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Girovertragskündigung/Sparvertragskündigung durch Mitglieder einer Erbengemeinschaft

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 13 U 56/10 – Urteil vom 24.08.2011

Die Berufung der Beklagten gegen das am 21. April 2010 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam – 8 O 550/09 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn die Kläger vor der Vollstreckung nicht Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe

I.

Die Kläger sind Mitglieder der ungeteilten Erbengemeinschaft nach der am … in … verstorbenen L. (nachfolgend Erblasserin). Ausweislich des gemeinschaftlichen Erbscheins des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 11.06.2008 (6 VI 337/05) sind die Kläger zu Ziffer 1. bis Ziffer 3. Miterben zu je ¼ und die vormaligen Kläger Ziffer zu 4. bis Ziffer 10. Miterben zu je 1/32 der Erblasserin geworden. Einer der Miterben zu 1/32, J. R., ist am … verstorben. Ausweislich des Erbscheins des Amtsgerichts Marienberg vom 11.06.2008 (VI 0180/09) ist C. R. Erbin des J. R. geworden.

Die Erblasserin unterhielt zu ihren Lebzeiten bei der Beklagten ein Girokonto Nr. … (alt: …) und ein Sparkonto Nr. … (alt: …). Das Guthaben auf dem Girokonto wird nicht verzinst, dasjenige auf dem Sparkonto unterliegt derzeit einer Verzinsung von 0,5 % p.a.. Die Guthaben beider Konten betrugen am Jahresende nach dem Sterbedatum der Erblasserin – also zum Jahresende 2003 – inklusive der Zinsen insgesamt 31.716,00 €.

Ursprünglich hatten alle 10 Kläger die Klage erhoben. Mit Schriftsatz vom 26.02.2010 haben die Kläger zu Ziffer 4. bis Ziffer 10. die Klage zurückgenommen.

Mit von den drei verbliebenen Klägern gefasstem Beschluss vom 04.12.2009 beschloss die Erbengemeinschaft die Beendigung der Geschäftsverbindung zur Beklagten und die Beauftragung des Klägervertreters, der mit Schreiben vom 04.12.2009 die Kündigung der Geschäftsbeziehung der Erbengemeinschaft zur Beklagten erklärte und die Auszahlung des Gutachtens geltend machte. Mit weiterem Beschluss vom 20.02.2010 wiederholte die Versammlung der Erbengemeinschaft mit den Stimmen der drei Kläger die Erteilung der Vollmacht an den Prozessbevollmächtigten betreffend die Kündigung der Geschäftsbeziehung zur Beklagten sowie die Prozessführung.

Die Kläger zu Ziffer 1. bis Ziffer 3. begehren die Kündigung der Konten bei der Beklagten, um bei einem anderen Geldinstitut zu einer Verzinsung gleich bzw. über dem Kaufkraftschwund bei 100%iger Einlagensicherheit anlegen zu können.

Sie haben die Auffassung vertreten, die von ihnen erklärte Kündigung sei wirksam, da sie mit Stimmenmehrheit der Erbengemeinschaft beschlossen worden sei. Die Nachlasssubstanz werde durch die verfahrensgegenständliche Kündigung nicht negativ betroffen. Vielmehr sei die Erbengemeinschaft im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung berechtigt, jederzeit Sparkonten begründen oder beenden zu können. Ferner haben sie die Ansicht vertreten, die Erbengemeinschaft sei bei Fortbestand der Geschäftsbeziehung zur Beklagten zur geltend gemachten Einziehung der Kontenguthaben auch ohne eine Kündigung berechtigt.

