stark weisungsgebunden und wirtschaftlich von der Gesellschaft abhängig, kann sein Anstellungsverhältnis als Arbeitsverhältnis eingestuft werden. In diesem Fall würde der allgemeine Kündigungsschutz greifen. Die Rechtsprechung prüft hier im Einzelfall, ob der Geschäftsführer tatsächlich wie ein Arbeitnehmer in die betriebliche Organisation eingegliedert ist und weisungsabhängig arbeitet.
Eine weitere Möglichkeit des Kündigungsschutzes ergibt sich aus vertraglichen Vereinbarungen. Im Geschäftsführeranstellungsvertrag kann explizit festgelegt werden, dass die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes Anwendung finden sollen. Solche Klauseln sind rechtlich zulässig, kommen in der Praxis aber eher selten vor. Sie können beispielsweise vorsehen, dass eine Kündigung nur aus wichtigem Grund oder unter Einhaltung bestimmter Fristen möglich ist.
In bestimmten Fällen kann auch ein besonderer gesetzlicher Kündigungsschutz greifen. So hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass schwangere Geschäftsführerinnen vom Kündigungsverbot der europäischen Mutterschutz-Richtlinie erfasst werden. Dieses Verbot gilt unabhängig von der Organstellung und schützt vor Kündigungen während der Schwangerschaft und bis zum Ende des Mutterschaftsurlaubs.
Eine interessante Konstellation ergibt sich bei Geschäftsführern mit ruhendem Arbeitsverhältnis. Wurde ein Arbeitnehmer zum Geschäftsführer bestellt und sein bestehendes Arbeitsverhältnis lediglich ruhend gestellt, lebt dieses nach Abberufung und Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrags wieder auf. Für dieses wieder auflebende Arbeitsverhältnis gilt dann der allgemeine Kündigungsschutz.
Bei Drittanstellungsverhältnissen kann ebenfalls Kündigungsschutz bestehen. Ist der Geschäftsführer beispielsweise bei der Muttergesellschaft angestellt und als Fremdgeschäftsführer in einer Tochter-GmbH tätig, kann er im Verhältnis zur Muttergesellschaft Arbeitnehmerstatus genießen. Allerdings ist er dann meist als leitender Angestellter im Sinne von § 14 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz einzustufen, was den Kündigungsschutz einschränkt.
In Ausnahmefällen kann auch der europäische Arbeitnehmerbegriff zu einem gewissen Schutz führen. Dies betrifft insbesondere die Regelungen zu Massenentlassungen. Hier werden Fremdgeschäftsführer einer GmbH nach europäischem Recht in der Regel als Arbeitnehmer eingestuft und bei der Berechnung der Schwellenwerte für Massenentlassungen berücksichtigt.
Es ist wichtig zu betonen, dass diese Ausnahmen und Sonderkonstellationen stets im Einzelfall zu prüfen sind. Die Rechtsprechung entwickelt sich in diesem Bereich stetig weiter und berücksichtigt die spezifischen Umstände jedes Falls. Geschäftsführer sollten daher ihre vertragliche und tatsächliche Stellung in der Gesellschaft genau analysieren, um mögliche Schutzrechte zu identifizieren.
Welche Rolle spielt der Anstellungsvertrag eines Geschäftsführers im Hinblick auf den Kündigungsschutz?
Der Anstellungsvertrag eines Geschäftsführers spielt eine entscheidende Rolle für seinen Kündigungsschutz. Im Gegensatz zu gewöhnlichen Arbeitnehmern genießen Geschäftsführer einer GmbH grundsätzlich keinen gesetzlichen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz. Dies ergibt sich aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG, der Organmitglieder juristischer Personen explizit vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausnimmt.
