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Katastrophenklausel im Testament bei gestaffeltem Tod: Wer wird Schlusserbe?

Ein Ehepaar regelte die Erbfolge für den Fall des gleichzeitigen Versterbens detailliert in einer Katastrophenklausel im Testament bei gestaffeltem Tod. Die gesetzlichen Erben hofften auf das Erbe, doch ein Detail in der Pflichtteilsstrafklausel änderte die gesamte Auslegung des tatsächlichen Willens.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 2 Wx 58/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Oberlandesgericht Sachsen‑Anhalt
  • Datum: 30.09.2024
  • Aktenzeichen: 2 Wx 58/23
  • Verfahren: Beschluss im Nachlassverfahren
  • Rechtsbereiche: Erbrecht, Testamentsauslegung, Nachlasssachen

  • Das Problem: Zwei Geschwister und weitere Beteiligte stritten nach dem Tod beider Eltern um die Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments. Die Frage war, ob die detaillierten Erbenregelungen nur im „Notfall“ (gleichzeitiger Tod) galten oder auch dann, wenn die Eheleute zeitlich nacheinander verstarben.
  • Die Rechtsfrage: Ist das detaillierte Testament ungültig, weil die Eheleute im normalen zeitlichen Abstand gestorben sind, oder gelten die darin festgelegten Erben und Quoten auch für diesen gewöhnlichen Erbfall?
  • Die Antwort: Das Testament ist gültig und anwendbar. Das Gericht stellte fest, dass die sehr detaillierten Verfügungen, insbesondere eine Strafklausel, nur dann sinnvoll sind, wenn sie gerade für den Fall des zeitlich versetzten Todes bestimmt waren.
  • Die Bedeutung: Der Nachlass wird nach den festgelegten Quoten des Testaments (und nicht nach der gesetzlichen Erbfolge) aufgeteilt. Das Nachlassgericht muss den beantragten Erbschein erteilen, der die Miterben (Kind 1, Ehefrau von Kind 1 und Enkel) entsprechend ausweist.

Gilt eine Katastrophenklausel im Testament auch beim normalen, zeitversetzten Tod der Ehepartner?

Ein gemeinsames Testament soll für Klarheit sorgen, wenn der letzte Vorhang fällt. Doch was geschieht, wenn die Formulierungen selbst zum größten Streitpunkt werden? Ein Ehepaar hinterlässt einen letzten Willen, der detailliert das Erbe nach dem Tod beider Partner regelt. Ein einziger Satz stellt jedoch alles infrage: Die Regelungen sollen gelten, „sollten wir beide zur gleichen Zeit sterben“. Die Eheleute versterben aber Monate nacheinander. Gilt der letzte Wille nun gar nicht? Mit dieser Frage musste sich das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt in einem Beschluss vom 30. September 2024 (Az.: 2 Wx 58/23) befassen und eine grundlegende Entscheidung über die Kunst der Testamentsauslegung treffen. Der Fall zeigt eindrücklich, dass Richter nicht am Buchstaben kleben dürfen, wenn der Geist eines Testaments eine andere Sprache spricht.

Was genau stand im Testament der Eheleute?

Eine gealterte Hand schreibt sorgfältig die Formulierung "Sollten wir beide zur gleichen Zeit sterben" in ein handschriftliches Testament.
OLG Sachsen-Anhalt prüft Gültigkeit der „gleichzeitiger Tod“-Klausel im Testament. | Symbolbild: KI

Im März 2017 setzten sich ein Ehemann und seine Frau in einem handschriftlichen gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Alleinerben ein. Das ist ein üblicher und bewährter Weg, um den überlebenden Partner abzusichern. Doch die Eheleute blickten auch weiter in die Zukunft und wollten regeln, was nach dem Tod des zweiten Partners mit ihrem Vermögen geschehen sollte.

