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Grabpflegekosten – Können diese als Erbfallschulden vom Nachlass abgezogen werden?

OLG Düsseldorf, Az.: I-7 U 3/15, Urteil vom 12.02.2016

Pflichtteil: Berücksichtigungsfähigkeit von Grabpflegekosten, Auflagen, Vermächtnissen und einer Aufrechnung bei der Berechnung des Anspruchs

Die Berufung der Beklagten gegen das Schlussurteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kleve vom 12.12.2014 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten zu tragen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Der Kläger ist – neben einem weiteren Bruder – der Sohn der am 04.09.2011 verstorbenen Erblasserin B; die Beklagten sind aufgrund der notariell beurkundeten testamentarischen Verfügung der Erblasserin vom 14.03.2008 deren Erben. Der Kläger macht im Wege der Stufenklage Pflichtteilsansprüche geltend.

Nachdem die Beklagten im Laufe des Rechtsstreits Auskunft erteilt und Wertermittlungsgutachten vorgelegt haben, hat das Amtsgericht Rheinberg die zunächst dort erhobene Klage auf der Wertermittlungsstufe durch Teilurteil abgewiesen. In der Leistungsstufe, in der der Rechtsstreit an das Landgericht Kleve verwiesen worden ist, streiten die Parteien über den Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls und von den Beklagten zur Aufrechnung gestellte Gegenforderungen.

Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, dass das zu Gunsten des Enkels der Erblasserin verfügte Vermächtnis wertmindernd zu berücksichtigen sei.

Zudem rechnen die Beklagten gegenüber dem Pflichtteilsanspruch des Klägers mit einem Darlehensrückzahlungsanspruch der Erblasserin auf. Gemäß Darlehensvertrag vom 06.03.2003 ist das dem Kläger gewährte Darlehen von ursprünglich 40.000,- DM auf 43.000,- EUR erhöht worden. Des Weiteren sind der Erblasserin im einzelnen aufgeführte Einrichtungsgegenstände zur Sicherung übereignet worden.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Krefeld vom 30.03.2010 ist dem Kläger die Restschuldbefreiung gemäß § 300 InsO erteilt worden.

Die Beklagten haben in 1. Instanz mit weiteren – in der Berufung nicht mehr gegenständlichen – Forderungen aufgerechnet und die Anrechnung von Zuwendungen geltend gemacht.

Das Landgericht ist von folgendem Reinnachlass ausgegangen:

Aktiva

Konto Nr. … 18.573,34 EUR

Konto Nr. … 50.455,78 EUR

Gemälde 4.480, — EUR

1.750, — EUR

Positionen 16 und 17

930, — EUR

Sonstige Nachlassgegenstände

2.350, — EUR

78.539,12 EUR

Passiva

Beerdigungskosten 1.065, — EUR 304,64 EUR 814, — EUR = 2.250, — EUR

Gutachterkosten 318,92 EUR 80,44 EUR 188,02 EUR

Steuerbescheid 2006 3.164,85 EUR

Heimkosten 1.132,87 EUR

9.318,74 EUR

Reinnachlass 69.220,38 EUR

¼ Pflichtteil 17.305,10 EUR

Grabpflegekosten – Können diese als Erbfallschulden vom Nachlass abgezogen werden?
Foto: Eugen Thome/Bigstock

Das Landgericht hat die Beklagten durch das angefochtene Schlussurteil, auf das auch wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge gemäß § 540 ZPO Bezug genommen wird, unter Abweisung der Klage im übrigen zur Zahlung von 17.305,10 EUR nebst Zinsen verurteilt und die von den Beklagten erklärten Aufrechnungen für unbegründet erachtet. Zu der Aufrechnung mit dem Darlehensrückzahlungsanspruch hat es ausgeführt, dass dieser unter die dem Kläger erteilte Restschuldbefreiung falle.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die eine vollständige Klageabweisung erstreben.

Sie rügen, dass als Passiva die Grabpflegekosten von 4.381,76 EUR hätten berücksichtigt werden müssen. Auch das Vermächtnis von restlichen 5.500,- EUR hätte als Nachlassverbindlichkeit abgezogen und pflichtteilsmindernd berücksichtigt werden müssen. Des Weiteren seien auf der Passivseite 1.560,- EUR Anwaltskosten für die Abwehr von Pflichtteilsansprüchen, die durch die erhöhten Forderungen und Vorwürfe der Beklagten veranlasst worden seien, in Ansatz zu bringen.