Nachdem die Klage ursprünglich von den Klägern zu Ziffer 1. bis Ziffer 10. erhoben und Zahlung an die Kläger gemeinschaftlich begehrt worden war, haben die verbliebenen Kläger zu Ziffer 1. bis Ziffer 3. nach Rücknahme der Klage durch die vormaligen Kläger zu Ziffer 4. bis Ziffer 10. beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Erbengemeinschaft über den Nachlass der am 01.02.1920 in … geborenen, zuletzt in … wohnhaft gewesenen, am … in … verstorbenen L. 31.716,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.01.2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, die Klage sei bereits mangels hinreichender Angabe im Antrag, wer Mitglied der Erbengemeinschaft sei, unzulässig. Ferner hat sie gemeint, jedenfalls sei die Kündigung der bei ihr für die Erblasserin geführten Konten unwirksam, da die Erben gemäß § 2040 BGB nur gemeinschaftlich über die Nachlassgegenstände verfügen dürften. Die Kündigung stelle im Gegensatz zur Verwaltung gemäß § 2038 BGB eine Verfügung dar, nämlich einen Eingriff in den Kernbestand der Erbengemeinschaft und müsse deshalb einstimmig erfolgen, was vorliegend jedoch nicht der Fall sei.

Das Landgericht hat mit der angefochtenen Entscheidung die Beklagte verurteilt, an die Erbengemeinschaft über den Nachlass der am 01.02.1920 in … geborenen, zuletzt in … wohnhaft gewesenen, am … in … verstorbenen L. 31.716,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.01.2010 zu zahlen. Wegen der weitergehenden Zinsforderung ist die Klage im Übrigen abgewiesen worden.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei zulässig, insbesondere sei das Erfordernis des Vorliegens eines hinreichend bestimmten Antrags nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO gegeben. Nicht erforderlich sei, dass sämtliche Mitglieder der Erbengemeinschaft, an welche die Zahlung begehrt werde, im Antrag namentlich bezeichnet würden. Die Klage sei auch überwiegend begründet. Die Kläger hätten einen Anspruch gegen die Beklagte auf Auszahlung der Guthaben der auf den Namen der Erblasserin geführten Sparkonten. Eine wirksame Kündigung der Konten durch die Erbengemeinschaft liege vor, soweit dies erforderlich sei. Eines – unstreitig hier nicht vorliegenden – einstimmigen Beschlusses der Erbengemeinschaft bedürfe es nicht. Auch könne dahinstehen, ob die Kündigung der Geschäftsbeziehung zur Beklagten eine Verfügung nach § 2040 Abs. 1 BGB darstelle. Selbst wenn dies der Fall wäre, bedürfe es gemäß § 2038 BGB für die Wirksamkeit der Kündigung keine einstimmigen Entscheidungen der Erbengemeinschaft, da diese Vorschrift im vorliegenden Falle die Regelung des § 2040 Abs. 1 BGB verdränge. Der Bundesgerichtshof habe in seiner Entscheidung vom 11.11.2009 (VI ZR 210/05) entschieden, dass die Kündigung eines Pachtvertrages über ein Nachlassgrundstück durch eine Erbengemeinschaft nach § 2038 BGB mit deren Stimmenmehrheit vorgenommen werden könne. Auch wenn eine solche Kündigung eine Verfügung im Sinne des § 2040 Abs. 1 BGB sei, soweit die Kündigung eine Maßnahme ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung darstelle, jedenfalls sollten aber mehrheitlich beschlossene Maßnahmen der ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung auch Verfügungsgeschäfte mit der Folge umfassen, dass Einstimmigkeit nicht erforderlich sei. Nach Auffassung des Landgerichts gelte dies erst recht für die Anlage eines Geldbetrages bzw. die Kündigung einer entsprechenden Einlage zum Zwecke der Neuanlage. Dies ergebe sich aus § 2038 BGB i. V. m. § 745 Abs. 1 BGB. Die Kündigung stelle sich auch als Maßnahme ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung dar, da unstreitig auf den streitgegenständlichen Konten mit den Endziffern … und … keine bzw. lediglich Zinserträge in Höhe von 0,5 % erzielt würden. Auch der Grundsatz des Prinzips der Gemeinschaftlichkeit stehe vorliegend der Entscheidung nicht entgegen. Der Grundsatz sei bereits durch die Verwaltungsregelung in § 2038 BGB, die u. a. auch die Mehrheitsentscheidungen zulasse, mehrfach durchbrochen worden. Auch seien die Erben, die sich in der Minderheit befänden, auch ohne ein aus § 2040 Abs. 1 BGB hergeleitetes „Vetorecht“ hinreichend geschützt.

