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Grundstücksschenkung an Erben und Eigengeschenks beim Pflichtteilsergänzungsanspruch

OLG München – Az.: 20 U 2853/08 – Urteil vom 25.05.2011

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 410,26 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit dem 16.08.2006 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Bei der Kostenentscheidung in Ziffer II. des Urteils vom 12.11.2008 hat es sein Bewenden. Darüber hinaus trägt der Kläger auch die übrigen Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird für die Zeit bis zum 03.04.2011 auf 24.326,15 €, ab dem 04.04.2011 auf 28.381,07 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger macht gegen die Beklagte, seine Mutter, Pflichtteilsansprüche nach seinem Vater, dem am 24.10.2005 verstorbenen Karl L., geltend.

Karl L. wurde von der Beklagten, mit der er im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt hatte, aufgrund testamentarischer Verfügung allein beerbt, die Schwester des Beklagten, Ulrike P., ist Schlusserbin. Der Kläger verlangt als Pflichtteil ein Achtel des Nachlasses.

Im Aktivvermögen des Erblassers befanden sich zum Zeitpunkt seines Todes ein Bankguthaben in Höhe von insgesamt 4.624,- EUR sowie ein Betrag in Höhe von 2.587,59 EUR aus einer Lebensversicherung, insgesamt also 7.211,59 EUR.

Im Zusammenhang mit der Beerdigung des Erblassers entstanden Kosten in Höhe von 1.430,84 EUR, davon 250,- EUR für Blumenschmuck und 185,50 EUR für die Todesanzeige. Der Name des Klägers war weder auf der Schleife des Blumenkranzes noch in der Todesanzeige erwähnt.

Mit notarieller Urkunde vom 05.08.1997 hatten der Erblasser und die Beklagte auf Ulrike P. das Anwesen … in O. gegen Wart und Pflege und die Einräumung eines Wohnrechts übertragen (Anlage B 8). In Ziffer III.4. der Urkunde wird übereinstimmend festgestellt, dass der Ausbau des Dachgeschosses allein auf Kosten der Erwerberin erfolgt sei. In Ziffer X. der Urkunde findet sich die Feststellung, dass der Kläger zur Finanzierung seines Wohnhauses erhebliche Zuwendungen in Geld in Anrechnung auf den Pflichtteil erhalten habe und Ulrike P. durch die Grundstücksüberlassung dem Bruder gleichgestellt und zu keiner Hinzuzahlung oder Ergänzung verpflichtet sein solle. In einem Gutachten des Sachverständigen T., für dessen Erstellung aus dem Nachlass 2.498,64 EUR aufgewendet wurden, wurde das Anwesens unter Berücksichtigung des Leibgedinges und ohne Berücksichtigung des Dachgeschosses für den Übergabetag mit 249.000,- EUR, für den Todestag mit 294.000,- EUR bewertet. Der Kläger ließ in einem Ergänzungsgutachten, für dessen Erstellung er 882,98 EUR aufwendete, den Wert des Dachgeschosses ermitteln, der für den Übergabetag auf 56.000,- EUR, für den Todestag auf 47.000,- EUR beziffert wurde.

Mit Schreiben vom 01.12.2006 (Anlage K 6) hatte der anwaltliche Vertreter der Beklagten erklärt, dass an Ulrike P. 1997 5.459,- DM und weitere Beträge 1978, 1992 und 1993 geflossen seien, diese Schenkungen aber alle außerhalb der Zehnjahresfrist lägen und deshalb irrelevant seien.

Von dem Eigenkonto des Erblassers bei der S. Bank M., Konto-Nr. …, waren zu Lebzeiten des Erblassers fünfzehn Überweisungen auf das Konto des Klägers in Höhe von insgesamt 112.300,- DM erfolgt. Am 23.04.2001 erklärte der Erblasser schriftlich, dass das Geld, welches er in der Zeit vom 15.03.1978 bis 02.08.1995 seinem Sohn überwiesen habe und sich auf insgesamt 262.195,33 DM belaufe „als Zuwendung und Hilfe zunächst für meinen Sohn und dessen Ehefrau Barbara, ab 1980 auch für deren Kinder Martin, Gudrun und Hedwig bestimmt war“.

