Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Streit um Zuständigkeit im Erbfall: OLG Schleswig-Holstein bestätigt Hospizort als letzten Aufenthaltsort
- Der Hintergrund: Ein Leben zwischen zwei Orten
- Der Umzug ins Hospiz kurz vor dem Tod
- Das Testament und der Erbscheinsantrag
- Der Zuständigkeitsstreit entbrennt
- Die Entscheidung des Amtsgerichts X
- Die Beschwerde beim Oberlandesgericht
- Die Entscheidung des OLG Schleswig-Holstein: Zuständigkeit bestätigt
- Kostenentscheidung und Geschäftswert
- Bedeutung der Entscheidung für Betroffene
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welches Gericht ist für meinen Erbfall zuständig, wenn der Erblasser kurz vor seinem Tod in ein Hospiz gezogen ist?
- Was bedeutet „gewöhnlicher Aufenthaltsort“ im juristischen Sinne und wie unterscheidet er sich von meinem Wohnsitz?
- Welche Rolle spielt der Wille des Verstorbenen bei der Bestimmung des zuständigen Nachlassgerichts, insbesondere bei einem Umzug ins Hospiz?
- Welche Rolle spielt der Wille des Verstorbenen bei der Bestimmung des zuständigen Nachlassgerichts, insbesondere bei einem Umzug ins Hospiz?
- Was passiert, wenn mehrere Erben unterschiedlicher Meinung über den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Erblassers sind und dadurch ein Streit über die Zuständigkeit des Nachlassgerichts entsteht?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Hinweise und Tipps
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 3x W 65/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Schleswig-Holstein
- Datum: 17.03.2025
- Aktenzeichen: 3x W 65/24
- Verfahrensart: Beschwerdeverfahren
- Rechtsbereiche: Erbrecht, Familienverfahrensrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Der Beschwerdeführer (ein im Testament eingesetzter Miterbe)
- Beklagte: Die Antragstellerin des Erbscheins (eine Miterbin) und weitere Beteiligte (darunter die übrigen Miterben und die Eltern des Erblassers)
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Ein Mann, der seit vielen Jahren in der Stadt Y wohnte, erkrankte schwer. Er wurde auf eigenen Wunsch zur besseren Betreuung durch seine in Stadt X lebenden Eltern und Lebensgefährtin in ein Hospiz in Stadt X verlegt. Dort verstarb er wenige Monate später. Kurz vor seinem Tod hatte er ein Testament erstellt und mehrere Personen (die Beteiligten) als Erben eingesetzt. Eine der Erbinnen beantragte beim Amtsgericht Y (letzter Wohnort) einen Erbschein. Dieses Gericht gab das Verfahren an das Amtsgericht X (Sterbeort und Ort des Hospizes) ab. Ein anderer Miterbe war damit nicht einverstanden und legte Beschwerde ein, weil er das Gericht in X nicht für zuständig hielt.
- Kern des Rechtsstreits: Es musste geklärt werden, welches Amtsgericht für die Erteilung des Erbscheins zuständig ist: das Gericht am letzten offiziellen Wohnsitz (Y) oder das Gericht am Sterbeort (X), wo der Erblasser die letzten Monate auf eigenen Wunsch im Hospiz verbrachte. Entscheidend war die Frage, wo der „letzte gewöhnliche Aufenthalt“ des Verstorbenen war.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Beschwerde gegen die Zuständigkeit des Amtsgerichts X wurde vom Oberlandesgericht zurückgewiesen.
- Folgen: Der Miterbe, der die Beschwerde eingereicht hat, muss die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen. Das Verfahren zur Erteilung des Erbscheins wird beim Amtsgericht X fortgesetzt. Der Wert des Nachlasses wurde für das Verfahren auf 100.000 € festgesetzt.
Der Fall vor Gericht
Streit um Zuständigkeit im Erbfall: OLG Schleswig-Holstein bestätigt Hospizort als letzten Aufenthaltsort

Ein aktueller Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Schleswig-Holstein befasst sich mit der Frage, welches Nachlassgericht für die Erteilung eines Erbscheins zuständig ist, wenn ein Erblasser kurz vor seinem Tod in ein Hospiz umzieht, das außerhalb seines langjährigen Wohnsitzes liegt. Im Kern ging es um die Definition des gewöhnlichen Aufenthaltsorts nach § 343 FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit).
Der Hintergrund: Ein Leben zwischen zwei Orten
Der Erblasser hatte seit dem Jahr 2012 seinen festen Wohnsitz in der Stadt Y. Dort unterhielt er bis zu seinem Tod eine eigene Wohnung, die auch erst danach aufgelöst wurde. Der Mann war unverheiratet und hatte keine Kinder. Seine Eltern hingegen lebten in der Stadt X.
Der Umzug ins Hospiz kurz vor dem Tod
Aufgrund einer schweren Erkrankung wurde der Mann zunächst in Krankenhäusern in Y. behandelt. Am 20. April 2022 erfolgte jedoch seine Verlegung in ein Hospiz in X., dem Wohnort seiner Eltern. Dort verstarb er rund zwei Monate später, am 22. Juni 2022.
