Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Rückforderung des Erbes: Oberlandesgericht Brandenburg stärkt Rechte unbekannter Erben
- Erbschein widerrufen: Die Ausgangslage des Falls vor dem OLG Brandenburg
- Irrtümlicher Erbschein und Auszahlung des Erbteils an vermeintliche Erbin
- Erbschein wird für ungültig erklärt: Grundlage für Auszahlung entfällt
- Rückforderung des Erbanteils durch den Nachlasspfleger: § 2018 BGB im Fokus
- Einwand der Entreicherung: Beklagte beruft sich auf Vermögensverfall
- Entscheidung des Landgerichts Potsdam: Teilweise Entreicherung anerkannt
- Berufung vor dem OLG Brandenburg: Strengere Maßstäbe bei der Entreicherung
- OLG Brandenburg korrigiert Vorinstanz: Weitgehende Rückzahlungspflicht bestätigt
- Stärkung der Rechte unbekannter Erben: Klarstellung zur Rückzahlungspflicht
- Bedeutung für Betroffene: Was Erbempfänger und Erben wissen müssen
- Fazit: Sorgfalt bei Erbscheinen und Transparenz in der Nachlasspflegschaft
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was bedeutet es, wenn ein Erbschein widerrufen wird?
- Unter welchen Umständen kann ein irrtümlich ausgezahlter Erbanteil zurückgefordert werden?
- Welche Rolle spielt ein Nachlasspfleger bei der Rückforderung eines irrtümlich ausgezahlten Erbanteils?
- Welche Rechte habe ich, wenn ich als vermeintlicher Erbe zur Rückzahlung eines Erbanteils aufgefordert werde?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Brandenburg
- Datum: 19.06.2023
- Aktenzeichen: 3 U 64/21
- Verfahrensart: Berufungsverfahren in erbrechtlichen Streitigkeiten
- Rechtsbereiche: Erbrecht, Zivilrecht
- Beteiligte Parteien:
- Kläger: Werden durch den Nachlasspfleger vertreten und fordern die Herausgabe eines bereits ausbezahlten Erbanteils, da der Erbschein, der die Beklagte als Miterbin auswies, wegen Unrichtigkeiten eingezogen wurde.
- Beklagte: Wurde durch einen fehlerhaften Erbschein als Miterbin ausgewiesen und muss nun den ausbezahlten Erbanteil, Zinsen sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten erstatten.
- Um was ging es?
- Sachverhalt: Die Kläger verlangen die Rückgabe eines ausbezahlten Erbanteils, weil sich herausstellte, dass der dem Erbgang zugrunde liegende Erbschein aufgrund von Unrichtigkeiten nicht gültig war.
- Kern des Rechtsstreits: Es wird geklärt, ob der Herausgabeanspruch besteht, wenn die Voraussetzung – nämlich der gültige Erbschein – entfällt, sodass die bereits erfolgte Auszahlung zurückgefordert werden muss.
- Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Urteil des Landgerichts wurde teilweise abgeändert; die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 5.218,88 € zuzüglich Zinsen sowie 394,49 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen. Zudem trägt sie die Kosten des Berufungsverfahrens und das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
- Begründung: Das Gericht stützte seine Entscheidung darauf, dass der fehlerhafte Erbschein, der die Beklagte als Miterbin auswies, unwirksam war und somit der Anspruch der Kläger auf Herausgabe des ausbezahlten Erbanteils bestand.
- Folgen: Die Beklagte muss den beanstandeten Betrag samt Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bezahlen sowie die Kosten des Berufungsverfahrens tragen, was den Rückabwicklungsanspruch der Kläger festigt.
Der Fall vor Gericht
Rückforderung des Erbes: Oberlandesgericht Brandenburg stärkt Rechte unbekannter Erben

Das Oberlandesgericht Brandenburg hat in einem aktuellen Urteil (Az.: 3 U 64/21) entschieden, dass eine vermeintliche Miterbin einen irrtümlich ausgezahlten Erbanteil weitgehend zurückzahlen muss. Dieser Fall beleuchtet die komplexe Materie der gesetzlichen Vertretung unbekannter Erben durch einen Nachlasspfleger und die Konsequenzen, wenn sich ein Erbschein nachträglich als falsch herausstellt. Das Urteil schafft Klarheit über die Rückzahlungspflichten und stärkt die Position der tatsächlichen Erben.