Der Kläger behauptet, der Erblasser habe von seiner Pension in Höhe von monatlich mindestens 2.000,- EUR nur 500,- EUR monatlich verbraucht, weil er sehr sparsam gewesen sei und keine Miete zahlen musste. Als Pensionist habe der Erblasser dem Kläger und dessen Schwester erhebliche Summen geschenkt. Dem Aktivvermögen des Nachlasses sei übrig gebliebene Pension in Höhe von 34.500,- EUR (= 23 x 1.500,- EUR) hinzuzurechnen. Ab Dezember 2003 habe der Erblasser von der Krankenkasse Pflegegeld für die Pflegestufe I in Höhe von insgesamt 4.608,- EUR, ab Januar 2005 für die Pflegestufe III in Höhe von insgesamt 14.320,- EUR erhalten. Da aber Ulrike P. für die Überlassung des Grundstücks Wart und Pflege geschuldet habe, sei auch das gesamte Pflegegeld dem Aktivvermögen hinzuzurechnen. Von den Beerdigungskosten seien die Ausgaben für die Todesanzeige und den Blumenschmuck nicht abziehbar, da der Name des Klägers hier keine Erwähnung gefunden habe. Im Rahmen der Schenkungen an Ulrike P. seien die laut Schreiben vom 01.12.2006 (Anlage K 6) im Jahr 1997 übergebenen 5.459,- DM (indexiert: 3.066,57 EUR) zu berücksichtigen, zumal die Beklagte die Angaben in diesem Schreiben am 20.02.2009 eidesstattlich versichert habe. Bei der Bewertung des Grundstücks sei das Dachgeschoss einzubeziehen, weil der Ausbau unter Mithilfe des Klägers erfolgt sei. Hinsichtlich des Leibgedinges habe nur ein Abzug bis zum Todestag des Erblassers und nicht nach der statistischen Lebenserwartung zu erfolgen. Die Überweisungen des Erblassers an den Kläger seien, soweit sie überhaupt erfolgt seien, ausweislich der Erklärung des Erblassers vom 23.04.2001 keine Schenkungen an ihn, sondern an die Ehefrau und die Kinder gewesen, allenfalls sei für den Kläger nur ein Fünftel bestimmt gewesen. Auch seien die Überweisungen Rückzahlungen gewesen, nachdem der Kläger seinen Eltern als Minderjähriger Sparbücher übergeben habe. Die Überweisungen seien nur zur Hälfte dem Erblasser, zur anderen Hälfte der Beklagten zuzurechnen. Der Kläger ist der Auffassung, er müsse sich die Überweisungen auch deshalb nicht anrechnen lassen, da es an einer Anrechnungsanordnung des Erblassers fehle.

Der Nachlass belaufe sich demnach einschließlich der Schenkungen an Ulrike P. und abzüglich der Passiva auf 219.985,72 EUR, der Pflichtteil somit auf 27.498,72 EUR. Hinzu komme ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für das Ergänzungsgutachten zur Bewertung des Dachgeschosses in Höhe von 882,98 EUR.

Der Kläger beantragt, nach Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht München II die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 28.381,07 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu bezahlen.