Dennoch kann der Anstellungsvertrag wichtige Schutzfunktionen für den Geschäftsführer übernehmen. Eine zentrale Rolle spielen dabei die vereinbarten Kündigungsfristen. Während das Gesetz für Dienstverträge sehr kurze Fristen vorsieht, können im Anstellungsvertrag deutlich längere Kündigungsfristen festgelegt werden. Üblich sind Fristen von sechs bis zwölf Monaten zum Quartalsende. Diese verlängerten Fristen geben dem Geschäftsführer im Falle einer Kündigung mehr Zeit, sich beruflich neu zu orientieren.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die mögliche Vereinbarung einer Befristung des Anstellungsvertrags. Wird der Vertrag für eine feste Laufzeit von beispielsweise drei oder fünf Jahren geschlossen, kann er vor Ablauf dieser Zeit nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. Dies erhöht die Sicherheit des Geschäftsführers erheblich.
Von großer Bedeutung sind auch Regelungen zur Abfindung im Falle einer Kündigung. Da der gesetzliche Kündigungsschutz nicht greift, können im Anstellungsvertrag Abfindungszahlungen für den Fall einer ordentlichen Kündigung durch die Gesellschaft vereinbart werden. Die Höhe orientiert sich oft an der Dauer der Beschäftigung und dem Gehalt des Geschäftsführers.
Besondere Aufmerksamkeit verdienen Klauseln zur Verknüpfung von Organstellung und Anstellungsvertrag. Häufig wird vereinbart, dass mit der Abberufung als Geschäftsführer auch automatisch der Anstellungsvertrag endet. Solche Kopplungsklauseln sind grundsätzlich zulässig, können aber die Position des Geschäftsführers schwächen. Vorteilhafter ist es, wenn Organstellung und Anstellungsverhältnis getrennt voneinander bestehen bleiben.
In Ausnahmefällen kann im Anstellungsvertrag sogar die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes vereinbart werden. Dies ist rechtlich umstritten, wird von der Rechtsprechung aber grundsätzlich als zulässig erachtet. Eine solche Vereinbarung würde dem Geschäftsführer einen deutlich stärkeren Schutz vor Kündigungen bieten.
Nicht zu vernachlässigen sind auch Regelungen zu nachvertraglichen Wettbewerbsverboten. Diese schränken zwar die beruflichen Möglichkeiten des Geschäftsführers nach seinem Ausscheiden ein, sichern ihm aber für diesen Zeitraum eine Karenzentschädigung zu. Dies kann insbesondere bei einer überraschenden Kündigung eine wichtige finanzielle Absicherung darstellen.
Der Anstellungsvertrag kann zudem Regelungen zur Altersvorsorge, zu Bonuszahlungen oder zur Nutzung eines Dienstwagens enthalten. Auch wenn diese Punkte nicht direkt den Kündigungsschutz betreffen, können sie die finanzielle Situation des Geschäftsführers im Falle einer Kündigung positiv beeinflussen.
Es zeigt sich, dass der Anstellungsvertrag eines Geschäftsführers zahlreiche Möglichkeiten bietet, seinen rechtlichen und finanziellen Schutz zu verbessern. Die genaue Ausgestaltung erfordert jedoch eine sorgfältige Abwägung und Verhandlung, da die Interessen des Geschäftsführers und der Gesellschaft hier oft gegenläufig sind. Eine präzise und durchdachte Vertragsgestaltung ist für Geschäftsführer von enormer Bedeutung, um ihre Position im Unternehmen abzusichern und im Falle einer Kündigung nicht schutzlos dazustehen.
Wie kann sich ein GmbH-Geschäftsführer gegen eine Kündigung wehren?
GmbH-Geschäftsführer haben bei einer Kündigung grundsätzlich eine schwächere rechtliche Position als normale Arbeitnehmer. Dennoch gibt es einige Möglichkeiten, sich gegen eine Kündigung zu wehren.
Zunächst ist es wichtig zu unterscheiden zwischen der Abberufung als Geschäftsführer und der Kündigung des Anstellungsvertrags. Die Abberufung als Organ der GmbH kann in der Regel jederzeit ohne Angabe von Gründen erfolgen. Gegen die Kündigung des Anstellungsvertrags hingegen bestehen einige Ansatzpunkte.