Erbschein widerrufen: Die Ausgangslage des Falls vor dem OLG Brandenburg
Im Zentrum des Falls steht eine Frau, die 2004 kinderlos und ledig verstarb. Da zunächst keine Erben bekannt waren, bestellte das Amtsgericht Fürstenwalde einen Nachlasspfleger. Dieser sollte den Nachlass sichern und die Erben ermitteln. Ein beauftragtes Erbenermittlungsbüro fand die Beklagte und ihre Schwester als vermeintliche Erbinnen. Die Beklagte ist die Nichte väterlicherseits der Verstorbenen, was zunächst als Grundlage für ein Erbrecht angesehen wurde.
Irrtümlicher Erbschein und Auszahlung des Erbteils an vermeintliche Erbin
Auf Antrag der Schwester der Beklagten erteilte das Amtsgericht Fürstenwalde im Jahr 2011 einen sogenannten Teilerbschein. Dieser wies die Beklagte und ihre Schwester zu je 1/6 als Miterbinnen aus. Basierend auf diesem Erbschein schloss der Nachlasspfleger mit den beiden Frauen einen Erbauseinandersetzungsvertrag. Die Beklagte erhielt daraufhin einen Erbanteil von rund 6.924 Euro.
Erbschein wird für ungültig erklärt: Grundlage für Auszahlung entfällt
Jahre später, im Jahr 2019, widerrief das Amtsgericht Fürstenwalde den zuvor erteilten Teilerbschein wegen Unrichtigkeit. Dies bedeutet, dass die ursprüngliche Annahme, die Beklagte und ihre Schwester seien rechtmäßige Erbinnen, falsch war. Mit der Aufhebung des Erbscheins entfiel die rechtliche Grundlage für die Auszahlung des Erbanteils an die Beklagte. Das Gericht ordnete daraufhin erneut die Nachlasspflegschaft an, um die nun wieder unbekannten Erben des verbleibenden Nachlassanteils zu ermitteln.
Rückforderung des Erbanteils durch den Nachlasspfleger: § 2018 BGB im Fokus
Nachdem der Erbschein widerrufen worden war, forderte der Nachlasspfleger im Namen der unbekannten, tatsächlichen Erben von der Beklagten die Rückzahlung des irrtümlich ausgezahlten Erbanteils. Die rechtliche Grundlage hierfür bildet § 2018 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Diese Vorschrift regelt den Herausgabeanspruch des Erben gegen den unrechtmäßigen Besitzer des Nachlasses. Im vorliegenden Fall wird die Beklagte nach Widerruf des Erbscheins als unrechtmäßige Besitzerin des Erbanteils angesehen.
Einwand der Entreicherung: Beklagte beruft sich auf Vermögensverfall
Die Beklagte weigerte sich zunächst, den vollen Betrag zurückzuzahlen. Sie berief sich auf den sogenannten Einwand der Entreicherung. Dieser Rechtsgrundsatz besagt, dass ein Bereicherungsschuldner (hier die Beklagte) die Herausgabe des Erlangten verweigern kann, wenn er nicht mehr bereichert ist, weil sein Vermögen ohne sein Verschulden geschmälert wurde. Die Beklagte argumentierte, dass sie das erhaltene Geld bereits ausgegeben habe und somit entreichert sei.
Entscheidung des Landgerichts Potsdam: Teilweise Entreicherung anerkannt
In erster Instanz vor dem Landgericht Potsdam hatte die Beklagte mit ihrem Einwand der Entreicherung teilweise Erfolg. Das Landgericht erkannte die Entreicherung der Beklagten in Höhe eines Großteils des geforderten Betrages an und verurteilte sie lediglich zur Rückzahlung eines kleineren Teils des Erbanteils von rund 1.705 Euro. Das Landgericht ging davon aus, dass die Beklagte den Großteil des Geldes bereits verbraucht hatte und daher nicht mehr bereichert war.