Der entscheidende Konflikt entzündete sich an der Einleitung zu diesen sogenannten Schlusserbenregelungen. Dort hielten sie fest: Der länger lebende Ehegatte sei frei, diese Verfügungen zu ändern. Unmittelbar darauf folgte der Satz, der später zwei Gerichte beschäftigen sollte: „Sollten wir beide zur gleichen Zeit sterben oder der Weiterlebende unheilbar erkranken, sodass die geistige Zurechnungsfähigkeit nach ärztlicher Beurteilung nicht mehr gewährleistet ist, gilt unser hier festgelegter gemeinsamer Wille.“

Anschließend listete das Testament in sechs Ziffern akribisch auf, wie das Erbe verteilt werden sollte. Unter anderem wurde das Wohngrundstück an den Enkel des Mannes sowie an den gemeinsamen Sohn und dessen Ehefrau aufgeteilt. Den beiden Letztgenannten wurde zudem ein lebenslanges mietfreies Wohnrecht eingeräumt. Die gemeinsame Tochter sollte ein Geldvermächtnis erhalten. Für den Fall, dass eines der Kinder nach dem Tod des ersten Elternteils seinen Pflichtteil fordert, enthielt das Testament eine Strafklausel.

Im Frühjahr 2022 verstarb die Ehefrau. Knapp viereinhalb Monate später starb auch ihr Mann. Der Fall, dass beide „zur gleichen Zeit sterben“, war also nicht eingetreten. Der überlebende Ehemann war bis zu seinem Tod auch voll testierfähig.

Nach dem Tod des Vaters beantragte der Sohn einen gemeinschaftlichen Erbschein, der ihn, seine Frau und den Enkel als Erben ausweisen sollte. Seine Schwester, die im Testament nur mit einem Geldvermächtnis bedacht war, widersprach vehement. Sie argumentierte, das Testament regele nur den Katastrophenfall des gleichzeitigen Todes. Da dieser nicht eingetreten sei, sei der gesamte Teil zur Schlusserbfolge ungültig. Es müsse daher die gesetzliche Erbfolge gelten, nach der sie und ihr Bruder zu gleichen Teilen erben würden. Das Nachlassgericht in Magdeburg folgte dieser strengen Wortlaut-Interpretation und wies den Antrag auf den Erbschein zurück. Dagegen legte der Sohn Beschwerde ein. Nachdem auch er während des Verfahrens verstarb, führte seine Ehefrau die Beschwerde fort.

Nach welchen Regeln wird ein unklares Testament ausgelegt?

Wenn der Wortlaut eines Testaments zu widersprüchlichen Ergebnissen führt, beginnt die eigentliche Arbeit der Gerichte. Sie dürfen sich nicht damit begnügen, einen Satz isoliert zu betrachten. Ihre Aufgabe ist es, den tatsächlichen Willen der Verstorbenen zu ergründen, wie er zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bestand. Die zentralen Werkzeuge dafür liefert das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB).

Nach § 133 BGB ist bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Ergänzt wird dies durch § 2084 BGB, der eine spezielle Auslegungsregel für Testamente enthält: Lässt der Inhalt einer letztwilligen Verfügung verschiedene Deutungen zu, so ist im Zweifel diejenige Auslegung vorzuziehen, bei welcher die Verfügung Erfolg haben kann. Das Gesetz verlangt also von den Richtern, im Zweifel eine Lösung zu finden, die den letzten Willen zur Geltung bringt, anstatt ihn für unwirksam zu erklären. Bei einem gemeinschaftlichen Testament kommt hinzu, dass das Ergebnis dem Willen beider Ehegatten entsprochen haben muss.

Warum sah das Oberlandesgericht einen klaren letzten Willen – und die Vorinstanz nicht?