Ferner beantragt er die Zulassung der Revision.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Über das Bankguthaben und das Guthaben aus der Lebensversicherung hinaus seien Pensionen oder Pflegegeld bei Ableben des Erblassers nicht vorhanden gewesen. Das Geldgeschenk an Ulrike P. in Höhe von 5.459,- DM, welches ausweislich der Aufzeichnungen des Erblassers (Anlage B 9) zu 4.709,- DM für einen Meisterkurs und zu 750,- DM für ein Schlafzimmer bestimmt gewesen sei, sei nicht 1997, sondern 1977 erfolgt, dem Vertreter der Beklagten sei in dem Schreiben vom 01.12.2006 insoweit ein Schreibfehler unterlaufen. Bei Abgabe der eidesstattlichen Versicherung sei die Beklagte von der korrigierten Fassung ausgegangen. Der Ausbau des Dachgeschosses sei, wie im Übergabevertrag festgehalten, allein durch Ulrike P. erfolgt, so dass dieses bei der Bewertung des Grundstücks nicht zu berücksichtigen sei; deshalb seien auch die Kosten für das Ergänzungsgutachten nicht erstattungsfähig. An Überweisungen an den Kläger seitens des Erblassers seien zusätzlich noch 1.500,- DM am 01.12.1980 und 4.000,- DM am 25.10.1992 erfolgt. Die Schenkungen seien im vollen Umfang für den Kläger bestimmt gewesen, und außerdem, wie sich aus Ziffer X. des Übergabevertrages ergebe, unter Anrechnung auf den Pflichtteil erfolgt. Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung und beantragt vorsorglich die Aufnahme eines Haftungsbeschränkungsvorbehalts nach § 780 ZPO in das Urteil.

Der Kläger hatte in erster Instanz zunächst Stufenklage auf Auskunft, eidesstattliche Versicherung und Zahlung erhoben, dann aber die ersten beiden Stufen für erledigt erklärt und nur noch Zahlung von 19.765,93 EUR verlangt. Das Landgericht München I hatte die Zahlungsklage mit Urteil vom 07.03.2008 abgewiesen. In der hiergegen eingelegten Berufung hatte der Kläger im Wege der Klageänderung zunächst Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und in nächster Stufe Zahlung in Höhe von mindestens 24.326,15 EUR beantragt. Mit Urteil des Senats vom 12.11.2008 war das Urteil des Landgerichts München II vom 07.03.2008 aufgehoben und die Beklagte zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verurteilt worden. Nach Abgabe der eidesstattlichen Versicherung hat der Kläger zunächst in einem neuen Verfahren vor dem Landgericht München II Zahlungsklage auf den Pflichtteil erhoben, die wegen doppelter Rechtshängigkeit abgewiesen worden ist. Daraufhin hat der Kläger im hiesigen Verfahren Terminsantrag zur Verhandlung über die Leistungsstufe gestellt, seinen Leistungsantrag erneut begründet und die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht beantragt.

Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die Sitzungsniederschrift vom 25.05.2011 Bezug genommen.

II.

Eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht analog § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO zur Entscheidung über die Leistungsstufe wäre zwar grundsätzlich möglich (BGH, NJW 2006, 2626), unterbleibt aber, da die Sache entscheidungsreif ist.

Der Leistungsantrag des Klägers ist nur in Höhe seines ordentlichen Pflichtteils, der sich auf 410,26 EUR beläuft, begründet. Ein Pflichtteilsergänzungsanspruch steht ihm nicht zu, da die Geschenke, die er selbst erhalten hat, den Ergänzungspflichtteil bei Weitem übersteigen. Auch ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für das Ergänzungsgutachten steht ihm nicht zu.

1. Der ordentliche Pflichtteil des Klägers beläuft sich auf 410,26 EUR.

Als Abkömmling des Erblassers stünde dem Kläger bei gesetzlicher Erbfolge gemäß § 1924 Abs. 1 und 4, § 1931 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 i.V.m. § 1371 Abs. 1 BGB ein Viertel des Nachlasses zu. Da er durch Testament des Erblassers von der Erbfolge ausgeschlossen ist, steht ihm gegen die Beklagte als Alleinerbin gemäß § 2303 Abs. 1 BGB ein Pflichtteil in Höhe von einem Achtel des Nachlasses zu.