Berufung vor dem OLG Brandenburg: Strengere Maßstäbe bei der Entreicherung
Gegen dieses Urteil des Landgerichts legte der Nachlasspfleger Berufung zum Oberlandesgericht Brandenburg ein. Das Oberlandesgericht überprüfte die Entscheidung des Landgerichts und kam zu einem anderen Ergebnis hinsichtlich des Einwandes der Entreicherung. Das OLG Brandenburg entschied, dass die Beklagte sich nicht in vollem Umfang auf Entreicherung berufen kann.
OLG Brandenburg korrigiert Vorinstanz: Weitgehende Rückzahlungspflicht bestätigt
Das Oberlandesgericht Brandenburg änderte das Urteil des Landgerichts teilweise ab. Es verurteilte die Beklagte zur Zahlung eines deutlich höheren Betrages von rund 5.218 Euro zuzüglich Zinsen und vorgerichtlicher Anwaltskosten. Das OLG argumentierte, dass die Beklagte angesichts der Umstände des Falls nicht in dem Maße entreichert sein könne, wie vom Landgericht angenommen. Die genauen Gründe für die Ablehnung der vollständigen Entreicherung werden im vollständigen Urteilstext dargelegt, der in der vorliegenden Zusammenfassung nicht vollständig enthalten ist.
Stärkung der Rechte unbekannter Erben: Klarstellung zur Rückzahlungspflicht
Das Urteil des Oberlandesgerichts Brandenburg ist ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Rechte unbekannter Erben. Es verdeutlicht, dass Personen, die aufgrund eines später widerrufenen Erbscheins einen Erbteil erhalten haben, diesen grundsätzlich zurückzahlen müssen. Der Einwand der Entreicherung findet enge Grenzen, insbesondere wenn, wie im vorliegenden Fall, die vermeintliche Erbin über längere Zeit von der möglichen Unrichtigkeit des Erbscheins hätte ausgehen können.
Bedeutung für Betroffene: Was Erbempfänger und Erben wissen müssen
Für Personen, die einen Erbteil aufgrund eines Erbscheins erhalten, der später widerrufen wird, hat dieses Urteil erhebliche Bedeutung. Es zeigt auf, dass die Rückzahlungspflicht grundsätzlich besteht. Empfänger von Erbschaften sollten sich bewusst sein, dass ein Erbschein nicht unanfechtbar ist und bei nachträglicher Feststellung der Unrichtigkeit die Rückzahlung des Erbes gefordert werden kann. Dies gilt insbesondere, wenn Zweifel an der eigenen Erbenstellung bestehen oder Umstände bekannt sind, die die Richtigkeit des Erbscheins in Frage stellen könnten.
Fazit: Sorgfalt bei Erbscheinen und Transparenz in der Nachlasspflegschaft
Das Urteil des OLG Brandenburg unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Ermittlung der Erben und die Vorsicht im Umgang mit Erbscheinen. Es macht deutlich, dass ein Erbschein eine vorläufige Beurkundung der Erbenstellung darstellt, die unter Umständen korrigiert werden kann. Die Nachlasspflegschaft spielt eine zentrale Rolle beim Schutz der Rechte unbekannter Erben und bei der korrekten Verteilung des Nachlasses. Das Urteil trägt dazu bei, die Rechtssicherheit im Erbrecht zu stärken und sicherzustellen, dass der Nachlass den tatsächlichen Erben zukommt.
Die Schlüsselerkenntnisse
Dieses Urteil verdeutlicht, dass ein zu Unrecht erhaltener Erbanteil grundsätzlich zurückgezahlt werden muss, wenn sich der Erbschein später als unrichtig herausstellt. Allerdings kann man sich auf den sogenannten „Entreicherungseinwand“ berufen, wenn das Geld bereits für Ausgaben verwendet wurde, die man sich sonst nicht geleistet hätte – was besonders für Personen mit niedrigem oder mittlerem Einkommen relevant ist. Für Empfänger von Erbschaften bedeutet dies, dass sie bei Zweifeln an ihrer Erbenstellung vorsichtig mit größeren Ausgaben sein sollten, da eine spätere Rückzahlung gefordert werden kann, sofern keine Entreicherung nachgewiesen wird.
Benötigen Sie Hilfe?