Das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt hob die Entscheidung des Nachlassgerichts auf und folgte der Argumentation der Beschwerdeführerin. Die Richter gelangten durch eine umfassende Analyse des gesamten Testaments zu dem Schluss, dass die detaillierten Regelungen für die Schlusserbfolge auch im eingetretenen Fall des zeitversetzten Todes gelten sollten. Ihre Begründung stützt sich auf eine Kette von logischen Schlussfolgerungen, die den isolierten Wortlaut der „Katastrophenklausel“ in den Hintergrund treten lassen.

Das Argument der Tochter: Der Wortlaut ist doch eindeutig

Die Tochter und das erstinstanzliche Nachlassgericht stützten sich auf eine simple und naheliegende Logik: Das Testament nennt zwei konkrete Bedingungen für die Geltung der Schlusserbeneinsetzung – gleichzeitiger Tod oder Verlust der Testierfähigkeit des Überlebenden. Da keine dieser Bedingungen erfüllt war, seien die nachfolgenden Ziffern 1 bis 6 schlicht nicht anwendbar. Das Resultat wäre die gesetzliche Erbfolge. Dieses Argument hat den Vorteil der scheinbaren Klarheit, ignoriert jedoch den Rest des Testaments.

Die Systematik des Testaments spricht gegen eine reine Katastrophenregelung

Das Oberlandesgericht stellte die entscheidende Gegenfrage: Warum sollten Eheleute derart detaillierte und komplexe Regelungen treffen, wenn diese nur für den extrem unwahrscheinlichen Fall des gleichzeitigen Todes gelten sollen? Die Verfügungen umfassten die Aufteilung von Immobilien, die Einräumung eines lebenslangen Wohnrechts, die Festlegung von Geldvermächtnissen inklusive Ratenzahlungen und sogar eine Regelung für den Fall eines Grundstücksverkaufs. Ein solcher Aufwand, so das Gericht, ergibt für eine reine „Katastrophenklausel“ keinen Sinn. Die Fülle und Differenziertheit der Anordnungen deuteten stark darauf hin, dass die Testierenden den Regelfall – den nacheinander eintretenden Tod – umfassend gestalten wollten.

Die Pflichtteilsstrafklausel als entscheidender Hinweis

Als besonders starkes Indiz wertete das Gericht die sogenannte Pflichtteilsstrafklausel in Ziffer 5. Diese Klausel sanktioniert ein Kind, das nach dem Tod des ersten Elternteils seinen Pflichtteil verlangt. Eine solche Klausel ist ein klassisches Instrument in Ehegattentestamenten und dient dazu, dem überlebenden Partner das Vermögen ungeschmälert zu erhalten. Logischerweise kann sie nur dann greifen, wenn die Ehepartner nacheinander versterben. Gäbe es nur einen gleichzeitigen Tod, gäbe es keinen „ersten Erbfall“ und somit auch keinen Anwendungsbereich für die Klausel. Ihre Existenz im Testament belegte für das Gericht unwiderlegbar, dass die Testierenden den zeitversetzten Tod als den primär zu regelnden Fall ansahen und die Ziffern 1 bis 6 genau dafür vorgesehen waren.

Die Änderungsbefugnis des „länger lebenden Ehegatten“

Auch die eingangs erwähnte Klausel, die dem „länger lebenden Ehegatten“ erlaubt, die Verfügungen zu ändern, stützte die Sicht des Gerichts. Einen „länger lebenden Ehegatten“ gibt es per Definition nur, wenn die Partner nicht gleichzeitig sterben. Indem das Testament diese Person explizit erwähnt und ihr Rechte einräumt, setzt es den zeitversetzten Tod als gegebenen Rahmen voraus. Die Erlaubnis zur Änderung bezog sich somit logisch auf die nachfolgenden, detaillierten Anordnungen für den zweiten Erbfall.