Ein wesentlicher Aspekt ist die Prüfung der Kündigungsfrist. Für Fremdgeschäftsführer und Gesellschafter-Geschäftsführer mit geringem Anteil gelten in der Regel die längeren gesetzlichen Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 2 BGB. Diese verlängern sich mit zunehmender Beschäftigungsdauer. Wurde eine kürzere Frist angesetzt, kann der Geschäftsführer dagegen vorgehen.
Bei einer fristlosen Kündigung muss ein wichtiger Grund vorliegen. Fehlt dieser, kann der Geschäftsführer die Unwirksamkeit der Kündigung geltend machen. Wichtige Gründe können etwa schwere Pflichtverletzungen oder strafbare Handlungen sein. Die Beweislast für den wichtigen Grund liegt beim Unternehmen.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Einhaltung von Formvorschriften zu prüfen. Zwar muss die Kündigung eines Geschäftsführers nicht zwingend schriftlich erfolgen, viele Anstellungsverträge sehen dies aber vor. Wurde die vereinbarte Form nicht eingehalten, kann die Kündigung unwirksam sein.
Geschäftsführer können zudem prüfen, ob die Kündigung diskriminierend ist. Auch wenn das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) nicht direkt auf Organmitglieder anwendbar ist, können dessen Wertungen herangezogen werden. Eine Kündigung aufgrund des Geschlechts, der ethnischen Herkunft oder anderer geschützter Merkmale wäre demnach angreifbar.
In einigen Fällen kann ein Geschäftsführer argumentieren, dass er faktisch wie ein Arbeitnehmer zu behandeln ist. Dies kommt in Betracht, wenn er stark weisungsgebunden arbeitet und kaum unternehmerische Entscheidungsfreiheit hat. Gelingt dieser Nachweis, würde der volle arbeitsrechtliche Kündigungsschutz greifen.
Eine weitere Strategie ist die Prüfung, ob im Anstellungsvertrag besondere Kündigungsschutzklauseln vereinbart wurden. Manche Verträge sehen vor, dass eine Kündigung nur aus wichtigem Grund möglich ist oder dass bestimmte Verfahren eingehalten werden müssen.
Geschäftsführer können auch versuchen, die Kündigung als sittenwidrig anzufechten. Dies kommt etwa in Betracht, wenn die Kündigung aus Rache oder anderen verwerflichen Motiven erfolgt.
Schließlich besteht die Möglichkeit, über eine Abfindung zu verhandeln. Auch wenn kein gesetzlicher Anspruch besteht, sind Unternehmen oft zu einer Abfindungszahlung bereit, um langwierige rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.
Bei all diesen Ansätzen ist zu beachten, dass die Erfolgsaussichten im Einzelfall stark variieren können. Geschäftsführer sollten daher sorgfältig abwägen, welche Schritte sie unternehmen. Eine gütliche Einigung mit dem Unternehmen kann oft vorteilhafter sein als ein langwieriger Rechtsstreit.
Was sollten GmbH-Geschäftsführer bei der Vertragsverhandlung bezüglich des Kündigungsschutzes beachten?
Bei der Vertragsverhandlung sollten GmbH-Geschäftsführer bezüglich des Kündigungsschutzes mehrere wichtige Aspekte beachten.
Zunächst ist es ratsam, eine möglichst lange feste Vertragslaufzeit ohne vorzeitige Kündigungsmöglichkeit zu vereinbaren. Eine Mindestlaufzeit von zwei Jahren bietet dem Geschäftsführer eine gewisse Planungssicherheit. Alternativ oder ergänzend sollten lange Kündigungsfristen ausgehandelt werden, idealerweise mindestens drei bis sechs Monate zum Ende eines Kalendervierteljahres. Dies verschafft dem Geschäftsführer im Falle einer Kündigung mehr Zeit für die berufliche Neuorientierung.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die vertragliche Vereinbarung von Kündigungsgründen. Obwohl Geschäftsführer grundsätzlich nicht unter das Kündigungsschutzgesetz fallen, kann im Vertrag festgelegt werden, dass eine Kündigung nur aus bestimmten Gründen möglich ist. Dies erhöht die Hürden für eine Kündigung erheblich.