Auch wenn der Darlehensrückzahlungsanspruch durch die Erteilung der Restschuldbefreiung nicht mehr durchsetzbar sei, hätte das Landgericht das von den Beklagten bereits erstinstanzlich geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht aufgrund der Sicherungsübereignung prüfen müssen. Das Sicherungseigentum der Erblasserin sei nicht untergegangen und könne von den Beklagten geltend gemacht werden.

Die Beklagten beantragen, unter „Aufhebung“ des Urteils des Landgerichts Kleve vom 12.12.2014 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil, soweit es zu seinen Gunsten ergangen ist.

Die Kosten der Grabpflege stellten keine berücksichtigungsfähigen Beerdigungskosten dar.

Die von den Beklagten thematisierten Rechtsanwaltskosten seien bereits in den Kostenausgleichsantrag der Beklagten vom 26.01.2015 eingeflossen.

Es sei nicht ersichtlich, weshalb aus der Sicherungsübereignung ein Zurückbehaltungsrecht folgen könne. Es fehle an der erforderlichen Konnexität. Darüber hinaus könne der Kläger Rückübereignung verlangen, weil der Sicherungszweck aufgrund der Undurchsetzbarkeit der Forderung entfallen sei. Der Insolvenzverwalter habe seinerzeit durch Schreiben vom 31.03.2005 darauf hingewiesen, dass die Übereignung des Inventars sowie der Bilder an die Erblasserin unwirksam sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Kläger kann von den Beklagten als Erben seiner verstorbenen Mutter gemäß § 2303 Abs. 1 BGB den Pflichtteil verlangen. Den gemäß § 2311 Abs. 1 BGB bei der Berechnung des Pflichtteils zugrunde zu legenden Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls hat das Landgericht zutreffend mit 69.220,38 EUR angenommen.

Über die vom Landgericht in Abzug gebrachten Passiva hinaus sind bei der Feststellung des Nachlasswertes keine weiteren Passivposten für Grabpflegekosten, Erfüllung des Vermächtnisses und Anwaltskosten abzuziehen.

Die Beklagten können dem Pflichtteilsanspruch des Klägers auch kein Zurückbehaltungsrecht entgegenhalten.

Im Einzelnen:

1. Grabpflegekosten

Zwar gehören zu den sogenannten Erbfallschulden, die vom Nachlass abzuziehen sind, die Kosten der standesgemäßen Bestattung des Erblassers und der Grabstätte, nicht aber die laufende Grabpflege (Lange in Münchner Kommentar zum BGB, 6. Auflage, § 2311 Rn. 19; Palandt-Weidlich, BGB, 75. Auflage, § 1968 Rn. 4).

Unerheblich ist das mit der Berufung vorgetragene Argument, dass die Grabpflegekosten im vorliegenden Fall zu berücksichtigen seien, weil den Beklagten im Testament der Erblasserin zur Auflage gemacht worden ist, die Pflege des Grabes durch einen Dauervertrag zu sichern.

Auflagen und Vermächtnisse scheiden für die Berechnung des Pflichtteils aus. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz, dass der Erblasser Pflichtteilsrechte durch Verfügungen von Todes wegen nicht beeinträchtigen kann (vgl. Lange in Münchner Kommentar zum BGB, a.a.O., Rn. 20) und die testamentarischen Verfügungen bei der Berechnung des Pflichtteils als nicht existent behandelt werden müssen.

2. Restliches Vermächtnis von 5.500,- EUR

Dementsprechend ist auch das zu Gunsten ihres Enkelkindes von der Erblasserin verfügte Vermächtnis für die Berechnung des Pflichtteils des Klägers nicht relevant.