Die wahre Funktion der Katastrophenklausel

Angesichts dieser erdrückenden Indizien musste das Gericht den missverständlichen Satz neu interpretieren. Es kam zu dem Schluss, dass der Satz keine aufschiebende Bedingung darstellte, die die Geltung des gesamten Testaments einschränkte. Vielmehr sollte er den letzten Willen für den Fall absichern, dass der überlebende Partner selbst keine Änderungen mehr vornehmen kann – sei es, weil beide gleichzeitig versterben oder weil der Überlebende testierunfähig wird. Der Satz war also nicht als ausschließende Bedingung („nur dann“), sondern als klarstellende Absicherung („jedenfalls dann“) zu verstehen. Er sollte verhindern, dass in einem Notfall ein Regelungsvakuum entsteht, aber nicht die Geltung für den Normalfall ausschließen.

Welche Lehren birgt dieser Fall für die Testamentsgestaltung?

Dieser Beschluss des Oberlandesgerichts Sachsen-Anhalt ist weit mehr als eine Einzelfallentscheidung. Er verdeutlicht grundlegende Prinzipien, die jeder verstehen sollte, der ein Testament verfasst oder mit dessen Auslegung konfrontiert ist.

Die erste und wichtigste Lehre ist, dass der Gesamtzusammenhang eines Testaments oft mehr wiegt als ein einzelner, unglücklich formulierter Satz. Gerichte sind durch das Gesetz (§ 133 BGB) verpflichtet, den wahren Willen zu erforschen. Sie tun dies, indem sie das gesamte Dokument als ein zusammenhängendes Ganzes betrachten. Jede Klausel wird im Licht der anderen gelesen. Wie dieser Fall zeigt, können Elemente wie eine Pflichtteilsstrafklausel oder eine Änderungsbefugnis zu entscheidenden Schlüsseln werden, um die wahre Absicht hinter missverständlichen Formulierungen zu entschlüsseln.

Zweitens zeigt der Fall die Gefahr von Standardformulierungen oder missverständlichen Klauseln wie einer „Katastrophenklausel“. Viele Menschen verbinden damit die Absicht, nur für den Fall eines gemeinsamen Unfalls vorzusorgen. Wenn jedoch, wie hier, detaillierte Regelungen für die Zeit nach dem Tod beider Partner folgen, muss unmissverständlich klargestellt werden, dass diese im Regelfall des gestaffelten Versterbens gelten sollen. Juristische Klarheit vermeidet nicht nur teure und nervenaufreibende Gerichtsverfahren, sondern sichert vor allem den Familienfrieden.

Schließlich bekräftigt das Urteil das Vertrauen in die richterliche Auslegungskunst. Es zeigt, dass das Recht nicht blind dem Buchstaben folgt, sondern nach dem Geist einer Regelung sucht. Die Aufgabe eines Richters ist es, im Zweifel ein Testament so zu deuten, dass der letzte Wille der Verstorbenen zur Geltung kommt (§ 2084 BGB) und nicht an einem Formulierungsfehler scheitert. Für die Erben bedeutet dies, dass ein scheinbar eindeutiger Wortlaut nicht immer das letzte Wort sein muss, wenn der Rest des Dokuments eine andere, in sich stimmigere Geschichte erzählt.

Die Urteilslogik

Die juristische Auslegung eines Testaments muss immer den erkennbaren Gesamtwillen der Verfasser erforschen und darf sich nicht vom isolierten Wortlaut eines einzelnen, missverständlichen Satzes leiten lassen.

  • Umfang der Anordnungen definiert den Geltungsbereich: Detailreiche Schlusserbenregelungen, die spezifische Vermögenswerte aufteilen und Rechte einräumen, widerlegen die Annahme, der letzte Wille solle nur für den extrem unwahrscheinlichen Fall des gleichzeitigen Todes der Ehegatten gelten.
  • Indizien aus dem Gesamtkontext schaffen Klarheit: Eine im Testament enthaltene Pflichtteilsstrafklausel dient als unwiderlegbarer Beweis dafür, dass die Testierenden den zeitversetzten Tod als primären Regelungsfall ansahen und damit die nachfolgenden Schlusserbenregelungen absichern wollten.
  • Rettung des letzten Willens geht vor Scheitern: Lässt der Inhalt einer letztwilligen Verfügung verschiedene Deutungen zu, ist stets diejenige Auslegung vorzuziehen, welche die Wirksamkeit der Regelung gewährleistet und das Scheitern des erklärten Willens vermeidet.

