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Inventarerstellungsfrist für Erstellung Inventar bei unverschuldeter Verspätung

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 3 W 127/19 – Beschluss vom 18.12.2019

1. Auf die Beschwerde der Erbin wird der Beschluss des Amtsgerichts Cottbus – Zweigstelle Guben – vom 11.04.2019 aufgehoben.

2. Das Amtsgericht wird angewiesen, der Erbin eine neue Inventarfrist zu bestimmen.

3. Von der Erhebung der Kosten wird abgesehen.

Gründe

I.

Der Vertreter des pflichtteilsberechtigten Gläubigers beantragte am 05.04.2018, der Erbin eine Frist zur Inventarerrichtung zu setzen. Mit Beschluss vom 16.04.2018, der Erbin am 27.04.2018 zugestellt, bestimmte das Nachlassgericht eine Frist von einem Monat zur Errichtung des Inventars. Am 14.06.2018 reichte die Erbin ein vor der Notarin B… N… in F… am 07.06.2018 errichtetes Inventar, ausgefertigt am 11.06.2018, ein.

Mit Schreiben vom 30.11.2018 beantragte die Erbin, vertreten durch ihren Verfahrensbevollmächtigten, die Bestimmung einer neuen Inventarfrist. Unter Beifügung einer entsprechenden eidesstattlichen Versicherung berief die Erbin sich zur Begründung darauf, sie habe erst am 16.11.2018 erfahren, dass das Inventar erst nach Ablauf der Inventarfrist eingegangen sei. Sie habe am 17.05.2018 nach einer Besprechung mit ihrem Rechtsanwalt, bei der auch der Ablauf der Inventarfrist besprochen worden sei, beim Nachlassgericht vorgesprochen, um eine Fristverlängerung zu beantragen. Dort habe eine ihr namentlich nicht mehr bekannte Mitarbeiterin der Geschäftsstelle ihr nach Einsichtnahme in den Computer mitgeteilt, sie brauche keine Fristverlängerung zu beantragen, da die Frist erst am 22.06.2018 ablaufe. Auf ausdrückliche Nachfrage ihrerseits, dass sie dies nicht genau verstehe, sei ihr nochmals mitgeteilt worden, dass sie keine Fristverlängerung bekommen werde, da bis zum 22.06.2018 zur Inventarerrichtung Zeit sei.

Das Nachlassgericht hat den Antrag nach Anhörung des Nachlassgläubigers mit Beschluss vom 11.04.2019, zugestellt am 11.06.2019, zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Antrag könne nicht entsprochen werden, da die Voraussetzung für die Bestimmung einer neuen Inventarfrist nach § 1996 BGB, dass der Erbe unverschuldet an der Einhaltung der Frist verhindert gewesen sei, nicht erfüllt sei. Eine Vorsprache beim Nachlassgericht am 17.05.2018 sei nicht aktenkundig und könne nicht nachvollzogen werden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Erbin vom 28.06.2018. Mit dieser beruft sie sich unter Berufung auf ihren bisherigen Vortrag weiterhin darauf, dass sie die Einhaltung der Frist unverschuldet versäumt habe.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 01.11.2019 unter nochmaligem Hinweis darauf, dass ein Antrag der Erbin auf Fristverlängerung nicht aktenkundig sei, nicht abgeholfen und dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist nach §§ 58 ff FamFG zulässig. Der Erbe ist gegen die Ablehnung des Antrags auf Bestimmung einer neuen Inventarfrist nach § 1996 BGB beschwerdeberechtigt (Palandt/Weidlich, BGB, 78. Aufl., § 1994, Rn 6).

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Die Erbin war ohne ihr Verschulden verhindert, das Inventar rechtzeitig zu errichten, so dass auf ihren Antrag hin eine neue Inventarfrist zu bestimmen ist (§ 1996 Abs. 1 BGB).

a)

Die Auslegung der Worte „ohne sein Verschulden“ richtet sich seit der am 15.12.2004 in Kraft getretenen Ersetzung der Worte „durch höhere Gewalt“ durch „ohne sein Verschulden“ weitgehend anhand der zu § 233 ZPO bzw. § 17 FamFG entwickelten Grundsätze (Staudinger/Dobler (2016), BGB § 1996, Rn 4; Klinck in: Herberger/Martinek/Rüßmann/ Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 1996 BGB, Rn 4; Küpper in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2020, § 1696, Rn 2).

b)

Die Erbin hat vorgetragen, dass sie beim Nachlassgericht vorgesprochen habe, um eine Fristverlängerung zu beantragen und man ihr dort mitgeteilt hat, eine solche sei nicht erforderlich, da die Frist noch nicht abgelaufen sei. Dies sei ihr auf weitere Nachfrage nochmals bestätigt worden und diesen Vortrag hat sie mit einer ausführlichen eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht.