3. Anwaltskosten von 1.560,- EUR

Das Honorar, das der Rechtsanwalt des Erben für die gesamte Vertretung gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten erhält, ist vom Aktivnachlass nicht abzugsfähig (Herzog in Staudinger BGB-Neubearbeitung 2015, § 2311 Rn. 76; § 2314 Rn. 150). Es gehört nicht zu den nach § 2314 Abs. 2 dem Nachlass zur Last fallenden Kosten für die Erteilung der Auskunft und die Ermittlung des Wertes der Nachlassgegenstände. Diesen Zwecken diente die von den Beklagten in Anspruch genommene anwaltliche Beratung gerade nicht, sondern bezweckte die Abwehr der Pflichtteilsansprüche des Klägers.

Eine Anspruchsgrundlage für einen selbstständigen Kostenerstattungsanspruch ist nicht ersichtlich.

4. Aufrechnung mit Darlehensrückzahlungsanspruch bzw. Zurückbehaltungsrecht wegen eines Anspruchs aus der Sicherungsübereignung für das Darlehen von 43.000,- EUR

Die Beklagten haben in 1. Instanz die Aufrechnung mit einer Darlehensrückzahlungsforderung der Erblasserin i.H.v. 43.000,- EUR erklärt und sich „hinsichtlich des Darlehensbetrages“ auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen und auf die zur Sicherung des Darlehens erfolgte Übereignung der Wohnungseinrichtung des Klägers auf die Erblasserin verwiesen.

Das Landgericht hat die Aufrechnung angesichts der dem Kläger durch Beschluss vom 30.03.2010 erteilten Restschuldbefreiung für unwirksam gehalten. Dies wollen die Beklagten mit der Berufung erkennbar auch nicht beanstanden, indem sie sagen, dass dies wohl zutreffend sei. Die Aufrechnung ist nicht möglich, weil sich die in Rede stehenden Forderungen vor bzw. während des Insolvenzverfahrens noch nicht in aufrechenbarer Weise gegenübergestanden haben (vgl. Stephan in Münchner Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Auflage, § 301 Rn. 18). Die vom Kläger geltend gemachte Pflichtteilsforderung ist erst mit dem Tod der Erblasserin am 04.09.2011 entstanden.

Insofern vermag den Beklagten auch nicht die testamentarische Verfügung der Erblasserin, mit der sie ihnen auferlegt hat, ihre Forderung gegen den Kläger durchzusetzen und mit dem Pflichtteil aufzurechnen, weiterzuhelfen. Die Erblasserin kann den Pflichtteil nicht durch Verfügungen von Todes wegen einschränken und dadurch auch keine Aufrechnungslage, die rechtlich nicht vorhanden ist, schaffen.

Ein Zurückbehaltungsrecht (§ 273 Abs. 1 BGB), auf das die Beklagten in 2. Instanz abstellen, steht ihnen nicht zu.

Zwar dürfte ein Anspruch der Beklagten auf Herausgabe der der Erblasserin sicherungsübereigneten Gegenstände gemäß §§ 985, 1922 BGB bestehen, da dingliche Sicherheiten, z.B. aus einer Sicherungsübereignung von der Restschuldbefreiung nicht berührt werden (vgl. Stephan in Münchner Kommentar zur Insolvenzordnung, a.a.O., Rn. 32) und der Sicherungsfall hier eingetreten ist. Jedoch beruht der Herausgabeanspruch der Beklagten nicht auf „demselben rechtlichen Verhältnis“ im Sinne von § 273 Abs. 1 BGB wie der Pflichtteilsanspruch des Klägers. Zwischen dem Anspruch des Pflichtteilsberechtigten gegen den/die Erben und einer Nachlassforderung, die sich gegen den Pflichtteilsberechtigten richtet, besteht keine Konnexität (Bittner in Staudinger, BGB Neubearbeitung 2014, § 273 Rn. 95). Der Anspruch des Klägers beruht auf seinem Pflichtteilsrecht nach § 2303 Abs. 1 BGB, wohingegen der Anspruch der Beklagten aus § 985 BGB aus der weit vor dem Todesfall erfolgten Sicherungsübereignung herrührt. Der Tod der Mutter des Klägers für sich reicht als verbindendes Element für eine Konnexität nicht aus (vgl. OLG München, Beschluss vom 05.03.2014 – 20 U 288/14 – BeckRS 2014, 09035).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 in Verbindung mit § 713 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass, § 543 Abs. 2 ZPO.

Streitwert 2. Instanz: 17.305,10

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