Gerichte stellen sicher, dass die Absicht der Erblasser Vorrang vor grammatikalischer Strenge erhält und der Geist eines Dokuments seinen Wortlaut überstimmt.


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Experten Kommentar

Wie viel wiegt ein einziger, schlecht gewählter Satz, wenn der Rest des Testaments eine ganz andere Geschichte erzählt? Das OLG Sachsen-Anhalt zeigt konsequent, dass die Gesamtsystematik eines letzten Willens wichtiger ist als die isolierte „Katastrophenklausel“. Wer detaillierte Regelungen zur Schlusserbfolge trifft und eine Strafklausel für den Pflichtteil einbaut, hat ganz offensichtlich den gestaffelten Tod regeln wollen. Dieses Urteil ist eine Entwarnung: Die Richter nutzen Indizien wie die Pflichtteilsstrafklausel als Schlüsseldokumente, um den wahren Willen gegen einen Formulierungsfehler zu verteidigen.


Das Bild zeigt auf der linken Seite einen großen Text mit "ERBRECHT FAQ Häufig gestellte Fragen" vor einem roten Hintergrund. Auf der rechten Seite sind eine Waage, eine Schriftrolle mit dem Wort "Testament", ein Buch mit der Aufschrift "BGB", eine Taschenuhr und eine Perlenkette zu sehen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Gilt mein Testament nur bei gleichzeitigem Tod, wenn eine Katastrophenklausel enthalten ist?

Die Befürchtung ist groß, dass Ihre mühsam erarbeitete Nachlassplanung durch einen unglücklichen Satz scheitert. Die Regel: Gerichte sind verpflichtet, den wirklichen Willen der Erblasser zu erforschen und das gesamte Dokument auszulegen. Eine Katastrophenklausel wird fast nie als ausschließende Bedingung verstanden, die das gesamte Testament nur für den Notfall gültig macht. Das Gesetz favorisiert die Auslegung, die dem letzten Willen zum Erfolg verhilft (§ 2084 BGB).

Richter müssen bei der Testamentsauslegung den buchstäblichen Sinn des Ausdrucks verlassen und den wahren Willen (§ 133 BGB) erforschen. Enthält Ihr Testament detaillierte Anordnungen für die Schlusserbfolge – etwa komplexe Aufteilungen von Immobilien oder lebenslange Wohnrechte – spricht dies klar gegen eine Beschränkung auf den unwahrscheinlichen gleichzeitigen Tod. Solche umfangreichen Regelungen belegen, dass Sie den Regelfall des zeitversetzten Todes umfassend gestalten wollten.

Die Klausel dient in den meisten Fällen nicht der Einschränkung, sondern der Absicherung. Nehmen wir an: Die Ehepartner setzen die Katastrophenklausel ein, um sicherzustellen, dass die Regelungen jedenfalls dann gelten, wenn der Überlebende testierunfähig wird oder zeitgleich verstirbt. Die juristische Gesamtauslegung verhindert, dass die Schlusserbenregelung lediglich als eine theoretische Übung abgetan wird.

Suchen Sie in Ihrem Testament nach allen detaillierten nachfolgenden Regelungen zur Vermögensaufteilung; diese dienen als Beweis für Ihre umfassende Regelungsabsicht.


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Wer ist Schlusserbe bei zeitversetztem Tod, wenn das gemeinschaftliche Testament unklar formuliert ist?

Die Schlusserben sind die im Testament detailliert Begünstigten, selbst wenn die Einleitung des Dokuments nur den Katastrophenfall nannte. Gerichte müssen den wirklichen Willen der Erblasser erforschen und das gesamte Dokument als Einheit betrachten. Entscheidend für die Geltung der Erbeinsetzung ist die Systematik des Testaments. Diese legt fest, ob die umfassenden Anordnungen für den Normalfall des nacheinander eintretenden Todes gedacht waren.