Irrtümlich ausgezahlte Erbschaften – Rechtliche Klarheit für Ihre Situation
In Erbschaftsfällen, in denen Zahlungen irrtümlich erfolgt sind, ergeben sich häufig komplexe Fragen zu Ansprüchen und Rückzahlungspflichten. Solche Fälle verdeutlichen, wie wichtig es ist, die eigene Rechtslage genau zu prüfen – insbesondere wenn Zweifel an der Korrektheit der Erbprofite bestehen. Dabei können präzise rechtliche Analysen den Weg zu einer stabilen und nachvollziehbaren Lösung ebnen.
Unsere Kanzlei unterstützt Sie mit fundierter Beratung und einer sorgfältigen Prüfung Ihres Falles. Wir entwickeln gemeinsam mit Ihnen maßgeschneiderte Lösungsansätze, um Ihre Rechte im Erbrecht zu bewahren. Kontaktieren Sie uns, um in einem persönlichen Gespräch Ihre individuelle Situation zu klären und die nächsten Schritte sachlich zu besprechen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet es, wenn ein Erbschein widerrufen wird?
Der Widerruf eines Erbscheins bedeutet, dass dieser rückwirkend seine Gültigkeit verliert. Dies hat weitreichende Konsequenzen für alle Beteiligten und bereits getätigte Rechtsgeschäfte.
Rechtliche Grundlagen und Auswirkungen
Wenn ein Erbschein widerrufen wird, erklärt das Nachlassgericht diesen für kraftlos. Dies geschieht gemäß § 2361 BGB von Amts wegen, wenn sich herausstellt, dass der Erbschein unrichtig ist. Der Widerruf führt dazu, dass der Erbschein ab dem Zeitpunkt seiner ursprünglichen Ausstellung als ungültig gilt.
Für Sie als Erbe oder Dritte, die mit dem vermeintlichen Erben Geschäfte getätigt haben, bedeutet dies eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Stellen Sie sich vor, Sie haben als vermeintlicher Erbe bereits über Nachlassgegenstände verfügt oder Schulden beglichen. In einem solchen Fall können diese Handlungen rückabgewickelt werden müssen.
Konsequenzen für Beteiligte
Der Widerruf eines Erbscheins hat folgende Auswirkungen:
- Verlust der Erbenstellung: Wenn Sie aufgrund des widerrufenen Erbscheins als Erbe galten, verlieren Sie diese Position rückwirkend.
- Rückabwicklung von Rechtsgeschäften: Geschäfte, die Sie als vermeintlicher Erbe getätigt haben, können angefochten werden. Dies betrifft beispielsweise den Verkauf von Nachlassgegenständen oder die Auszahlung von Versicherungsleistungen.
- Schutz des guten Glaubens: In bestimmten Fällen können Dritte, die im guten Glauben an die Richtigkeit des Erbscheins gehandelt haben, geschützt sein. Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt.
- Herausgabepflicht: Wenn Sie irrtümlich Vermögenswerte aus dem Nachlass erhalten haben, müssen Sie diese an den tatsächlichen Erben herausgeben.
Praktische Folgen und Handlungsempfehlungen
Wenn ein Erbschein widerrufen wird, sollten Sie umgehend handeln. Prüfen Sie alle Transaktionen und Rechtsgeschäfte, die Sie auf Grundlage des nun ungültigen Erbscheins getätigt haben. Informieren Sie Geschäftspartner und Banken über die veränderte Rechtslage, um mögliche Haftungsrisiken zu minimieren.
Der Widerruf eines Erbscheins kann komplexe rechtliche Situationen schaffen. Es ist wichtig, dass Sie die Konsequenzen für Ihre individuelle Situation genau verstehen und entsprechend handeln. Bedenken Sie, dass jeder Fall einzigartig ist und die genauen Auswirkungen von den spezifischen Umständen abhängen.
Unter welchen Umständen kann ein irrtümlich ausgezahlter Erbanteil zurückgefordert werden?
Ein irrtümlich ausgezahlter Erbanteil kann unter bestimmten Bedingungen zurückgefordert werden. Zentrale Voraussetzung ist, dass ein Irrtum vorliegt, der die Grundlage der Auszahlung beeinflusst hat. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein Erbschein widerrufen wurde oder wenn sich herausstellt, dass der Empfänger des Erbanteils nicht rechtmäßig als Erbe gilt.