Besonderes Augenmerk sollte auf die sogenannte Koppelungsklausel gelegt werden. Diese verknüpft die Abberufung als Geschäftsführer automatisch mit der Kündigung des Anstellungsvertrags. Eine solche Klausel sollte vermieden oder zumindest abgemildert werden, etwa durch die Vereinbarung einer Weiterbeschäftigung in anderer Position nach einer Abberufung.
Die Vereinbarung einer Abfindungsregelung für den Fall einer vorzeitigen Vertragsbeendigung ist ebenfalls empfehlenswert. Hierbei kann beispielsweise festgelegt werden, dass der Geschäftsführer eine Abfindung in Höhe von X Monatsgehältern erhält, wenn der Vertrag vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit gekündigt wird.
Ein oft übersehener, aber wichtiger Aspekt ist die Haftungsbegrenzung. Geschäftsführer sollten darauf bestehen, dass die Gesellschaft sich verpflichtet, eine D&O-Versicherung (Directors and Officers Liability Insurance) mit ausreichender Deckungssumme abzuschließen. Dies schützt den Geschäftsführer vor persönlichen Haftungsrisiken.
Für den Fall einer Kündigung ist es zudem sinnvoll, Freistellungsregelungen zu vereinbaren. Diese sollten vorsehen, dass der Geschäftsführer bei einer Kündigung unter Fortzahlung der Bezüge von seiner Arbeitspflicht freigestellt wird. Dies ermöglicht es ihm, sich uneingeschränkt um eine neue berufliche Perspektive zu kümmern.
Wettbewerbsverbote nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses sollten kritisch geprüft und möglichst vermieden oder zumindest zeitlich und inhaltlich eng begrenzt werden. Falls ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart wird, ist auf eine angemessene Karenzentschädigung zu achten.
Schließlich ist es ratsam, eine Schiedsklausel in den Vertrag aufzunehmen. Diese sieht vor, dass Streitigkeiten aus dem Vertrag nicht vor ordentlichen Gerichten, sondern vor einem Schiedsgericht verhandelt werden. Dies kann zu einer schnelleren und diskreteren Beilegung von Konflikten führen.
Bei all diesen Punkten ist zu beachten, dass die Verhandlungsposition des Geschäftsführers von verschiedenen Faktoren abhängt, wie seiner Erfahrung, der Unternehmensgröße und der Branche. Es empfiehlt sich daher, die Vertragsverhandlungen gut vorzubereiten und gegebenenfalls rechtliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Kündigungsschutzgesetz (KSchG): Das Kündigungsschutzgesetz bietet Arbeitnehmern, die länger als sechs Monate in einem Betrieb mit mehr als zehn Mitarbeitern tätig sind, Schutz vor sozial ungerechtfertigten Kündigungen. Geschäftsführer einer GmbH sind jedoch von diesem Schutz ausgenommen, da sie als Organmitglieder gelten und nicht als Arbeitnehmer.
- Organstellung: Die Organstellung bezieht sich auf die formale Position einer Person als Geschäftsführer oder Vorstandsmitglied in einer juristischen Person, wie einer GmbH. Diese Stellung unterscheidet sich von einem normalen Arbeitsverhältnis und beeinflusst den Kündigungsschutz erheblich.
- Außertariflicher Anstellungsvertrag: Ein solcher Vertrag wird zwischen einem Arbeitgeber und einem Mitarbeiter geschlossen, der nicht unter die Tarifverträge fällt. Er kann individuelle Regelungen enthalten, die von den tariflichen Bestimmungen abweichen. Im Kontext des Geschäftsführers bedeutet dies oft besondere Gehalts- und Arbeitsbedingungen, die jedoch nicht automatisch den Kündigungsschutz umfassen.
- Negative Fiktion nach § 14 KSchG: Diese Bestimmung besagt, dass die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes nicht für Mitglieder von Organen juristischer Personen gelten, selbst wenn das zugrunde liegende Vertragsverhältnis arbeitsvertragsähnlich ist. Für Geschäftsführer bedeutet dies, dass sie keinen allgemeinen Kündigungsschutz haben.