Der nach § 2311 Abs. 1 BGB zu bestimmende sog. bereinigte Nachlass beläuft sich auf 3.282,11 EUR. Er ergibt sich aus der Differenz zwischen den Aktiva in Höhe von 7.211,59 EUR (Bankguthaben: 4.624,- EUR zuzüglich Lebensversicherung: 2.587,59 EUR) und den Passiva in Höhe von 3.929,48 EUR (Beerdigungskosten: 1.430,84 EUR, Kosten für das Gutachten: 2.498,64 EUR). Die Beerdigungskosten, die der Erbe zu tragen hat (§ 1968 BGB), gehen zu Lasten des Nachlasses (Palandt, BGB, 70. Auflage 2011, § 2311 Rn. 4). Sie erfassen den Aufwand, der der Lebensstellung des Erblassers angemessen ist, unter anderem die Kosten für die Todesanzeige und für eine übliche Feier, zu der auch Blumenschmuck gehört (Palandt aaO., § 1968 Rn. 2). Diese Kosten sind auch dann Beerdigungskosten, wenn der Name eines Angehörigen des Erblassers weder in der Todesanzeige noch auf der Schleife des Blumenkranzes auftaucht; denn allein entscheidend ist, dass der Name des Erblassers in der Todesanzeige erscheint und der Trauerfeier durch Blumenschmuck ein würdiger Rahmen gegeben wird.

Soweit der Kläger meint, dem Aktivvermögen müssten Pensionen in Höhe von 34.500,- EUR sowie das gesamte vom Erblasser vereinnahmte Pflegegeld hinzugerechnet werden, stützt er dies auf die bloße Vermutung, dass der Erblasser zu seinen Lebzeiten diese Einnahmen nicht verausgabt habe und mit 500,- EUR pro Monat ausgekommen sei. Dabei handelt es sich ersichtlich um eine Behauptung ins Blaue hinein, der kein substantiierter Vortrag zu etwaigen Ansparungen des Erblassers zugrunde liegt und der die eidesstattliche Versicherung der Beklagten entgegen steht. Der Kläger kann sich insoweit auch nicht auf das Urteil des Senats vom 12.11.2008 stützen, mit dem die Beklagte zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verurteilt wurde. Damals bestanden angesichts der monatlichen Einkünfte Bedenken, dass der Erblasser auch die ursprünglich von der Beklagten nicht angegebene Lebensversicherung verbraucht haben sollte. Nachdem nunmehr die eidesstattliche Versicherung unter Einbeziehung der Lebensversicherung abgegeben ist, kann sich der Kläger zur Begründung eines höheren Aktivvermögens nicht mit bloßen Vermutungen begnügen. Zu den bloßen Vermutungen gehört auch die durch nichts begründete Annahme im Schriftsatz vom 23.05.2011, der Erblasser habe für die Krankenversicherung keine Kosten aufwenden müssen. Der Beweisantrag, zu den angeblich angesparten Pensionen die Zeugin P. zu vernehmen, ist somit unzulässig, weil er auf einen Ausforschungsbeweis gerichtet ist. Abgesehen davon ist der diesbezügliche Vortrag des Klägers auch widersprüchlich, da zugleich die ebenso unsubstantiierte Behauptung aufgestellt wird, der Erblasser habe von den angesparten Pensionen „erhebliche Summen“ an den Kläger und Frau P. verschenkt. Wenn dem so wäre, wären die Pensionen nicht mehr – jedenfalls nicht mehr in dem vermuteten Umfang – im Nachlass, sie wären als Schenkungen allenfalls zur Berechnung des Ergänzungspflichtteils dem fiktiven Nachlass hinzuzurechnen, wobei der Kläger sich Geschenke, die er selbst erhalten hat, gemäß § 2327 BGB anrechnen lassen müsste.

Auch die Annahme, dass der Erblasser trotz Pflegebedürftigkeit gemäß Pflegestufe I und III Pflegegeld nicht in Anspruch genommen, sondern angespart habe, ist eine bloße Vermutung. Vor allem lässt sich aus dem Umstand, dass Frau P. für die Überlassung des Grundstücks Wart und Pflege schuldete, nicht schließen, dass der Erblasser das Pflegegeld insbesondere für Pflegeleistungen, die Frau P. nicht erbringen konnte, nicht benötigte und auch sonst nicht ausgab.

Der ordentliche Pflichtteil beläuft sich demnach auf ein Achtel des bereinigten Nachlasses in Höhe von 3.282,11 EUR, mithin auf 410,26 EUR.

