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Grundsteuerzahlung durch Mitglied einer Erbengemeinschaft

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 4 C 18.1135 – Beschluss vom 12.07.2018

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich als Mitglied einer Erbengemeinschaft gegen die Heranziehung zur Zahlung von Grundsteuer und verfolgt ihren in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Prozesskostenhilfe im Beschwerdeverfahren weiter.

Die Klägerin ist Mitglied der Erbengemeinschaft in Nachfolge ihres am 31. Juli 2015 gestorbenen Ehemanns, die infolge des Erbfalls in dessen Erbbauberechtigung an dem Geschäftsgrundstück FlNr. 1989/2 in R. eintrat. Mit Schreiben vom 2. November 2015 teilte das Amtsgericht Regensburg, Abteilung für Nachlasssachen, der Beklagten den Eintritt der gesetzlichen Erbfolge mit.

Mit Bescheid vom 5. November 2015 erließ die Beklagte aufgrund des Eigentumswechsels gegenüber der Klägerin für das oben genannte Grundstück einen „Bescheid über Grundabgaben“ und setzte u.a. die Grundsteuer für das Jahr 2016 und die Folgejahre auf 3.100,99 Euro fest. Der Berechnung lag ein Hebesatz von 395,00 v.H. und ein Grundsteuermessbetrag von 785,06 Euro zugrunde. In der Bescheidsbegründung wird unter anderem angegeben, dass bei mehreren Abgabenschuldnern der namentlich genannte gesamtschuldnerisch in Anspruch genommen werde. Bei der Auswahl seien die Eigentumsverhältnisse, Wohnort und personenbezogene Kriterien berücksichtigt worden. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch und trug vor, sie sei nicht Schuldnerin der festgesetzten Abgaben. Es sei ein Nachlassinsolvenzantrag gestellt worden. Diesem Verfahren solle die weitere Abwicklung der Rückstände und der künftigen Forderungen der Beklagten überlassen werden. Die Klägerin hafte nicht mit ihrem Privatvermögen, die Haftung sei auf den Nachlass beschränkt. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2017 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Gegen den am 20. April 2017 zugestellten Bescheid erhob die Klägerin am 19. Mai 2017 Klage. Den am 19. Juni 2017 gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe lehnte das Verwaltungsgericht Regensburg mit Beschluss vom 17. April 2018 ab.

Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Klägerin, der die Beklagte entgegentritt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die von der Beklagten vorgelegte Aktenheftung verwiesen.

II.

1. Die zulässige Beschwerde (§ 146 Abs. 1, § 147 Abs. 1 VwGO) hat keinen Erfolg.

Grundsteuerzahlung durch Mitglied einer Erbengemeinschaft
(Symbolfoto: Andrey_Popov/Shutterstock.com)

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ihre Klage auf Aufhebung des Grundsteuerbescheids der Beklagten zu Recht abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Denn die Klägerin wurde rechtmäßig mit Bescheid vom 5. November 2015 ab dem Veranlagungszeitraum 2016 als Miterbin gesamtschuldnerisch zur Grundsteuer für das streitgegenständliche Grundstück herangezogen.Entgegen der in der Beschwerde vorgetragenen Auffassung kann die Klägerin der Steuerschuld nicht die Einrede der beschränkten Erbenhaftung (§ 1990 BGB) entgegensetzen.

a) Die Grundsteuerschuld für den Veranlagungszeitraum 2016 ist am 1. Januar 2016 erstmals in der Person der Klägerin als Mitglied der Erbengemeinschaft nach ihrem Ehemann gesamtschuldnerisch entstanden. Es handelt sich daher nicht um eine vom Erblasser herrührende Schuld im Sinn von § 1967 BGB. Die Dürftigkeitseinrede des Erben gegenüber einem Nachlassgläubiger nach § 1990 BGB greift nicht.

Nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) i.V.m. § 48 AO entstehen Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis, wenn der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Die Grundsteuer ist eine Jahressteuer, die mit dem Beginn des Kalenderjahres entsteht, für das die Steuer festzusetzen ist (§ 9 Abs. 2 GrStG). Derjenige, dem ein Erbbaurecht zugerechnet ist, ist auch Schuldner der Grundsteuer für die wirtschaftliche Einheit des belasteten Grundstücks (§ 10 Abs. 2 GrStG). Da die Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt infolge des mit dem Erbfall (§§ 1922, 1942 BGB) eingetretenen „Vonselbsterwerbs“ (Mit-)Erbbauberechtigte des streitgegenständlichen Grundstücks war, handelt es sich um eine eigene Steuerschuld der Klägerin in Bezug auf das zum Nachlass gehörende Grundstück. Da es sich folglich um eine sogenannte Eigenschuld der Erben handelt, hat die Klägerin für diese gesamtschuldnerisch mit ihrem Vermögen einzustehen und kann sich nicht auf erbrechtliche Haftungsbeschränkungen berufen (BayVGH, B. v. 27.2.2008 – 4 CS 07.3354 – juris Rn. 9; OVG NRW, B.v. 27.2.2001 – 9 B 157/01 – NVwZ-RR 2001, 596 f = juris Rn. 3; Staudinger/Marotzke, BGB, § 1967 Rn. 36). Ob die Grundsteuer als Realsteuer daneben (auch) noch eine sogenannte Nachlassverbindlichkeit im Sinn einer Nachlasserbenschuld ist, weil sie im Zuge einer Nachlassverwaltung entstanden sind (so Staudinger/Marotzke, BGB, § 1967 Rn. 36), kann hier offen bleiben. Denn auch in diesem Fall könnte die Klägerin die Haftung nicht auf den Nachlass beschränken, weil dies dem Erben nur bei einer „reinen“ Nachlassverbindlichkeit möglich ist. Sofern es sich – wie hier – zumindest auch um eine Eigenschuld handelt, ist diese Privilegierung nicht möglich (Palandt/Weidlich, BGB, 18. Aufl. 2018, § 1967 Rn 1; Horn in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 1967 BGB, Rn. 2, Staudinger/Marotzke, BGB, § 1967 Rn. 36).

b) Eine andere Einschätzung ergibt sich auch nicht aus der in der Beschwerdebegründung angeführten Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 11. August 1998 (VII R 118/95). In diesem Fall, der sich zudem auf das Einkommensteuerrecht bezog, hatte der Erblasser noch zu Lebzeiten ein Rechtsgeschäft abgeschlossen, in dessen Vollzug es nach dem Erbfall zu einem Güteraustausch und einem Veräußerungsgewinn kam. Der Bundesfinanzhof entschied, dass in diesem Fall der Veräußerungsgewinn und die darauf entfallende Steuer nach erbrechtlichen Grundsätzen dem Erblasser zuzurechnen seien, weil dieser durch sein Verhalten einen Geschehensablauf in Gang gesetzt habe, auf den der Erbe keinen Einfluss mehr gehabt habe. Zwar sei die Steuerschuld originär beim Erben angefallen, ihm sei aber in diesem besonderen Fall die Einrede nach § 1975 BGB zuzubilligen. Mit diesem besonderen Ausnahmefall ist der hier zu entscheidende Fall nicht vergleichbar. Der Umstand, dass eine Steuerschuld allein an die Inhaberschaft eines Gegenstandes geknüpft ist und kraft Gesetzes entsteht, rechtfertigt keine Durchbrechung der erbrechtlichen Haftungsgrundsätze. Nachdem der Erbfall bereits am 31. Juli 2015 eingetreten ist, hatte die Klägerin bzw. die Erbengemeinschaft auch ausreichend Zeit, über die Verwendung des Grundstücks (Veräußerung, Ausschlagung) zu entscheiden. Keine Auswirkung auf die steuerrechtliche Haftung hat es außerdem, dass sich – wie im Beschwerdevorbringen geltend gemacht wird – die Klägerin als Mitglied der Erbengemeinschaft nicht im Stande sah, innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Ausschlagungsfrist von 6 Wochen (§ 1944 Abs. 1 BGB) zu entscheiden, ob sie das Erbe annimmt. Angesichts der von ihr vorgetragenen Überschuldung des Grundstücks musste ihr außerdem der wirtschaftliche Wert des nach eigenen Angaben lediglich aus dem Grundstück bestehenden Erbes bekannt gewesen sein.

c) Die Beklagte hat das ihr zustehende Auswahlermessen hinsichtlich der einzelnen Mitglieder der Erbengemeinschaft sachgerecht ausgeübt (vgl. § 114 VwGO). Sie durfte insofern berücksichtigen, dass die Klägerin als einzige Steuerpflichtige im Gemeindegebiet wohnt. Die Klägerin kann von den Miterben gem. § 426 Abs. 1 BGB einen Ausgleich verlangen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als das Prozess-kostenhilfeverfahren erster Instanz ist das Beschwerdeverfahren in Prozesskostenhilfesachen kostenpflichtig. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

3. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

 

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