Der Senat legt seiner Entscheidung diese Schilderung der Erbin zugrunde, obwohl sie nicht aktenkundig geworden ist. Die Erbin hat den Vortrag mit ihrer ausführlichen eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht. Für den Senat besteht keine Veranlassung, dieser Schilderung nicht zu glauben. Die Schilderung ist ausführlich und beschreibt plausibel, warum die Erbin beim Nachlassgericht vorgesprochen hat, wie ihr der Weg in die Geschäftsstelle des Nachlassgerichts gezeigt wurde und welche Auskunft sie dort erhalten habe. Auch aus der Akte selbst ergibt sich ein konkreter Anhaltspunkt dafür, dass die Schilderung der Erbin zutrifft. In der Akte findet sich zwei Mal die von der Erbin genannte Frist des 22.06.2018, die ihr nach ihrer Behauptung als Inventarfrist mitgeteilt worden sein soll. Die Frist des 22.06.2018 ist an zwei Stellen (Blatt 7 und Blatt 12 RS) als Wiedervorlagefrist notiert. Insofern erscheint es nachvollziehbar, dass dieses Datum in dem Gespräch in der Geschäftsstelle der Erbin versehentlich als dasjenige des Ablaufs der Inventarfrist genannt wurde.

c)

Wurde der Erbin aber, obwohl sie eine Fristverlängerung beantragen wollte, dies von einer Mitarbeiterin der Geschäftsstelle mit der Auskunft verweigert, die Frist sei noch gar nicht abgelaufen und der 22.06.2018 als Fristablauf mitgeteilt, so hat sie die Einhaltung der Frist ohne ihr Verschulden versäumt.

Die Geschäftsstelle war gehalten, den Fristverlängerungsantrag der Erbin entgegenzunehmen. Die Aufnahme von Anträgen und Erklärungen stellt eine Amtspflicht des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dar (§ 25 FamFG). Wäre diese erfolgt, hätte das Nachlassgericht über den Antrag entscheiden müssen (§ 1994 Abs. 3 BGB). Die Auskunft der Geschäftsstelle, eine Fristverlängerung könne sie vor Ablauf der Inventarfrist nicht bekommen, war auch unzutreffend, die Fristverlängerung muss gerade vor Ablauf der Inventarfrist beantragt werden (Palandt/Weidlich, BGB, 78. Aufl. § 1995, Rn 2). Ebenso unzutreffend war die Auskunft, dass die Frist erst am 22.06.2018 ablief.

d)

Auf diese unzutreffenden Auskünfte durfte die rechtsunkundige Erbin sich verlassen. Sie hat, indem sie auf Anraten ihres Rechtsanwaltes zur Verlängerung der Frist beim Amtsgericht vorgesprochen hat, das aus ihrer Sicht Erforderliche getan, um die Einhaltung der Frist zu gewährleisten. Wenn ihr dann von Seiten der – für die Aufnahme von Verlängerungsanträgen zuständigen – Geschäftsstelle des Nachlassgerichts mitgeteilt wird, es bestehe keine Notwendigkeit für einen Verlängerungsantrag, da die Frist erst zu einem späteren Datum abläuft, dieser Antrag deshalb nicht aufgenommen wird, und dann das Inventar innerhalb der genannten Frist eingereicht wird, kann ihr nicht vorgeworfen werden, die tatsächlich bereits abgelaufene Frist nicht eingehalten zu haben. Sie war auch nicht verpflichtet, sich nochmals bei einem Rechtsanwalt zu vergewissern, ob diese Vorgehensweise des Nachlassgerichts zutreffend war (vgl. auch Küpper, a.a.O.; BayObLG NJW-RR 1993, 780 ff).

e)

Ihr kann auch nicht ein etwaiges Verschulden ihres Verfahrensbevollmächtigten zugerechnet werden. Die Erbin hat diesem im Anschluss an ihren Gang zum Nachlassgericht mitgeteilt, dass ihr vom Nachlassgericht eine Frist bis zum 22.06.2018 gewährt sei. Insofern bestand auch für die Verfahrensbevollmächtigten kein weiterer Grund zum Tätigwerden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG.

 

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