Das Oberlandesgericht orientierte sich daran, welche Mühe sich die Eheleute mit der Regelung machten. Niemand würde Immobilien oder lebenslange Wohnrechte detailliert aufteilen, wenn diese Verfügungen nur für einen extrem unwahrscheinlichen Fall gelten sollten. Die Fülle und Differenziertheit der Anordnungen beweist die Absicht, den Regelfall des zeitversetzten Todes umfassend zu gestalten. Eine weitere Stütze bietet die Auslegungsregel des § 2084 BGB. Dieses Gesetz favorisiert die Deutung, die zur Geltung des Testaments führt, um den erklärten Willen nicht an einem Formulierungsfehler scheitern zu lassen.

Ein starkes Indiz gegen die reine Katastrophenregelung ist die Änderungsbefugnis. Wenn das gemeinschaftliche Testament dem „länger lebenden Ehegatten“ erlaubt, die Verfügungen anzupassen, setzt dies logisch voraus, dass die Partner zeitversetzt versterben. Die detaillierten Schlusserbeneinsetzungen – wie die Aufteilung des Wohngrundstücks oder spezifische Geldvermächtnisse – gelten somit für das tatsächlich eingetretene Szenario. Die gesetzlichen Erben können diese spezifisch Bedachten nicht einfach aus dem Erbe drängen.

Als Begünstigter sollten Sie jede einzelne Schlusserben-Regelung auflisten, um die Komplexität und somit die umfassende Regelungsabsicht des Testaments zu belegen.


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Wie kann eine Pflichtteilsstrafklausel den wahren Willen der Erblasser vor Gericht belegen?

Die Pflichtteilsstrafklausel dient vor Gericht als entscheidender logischer Beweis für die primäre Regelungsabsicht der Erblasser. Sie belegt, dass die Verfügungen der Schlusserbfolge zwingend für den Regelfall des zeitversetzten Todes gedacht waren. Eine solche Klausel ist nur funktional, wenn es tatsächlich einen ersten Erbfall gibt, der abgesichert werden muss, was ihre Systematik unterstreicht.

Der juristische Wert der Klausel liegt darin, dass sie ein Kind sanktioniert, welches nach dem Tod des ersten Elternteils seinen Pflichtteil fordert. Diese Drohung soll verhindern, dass der überlebende Partner durch sofortige Auszahlungen finanziell geschwächt wird. Gäbe es nur den Katastrophenfall des gleichzeitigen Todes, könnte diese Sanktionsdrohung niemals in Kraft treten oder ausgelöst werden.

Daher wertete das Oberlandesgericht die Existenz der Klausel als unwiderlegbares Indiz gegen eine reine Katastrophenregelung. Für den Fall, dass beide Partner gleichzeitig sterben, wäre die gesamte Pflichtteilsstrafklausel ohne Anwendungsbereich und somit sinnlos im Testament. Ihre Anwesenheit beweist, dass die detaillierten Anordnungen für die Schlusserben untrennbar mit dem Szenario des nacheinander eintretenden Todes verbunden sein müssen.

Suchen Sie in Ihrem Testament gezielt nach der Formulierung „nach dem Tod des ersten Elternteils,“ da diese den direkten Beweis für die geplante gestaffelte Erbfolge liefert.


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Was tun, wenn das Nachlassgericht die Schlusserbeneinsetzung wegen Formulierungsfehlern ablehnt?

Haben Sie einen ablehnenden Beschluss vom Nachlassgericht erhalten, müssen Sie unverzüglich Beschwerde gegen diese Entscheidung einlegen. Das erstinstanzliche Gericht tendiert oft zur strengen Wortlaut-Interpretation, was den eigentlichen Erblasserwillen missachten kann. Höhere Gerichte sind hingegen verpflichtet, den tatsächlichen Erblasserwillen umfassend zu erforschen und die Verfügung im Gesamtzusammenhang zu prüfen.