Dagegen wendet sich die Berufung der Beklagten. Sie rügt – unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens die Verletzung materiellen Rechts im Sinne von § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. Sie meint, die Entscheidung des Landgerichts sei fehlerhaft, weil bei der Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 31.716,00 € nebst Zinsen „an die Erbengemeinschaft“ die Vorschrift des § 2039 BGB nicht hinreichend Berücksichtigung gefunden habe. Zwar hätten die Kläger als Miterben eine Prozessführungsbefugnis, sie seien jedoch, da die Erbengemeinschaft als solche keine Rechtspersönlichkeit besitze, als solche nicht rechts- und parteifähig ist, damit ausgeschlossen. Leistung lediglich „an die Erbengemeinschaft“ zu begehren sei nicht möglich, sondern könne nur an jeden einzelnen Miterben verlangt werden. Dies folge bereits aus § 2039 Satz 1 BGB. Diese Vorschrift bedeute nichts anderes, als die Erbengemeinschaft als nicht rechts- bzw. parteifähiges Gebilde jedenfalls zu personifizieren, also jeden einzelnen Miterben, zu dessen Gunsten vorliegend Zahlung geleistet werden solle, aufzuführen. Der habe die Klageschrift fast entsprochen. Als aber auf die Rüge der Beklagten in der Klageerwiderung vom 09.02.2010, wonach nach der Nachverstorbene Miterbe J. R. weder rubriziert noch zur Zahlung an ihn begehrt würde, die Klage mit Schriftsatz vom 26.02.2010 unter teilweiser Rücknahme für die Kläger zu Ziffer 4. bis Ziffer 10. umgestellt und „nur“ noch Zahlung „an die Erbengemeinschaft“ begehrt werde, sei sie vollends unbegründet wegen § 2039 Satz 1 BGB geworden.

Zudem ist die Beklagte der Auffassung, die Kündigung der bei ihr geführten Konten als Verfügungsgeschäft stelle keineswegs eine Maßnahme ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung dar. Sie meint in diesem Zusammenhang, aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 11.11.2009 ergebe sich lediglich, dass der Bundesgerichtshof sich dazu entschlossen habe, dass Erben ein Mietverhältnis über eine zum Nachlass gehörende Sache wirksam mit Stimmenmehrheit kündigen können, wenn sich die Kündigung als Maßnahme ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung darstelle. Nur in diesem Lichte führe der Bundesgerichtshof aus – was das Landgericht fehlerhaft verallgemeinert habe – dass nämlich dem Recht, einen Vertrag zu begründen, auch das Recht folgen müsse, diesen wieder zu kündigen. Da, so der Bundesgerichtshof, die bei ihm streitgegenständliche Kündigung ein bereits zum Ende des Erbfalles bestehendes Mietverhältnis betroffen habe, was nicht erst von den Erben begründet worden sei, stelle sie „mithin eine Verfügung über die zum Nachlass gehörende Mietzinsforderung dar“. So liege der Fall aber hier nicht. Die Kläger würden vielmehr den gesamten Nachlass von der Beklagten vereinnahmen. Diese Vereinnahmung habe auf ein von der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten unterhaltenes Geschäftskonto erfolgen sollen. Dies sei nichts anderes als eine durch unzulässigen Mehrheitsbeschluss herbeigeführte wesentliche Änderung des gesamten Nachlasses, der in die Hände von drei von mindestens 11 Erben falle und auf dem allgemeinen Geschäftskonto einer Anwaltskanzlei sicherlich nicht im Sinne des Bundesgerichtshofes ordnungsgemäß verwaltet werden könne. Mithin habe sie, die Beklagte, diesem Ansinnen nicht gestellt.