- Abberufung: Die Abberufung ist die formelle Entscheidung, einen Geschäftsführer von seinem Amt zu entheben. Diese Entscheidung kann unabhängig von einer Kündigung des Anstellungsvertrags erfolgen und ist im GmbH-Gesetz geregelt. Abberufungen sind oft mit sofortiger Wirkung und ohne Angabe von Gründen möglich.
- Innenverhältnis: Das Innenverhältnis beschreibt die internen rechtlichen Beziehungen und Vereinbarungen innerhalb einer Gesellschaft, die zwischen den Gesellschaftern und Organmitgliedern bestehen. Im Fall von Geschäftsführern kann dies beinhalten, dass sie wie Arbeitnehmer behandelt werden, was jedoch nicht zwingend einen Kündigungsschutz nach dem KSchG bedeutet.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 14 Abs. 1 Nr. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG): Das Kündigungsschutzgesetz regelt den Kündigungsschutz für Arbeitnehmer. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG schließt jedoch Organmitglieder, zu denen auch Geschäftsführer einer GmbH gehören, vom Geltungsbereich des KSchG aus. Dies bedeutet, dass für Geschäftsführer grundsätzlich kein gesetzlicher Kündigungsschutz besteht. Im vorliegenden Fall war der Kläger Geschäftsführer einer GmbH und daher grundsätzlich nicht durch das KSchG geschützt.
- § 611 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Dieser Paragraph definiert den Arbeitsvertrag als eine Vereinbarung, durch die sich der Arbeitnehmer zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Im vorliegenden Fall hatte der Geschäftsführer zwar einen „Außertariflichen Anstellungsvertrag“, der Elemente eines Arbeitsvertrags enthielt, jedoch war er gleichzeitig Geschäftsführer und damit Organmitglied. Die Frage, ob ein Arbeitsverhältnis vorlag, war daher entscheidend für den Kündigungsschutz.
- § 38 GmbH-Gesetz (GmbHG): Dieses Gesetz regelt die Rechte und Pflichten von Geschäftsführern einer GmbH. § 38 GmbHG bestimmt, dass Geschäftsführer grundsätzlich jederzeit abberufen werden können. Dies bedeutet, dass auch ein Geschäftsführer mit einem arbeitsvertragsähnlichen Vertrag grundsätzlich jederzeit abberufen und gekündigt werden kann. Im vorliegenden Fall wurde der Kläger als Geschäftsführer abberufen und gekündigt, was grundsätzlich zulässig ist.
- § 622 BGB: Dieser Paragraph regelt die Kündigungsfristen bei Arbeitsverhältnissen. Da Geschäftsführer grundsätzlich nicht unter das KSchG fallen, gelten für sie die längeren Kündigungsfristen des § 622 BGB. Im vorliegenden Fall wurde die Kündigung zum 30. Juni 2020 ausgesprochen, was der Frist des § 622 BGB entspricht.
- Grundsatz der Vertragsfreiheit: Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit können die Parteien grundsätzlich frei vereinbaren, ob und in welchem Umfang ein Kündigungsschutz gelten soll. Im vorliegenden Fall hatte der Geschäftsführer zwar einen arbeitsvertragsähnlichen Vertrag, jedoch enthielt dieser keine ausdrückliche Regelung zum Kündigungsschutz. Das Gericht stellte daher fest, dass kein vertraglicher Kündigungsschutz vereinbart worden war.
Das vorliegende Urteil
OLG Düsseldorf – Az.: I-7 U 139/21 – Urteil vom 22.10.2021
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Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der Einzelrichterin der 7. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 12.01.2021 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsrechtszuges werden dem Beklagten auferlegt.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Gründe
I.
Die Kläger nehmen als Rechtsnachfolger der am 16.08.2019 verstorbenen Frau I-S den Beklagten auf Rückzahlung restlicher 200.000,- EUR aus zwei ihm von der Erblasserin über insgesamt 900.000,- EUR gewährten Darlehen in Anspruch. Die Erblasserin kündigte die Darlehen mit Schreiben vom 11.05.2017 (Anlagenband Kläger) zum 01.11.2017. Der Beklagte zahlte am 08.01.2019 400.000,- EUR und am 15.01.2019 weitere 300.000,- EUR an die Erblasserin zurück.