Die Gründe für den Ortswechsel
Aus den Akten, insbesondere dem Antrag auf Hospizpflege, ging hervor, dass dieser Umzug dem ausdrücklichen Wunsch des Erblassers entsprach. Als Grund wurde angegeben, dass sowohl seine Eltern als auch eine (später von einem Erben in ihrer Existenz bestrittene) Lebensgefährtin in X. lebten. Dokumentiert war zudem der dringende Bedarf an psychosozialer Betreuung, die maßgeblich durch die Eltern in X. geleistet werden sollte.
Das Testament und der Erbscheinsantrag
Noch während seines Aufenthalts im Hospiz in X., am 06. Mai 2022, errichtete der Erblasser vor einem Notar ein Testament. Darin setzte er sechs Personen, die Beteiligten zu 1 bis 6, zu gleichen Teilen als Erben ein. Nach seinem Tod beantragte die Beteiligte zu 1 im Februar 2024 die Erteilung eines Erbscheins, der alle sechs Begünstigten als Miterben ausweist.
Der Zuständigkeitsstreit entbrennt
Der Erbscheinsantrag wurde zunächst beim Amtsgericht (Nachlassgericht) in Y., dem langjährigen Wohnort, eingereicht. Dieses gab das Verfahren jedoch an das Amtsgericht X. ab, welches die Zuständigkeit am 05. März 2024 übernahm. Dagegen regte sich Widerstand, insbesondere vom Beteiligten zu 6.
Argumente des Beschwerdeführers
Der Beteiligte zu 6 argumentierte, der wahre Lebensmittelpunkt des Erblassers sei bis zuletzt in Y. gewesen. Der Aufenthalt im Hospiz in X. sei lediglich eine krankheitsbedingte Notwendigkeit gewesen, vergleichbar mit einem Krankenhausaufenthalt zur Palliativversorgung, und stelle keinen freiwilligen Wechsel des Lebensmittelpunkts dar. Er bestritt zudem die Existenz einer Lebensgefährtin in X. und betonte, die engsten Freunde des Erblassers hätten in Y. gelebt.
Die Entscheidung des Amtsgerichts X
Das Amtsgericht X. hielt an seiner Zuständigkeit fest. Mit Beschluss vom 13. August 2024 stellte es die für die Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen fest, setzte die Erteilung aber bis zur Rechtskraft aus. Es begründete seine Zuständigkeit damit, dass der Erblasser seinen Daseinsmittelpunkt bewusst nach X. verlegt habe.
Die richterliche Begründung im Detail
Maßgeblich sei der Wille des Erblassers gewesen, die letzte Lebensphase in der Nähe seiner Eltern zu verbringen und deren Unterstützung zu erhalten. Auch wenn die Wohnung in Y. weiterbestand, habe der fast zweimonatige Aufenthalt in X. zusammen mit dem Wunsch nach familiärer Nähe den Schwerpunkt seiner Bindungen nach X. verlagert. Die psychosoziale Betreuung durch die Eltern sei für ihn in dieser Zeit essenziell gewesen.
Die Beschwerde beim Oberlandesgericht
Gegen diesen Beschluss legte der Beteiligte zu 6 form- und fristgerecht Beschwerde ein, mit dem Ziel, die Zuständigkeit des Amtsgerichts X. zu kippen. Er wiederholte seine Auffassung, der letzte gewöhnliche Aufenthalt sei in Y. gewesen. Das Amtsgericht half der Beschwerde nicht ab und legte die Sache dem OLG Schleswig-Holstein zur Entscheidung vor.
Die Entscheidung des OLG Schleswig-Holstein: Zuständigkeit bestätigt
Das OLG Schleswig-Holstein wies die Beschwerde mit Beschluss vom 17. März 2025 als unbegründet zurück (Beschwerde zurückgewiesen). Damit bestätigte es die Auffassung des Amtsgerichts X.: Das Nachlassgericht am Sterbeort im Hospiz ist zuständig.
Die maßgeblichen Erwägungen des OLG
Das OLG folgte im Wesentlichen der Argumentation der Vorinstanz. Für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltsorts kommt es nicht allein auf die Dauer oder die Meldeadresse an. Entscheidend ist vielmehr, wo eine Person den Schwerpunkt ihrer sozialen Bindungen und Lebensinteressen hat (Daseinsmittelpunkt).
Im vorliegenden Fall habe der Erblasser durch seinen bewussten Wunsch, nach X. verlegt zu werden, um die Nähe und Unterstützung seiner Eltern zu suchen, seinen Daseinsmittelpunkt dorthin verlagert. Auch wenn der Aufenthalt nur knapp zwei Monate dauerte und durch die Krankheit motiviert war, war die Willensentscheidung des Erblassers für den Ort X. ausschlaggebend. Die familiären Bindungen und die benötigte psychosoziale Unterstützung in X. wogen schwerer als die aufrechterhaltene Wohnung in Y.
Kostenentscheidung und Geschäftswert
Die Kosten des erfolglosen Beschwerdeverfahrens wurden dem Beteiligten zu 6 auferlegt. Der Geschäftswert für das Verfahren wurde auf 100.000 Euro festgesetzt.