Ferner ist die Beklagte der Ansicht, sie könne nicht als Sparkasse dazu veranlasst werden, der nur mehrheitlich beschlossenen Kündigung einer Erbengemeinschaft unter dem Vorwand, es ließen sich bei einem anderen Geldinstitut bessere Anlagekonditionen erzielen, zu entsprechen, indem das Gutachten einer ungeteilten Erbengemeinschaft einfach an einzelne Erben direkt, hier Geschäftskonto der Prozessbevollmächtigten für nur drei von mindestens elf Erben auszahlen lassen. Im Interesse an einer schuldbefreienden Leistung sei die Beklagte als Bank auf einem belastbaren Nachweis der Verfügungsberechtigten angewiesen, den die klägerischen Miterben durch eine auf die Vereinnahmung des gesamten Nachlasses auf dem Geschäftskonto ihrer Prozessbevollmächtigten ohne jegliche Vollmacht der übrigen Miterben zielende mehrheitlich beschlossene Kündigung nicht einmal ansatzweise entsprechen würde.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise beantragen sie den Tenor unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt neu zu fassen:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Erbengemeinschaft über den Nachlass der am 01.02.1920 in … geborenen, zuletzt in … wohnhaft gewesenen, am … in … verstorbenen L., bestehend aus:

1. dem Kläger und Berufungsbeklagten zu 1.

2. dem Kläger und Berufungsbeklagten zu 2.

3. dem Kläger und Berufungsbeklagten zu 3.

4. …

5. …

6. …

7. …

8. …

9. …

10. …

11. …

31.716,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.01.2010 zu zahlen.

Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil und wiederholen und vertiefen im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen des weitergehenden Parteivortrages im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen (§ 313 Abs. 2 ZPO).

II.

A.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§§ 517, 519, 520 ZPO).

B.

Die Berufung der Beklagten hat allerdings keinen Erfolg.

Die Kläger zu Ziffer 1. bis Ziffer 3. können in gesetzlicher Prozessstandschaft für die Erbengemeinschaft von der Beklagten die Auszahlung der Guthaben der auf den Namen der Erblasserin geführten Konten, die bei der Beklagten geführt werden, an die Erbengemeinschaft nach der am 27.12.2003 in … verstorbenen Erblasserin verlangen. Soweit es hierfür einer wirksamen Kündigung durch die Erbengemeinschaft bedarf, liegt eine solche vor.

1.

Die verbliebenen Kläger zu Ziffer 1. bis Ziffer 3. sind prozessführungsbefugt. Die Prozessführungsbefugnis resultiert aus § 2039 Satz 1 BGB. Diese Vorschrift berechtigt, in gesetzlicher Prozessstandschaft für die Erbengemeinschaft – und nicht etwa in Vertretung der übrigen Miterben – zum Nachlass gehörende Ansprüche ohne deren Mitwirkung auch klageweise geltend zu machen (einhellige Auffassung, vgl. siehe etwa BGHZ 44, 367; BGH NJW NJW 2006, 1969; Palandt/Weidlich, BGB, 70. Aufl., § 2039 Rn. 1 m. w. N.). Keine Ansprüche i. S. v. § 2039 BGB sind dagegen Gestaltungsrechte wie die Kündigung (RGZ 65, 5; Palandt/Weidlich, a. a. O., § 2039 Rn. 2 m. w. N.). Gestaltungsrechte begründen nämlich erst die Ansprüche und sind damit gemäß § 2040 der Erbengemeinschaft vorbehalten. Sie können von den Miterben nur gemeinsam ausgeübt werden. Nur ausnahmsweise kann ein einzelner Miterbe Gestaltungsrechte unter den Voraussetzungen des § 2038 Abs 1 Satz 2 HS 2 BGB (Notgeschäftsführung) allein ausüben (BGHZ 108, 21).

Ein Fall der Ausübung von Gestaltungsrechten ist vorliegend aber nicht einschlägig. Mit der Klage machen die Kläger zu Ziffer 1. bis Ziffer 3. keine Gestaltungsrechte wie eine Kündigung geltend, vielmehr beziehen sie sich lediglich auf die von ihnen unter dem 04.12.2009 beschlossene Kündigung bzw. auf die Wiederholung des Beschlusses unter dem 20.02.2010.

2.