Auf den ordentlichen Pflichtteil muss sich der Kläger auch nicht die Überweisungen anrechnen lassen, die vom Konto des Erblassers auf sein Konto erfolgt sind. Gemäß § 2315 Abs. 1 BGB muss sich der Pflichtteilsberechtigte auf seinen ordentlichen Pflichtteil nur anrechnen lassen, was ihm von dem Erblasser mit einer entsprechenden Anrechnungsbestimmung zugewendet worden ist. Die Erklärung in Ziffer X. des vom Kläger nicht unterzeichneten Überlassungsvertrages vom 05.08.1997, dass der Kläger unter Anrechnung auf seinen Pflichtteil erhebliche Zuwendungen in Geld erhalten habe, ist zwar ein Indiz, aber kein Beweis dafür, dass diese Erklärung der Wahrheit entspricht. Auch lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen, dass die von der Beklagten mit den Anlagen B 13 bis B 27 belegten Überweisungen identisch mit den im Übergabevertrag genannten Zuwendungen sind, die unter der Anrechnungsbestimmung erfolgt sein sollen.

Die Anrechnungsregelung des § 2327 BGB betrifft nur den Ergänzungspflichtteil und lässt den ordentlichen Pflichtteil unberührt (Palandt aaO., § 2327 Rn. 2; Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2006, § 2327 Rn. 17). Von dem Anspruch des Klägers auf den ordentlichen Pflichtteil sind deshalb keine Abzüge vorzunehmen.

Auf Verjährung kann sich die Beklagte schon deshalb nicht berufen, weil der Anspruch auf Leistung bei einer Stufenklage sofort rechtshängig wird (Zöller, ZPO, 27. Auflage 2009, § 254 Rn. 11), also bereits die Erhebung der Klage im Jahr 2006 die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt hat.

2. Ein Pflichtteilsergänzungsanspruch steht dem Kläger nicht zu, da er selbst Schenkungen erhalten hat, die den Ergänzungspflichtteil bei Weitem übersteigen.

Für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs sind zunächst gemäß § 2325 Abs. 1 und 3 BGB die in den letzten zehn Jahren vor dem Tod des Erblassers an Ulrike P. erfolgten Schenkungen dem Nachlass hinzuzurechnen (sog. fiktiver Nachlass). Zu diesen Schenkungen gehört allein das übertragene Grundstück, nicht aber das Geldgeschenk in Höhe von 5.459,- DM. Dass dieses 1977 und nicht 1997 gemacht wurde und es sich bei der Aufstellung in dem Schreiben des Beklagtenvertreters vom 01.12.2006 (Anlage K 6) insoweit um einen Schreibfehler handeln muss, ergibt sich bereits aus dem Schreiben selbst. Denn ersichtlich sollten dort die Schenkungen in chronologischer Reihenfolge aufgezählt werden. Auch die zusammenfassende Feststellung in dem Schreiben, dass im maßgeblichen Zehnjahreszeitraum keine Schenkung erfolgte, würde nur dann einen Sinn machen, wenn es sich bei der Jahreszahl 1997 um einen Schreibfehler handelt. Ferner ergibt sich aus der von der Beklagten vorgelegten Aufstellung des Erblassers (Anlage B 9), wie sich der Betrag zusammensetzt und dass er das Jahr 1977 betrifft. Bei dieser Sachlage müsste der Kläger substantiiert vortragen und beweisen, dass auch 1997 ein Betrag in Höhe von 5.459,- DM an Frau P. geflossen ist. Der Kläger hat sich aber darauf beschränkt, auf das Schreiben vom 01.12.2006 zu verweisen. Soweit er nunmehr geltend macht, dass die Beklagte dieses Schreiben ausdrücklich in ihre eidesstattliche Versicherung aufgenommen hat, ohne auf den Schreibfehler hinzuweisen, belegt dies nicht eine Schenkung im Jahr 1997. Denn nachdem der anwaltliche Vertreter der Beklagten bereits im Verfahren erster Instanz die Korrektur des Schreibfehlers vorgenommen hatte und auch das Landgericht in seinem Urteil von einem Schreibfehler ausgegangen war, konnte die eidesstattliche Versicherung nur so verstanden werden, dass sie sich auf das Schreiben vom 01.12.2006 mit der zwischenzeitlich erfolgten Richtigstellung bezog.

