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Gesamtschuldnerische Haftung von Alleinerbe und Angehörigen für Bestattungskosten

AG Waldbröl, Az.: 6 C 131/15, Urteil vom 07.04.2016

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Einziehungsklage.

Gesamtschuldnerische Haftung von Alleinerbe und Angehörigen für Bestattungskosten
Symbolfoto: iconuk/Bigstock

Der Kläger war der Lebensgefährte der am 05.06.2013 verstorbenen Frau X; bei der Beklagten und der Streitverkündeten handelt es sich um die Töchter und Alleinerben der Verstorbenen. Der Kläger organisierte die Beisetzung seiner verstorbenen Lebensgefährtin auf eigene Rechnung und wandte insoweit Kosten in Höhe von insgesamt 3869,64 EUR auf. Später nahm der Kläger die Streitverkündete vor dem Amtsgericht Brandenburg an der Havel auf Zahlung der Beerdigungskosten in Anspruch. Mit Urteil vom 28.04.2014 verurteilte das Amtsgericht Brandenburg an der Havel die Streitverkündete auf Zahlung der Beerdigungskosten, da diese gemäß § 1968 BGB von den Erben ggfls. gesamtschuldnerisch zu tragen sind (Urteil des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 28.04.2014, Az. 33 C 221/13, Anl. K1 zur Klageschrift, Bl. 6 ff. der Gerichtsakte). Aufgrund des im Anschluss an das Urteil ergangenen Kostenfestsetzungsbeschlusses des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 30.07.2014 stehen dem Kläger Ansprüche in Höhe von 1206,03 EUR gegen die Streitverkündete zu. Wegen dieser Forderungen aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ließ der Kläger die Forderung der Streitverkündeten gegen die hiesige Beklagte aus dem internen Ausgleichsanspruch zwischen der Streitverkündeten und der hiesigen Beklagten als Erbengemeinschaft der verstorbenen gemeinsamen Mutter pfänden und an sich überweisen gemäß Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 23.01.2015 (Az. 14 M …/…). Die Erbengemeinschaft zwischen der Streitverkündeten und der Beklagten ist bereits seit längerer Zeit auseinandergesetzt. Die Streitverkündete zahlte auf das Urteil des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel, mit dem sie zur Tragung der Beerdigungskosten verurteilt wurde, an den Kläger nicht.

Der Kläger ist der Ansicht, dass ein bestehender Anspruch der Streitverkündeten gegen die Beklagte wirksam gepfändet und an ihn überwiesen wurde.

Er beantragt daher, die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 1206,03 EUR zuzüglich Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.04.2014 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Streitverkündeten bereits kein Anspruch gegen sie zustehe, da die Erbengemeinschaft – unstreitig – seit längerer Zeit auseinandergesetzt ist und die Streitverkündete die Beerdigungskosten – unstreitig -nicht an den Kläger gezahlt hat. Dementsprechend bestehe kein Anspruch, der gepfändet und überwiesen worden sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.03.2016 sowie auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie auf die beigezogene Vollstreckungsakte des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel, Az. 14 M …/…, verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Einziehungsklage ist nicht begründet.

I.

Die Einziehungsklage des Klägers (Gläubiger) gegen die Beklagte (Drittschuldnerin) ist zulässig.

Insbesondere ist das Amtsgericht Waldbröl gemäß §§ 12, 13 ZPO örtlich zuständig, da die Beklagte ihren Wohnsitz im hiesigen Bezirk hat. Ein besonderer, ausschließlicher Gerichtsstand aus dem Verhältnis zwischen Streitverkündeter (Schuldnerin) und Beklagter (Drittschuldnerin), der im Rahmen der Einziehungsklage zu beachten wäre, ist nicht ersichtlich.

Dass mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 30.07.2014 bereits ein Titel des Klägers gegen die Streitverkündete vorliegt, hindert die Zulässigkeit der Einziehungsklage nicht. Eine Titelumschreibung – z.B. nach § 727 ZPO – als einfacherer Weg kommt nicht in Betracht.

Die Streitverkündung nach § 841 ZPO gegenüber der Schuldnerin ist erfolgt; auch würde dessen Unterlassen nicht die Zulässigkeit hindern.

Letztlich besteht auch Prozessführungsbefugnis. Die Einziehungsklage ist kein Fall der Prozessstandschaft. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gibt dem Kläger (Gläubiger) materielle Verfügungsmacht über die Forderung.

II.

Indes ist die Einziehungsklage nicht begründet. Es besteht kein pfändbarer Anspruch der Streitverkündeten (Schuldnerin) gegen die Beklagte (Drittschuldnerin).