Bedeutung der Entscheidung für Betroffene
Klarheit bei Hospizaufenthalten und Ortswechseln kurz vor dem Tod
Diese Entscheidung schafft mehr Klarheit für eine häufige Konstellation: Was gilt, wenn ein Mensch seine letzte Lebensphase nicht am langjährigen Wohnsitz, sondern in einer Pflegeeinrichtung, einem Hospiz oder bei Angehörigen an einem anderen Ort verbringt? Das Urteil betont, dass der Wille des Betroffenen und die Verlagerung des sozialen Lebensmittelpunkts entscheidend sein können, um den gewöhnlichen Aufenthaltsort – und damit die gerichtliche Zuständigkeit – neu zu begründen, selbst bei kurzer Dauer.
Praktische Folgen für Erben und Nachlassverfahren
Für Erben bedeutet dies, dass sie genau prüfen müssen, wo der Erblasser nicht nur gemeldet war, sondern wo er kurz vor seinem Tod seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt hatte und haben wollte. Dies bestimmt, bei welchem Amtsgericht der Erbschein beantragt werden muss oder wo andere Nachlassangelegenheiten zu regeln sind. Die Wahl des falschen Gerichts kann zu Verzögerungen und unnötigen Verfahren führen.
Gewichtung von Willen und sozialen Bindungen
Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung subjektiver Faktoren. Der dokumentierte Wunsch des Erblassers, in der Nähe seiner Familie zu sein und deren Unterstützung zu erhalten, wurde höher gewichtet als die formale Beibehaltung der Wohnung am früheren Wohnort. Dies kann insbesondere in Fällen relevant sein, in denen die physische Mobilität eingeschränkt ist, aber der Wunsch nach sozialer Nähe im Vordergrund steht. Es zeigt, dass der gewöhnliche Aufenthaltsort ein dynamischer Begriff ist, der sich nach den tatsächlichen Lebensumständen und Intentionen richtet.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil klärt, dass der letzte gewöhnliche Aufenthalt eines Verstorbenen für die Zuständigkeit des Nachlassgerichts entscheidend ist und nicht nur der formale Wohnsitz. Der bewusste Umzug in ein Hospiz an einem anderen Ort kann einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt begründen, wenn dort der Schwerpunkt der sozialen Bindungen liegt, wie im vorliegenden Fall die Nähe zu den Eltern. Diese Entscheidung ist bedeutsam für Erben, da sie klarstellt, dass bei der Bestimmung des zuständigen Nachlassgerichts die tatsächlichen Lebensumstände des Erblassers vor seinem Tod ausschlaggebend sind.
Benötigen Sie Hilfe?
Unterstützung im komplexen Erbrecht bei Ortswechseln kurz vor dem Tod
Bei einem Erbfall, in dem der Erblasser seine letzte Lebensphase an einem anderen Ort verbringt, stellt sich häufig die Frage, wo der gewöhnliche Aufenthaltsort tatsächlich lag. Gerade wenn familiäre Bindungen, Pflegebedürftigkeit und ein Umzug kurz vor dem Tod zusammentreffen, sind Unsicherheiten über die gerichtliche Zuständigkeit und das richtige Vorgehen nicht ungewöhnlich.
Unsere Kanzlei prüft sorgfältig die individuelle Lebenssituation sowie die relevanten Umstände im Zeitraum vor dem Todesfall und begleitet Mandanten dabei, ihre erbrechtlichen Ansprüche sicher und effizient durchzusetzen. So kann Klarheit geschaffen und das Nachlassverfahren angemessen gesteuert werden.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welches Gericht ist für meinen Erbfall zuständig, wenn der Erblasser kurz vor seinem Tod in ein Hospiz gezogen ist?
Für einen Erbfall ist grundsätzlich das Amtsgericht (Nachlassgericht) zuständig, in dessen Bezirk der Verstorbene (Erblasser) zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
Was bedeutet „gewöhnlicher Aufenthalt“?
Der „gewöhnliche Aufenthalt“ ist der Ort, an dem sich eine Person nicht nur vorübergehend aufhält, sondern wo der Schwerpunkt ihrer sozialen und persönlichen Bindungen liegt. Es ist sozusagen der tatsächliche Lebensmittelpunkt. Die Dauer des Aufenthalts ist dabei ein wichtiger Anhaltspunkt, aber nicht das alleinige Kriterium.
Wie wird der gewöhnliche Aufenthalt bei einem Hospizaufenthalt bestimmt?
Ein Umzug in ein Hospiz kurz vor dem Tod kann dazu führen, dass das Hospiz als neuer gewöhnlicher Aufenthaltsort gilt, dies ist aber nicht automatisch der Fall. Gerichte prüfen hier die Umstände des Einzelfalls, um festzustellen, ob der Verstorbene am Ort des Hospizes seinen neuen Lebensmittelpunkt begründet hat.
Folgende Aspekte können dabei eine Rolle spielen:
- Der Wille des Verstorbenen: War der Umzug in das Hospiz der ausdrückliche und dauerhafte Wunsch der Person, um dort die letzte Lebensphase zu verbringen?
- Die Aufgabe des bisherigen Wohnsitzes: Hat der Verstorbene seine frühere Wohnung aufgegeben oder war klar, dass eine Rückkehr dorthin ausgeschlossen ist?