Die Beklagte ist gegenüber der Erbengemeinschaft nach der am … in … verstorbenen Erblasserin zur Auszahlung des Guthabens auf dem Girokonto Nr. … (alt: …) und des Guthabens auf dem Sparkonto Nr. … (alt: …) inklusive der Zinsen insgesamt 31.716,00 €) (Stand Jahresende 2003) verpflichtet. Die Kläger zu Ziffer 1. bis 3. haben die Vertragsverhältnisse über die von der Erblasserin zu deren Lebzeiten bei der Beklagten eröffneten Konten, Girokonto Nr. … (alt: …) und Sparkonto Nr. … (alt: …), nach dem Tode der Erblasserin wirksam für die Erbengemeinschaft gekündigt.

a.

Grundsätzlich gilt bei einer Erbengemeinschaft, dass die Kündigung eines Vertragsverhältnisses von allen Miterben gemeinschaftlich auszusprechen ist, diese stellt eine Verfügung im Sinne von § 2040 Abs. 1 BGB dar.

Eine solche von allen Miterben bzw. Erbeserben unmittelbar gemeinschaftlich ausgesprochene Kündigung liegt hier allerdings nicht vor. Sie ist insbesondere nicht in der Klageschrift erklärt worden. Davon kann nur dann ausgegangen werden, wenn mit hinreichender Deutlichkeit zu erkennen ist, die Klageschrift solle neben der reinen Prozesshandlung auch eine materiell-rechtliche Willenserklärung darstellen und nicht lediglich der Durchsetzung einer bereits außerprozessual erklärten Kündigung dienen ( BGH NJW-RR 1997, 203). Die vom 22.12.2009 datierende Klageschrift lässt dies nicht erkennen. Vielmehr wird, wie sich aus der Anlage zur Klageschrift (Bl. 4 d. A.) ergibt, auf die unter dem 04.12.2009 gegenüber der Beklagten erklärten Kündigung Bezug genommen und mithin seitens der Kläger zu Ziffer 1. bis Ziffer 3. von einer bereits wirksamen Kündigungserklärung ausgegangen.

Eine solche Kündigung lässt sich auch nicht der Beschlussfassung der Kläger zu Ziffer 1. bis 3. vom 20.02.2010 (Bl. 29 d.A.) entnehmen. Mit diesem Beschluss wird lediglich die (wiederholte) Vollmachtserteilung für ihren Prozessbevollmächtigten ausgesprochen.

b.

Allerdings ist nach § 2038 Abs. 1 Satz 2, Halbsatz 1 BGB jeder Miterbe den anderen gegenüber verpflichtet, an Maßregeln mitzuwirken, die zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses erforderlich sind und können solche Maßregeln mit Stimmenmehrheit beschlossen werden (§ 2038 Abs. 2 BGB i. V. m. § 745 Abs. 1 BGB). Grundsätzlich rechtlich zulässig ist demzufolge, dass eine Kündigung durch ein Mitglied der Erbengemeinschaft namens sämtlicher Mitglieder der Erbengemeinschaft erklärt werden darf. Die von den Klägern zu Ziffer 1. bis 3. unter dem 04.12.2009 erklärte Kündigung, die unstreitig der Beklagten zugegangen ist, stellt eine erforderliche Maßregel zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses dar. Diese Maßregel ist mit Stimmenmehrheit der Erbengemeinschaft beschlossen worden.

Im Einzelnen:

aa.

Nach § 2040 Abs. 1 BGB können die Erben über einen Nachlassgegenstand nur gemeinschaftlich verfügen. Gemäß § 2038 BGB steht auch die Verwaltung des Nachlasses den Erben grundsätzlich gemeinschaftlich zu. Jeder Miterbe ist den anderen gegenüber allerdings verpflichtet, an Maßregeln mitzuwirken, die zur ordnungsgemäßen Verwaltung erforderlich sind. Gemäß § 745 Abs. 1 BGB, der nach § 2038 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Anwendung gelangt, kann durch Stimmenmehrheit eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Gegenstands entsprechende ordnungsgemäße Verwaltung und Benutzung beschlossen werden. Fügt sich der überstimmte Miterbe dem Mehrheitsbeschluss nicht, so können ihn die übrigen Miterben etwa auf Abgabe der für die Verfügung erforderlichen Willenserklärung verklagen. Die zur Erhaltung des Nachlasses notwendigen Maßregeln kann jeder Miterbe ohne Mitwirkung des anderen treffen (vgl. BGH, Urteil v. 11.11.2009, XII ZR 210/05 = BGHZ 183, 131).

bb.