Das an Ulrike P. übertragene Grundstück kommt gemäß § 2325 Abs. 2 S. 2 BGB mit seinem Wert im Zeitpunkt der Schenkung in Ansatz, da dieser niedriger ist als der Wert im Zeitpunkt des Erbfalls. Der Wert des Leibgedinges ist abzuziehen, wobei auf die statistische Lebenserwartung abzustellen ist (Palandt aaO., § 2325 Rn. 21; BGH, NJW 1992, 2887). Im Übrigen wurde die Richtigkeit der Bewertung durch den Gutachter von den Parteien nicht angezweifelt. Da das Grundstück ausweislich der notariellen Urkunde vom 05.08.1997 (Anlage B 8) von beiden Ehegatten übertragen wurde, ist der Wert durch zwei zu teilen. Eie Erklärung in Ziffer III.4. des Vertrages spricht dafür, aus der Bewertung des Grundstücks das Dachgeschoss herauszunehmen, weil nach dieser Erklärung Frau P. das Dachgeschoss auf eigene Kosten ausgebaut haben soll. Es kann aber, da es im Ergebnis hierauf nicht ankommt (s.u.), zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass diese Erklärung nicht stimmt und bei der Bewertung des Anwesens das Dachgeschoss einzubeziehen ist. Zum Zeitpunkt der Schenkung belief sich der Wert des Anwesens mit Dachgeschoss auf 305.000,- EUR, hinsichtlich des dem Erblassers zuzurechnenden Teils somit auf 152.500,- EUR. Die erforderlich Indexierung (dazu Palandt aaO., § 2325 Rn. 18) führt zu einem Wert von 162.500,- EUR.

Gemäß § 2327 Abs. 1 S. 1 BGB hat sich der Kläger jedoch auf die Ergänzung die Geschenke, die er selbst erhalten hat, anrechnen zu lassen, wobei insoweit keine Beschränkung auf den Zehnjahreszeitraum erfolgt. Anders als bei einer Anrechnung auf den ordentlichen Pflichtteil gemäß § 2315 BGB sind Eigengeschenke auf die Ergänzung gemäß § 2327 BGB kraft Gesetzes anzurechnen und somit nicht von einer Anrechnungsanordnung des Erblassers abhängig.

Der Kläger hat von dem Erblasser Überweisungen auf sein Konto in Höhe von 112.300,- DM erhalten. Soweit er den Umstand, dass diese Überweisungen erfolgt seien, nun erstmals anzweifelt (Schriftsatz vom 04.04.2011, S. 11), stellt dies schon kein Bestreiten dar, im Übrigen wäre angesichts der von der Beklagten vorgelegten Belege (B 13 bis B 27) ein substantiiertes Bestreiten erforderlich. Auch ergibt sich aus der vom Kläger vorgelegten Erklärung des Erblassers vom 23.04.2001 (K 9), dass sogar ein noch höherer Gesamtbetrag auf sein Konto überwiesen wurde. Hingegen konnte die Beklagte die von ihr behaupteten Überweisungen vom 1.11. oder 1.12.1986 über 1.500,- DM und vom 25.01.1992 über 4.000,- DM nicht belegen. Die von ihr vorgelegten Überweisungsträger (B 14 und B 23) belegen nämlich die im Gesamtbetrag von 112.300,- DM bereits berücksichtigten Überweisungen vom 01.12.1980 und vom 25.10.1992.