- Die Art und Dauer des Aufenthalts: Auch wenn der Aufenthalt nur kurz war, kann er als gewöhnlicher Aufenthalt gelten, wenn er von vornherein auf Dauer bis zum Tod angelegt war. Ein Hospiz dient oft genau diesem Zweck der umfassenden Betreuung am Lebensende, anders als etwa ein kurzer Krankenhausaufenthalt zur Behandlung einer akuten Erkrankung.
- Die Integration: Hat sich der Verstorbene im Hospiz eingelebt und wurden dort soziale oder psychosoziale Betreuungsangebote wahrgenommen?
Es kommt also darauf an, ob der Aufenthalt im Hospiz nach den Gesamtumständen als neuer, auf Dauer angelegter Lebensmittelpunkt anzusehen ist oder ob er lediglich einen vorübergehenden Charakter hatte und die Bindungen zum bisherigen Wohnort noch stärker waren. Das zuständige Nachlassgericht wird diese Faktoren prüfen, um seine örtliche Zuständigkeit festzustellen.
Was bedeutet „gewöhnlicher Aufenthaltsort“ im juristischen Sinne und wie unterscheidet er sich von meinem Wohnsitz?
Der gewöhnliche Aufenthaltsort und der Wohnsitz sind zwei unterschiedliche juristische Begriffe, die oft verwechselt werden. Der Hauptunterschied liegt darin, dass der Wohnsitz eher formell ist, während der gewöhnliche Aufenthaltsort den tatsächlichen Lebensmittelpunkt einer Person beschreibt.
Der Wohnsitz: Die formale Verbindung
Der Wohnsitz ist im deutschen Recht (§ 7 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) der Ort, an dem sich eine Person dauerhaft niederlässt und den Willen hat, diesen Ort zum ständigen Mittelpunkt ihrer Lebensverhältnisse zu machen.
- Merkmale: Entscheidend ist der Wille, an diesem Ort dauerhaft zu bleiben, und die tatsächliche Begründung einer Niederlassung (z.B. durch Mieten oder Kaufen einer Wohnung).
- Anmeldung: Die polizeiliche Meldung ist ein wichtiges Indiz für einen Wohnsitz, aber nicht allein entscheidend. Man kann einen Wohnsitz haben, ohne dort gemeldet zu sein, oder gemeldet sein, ohne dort (noch) seinen tatsächlichen Wohnsitz zu haben.
Stellen Sie sich den Wohnsitz wie Ihre offizielle Adresse vor, an der Sie gemeldet sind und die Absicht haben, dauerhaft zu leben.
Der gewöhnliche Aufenthaltsort: Der tatsächliche Lebensmittelpunkt
Der gewöhnliche Aufenthaltsort ist dort, wo eine Person tatsächlich lebt und den Schwerpunkt ihrer sozialen und persönlichen Bindungen hat. Dieser Begriff ist besonders im internationalen Recht und im europäischen Recht (z.B. in der Europäischen Erbrechtsverordnung) wichtig.
- Merkmale: Hier kommt es nicht primär auf den Willen oder die formale Anmeldung an, sondern auf die tatsächlichen Lebensumstände. Gerichte prüfen anhand objektiver Kriterien, wo sich der Daseinsmittelpunkt einer Person befindet. Wichtige Faktoren sind die Dauer, die Regelmäßigkeit, die Umstände und die Gründe des Aufenthalts sowie die familiären und sozialen Bindungen.
- Keine Mindestdauer: Es gibt keine feste Mindestdauer, ab wann ein Aufenthalt als „gewöhnlich“ gilt. Es kommt auf die Stabilität und Dauerhaftigkeit des Aufenthalts an und darauf, dass er nicht nur vorübergehender Natur ist (wie z.B. ein kurzer Urlaub).
Der gewöhnliche Aufenthaltsort ist also der Ort, an dem Ihr tägliches Leben tatsächlich stattfindet, unabhängig von Ihrer Meldeadresse.
Der entscheidende Unterschied
Der Wohnsitz basiert auf dem Willen zur dauerhaften Niederlassung und einer formalen Anbindung. Man kann auch mehrere Wohnsitze haben. Der gewöhnliche Aufenthaltsort basiert auf dem faktischen Lebensmittelpunkt und den tatsächlichen sozialen Bindungen. Eine Person hat in der Regel nur einen gewöhnlichen Aufenthaltsort.
Beispiel: Jemand arbeitet für ein Jahr im Ausland und lebt dort in einer Wohnung, behält aber seine Wohnung in Deutschland und beabsichtigt zurückzukehren. Er hat weiterhin seinen Wohnsitz in Deutschland, sein gewöhnlicher Aufenthaltsort könnte aber für dieses Jahr im Ausland liegen.
Bedeutung beim Hospizaufenthalt (im Kontext Erbfall)
Gerade bei einem Hospizaufenthalt kann sich der gewöhnliche Aufenthaltsort ändern, auch wenn der ursprüngliche Wohnsitz (die gemeldete Wohnung) formal noch besteht.
- Wenn der Aufenthalt im Hospiz nicht nur vorübergehend ist, sondern auf Dauer angelegt ist (oft bis zum Lebensende), kann das Hospiz zum neuen tatsächlichen Lebensmittelpunkt werden.