Voraussetzungen für die Rückforderung
- Vorliegen eines Irrtums: Ein Rückforderungsanspruch entsteht häufig, wenn der Erblasser oder die Erben über die Zusammensetzung des Nachlasses im Irrtum waren. Ein Beispiel hierfür ist, wenn ein Erbschein aufgrund falscher Informationen ausgestellt wurde und später widerrufen wird. In solchen Fällen könnte der Empfänger des Erbanteils irrtümlich in den Besitz von Vermögenswerten gelangt sein, die ihm nicht zustehen.
- Rechtsgrundlage: Die Rückforderung basiert auf dem Prinzip der ungerechtfertigten Bereicherung gemäß § 812 BGB. Hierbei muss nachgewiesen werden, dass die Auszahlung ohne rechtlichen Grund erfolgte und der Empfänger dadurch bereichert wurde. Wenn der Empfänger des Geldes also nicht rechtmäßig im Besitz des Erbanteils ist, kann eine Rückforderung geltend gemacht werden.
- Gutgläubigkeit vs. Bösgläubigkeit: Es ist entscheidend zu unterscheiden, ob der Empfänger gutgläubig oder bösgläubig war. Ein gutgläubiger Erwerber könnte unter Umständen einen Anspruch auf Behaltensrecht haben, während ein bösgläubiger Erwerber in der Regel zur Rückzahlung verpflichtet ist. Die Gutgläubigkeit wird in § 932 BGB geregelt und bedeutet, dass der Erwerber nicht wusste oder grob fahrlässig nicht wusste, dass er von einem Nichtberechtigten erworben hat.
Beispiel zur Veranschaulichung
Stellen Sie sich vor, ein Verstorbener hinterlässt mehrere Erben und einer von ihnen erhält irrtümlich einen höheren Anteil aufgrund eines fehlerhaften Erbscheins. Später stellt sich heraus, dass dieser Erbschein ungültig war und die tatsächlichen Erben einen anderen Anteil beanspruchen können. In diesem Fall könnten die anderen Erben den irrtümlich ausgezahlten Betrag zurückfordern, da der Empfänger nicht rechtmäßig berechtigt war, diesen Anteil zu behalten.
Insgesamt hängt die Möglichkeit einer Rückforderung von den spezifischen Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der Frage des Irrtums und der Gutgläubigkeit des Empfängers. Es ist ratsam, sich bei Unsicherheiten über die rechtlichen Möglichkeiten und Pflichten detailliert zu informieren.
Welche Rolle spielt ein Nachlasspfleger bei der Rückforderung eines irrtümlich ausgezahlten Erbanteils?
Ein Nachlasspfleger wird vom Nachlassgericht bestellt, wenn die Erben eines Nachlasses unbekannt oder noch nicht ermittelt sind. Seine Hauptaufgabe besteht darin, den Nachlass zu sichern, zu verwalten und die Interessen der unbekannten Erben zu vertreten. Im Zusammenhang mit der Rückforderung irrtümlich ausgezahlter Erbanteile übernimmt der Nachlasspfleger eine zentrale Rolle.
Aufgaben und Befugnisse des Nachlasspflegers
- Vertretung der unbekannten Erben: Der Nachlasspfleger handelt rechtlich im Namen der unbekannten Erben (§ 1960 BGB). Dies umfasst die Wahrnehmung ihrer Vermögensinteressen, einschließlich der Rückforderung unrechtmäßig entnommener Vermögenswerte aus dem Nachlass.
- Rückforderung irrtümlicher Zahlungen: Wenn ein Erbanteil irrtümlich an eine Person ausgezahlt wurde, die keinen rechtmäßigen Anspruch darauf hat, ist der Nachlasspfleger berechtigt und verpflichtet, diesen Betrag zurückzufordern. Dies geschieht entweder durch direkte Ansprache oder gegebenenfalls durch gerichtliche Schritte.
- Sicherung des Nachlasses: Der Nachlasspfleger muss sicherstellen, dass der Wert des Nachlasses erhalten bleibt. Dazu gehört auch die Rückführung von Vermögenswerten, die unrechtmäßig entnommen wurden, um den Schaden für die unbekannten Erben zu minimieren.