Dafür, dass es sich bei den Überweisungen um Schenkungen handelte, spricht schon der Wortlaut der Erklärung vom 23.04.2001, wo von „Zuwendung und die Hilfe“ die Rede ist, ferner Ziffer X. der notariellen Urkunde vom 05.08.1997, wonach der Kläger „Zuwendungen“ für sein Wohnhaus erhielt. Demgegenüber ist der nachgeschobene Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 23.05.2011 (S. 3) unsubstantiiert, es habe sich um Rückzahlungen dafür gehandelt, dass er zu einem früheren Zeitpunkt seinen Eltern seine Sparbücher, an deren damaligen Wert er sich nicht mehr erinnere, überlassen habe. Darauf war er auch schon in erster Instanz vom Landgericht durch Verfügung vom 07.12.2007 (Bl. 65 d.A.) und ferner im Urteil vom 07.03.2008 (S. 9 Buchst. c) hingewiesen worden.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Erklärung vom 23.04.2001 auch nicht zu entnehmen, dass die Überweisungen auf das Konto des Klägers Schenkungen nur an seine Ehefrau und seine Kinder gewesen seien. Dagegen spricht schon der klare Wortlaut der Erklärung, wonach die Zuwendungen zunächst für den Kläger und seine Ehefrau, ab 1980 auch für seine Kinder bestimmt waren. Aus dieser Erklärung lässt sich allerdings auch nicht entnehmen, dass die Überweisungen nur zu einem bestimmten Bruchteil, etwa einem Fünftel, dem Sohn geschenkt worden seien. Zum einen wäre eine nachträgliche Bestimmung, für wen schon früher erfolgte Schenkungen bestimmt gewesen sein sollen, unbeachtlich. Es fehlt aber an Vortrag des Klägers dazu, welche Bestimmungen zum Zeitpunkt der jeweiligen Überweisung erfolgten. Selbst wenn es sich aber bei der Erklärung vom 23.04.2001 nur um die Klarstellung einer schon zum Zeitpunkt der Schenkung erfolgten Bestimmung handeln sollte, so ergibt sich aus dieser Bestimmung nicht, dass die Ehefrau und die Kinder einen eigenen Anspruch auf einen bestimmten Anteil haben sollten. Der Umstand, dass die Überweisung auf das Konto des Sohnes als dem nächsten Verwandten erfolgte, lässt vielmehr darauf schließen, dass die Überweisungen in vollem Umfang Schenkungen an ihn waren, er aber das Geld nicht ausschließlich für sich, sondern für sich und seine Familie verwenden sollte. Dafür spricht auch Ziffer X. der notariellen Urkunde vom 05.08.1997, in der als Empfänger der Zuwendungen nur der Kläger genannt ist, ferner der Umstand, dass – wie mit den Anlagen B 28 bis B 31 belegt – die Ehefrau und die Kinder des Klägers zusätzlich gesonderte Zuwendungen des Erblassers erhielten. Selbst wenn im Hinblick darauf, dass der Kläger die überwiesenen Beträge nicht ausschließlich für sich verwenden sollte, ein Abzug gerechtfertigt sein sollte, so käme höchstens ein Abzug in Höhe von 50 % in Betracht, der jedoch an dem Ergebnis, dass dem Kläger kein Ergänzungsanspruch zusteht, nichts ändern würde (dazu sogleich).

Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Schenkungen auch nicht zur Hälfte durch den Erblasser und zur Hälfte durch die Beklagte erfolgt. Die Überweisungen erfolgten von einem Konto, dessen Inhaber allein der Erblasser war, nicht von einem gemeinschaftlichen Konto der Ehegatten. Da der Erblasser und die Beklagte nicht im Güterstand der Gütergemeinschaft lebten, kann nicht angenommen werden, dass die Schenkungen vom Konto des Erblassers auch der Beklagten zuzurechnen waren. Vielmehr bedürfte es insoweit eines substantiierten Vortrags, an dem es aber fehlt, obwohl das Landgericht bereits im Urteil vom 07.03.2008 (S. 9 Buchst. e) auf dieses Problem eingegangen war.