- Auch wenn die Person vielleicht nicht mehr ausdrücklich den Willen äußern kann, dorthin umzuziehen, zählen die objektiven Umstände: die Dauer des Aufenthalts, die Aufgabe der alten Wohnung (oder die fehlende Rückkehrabsicht/-möglichkeit), die medizinische und soziale Versorgung und Integration im Hospiz.
- Gerichte prüfen im Einzelfall, ob sich der Daseinsmittelpunkt tatsächlich ins Hospiz verlagert hat.
Diese Unterscheidung ist wichtig, da der gewöhnliche Aufenthaltsort des Verstorbenen im Zeitpunkt seines Todes oft darüber entscheidet, welches Gericht für den Erbfall zuständig ist und welches Erbrecht angewendet wird (insbesondere nach der Europäischen Erbrechtsverordnung). Ein Hospizaufenthalt kann somit die Zuständigkeit im Erbfall beeinflussen.
Welche Rolle spielt der Wille des Verstorbenen bei der Bestimmung des zuständigen Nachlassgerichts, insbesondere bei einem Umzug ins Hospiz?
Der Wille des Verstorbenen (Erblassers) spielt eine wichtige Rolle bei der Frage, welches Nachlassgericht für die Abwicklung des Erbes zuständig ist. Entscheidend ist nach dem Gesetz der „gewöhnliche Aufenthalt“ des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes. Dies ist der Ort, an dem die Person ihren Lebensmittelpunkt hatte.
Der Wille als Anhaltspunkt für den Lebensmittelpunkt
Der Umzug in ein Hospiz wirft oft die Frage auf, ob sich dadurch der gewöhnliche Aufenthalt geändert hat. Hier kommt der Wille des Verstorbenen ins Spiel:
- Wollte der Verstorbene dauerhaft im Hospiz bleiben? Wenn der Umzug ins Hospiz dem ausdrücklichen und freien Willen des Erblassers entsprach und er dort seinen neuen Lebensmittelpunkt begründen wollte (also nicht plante, an seinen früheren Wohnort zurückzukehren), kann das Hospiz als neuer gewöhnlicher Aufenthalt angesehen werden.
- War der Aufenthalt nur vorübergehend gedacht? Sah der Verstorbene den Hospizaufenthalt hingegen nur als vorübergehende Maßnahme an und hatte weiterhin die Absicht und die Möglichkeit, an seinen bisherigen Wohnort zurückzukehren, bleibt der frühere Wohnort in der Regel der gewöhnliche Aufenthalt.
Nachweis des Willens
Um den Willen des Verstorbenen festzustellen, prüft das Gericht verschiedene Anhaltspunkte. Der Wille allein ist nicht immer ausschlaggebend, aber ein sehr wichtiges Kriterium in der Gesamtabwägung. Folgende Punkte können dabei eine Rolle spielen:
- Schriftliche Dokumente: Gibt es schriftliche Äußerungen des Verstorbenen, zum Beispiel im Antrag auf Hospizpflege, in Briefen, einer Patientenverfügung oder anderen persönlichen Notizen, die den Wunsch nach einem dauerhaften Verbleib im Hospiz oder die Aufgabe des alten Wohnsitzes belegen?
- Aussagen von Dritten: Was sagen Angehörige, Freunde oder das Pflegepersonal über die geäußerten Wünsche und Absichten des Verstorbenen bezüglich seines Aufenthaltsortes?
- Objektive Umstände: Wurde die bisherige Wohnung bereits aufgegeben oder gekündigt? Wurde eine Ummeldung vorgenommen? Wie lange dauerte der Aufenthalt im Hospiz tatsächlich? Gab es noch soziale Bindungen am alten Wohnort?
Gesamtbetrachtung durch das Gericht
Das Gericht betrachtet alle Umstände des Einzelfalls, um den gewöhnlichen Aufenthalt festzulegen. Der dokumentierte Wille des Verstorbenen ist dabei ein zentraler Baustein. Hat der Verstorbene klar und nachweisbar seinen Willen geäußert, seinen Lebensmittelpunkt an den Ort des Hospizes zu verlegen, wird dies bei der Entscheidung über die Zuständigkeit des Nachlassgerichts stark berücksichtigt. Es ist jedoch immer eine Abwägung aller Faktoren, einschließlich der tatsächlichen Dauer des Aufenthalts und der verbliebenen Bindungen.
Welche Rolle spielt der Wille des Verstorbenen bei der Bestimmung des zuständigen Nachlassgerichts, insbesondere bei einem Umzug ins Hospiz?
Der Wille des Verstorbenen (Erblassers) spielt eine wichtige Rolle bei der Frage, welches Nachlassgericht für die Abwicklung des Erbes zuständig ist. Entscheidend ist nach dem Gesetz der „gewöhnliche Aufenthalt“ des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes. Dies ist der Ort, an dem die Person ihren Lebensmittelpunkt hatte.
Der Wille als Anhaltspunkt für den Lebensmittelpunkt
Der Umzug in ein Hospiz wirft oft die Frage auf, ob sich dadurch der gewöhnliche Aufenthalt geändert hat. Hier kommt der Wille des Verstorbenen ins Spiel:
- Wollte der Verstorbene dauerhaft im Hospiz bleiben? Wenn der Umzug ins Hospiz dem ausdrücklichen und freien Willen des Erblassers entsprach und er dort seinen neuen Lebensmittelpunkt begründen wollte (also nicht plante, an seinen früheren Wohnort zurückzukehren), kann das Hospiz als neuer gewöhnlicher Aufenthalt angesehen werden.