Die Kläger zu Ziffer 1. bis Ziffer 3. haben mit ihrer Stimmenmehrheit von 75 % mit Beschluss vom 21.11.2009 die Kündigung der Verträge der Erblasserin mit der Beklagten beschlossen.

cc.

Die erklärte Kündigung stellt sich als Maßnahme ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung dar. Dies ist nach den folgenden Grundsätzen zu bewerten:

(1).

Die Frage, ob § 2040 Abs. 1 BGB für Verfügungen über einen Nachlassgegenstand ausnahmslos anwendbar ist oder ob § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB i. V. m. § 745 Abs. 1 BGB im Falle mehrheitlich beschlossener Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses gegenüber § 2040 Abs. 1 BGB vorrangig ist, war und ist in Rspr. und Lit. umstritten.

Der Bundesgerichtshof (BGHZ 183, 131) folgt – jedenfalls für den Fall der Kündigung eines Mietverhältnisses über ein Nachlassgrundstück – der Auffassung, dass die Erben ein Mietverhältnis über eine zum Nachlass gehörende Sache wirksam mit Stimmenmehrheit kündigen können, wenn sich die Kündigung als Maßnahme ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung darstellt. Zur Begründung ist ausgeführt worden, § 2038 BGB i. V. m. § 745 Abs. 1 BGB ermögliche den Erben, auf Grund eines Mehrheitsbeschlusses wirksam Verpflichtungsgeschäfte zum Zwecke ordnungsgemäßer Verwaltung abzuschließen (s. dazu auch BGHZ 56, 47). Nach § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB ist jeder Miterbe den anderen gegenüber verpflichtet, zu Maßregeln mitzuwirken, die zur ordnungsmäßigen Verwaltung des Nachlasses erforderlich sind; solche Maßregeln können mit Stimmenmehrheit beschlossen werden (§ 2038 Abs. 2 BGB i. V. m. § 745 Abs. 1 BGB), bedürfen also nicht der Zustimmung sämtlicher Miterben.

Die Nachlassverwaltung umfasst sowohl Geschäftsführung wie Vertretung, betrifft also sowohl das Innen- wie das Außenverhältnis (vgl. BGHZ 56, 47; 283, 131). Wenn nun die Erben durch Mehrheitsbeschluss im Rahmen der Nachlassverwaltung verbindlich Verträge mit Dritten abschließen und damit obligatorische Rechtspositionen begründen können, ist aus Sicht des Bundesgerichtshofs nicht ersichtlich, wieso es ihnen verwehrt sein sollte, diese Rechte – ebenfalls mehrheitlich – wieder aufzuheben. Die Kündigung ist ein, bezogen auf das Schuldverhältnis unselbständiges, akzessorisches Gestaltungsrecht (vgl. BGHZ 95, 250). Es liegt mithin nahe, dem Recht, einen Vertrag zu begründen, auch das Recht folgen zu lassen, diesen wieder zu kündigen.

Diesen grundsätzlichen rechtlichen Überlegungen folgt der Senat und hält sie auch auf den vorliegenden Fall für anwendbar.