Für die Wertberechnung der Schenkungen im Rahmen des § 2327 BGB gilt § 2325 Abs. 2 BGB entsprechend (Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2010, § 2327 Rn. 8); bei Geldgeschenken ist demnach auf den Zeitpunkt der Schenkung abzustellen, wobei aber der Kaufverlust zu berücksichtigen ist (Münchener Kommentar aaO., § 2325 Rn. 48). Die Überweisungen in Höhe von 112.300,- DM haben indexiert einen Wert von 157.675,91 DM, dies entspricht 80.618,41 EUR.

Der im Rahmen der §§ 2325, 2327 BGB maßgebliche fiktive Nachlass setzt sich demnach zusammen aus dem bereinigten Nachlass in Höhe von 3.282,11 EUR zuzüglich der Schenkung an Ulrike P. in Höhe von 162.500,- EUR (bei Berücksichtigung des Dachgeschosses) und der Schenkungen an den Kläger in Höhe von 80.618,14 EUR. Dies ergibt einen fiktiven Nachlasswert von 246.400,52 EUR. Der Gesamtpflichtteil davon beträgt ein Achtel, also 30.800,06 EUR. Der Ergänzungspflichtteil ergibt sich aus der Differenz zwischen diesem Gesamtpflichtteil und dem ordentlichen Pflichtteil in Höhe von 410,26 EUR, beläuft sich also auf 30.389,80 EUR. Auf diesen Ergänzungspflichtteil sind die Schenkungen an den Kläger gemäß § 2327 Abs. 1 S. 1 BGB in Höhe von 80.618,41 EUR anzurechnen, so dass kein Ergänzungsanspruch verbleibt (zur Berechnung s. Staudinger aaO., § 2327 Rn. 18). Zu demselben Ergebnis (kein Ergänzungsanspruch) würde man gelangen, wenn die Überweisungen an den Kläger nur zur Hälfte als Schenkungen an diesen angesehen würden.

3. Die Kosten für die Erstattung des Ergänzungsgutachtens für die Bewertung des Grundstücks kann der Kläger nicht von der Beklagten ersetzt verlangen. Denn dieses Gutachten benötigte er nicht, um seinen Pflichtteilsanspruch festzustellen. Für die Berechnung des ordentlichen Pflichtteils spielte die Übertragung des Grundstücks an Frau P. keine Rolle. Hinsichtlich der Berechnung des Ergänzungspflichtteils war angesichts der Höhe der Schenkungen, die der Kläger selbst von dem Erblasser erhalten hatte, bereits in dem Zeitpunkt, in dem das an Frau P. übertragene Anwesen ohne Dachgeschoss bewertet war, klar, dass ein Ergänzungsanspruch nicht bestehen würde. Denn der Wert des Dachgeschosses konnte auf keinen Fall die hohe Differenz zwischen Ergänzungspflichtteil und anzurechnenden Eigengeschenken ausgleichen.

4. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 BGB. Da bei einer Stufenklage der Leistungsantrag sofort rechtshängig ist (Zöller aaO., 254 Rn. 11), ist auf die Zustellung der Klage vom 26.07.2006 am 16.08.2006 abzustellen.

III.

Ein Vorbehalt gemäß § 780 ZPO war in Ziffer I. des Urteils nicht aufzunehmen. Hierfür wäre nämlich erforderlich, dass die Beklagte zumindest eine der Einreden, die zur beschränkten Erbenhaftung führen, erhebt (Thomas/Putzo, ZPO, 32. Auflage 2011, § 780 Rn. 6). Dies ist jedoch nicht erfolgt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, da die Beklagte im Verhältnis zur eingeklagten Forderung nur in geringem Umfang unterlegen ist. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen dafür liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichtes, zumal abweichende obergerichtliche Rechtsprechung zu den hier inmitten stehenden Rechtsfragen nicht ersichtlich ist. Der Senat wendet gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an.

Der Streitwert bestimmt sich nach § 44 GKG und damit nach den jeweiligen Leistungsanträgen. In der Berufungsinstanz wurde der Leistungsantrag zunächst mit 24.326,15 € beziffert, ab dem 04.04.2011 sodann mit 28.381,07 €.

 

 

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