- War der Aufenthalt nur vorübergehend gedacht? Sah der Verstorbene den Hospizaufenthalt hingegen nur als vorübergehende Maßnahme an und hatte weiterhin die Absicht und die Möglichkeit, an seinen bisherigen Wohnort zurückzukehren, bleibt der frühere Wohnort in der Regel der gewöhnliche Aufenthalt.
Nachweis des Willens
Um den Willen des Verstorbenen festzustellen, prüft das Gericht verschiedene Anhaltspunkte. Der Wille allein ist nicht immer ausschlaggebend, aber ein sehr wichtiges Kriterium in der Gesamtabwägung. Folgende Punkte können dabei eine Rolle spielen:
- Schriftliche Dokumente: Gibt es schriftliche Äußerungen des Verstorbenen, zum Beispiel im Antrag auf Hospizpflege, in Briefen, einer Patientenverfügung oder anderen persönlichen Notizen, die den Wunsch nach einem dauerhaften Verbleib im Hospiz oder die Aufgabe des alten Wohnsitzes belegen?
- Aussagen von Dritten: Was sagen Angehörige, Freunde oder das Pflegepersonal über die geäußerten Wünsche und Absichten des Verstorbenen bezüglich seines Aufenthaltsortes?
- Objektive Umstände: Wurde die bisherige Wohnung bereits aufgegeben oder gekündigt? Wurde eine Ummeldung vorgenommen? Wie lange dauerte der Aufenthalt im Hospiz tatsächlich? Gab es noch soziale Bindungen am alten Wohnort?
Gesamtbetrachtung durch das Gericht
Das Gericht betrachtet alle Umstände des Einzelfalls, um den gewöhnlichen Aufenthalt festzulegen. Der dokumentierte Wille des Verstorbenen ist dabei ein zentraler Baustein. Hat der Verstorbene klar und nachweisbar seinen Willen geäußert, seinen Lebensmittelpunkt an den Ort des Hospizes zu verlegen, wird dies bei der Entscheidung über die Zuständigkeit des Nachlassgerichts stark berücksichtigt. Es ist jedoch immer eine Abwägung aller Faktoren, einschließlich der tatsächlichen Dauer des Aufenthalts und der verbliebenen Bindungen.
Was passiert, wenn mehrere Erben unterschiedlicher Meinung über den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Erblassers sind und dadurch ein Streit über die Zuständigkeit des Nachlassgerichts entsteht?
Wenn sich Erben nicht einig sind, wo der Verstorbene zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, kann dies zu einem Streit darüber führen, welches Nachlassgericht für das Erbscheinsverfahren zuständig ist. Der gewöhnliche Aufenthalt ist der Ort, an dem der Erblasser seinen Lebensmittelpunkt hatte – also nicht nur eine Meldeadresse, sondern der Ort, an dem er tatsächlich lebte und seine sozialen Kontakte pflegte. Dieser Ort bestimmt, welches Amtsgericht als Nachlassgericht zuständig ist.
Wie wird der Streit beigelegt?
Das Gericht entscheidet über seine Zuständigkeit von Amts wegen. Das bedeutet, wenn Zweifel an der Zuständigkeit aufkommen – zum Beispiel, weil Erben unterschiedliche Angaben machen oder Anträge bei verschiedenen Gerichten stellen – muss das angerufene Gericht selbst prüfen, ob es zuständig ist.
- Prüfung durch das Gericht: Das Gericht sammelt Informationen, um den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers festzustellen. Es prüft dabei verschiedene Anhaltspunkte, wie zum Beispiel:
- Wo hat der Erblasser gewohnt (Meldeadresse, tatsächlicher Wohnsitz)?
- Wie lange hat er sich dort aufgehalten?
- Wo befanden sich seine engsten sozialen Bindungen (Familie, Freunde)?
- Wo lagen seine wirtschaftlichen Interessen?
- Ganz wichtig: Was war der Wille des Erblassers? Wollte er an einem bestimmten Ort bleiben oder nur vorübergehend dort sein?
- Besonderheit Hospizaufenthalt: Ein Aufenthalt in einem Hospiz kurz vor dem Tod begründet nicht automatisch einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt. Entscheidend ist, ob der Erblasser die Absicht hatte, dort dauerhaft zu bleiben, oder ob der Aufenthalt von vornherein als zeitlich begrenzt angesehen wurde und der Lebensmittelpunkt weiterhin woanders lag (z.B. in der früheren Wohnung). Das Gericht prüft dies im Einzelfall genau.
- Entscheidung des Gerichts: Nach Prüfung aller Umstände entscheidet das Gericht, ob es zuständig ist oder nicht. Hält es sich für unzuständig, verweist es den Fall an das Gericht, das es für zuständig hält.
Welche Möglichkeiten haben die Erben?
Sind die Erben mit der Entscheidung des Gerichts über seine Zuständigkeit nicht einverstanden, haben sie die Möglichkeit, Beschwerde gegen diesen Beschluss einzulegen. Über die Beschwerde entscheidet dann die nächsthöhere Instanz, in der Regel das Oberlandesgericht.