Für ihre Erbenstellung beziehen sich die Kläger auf den notariell beurkundeten Erbvertrag des Notars Dr. R vom 12.09.2017 (Anlagenband Kläger), wonach sie zu gleichen Teilen zu alleinigen und unbeschränkten Erben des Letztversterbenden der Eheleute S und I-S eingesetzt worden sind. S ist vor seiner Ehefrau am 21.03.2019 verstorben. Der Erbvertrag wurde erstmals am 28.05.2019 und sodann am 20.08.2019 durch das Amtsgericht O – (Az.) – eröffnet.
Die Kläger haben behauptet, der Beklagte habe bei einem Gespräch vom 21.03.2019 in seinem Haus versichert, dass sie die restlichen 200.000,- EUR bekämen.
Der Beklagte hat die Erbenstellung der Kläger bestritten. Solange die Kläger keinen Erbschein vorlegten, müsse bestritten werden, dass der Erbvertrag vom 12.09.2017 Wirkung entfaltet habe. Außerdem hat er die Fälligkeit der Darlehensforderung bestritten.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage unter Abweisung eines Teils des Zinsanspruchs stattgegeben und den Beklagten zur Zahlung von 200.000,- EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.08.2019 verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Kläger die Gesamtrechtsnachfolge durch Vorlage des notariell beurkundeten Erbvertrages hinreichend nachgewiesen hätten. Der Beklagte habe nicht dargetan, dass und weshalb er an der Erbberechtigung der Kläger zweifle. Die Darlehensgewährung sei unstreitig; die Rückzahlung sei aufgrund der Kündigung der Erblasserin zum 01.11.2017 auch fällig.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er weiterhin eine Klageabweisung erstrebt. Zur Begründung führt er aus, die Kläger hätten ihre Erbberechtigung nicht nachgewiesen. Die Vorlage des Erbvertrages sei nicht ausreichend. Sie hätten aus Gründen der Rechtssicherheit und zur Vermeidung einer mehrfachen Inanspruchnahme des Beklagten einen Erbschein vorlegen müssen. Zweifel an der Erbenstellung der Kläger ergäben sich daraus, dass sie die Darlehnsverträge nicht vorgelegt hätten. Die angefochtene Entscheidung sei ein Überraschungsurteil, weil das Landgericht den Klägern die Vorlage eines Erbscheins aufgegeben habe und nicht darauf hingewiesen habe, dass es den Beweis auch ohne vorgelegten Erbschein für erbracht gehalten hat.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 12.01.2021 teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Die Kläger verteidigen das (bis auf einen Teil des Zinsanspruchs) zu ihren Gunsten ergangene Urteil des Landgerichts und wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Das angefochtene Urteil stehe im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Die Erbenstellung der Kläger sei nicht nur durch den vorgelegten Erbvertrag bewiesen, sondern ergebe sich auch aus dem weiteren Umstand, dass der Beklagte bei einer Zusammenkunft in seinem Privathaus den Klägern gesagt habe, sie brauchten sich keine Sorgen machen und bekämen die restlichen 200.000,- EUR. Dem Beklagten seien die Familienverhältnisse aufgrund einer langjährigen Freundschaft der Parteien bekannt gewesen. Das persönliche Vertrauensverhältnis sei auch der Grund dafür gewesen, dass dem Beklagten die Sicherheit für das Darlehen in Form von Pfandbriefen vor vollständiger Rückzahlung zurückgegeben worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen genommen.
II.
Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht ist aufgrund des von den Klägern vorgelegten Erbvertrages vom 12.09.2017 und des Eröffnungsprotokolls des Amtsgerichts O vom 20.08.2019 – (Az.) – zu der Überzeugung (§ 286 ZPO) gelangt, dass die Kläger Schlusserben der Darlehensgeberin I-S geworden sind und damit deren Anspruch gegen den Beklagten auf Darlehensrückforderung aus § 488 Abs. 1 S. 2 BGB nach § 1922 Abs. 1 BGB auf sie übergegangen ist.