Voraussetzung für die Begründetheit der Einziehungsklage ist das Vorliegen eines wirksamen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses. Allein dessen Anfechtbarkeit ist nicht beachtlich. Ein wirksamer Pfändungs- und Überweisungsbeschluss liegt vor, wenn eine bestimmte oder bestimmbare und existente Forderung bezeichnet wird, das funktionell zuständige Vollstreckungsorgan gehandelt hat und der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wirksam an den Drittschuldner zugestellt wurde. Im vorliegenden Fall besteht aber bereits keine Forderung der Streitverkündeten gegen die Beklagte, die hätte gepfändet werden können. Im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wird »der interne Ausgleichsanspruch betreffend Schuldner und Drittschuldner als Erbengemeinschaft nach X« gepfändet (siehe Bezeichnung des Anspruchs unter G). Ein solcher Anspruch besteht nicht.

Unstreitig ist die Erbengemeinschaft der verstorbenen Frau X, die allein aus der Beklagten und der Streitverkündeten als Töchter der Erblasserin besteht, auseinandergesetzt. Insoweit besteht kein Anspruch der Erbengemeinschaft mehr, der hätte gepfändet werden können.

Weiterhin besteht auch kein Anspruch der Streitverkündeten gegen die Beklagte auf Zahlung der hälftigen Beerdigungskosten aus dem Ausgleich zwischen Gesamtschuldnern gemäß § 426 BGB. Insoweit mag es zwar sein, dass die Streitverkündete und die Beklagte gesamtschuldnerisch für die Bestattungskosten gemäß § 1968 BGB aufzukommen haben, da sie Erben der Verstorbenen sind. Die Streitverkündete hat die Bestattungskosten jedoch weder ganz noch zum Teil an den Kläger bezahlt, obwohl sie durch Urteil des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel dazu verurteilt wurde. Der Kläger hat weder auf das Bestreiten der Zahlung der Bestattungskosten mit Schriftsatz der Beklagten vom 23.11.2015 (Bl. 36 der Gerichtsakte) noch auf den gerichtlichen Hinweis in der Sitzung vom 24.03.2016 vorgetragen, dass der Anspruch ganz oder zum Teil erfüllt sei. Das dahingehende Vorbringen der Beklagten ist damit gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig anzusehen. Die Forderung auf Zahlung der hälftigen Bestattungskosten ist damit nicht gemäß der Legalzession des § 426 Abs. 2 BGB von dem Kläger auf die Streitverkündete übergegangen. Der Schriftsatz vom 06.04.2016 mit dem der Kläger erstmals vorträgt, dass ein Teil der Bestattungskosten in Höhe von 1.000,00 EUR bezahlt wurden, ist nach § 296 ZPO verspätet. Außerdem wird der dahingehende Vortrag nicht unter Beweis gestellt.

Auch der interne Ausgleichsanspruch gemäß § 426 Abs. 1 BGB ist im vorliegenden Fall nicht pfändbar gewesen. Bei dem Anspruch aus § 426 Abs. 1 BGB handelt es sich um einen Mitwirkungsanspruch des einen Gesamtschuldners gegen den anderen, der darauf gerichtet ist, an der Befriedigung des Gläubigers mitzuwirken. Hier kann bei einem Gesamtschuldverhältnis der von einem Gläubiger in Anspruch genommene Gesamtschuldner schon vor der eigenen Leistung verlangen, dass seine Mitschuldner ihren Anteilen entsprechend zur Befriedigung des Gläubigers mitwirken. Aber diese Beitragspflicht der Mitschuldner begründet nur einen Anspruch auf Zahlung eines entsprechenden Betrages an den Gläubiger, nicht aber an den in Anspruch genommenen Gesamtschuldner selbst. Zahlung an sich selber kann dieser vielmehr erst dann verlangen, wenn er seinerseits an den Gläubiger geleistet hat (so ausdrücklich: BGH, Urteil vom 21.02.1957, Az. VII ZR 216/56, NJW 1957, 747; siehe auch BGH, Urteil vom 22.10.1957, Az. VI ZR 231/56, NJW 1958, 497; BGH, Urteil vom 07.11.1985, Az. III ZR 142/84, NJW 1986, 978). Dementsprechend besteht – noch – kein Zahlungsanspruch der Streitverkündeten gegen die Beklagte, so dass auch kein Anspruch nach § 426 Abs. 1 hätte gepfändet werden können.

III.

Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit gründet in §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 1 und 2 ZPO.

Streitwert: 1206,03 EUR.

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