Welche Auswirkungen hat der Streit?
Ein Streit über die Zuständigkeit verzögert das gesamte Erbscheinsverfahren. Solange nicht geklärt ist, welches Gericht zuständig ist, kann kein Erbschein erteilt werden. Dies kann dazu führen, dass die Erben vorerst nicht über den Nachlass verfügen können, zum Beispiel keine Konten auflösen oder Immobilien verkaufen können. Die Klärung der Zuständigkeit ist daher ein wichtiger erster Schritt, der abgeschlossen sein muss, bevor das eigentliche Verfahren zur Erteilung des Erbscheins fortgesetzt werden kann.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Erblasser
Der Erblasser ist die Person, um deren Erbe es nach ihrem Tod geht. Im deutschen Erbrecht ist dies der juristische Begriff für den Verstorbenen, dessen Vermögen (der Nachlass) auf die Erben übergeht. Im vorliegenden Fall ist der Mann, der von Y nach X ins Hospiz zog und dort verstarb, der Erblasser. Sein letzter Wille und sein Aufenthaltsort sind entscheidend dafür, welches Gericht zuständig ist und wer sein Vermögen erhält.
gewöhnlicher Aufenthaltsort (§ 343 FamFG)
Der gewöhnliche Aufenthaltsort ist nach § 343 FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) entscheidend dafür, welches Nachlassgericht für ein Erbscheinsverfahren zuständig ist. Dies ist nicht zwingend der gemeldete Wohnsitz, sondern der Ort, an dem eine Person ihren tatsächlichen Lebensmittelpunkt (auch Daseinsmittelpunkt genannt) hat – also den Schwerpunkt ihrer sozialen Bindungen und Lebensinteressen. Im Fall entschied das OLG, dass der Erblasser diesen Mittelpunkt durch seinen bewussten Wunsch, im Hospiz nahe bei den Eltern zu sein, nach X verlegt hatte, auch wenn der Aufenthalt dort nur knapp zwei Monate dauerte und die Wohnung in Y noch bestand.
Beispiel: Eine Studentin ist in München gemeldet (Wohnsitz), verbringt aber wegen eines langen Praktikums und enger Freundschaften seit einem Jahr fast ausschließlich ihre Zeit in Berlin und beabsichtigt, dort zu bleiben. Ihr gewöhnlicher Aufenthaltsort wäre dann trotz Meldung in München wahrscheinlich Berlin.
Erbschein
Ein Erbschein ist ein amtliches Zeugnis, das vom zuständigen Nachlassgericht auf Antrag ausgestellt wird. Er weist aus, wer Erbe geworden ist und wie groß sein Erbteil ist (z. B. Alleinerbe oder Miterbe zu ½). Mit dem Erbschein können sich die Erben im Rechtsverkehr legitimieren, etwa um Bankkonten des Erblassers aufzulösen oder Grundstücke umschreiben zu lassen. Im Fall beantragte die Beteiligte zu 1 beim Nachlassgericht einen Erbschein, der sie und fünf weitere Personen als Miterben zu gleichen Teilen ausweist.
Wille des Erblassers
Der Wille des Erblassers ist ein zentraler Grundsatz im Erbrecht, der besagt, dass die Wünsche des Verstorbenen bezüglich seines Nachlasses (z. B. im Testament festgehalten) maßgeblich sind. Aber auch bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltsorts spielt der Wille eine wichtige Rolle, wie der Fall zeigt. Hier war der dokumentierte Wunsch des Erblassers, seine letzte Lebensphase in X bei seinen Eltern zu verbringen und deren psychosoziale Unterstützung zu erhalten, entscheidend dafür, dass das Gericht X als seinen letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort ansah. Dieser subjektive Faktor wurde höher gewichtet als die Beibehaltung der Wohnung in Y.
Beschwerde zurückgewiesen
Eine Beschwerde ist ein Rechtsmittel, mit dem eine Partei eine gerichtliche Entscheidung (hier den Beschluss des Amtsgerichts X zur Zuständigkeit und Feststellung der Erbfolge) von der nächsthöheren Instanz (hier dem OLG Schleswig-Holstein) überprüfen lassen kann. „Beschwerde zurückgewiesen“ bedeutet, dass das OLG die Beschwerde als unbegründet erachtet und die Entscheidung der Vorinstanz (des Amtsgerichts X) bestätigt. Im Ergebnis blieb es also dabei, dass das Amtsgericht X für den Erbscheinsantrag zuständig ist und die Argumente des Beschwerdeführers (Beteiligter zu 6) nicht überzeugten.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 343 FamFG: § 343 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) bestimmt, welches Nachlassgericht örtlich zuständig ist. Zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht muss entscheiden, ob der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers in Y oder in X lag, um festzustellen, welches Amtsgericht (Y oder X) für das Erbscheinsverfahren zuständig ist.
- Begriff des „gewöhnlichen Aufenthalts“: Der gewöhnliche Aufenthalt ist der Ort, an dem sich eine Person nicht nur vorübergehend aufhält und der zugleich den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen darstellt. Für die Bestimmung sind die gesamten Umstände des Einzelfalls, insbesondere soziale, familiäre und wirtschaftliche Bindungen, zu berücksichtigen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Es wird geprüft, ob der Aufenthalt des Erblassers im Hospiz in X trotz vorherigem Wohnsitz in Y als neuer gewöhnlicher Aufenthalt anzusehen ist, oder ob es sich um einen vorübergehenden Aufenthalt aufgrund Krankheit handelte.
- Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG): Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 GG garantiert, dass niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf. Dies sichert das Recht auf ein faires Verfahren vor dem zuständigen Gericht, dessen Zuständigkeit auf klaren gesetzlichen Regeln beruht. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Frage der Zuständigkeit des Nachlassgerichts X oder Y berührt das verfassungsmäßige Recht der Beteiligten auf den gesetzlichen Richter, da nur das örtlich zuständige Gericht über den Erbscheinsantrag entscheiden darf.
Hinweise und Tipps
Praxistipps für Erben zur Zuständigkeit des Nachlassgerichts
Nach einem Todesfall stehen Erben vor vielen Aufgaben. Dazu gehört oft auch, einen Erbschein zu beantragen. Unklarheiten können entstehen, wenn der Verstorbene kurz vor seinem Tod umgezogen ist, beispielsweise in ein Hospiz.
Hinweis: Diese Praxistipps stellen keine Rechtsberatung dar. Sie ersetzen keine individuelle Prüfung durch eine qualifizierte Kanzlei. Jeder Einzelfall kann Besonderheiten aufweisen, die eine abweichende Einschätzung erfordern.
Tipp 1: Letzter Aufenthaltsort ist entscheidend, nicht nur die Meldeadresse
Für die Zuständigkeit des Nachlassgerichts (z. B. für den Erbschein) kommt es auf den „gewöhnlichen Aufenthalt“ des Verstorbenen zum Zeitpunkt des Todes an. Das ist nicht automatisch der letzte offizielle Wohnsitz laut Meldebescheinigung. Entscheidend ist, wo sich der Lebensmittelpunkt tatsächlich befand.
⚠️ ACHTUNG: Ein Antrag beim unzuständigen Gericht führt zu Verzögerungen und möglicherweise unnötigen Kosten, da das Verfahren an das korrekte Gericht abgegeben werden muss.
Tipp 2: Umzug ins Hospiz kann neuen Aufenthaltsort begründen
Verbringt eine Person ihre letzte Lebensphase auf eigenen Wunsch in einem Hospiz, auch wenn es nur für wenige Monate ist, kann dieser Ort als neuer gewöhnlicher Aufenthalt gelten. Anders als bei einem vorübergehenden Krankenhausaufenthalt wird hier oft ein neuer Lebensmittelpunkt gesehen, besonders wenn der Umzug dem Willen des Verstorbenen entsprach und auf Dauer angelegt war (bis zum Tod).
Beispiel: Lebte jemand jahrelang in Stadt Y, zieht aber bewusst für die letzte Lebensphase in ein Hospiz in Stadt X, um näher bei der Familie zu sein, wird wahrscheinlich Stadt X als letzter gewöhnlicher Aufenthalt angesehen.
Tipp 3: Umstände des letzten Aufenthalts prüfen
Klären Sie als Erbe genau, wo der Verstorbene zuletzt gelebt hat und unter welchen Umständen ein möglicher Umzug (z. B. ins Hospiz) stattfand. War der Umzug freiwillig? War er auf Dauer angelegt (bis zum Tod)? Gab es noch eine enge Bindung zum früheren Wohnort (z. B. Wohnung noch vorhanden)? Diese Faktoren sind für die Bestimmung des zuständigen Gerichts wichtig.
⚠️ ACHTUNG: Die Beurteilung des gewöhnlichen Aufenthalts kann komplex sein. Bei Unsicherheiten sollten Sie frühzeitig Rechtsrat einholen, um Fehler bei der Antragsstellung zu vermeiden und Streitigkeiten unter Miterben vorzubeugen.
Weitere Fallstricke oder Besonderheiten?
Der Begriff „gewöhnlicher Aufenthalt“ ist juristisch definiert und berücksichtigt neben der Dauer auch die Stabilität des Aufenthalts und die sozialen Bindungen an den Ort. Ein unfreiwilliger Aufenthalt (z. B. nur kurz im Krankenhaus vor dem Tod) begründet in der Regel keinen neuen gewöhnlichen Aufenthalt. Die Freiwilligkeit und der Wunsch, am neuen Ort bis zum Lebensende zu bleiben (auch wenn dieses absehbar ist), sind zentrale Kriterien, wie der Fall zeigt.
✅ Checkliste: Zuständigkeit des Nachlassgerichts
- Letzten tatsächlichen Lebensmittelpunkt des Verstorbenen ermitteln (nicht nur Meldeadresse).
- Umstände eines Umzugs kurz vor dem Tod klären (z. B. Freiwilligkeit, Dauerhaftigkeit des Aufenthalts im Hospiz).
- Prüfen, ob eine starke Bindung zum alten Wohnort fortbestand.
- Zuständiges Nachlassgericht am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts identifizieren.
- Bei Unsicherheit: Rechtliche Prüfung beauftragen, bevor Anträge (z. B. Erbscheinsantrag) gestellt werden.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 3x W 65/24 – Beschluss vom 17.03.2025
* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.