Vorgehen bei der Rückforderung
- Prüfung der Rechtslage: Der Nachlasspfleger überprüft zunächst, ob die Auszahlung tatsächlich irrtümlich erfolgte und ob ein rechtlicher Anspruch auf Rückforderung besteht.
- Anspruchsgrundlage: Die Rückforderung erfolgt häufig auf Basis des Bereicherungsrechts (§ 812 BGB), wenn die Auszahlung ohne Rechtsgrund erfolgt ist.
- Verhandlung oder gerichtliche Durchsetzung: Der Nachlasspfleger kann versuchen, die Rückzahlung außergerichtlich zu klären. Falls dies nicht möglich ist, kann er Klage erheben, um den Betrag zurückzufordern.
- Ermittlung der tatsächlichen Erben: Parallel zur Sicherung des Nachlasses ist der Nachlasspfleger verpflichtet, die rechtmäßigen Erben zu ermitteln. Dies kann durch eigene Recherchen oder durch Beauftragung eines Erbenermittlers erfolgen.
Beispiel aus der Praxis
Stellen Sie sich vor, eine Bank zahlt versehentlich einen Teil des Nachlasses an eine Person aus, die fälschlicherweise als Alleinerbe angenommen wurde. Der Nachlasspfleger überprüft diesen Vorgang und stellt fest, dass es keine rechtliche Grundlage für diese Auszahlung gibt. In diesem Fall fordert er den Betrag zurück und sichert ihn im Interesse der unbekannten Erben.
Rechtliche Grundlagen
Die Tätigkeit des Nachlasspflegers stützt sich auf § 1960 BGB (Nachlasspflegschaft) sowie auf das Bereicherungsrecht (§ 812 BGB), wenn Vermögenswerte ohne Rechtsgrund aus dem Nachlass entnommen wurden. Zudem hat der Nachlasspfleger weitreichende Vertretungsbefugnisse und handelt ausschließlich im Interesse der potenziellen Erben.
Durch diese Maßnahmen trägt der Nachlasspfleger entscheidend dazu bei, den Nachlass zu schützen und sicherzustellen, dass die Vermögenswerte letztendlich den rechtmäßigen Erben zufließen.
Welche Rechte habe ich, wenn ich als vermeintlicher Erbe zur Rückzahlung eines Erbanteils aufgefordert werde?
Als vermeintlicher Erbe haben Sie mehrere Rechte und Möglichkeiten, wenn Sie zur Rückzahlung eines Erbanteils aufgefordert werden:
Anfechtung des Erbscheins
Sie können den Erbschein anfechten, wenn Sie der Meinung sind, dass er fehlerhaft ist. Die Anfechtung muss innerhalb einer Frist von 6 Wochen ab Kenntnis des Anfechtungsgrundes erfolgen. Gründe für eine Anfechtung können beispielsweise sein, dass ein Testament übersehen wurde oder dass Sie sich über die Überschuldung des Nachlasses geirrt haben.
Einrede der Entreicherung
Wenn Sie das geerbte Vermögen bereits nicht mehr besitzen, können Sie sich auf die Einrede der Entreicherung berufen. Dies bedeutet, dass Sie nur insoweit zur Rückzahlung verpflichtet sind, als Sie noch bereichert sind. Haben Sie beispielsweise das geerbte Geld für den Kauf eines Autos verwendet, das bei einem Unfall zerstört wurde, können Sie argumentieren, dass Sie nicht mehr bereichert sind.
Nachweis des rechtmäßigen Erwerbs
Sammeln Sie alle Dokumente und Beweise, die Ihren rechtmäßigen Erwerb des Erbanteils belegen. Dazu können gehören:
- Der Erbschein
- Testamente oder Erbverträge
- Schenkungsurkunden
- Kontoauszüge oder andere Belege über den Erhalt des Erbes
Verjährungseinrede
Prüfen Sie, ob der Anspruch auf Rückzahlung möglicherweise verjährt ist. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre, beginnt aber erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den Umständen Kenntnis erlangt hat.
Widerspruch gegen die Rückforderung
Sie haben das Recht, der Rückforderung zu widersprechen und Ihre Argumente darzulegen. Erklären Sie schriftlich, warum Sie der Meinung sind, dass die Rückforderung unberechtigt ist. Beziehen Sie sich dabei auf konkrete Fakten und rechtliche Grundlagen.