Diese Bewertung ist für den Senat nach § 529 Abs. 1 ZPO bindend. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellung begründeten, liegen nicht vor und ergeben sich insbesondere nicht aus der rein theoretischen Möglichkeit, dass der Erbvertrag unwirksam sein könnte.
Der Bundesgerichtshof hat sowohl für die Rechtsbeziehungen unter Privatleuten (NJW-RR 2005, 599) als auch für die Rechtsbeziehungen zwischen Verbraucher und Kreditinstitut (NJW 2005, 2779; NJW 2013, 3716) erkannt, dass der Erbe nicht verpflichtet ist, sein Erbrecht durch einen Erbschein nachzuweisen. Legt er ein notariell eröffnetes Testament vor, kann der Anspruchsgegner die Aktivlegitimation des Erben nur in Zweifel ziehen, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Erblasser das Testament später widerrufen oder geändert haben könnte und zu wessen Gunsten dies hätte erfolgt sein können.
Aus der Leistungstreuepflicht (§ 242 BGB) lässt sich der allgemeine Rechtsgedanke ableiten, dass die Legitimationsanforderungen, die an den Vertragspartner gerichtet werden, zumutbar sein müssen. Im Falle des Erbnachweises ist zumutbar nur das, was auch von einem Grundbuchamt verlangt werden könnte, in der Regel also nur die Vorlage einer eröffneten öffentlichen Verfügung von Todes wegen, falls diese existiert. Einen Erbschein darf der Vertragspartner daher nur dann verlangen, wenn auch das Grundbuchamt ihn fordern könnte, also in den Fällen, in denen konkrete, vom Vertragspartner darzulegende Zweifel an der ausgewiesenen Erbfolge bestehen oder in denen die Verfügung in sich unschlüssig oder unklar ist. Abstrakte Zweifel und bloße allgemeine Vermutungen berechtigen den Vertragspartner dagegen nicht, einen Erbschein zu verlangen. Ein solches Verlangen kann demnach auch nicht mit der Möglichkeit gerechtfertigt werden, dass die Verfügung von Todes wegen später aufgehoben oder geändert sein könnte (Starke, NJW 2005, 3184). Diese Gefahr ist durch die Errichtung des zentralen Testamentsregisters im Jahr 2011 zumindest geringer geworden. Sowohl dem allgemein zuständigen Nachlassgericht als auch allen betroffenen Verwaltungsstellen werden kurzfristig die Sterbefallmitteilung und die Zuständigkeit aller beteiligten Stellen übermittelt (Keim ZEV 2014, 277).
Im vorliegenden Fall gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Erblasserin den Erbvertrag vom 12.09.2017 später widerrufen oder geändert haben könnte. Der Beklagte führt insoweit an, dass die Kläger den Darlehensvertrag mit der Erblasserin nicht vorgelegt hätten, was ihnen als Erben hätte möglich sein müssen. Damit wird jedoch kein Anhaltspunkt für eine Änderung des Erbvertrages schlüssig dargelegt. Die Kläger brauchen den Darlehensvertrag schon deshalb nicht vorzulegen, weil die Darlehensgewährung unstreitig ist. Immerhin haben sie das Kündigungsschreiben der Erblasserin vom 11.05.2017 vorgelegt. Der Beklagte, der mit der Erblasserin befreundet war und insofern auch die familiären Verhältnisse kennen wird, trägt nicht vor, was ihn konkret am Bestand des Erbvertrages zweifeln lässt. Andere potentielle Erben haben sich bei ihm auch zwei Jahre nach dem Tod der Erblasserin nicht gemeldet. Schließlich liegt zwischen der Beurkundung des Erbvertrags und dem Tod der Eheleute S ein Zeitraum von weniger als zwei Jahren, innerhalb derer es einen Anlass gegeben haben müsste, den Erbvertrag zu ändern. Hierzu bringt der Beklagte nichts vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 in Verbindung mit § 711 ZPO.
Ein Grund, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, besteht nicht.
Streitwert II. Instanz: 200.000,- EUR