Zwar bezieht sich die hier im Streit stehende Kündigung auf Verträge (Girokonto und Sparkonto) mit der Beklagten, die bereits im Zeitpunkt des Erbfalls bestanden haben und damit nicht erst von den Erben begründet worden sind; sie stellt allerdings auch eine Verfügung i. S. v. § 2040 Abs. 1 BGB über die zum Nachlass gehörenden Forderungen aus dem Girovertrag und dem Sparkontovertrag dar. Denn der allgemeine Verfügungsbegriff, nach welchem Verfügungen Rechtsgeschäfte sind, durch die bestehende Rechte mit unmittelbarer Wirkung aufgehoben, übertragen, belastet oder inhaltlich verändert werden (siehe nur BGHZ 101, 24), gilt auch für diese Vorschrift (vgl. BGH FamRZ 2006, 1026). Deshalb ist u. a. die Ausübung von Gestaltungsrechten wie die Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses (BGH FamRZ 2006, 1026) eine Verfügung. Dies gilt auch für die Kündigung einer Forderung (Palandt/Weidlich, a. a. O., § 240 Rn. 2; speziell für die Kündigung einer Darlehensforderung aus dem Nachlass bejaht durch RGZ 65, 5), da Verfügungen auch solche Erklärungen sind, die ein Schuldverhältnis umgestalten.

Diese rechtliche Herleitung des Bundesgerichtshofs kann auch auf den vorliegenden Fall – Vertragsverhältnis über Girokonto und Sparkonto – übertragen werden. Auch wenn der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ein Mietverhältnis zugrunde lag, schließen Spezifika eines Dauerschuldverhältnisses hier ersichtlich nicht die Übertragbarkeit auf den vorliegenden Fall aus.

(2).

Auch die weitere Voraussetzung für die Wirksamkeit der Kündigung, dass es sich bei ihr um eine ordnungsgemäße Verwaltungsmaßnahme handelt, ist hier gegeben.

Zur Nachlassverwaltung gehören alle Maßregeln zur Verwahrung, Sicherung, Erhaltung und Vermehrung sowie zur Gewinnung der Nutzung und Bestreitung der laufenden Verbindlichkeiten (BGHZ 164, 181; 183, 131; Palandt/Weidlich, BGB, 70. Aufl., § 2038 Rn. 3). Die Ordnungsmäßigkeit einer Maßnahme ist aus objektiver Sicht zu beurteilen. Entscheidend ist der Standpunkt eines vernünftig und wirtschaftlich denkenden Beurteilers (BGHZ 164, 181; Palandt/Weidlich, a. a. O; § 2038 Rn. 6).

Gemessen an diesen Grundsätzen stellt die Kündigung eines Girovertrages bzw. eines Vertrages über ein Sparkonto eine Maßregel zur Verwahrung, Sicherung, Erhaltung und Vermehrung nach, die zur Nachlassverwaltung gehört. Dies ist jedenfalls dann der Fall, um bei einer sicheren Einlage die Erzielung eines höheren Habenzinses zu ermöglichen.

Es ist unstreitig, dass das Guthaben auf dem Girokonto Nr. … (alt: …) nicht und das Guthaben auf dem Sparkonto Nr. … (alt: …) mit 0,5 % p.a. verzinst wird. Selbst die Verzinsung stellt nicht einen Inflationsausgleich sicher. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Gelder sich seit dem Tod der Erblasser seit ca. 7,5 Jahren zu diesen Konditionen bei den Beklagten befinden. Eine für die Erbengemeinschaft günstigere, also höhere Guthabenverzinsung – bei sicherer Einlage – zu erzielen, ist eine ordnungsgemäße Maßnahme der Nachlassverwaltung.

Nach alledem können die Kläger zu Ziffer 1. bis Ziffer 3. in gesetzlicher Prozessstandschaft für die Erbengemeinschaft von der Beklagten die Auszahlung der Guthaben der auf dem Namen der Erblasserin geführten Konten, die bei der Beklagten geführt werden, an die Erbengemeinschaft nach der am … in … verstorbenen Erblasserin verlangen. Die Beklagte kann auch problemlos erfüllen (§§ 362 ff. BGB), etwa durch Zahlung auf ein Und-Konto oder Hinterlegung. Die Berufung der Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg.

Über den hilfsweise gestellten Antrag der Kläger zu Ziffer 1. bis 3. war mithin nicht mehr zu entscheiden.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

4.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage gemäß §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.

5.

Gründe für die Zulassung der Revision zum Bundesgerichtshof nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere weicht der Senat nicht von den Grundsätzen des Urteils des Bundesgerichtshofes vom 11.11.2009 – (BGHZ 183, 131) ab.

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