Verhandlung über Ratenzahlung oder Vergleich
Sollte sich herausstellen, dass die Rückforderung berechtigt ist, können Sie versuchen, eine Ratenzahlung oder einen Vergleich auszuhandeln. Dies kann Ihnen helfen, die finanzielle Belastung zu reduzieren und eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden.
Prüfung der Rückforderungsgründe
Hinterfragen Sie die Gründe für die Rückforderung kritisch. Wurde beispielsweise ein neues Testament gefunden oder gab es einen Irrtum bei der Erbenermittlung? Verstehen Sie die rechtliche Basis der Forderung, um angemessen reagieren zu können.
Bedenken Sie, dass jeder Erbfall individuell ist und die rechtliche Situation komplex sein kann. Eine sorgfältige Prüfung aller Umstände ist entscheidend, um Ihre Rechte als vermeintlicher Erbe effektiv wahrzunehmen und angemessen auf eine Rückforderung zu reagieren.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Nachlasspfleger
Ein Nachlasspfleger ist eine vom Nachlassgericht bestellte Person, die den Nachlass (das Erbe) verwaltet und die Interessen unbekannter oder abwesender Erben vertritt. Diese Bestellung erfolgt gemäß § 1960 BGB, wenn Erben unbekannt sind oder ihre Erbenstellung unsicher ist. Der Nachlasspfleger handelt im Namen dieser Erben, schützt deren Rechte und erfüllt deren Pflichten, etwa durch Vermögenssicherung oder gerichtliche Anspruchsdurchsetzung.
Beispiel: In diesem Fall vertritt der Nachlasspfleger die unbekannten Erben und fordert im gerichtlichen Verfahren den irrtümlich ausgezahlten Erbanteil von der vermeintlichen Miterbin zurück.
Erbschein
Der Erbschein ist ein amtliches Dokument, das vom Nachlassgericht (Amtsgericht) ausgestellt wird und die Erbenstellung einer Person offiziell bestätigt. Er ist in den §§ 2353 ff. BGB geregelt und dient als Legitimationsnachweis gegenüber Dritten wie Banken, Behörden oder dem Grundbuchamt. Mit dem Erbschein kann der Erbe nachweisen, dass er berechtigt ist, über den Nachlass zu verfügen. Ein fehlerhafter Erbschein kann jedoch eingezogen werden, wodurch darauf basierende Vermögensübertragungen rückabgewickelt werden können.
Beispiel: Die Beklagte erhielt aufgrund eines fehlerhaften Erbscheins einen Erbanteil, der nach Einziehung des Erbscheins zurückgefordert wurde.
Entreicherungseinwand
Der Entreicherungseinwand ist ein rechtliches Verteidigungsmittel gegen Herausgabeansprüche nach § 818 Abs. 3 BGB. Er ermöglicht es, die Rückgabe eines erhaltenen Vermögensvorteils zu verweigern, soweit man diesen nicht mehr besitzt („entreichert“ ist). Dies gilt besonders, wenn das Geld bereits für Dinge ausgegeben wurde, die man sich sonst nicht geleistet hätte.
Beispiel: Eine Person erhält irrtümlich einen Erbanteil von 10.000 Euro und kauft sich davon ein Auto. Stellt sich später heraus, dass sie nicht erbberechtigt war, könnte sie sich auf den Entreicherungseinwand berufen, wenn sie das Auto ohne den vermeintlichen Erbanspruch nicht gekauft hätte.
Herausgabeanspruch
Der Herausgabeanspruch bezeichnet das rechtliche Begehren, eine Sache oder einen Vermögenswert zurückzuerlangen. Im Kontext des Erbrechts basiert er häufig auf § 812 BGB (ungerechtfertigte Bereicherung) oder § 985 BGB (Herausgabeanspruch des Eigentümers). Er entsteht, wenn jemand ohne rechtlichen Grund einen Vermögensvorteil erlangt hat. Der Anspruch umfasst nicht nur den Hauptbetrag, sondern kann auch Zinsen und entstandene Kosten einschließen.
Beispiel: Im vorliegenden Fall machen die wahren Erben (vertreten durch den Nachlasspfleger) einen Herausgabeanspruch über 5.218,88 € zuzüglich Zinsen geltend.
Vorläufige Vollstreckbarkeit
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist eine prozessrechtliche Regelung nach §§ 708 ff. ZPO, die es ermöglicht, ein Gerichtsurteil bereits vor seiner Rechtskraft durchzusetzen. Der obsiegende Teil kann die zugesprochene Leistung einfordern, auch wenn gegen das Urteil noch Rechtsmittel eingelegt werden können. Die unterlegene Partei muss in diesem Fall zahlen, trägt jedoch bei einer späteren Aufhebung des Urteils ein Rückforderungsrisiko.
Beispiel: Durch die vorläufige Vollstreckbarkeit des OLG-Urteils müssen die 5.218,88 € plus Zinsen sofort gezahlt werden, selbst wenn die Beklagte eventuell noch Revision einlegen möchte.
Miterbe/Miterbin
Ein Miterbe bzw. eine Miterbin ist eine Person, die gemeinsam mit anderen Personen erbt und Teil einer Erbengemeinschaft wird (§§ 2032 ff. BGB). Miterben werden nicht automatisch Eigentümer eines bestimmten Teils des Nachlasses, sondern gemeinschaftliche Eigentümer des gesamten Nachlasses. Die Erbengemeinschaft muss den Nachlass gemeinsam verwalten und kann ihn nur gemeinschaftlich verwerten oder aufteilen.
Beispiel: In diesem Fall wurde die Beklagte fälschlicherweise als Miterbin ausgewiesen und erhielt einen Anteil am Erbe, der ihr rechtmäßig nicht zustand.
Berufungsverfahren
Das Berufungsverfahren ist ein Rechtsmittelverfahren (§§ 511 ff. ZPO), das die Überprüfung eines erstinstanzlichen Urteils durch ein höheres Gericht ermöglicht. Es bildet die zweite Instanz im Zivilprozess. Die unzufriedene Partei kann innerhalb einer bestimmten Frist Berufung einlegen. Das Berufungsgericht prüft den Fall erneut und kann dabei sowohl Rechtsfehler korrigieren als auch neue Tatsachen berücksichtigen.
Beispiel: Im vorliegenden Fall hat das Oberlandesgericht Brandenburg als Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und der Beklagten die Verfahrenskosten auferlegt.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – Ungerechtfertigte Bereicherung (Leistungskondiktion): Dieser Paragraph regelt die Herausgabe von Vermögensvorteilen, die jemand ohne rechtlichen Grund erlangt hat. Wer etwas rechtsgrundlos erlangt, muss es zurückgeben. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Beklagte erhielt einen Erbteil aufgrund eines später für ungültig erklärten Erbscheins, also ohne rechtlichen Grund. Daher besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Rückzahlung dieses Betrages.
- § 353 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) – Einziehung des Erbscheins: Diese Vorschrift erlaubt dem Nachlassgericht, einen Erbschein einzuziehen, wenn er sich als unrichtig erweist. Mit der Einziehung verliert der Erbschein seine Wirkung, und die darin ausgewiesene Erbenstellung gilt rückwirkend als falsch. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Erbschein, der die Beklagte als Miterbin auswies, wurde vom Amtsgericht eingezogen. Damit entfiel die Grundlage für die Auszahlung des Erbteils an sie, und die Rückforderung wurde rechtlich möglich.
- § 1960 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – Nachlasspflegschaft: Wenn die Erben eines Nachlasses unbekannt oder ungewiss sind, oder wenn es an der Annahme des Erbes durch die Erben fehlt, kann das Nachlassgericht eine Nachlasspflegschaft anordnen. Ein Nachlasspfleger wird bestellt, um den Nachlass zu sichern und die unbekannten Erben zu ermitteln bzw. die Interessen der Erben wahrzunehmen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Da zunächst unklar war, wer die Erben der Verstorbenen sind, wurde eine Nachlasspflegschaft angeordnet und ein Nachlasspfleger bestellt. Dieser handelt im vorliegenden Fall, um den zu Unrecht ausgezahlten Erbteil zurückzufordern und den Nachlass korrekt zu verteilen.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 3 U 64/21 – Urteil vom 19.06.2023
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