Verlassen Sie sich bei der Beschwerde nicht auf die reine Wortbedeutung, sondern argumentieren Sie mit der Systematik des gesamten Testaments. Richter müssen gemäß § 133 BGB den wirklichen Willen der Verstorbenen ergründen. Bringen Sie logische Indizien vor, die beweisen, dass die Erblasser den Regelfall (zeitversetzter Tod) regeln wollten. Entscheidende Beweismittel sind etwa die Existenz einer Pflichtteilsstrafklausel oder eine Klausel zur Änderungsbefugnis des länger lebenden Ehegatten.

Die richterliche Auslegungspflicht nach § 2084 BGB dient als starkes juristisches Fundament für Ihren Einspruch. Dieses Gesetz besagt, dass bei verschiedenen Deutungsmöglichkeiten immer diejenige zu wählen ist, bei der die letztwillige Verfügung Erfolg hat und nicht unwirksam wird. Im Fall der abgewiesenen Schlusserbeneinsetzung zwang dies das OLG Sachsen-Anhalt, die erstinstanzliche Entscheidung zu korrigieren.

Holen Sie sich für die komplexe Argumentation und die korrekte Begründung der Beschwerde unbedingt die Unterstützung eines Fachanwalts für Erbrecht.


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Wie muss ich eine Katastrophenklausel formulieren, um den Regelfall des gestaffelten Todes klar zu regeln?

Um Auslegungsstreitigkeiten nach Ihrem Tod zu vermeiden, müssen Sie den Regelfall des nacheinander eintretenden Todes und den Notfall des gleichzeitigen Versterbens strikt voneinander trennen. Beginnen Sie Ihr Gemeinschaftliches Testament stets mit der Regelung zur Schlusserbfolge und fügen Sie die Katastrophenklausel lediglich als zusätzliche Absicherung hinzu. Dadurch stellen Sie sicher, dass Ihre detaillierte Nachlassplanung nicht auf den extrem unwahrscheinlichen Notfall beschränkt wird.

Der teuerste Fehler in der Testamentsgestaltung ist die Verwendung eines einzigen, bedingten Einleitungssatzes, der die nachfolgenden Anordnungen scheinbar auf den Katastrophenfall beschränkt. Vermeiden Sie konditionale Formulierungen wie „nur dann, wenn wir gleichzeitig sterben“. Solche Formulierungen führen vor Gericht zu der Annahme, dass die ausführlichen Regelungen – wie die Aufteilung von Immobilien oder Wohnrechten – nicht für das normale, zeitversetzten Versterbens vorgesehen waren.

Um die Geltung der Schlusserbfolge für den Regelfall unmissverständlich festzuschreiben, nutzen Sie eine klare Präambel. Eine juristisch saubere Formulierung lautet: „Unabhängig von unseren weiteren Regelungen gelten die nachfolgenden Verfügungen für den Fall unseres zeitversetzten Versterbens.“ Ergänzen Sie danach die Katastrophen-Absicherung als Notfallklausel, die dann greift, wenn der Überlebende keine Änderungen mehr vornehmen kann (zum Beispiel bei Testierunfähigkeit).

Ersetzen Sie unklare, bedingte Einleitungssätze in Ihren Entwürfen, um Ihren letzten Willen rechtssicher zu verankern.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Gemeinschaftliches Testament

Ein gemeinschaftliches Testament ist eine Verfügung von Todes wegen, die ausschließlich von Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern errichtet werden darf, um sich gegenseitig und anschließend Dritte zu begünstigen.
Diese besondere Form des Testaments bietet den Vorteil, dass die Ehepartner sich rechtlich binden können, damit der Überlebende die gemeinsamen Verfügungen nicht ohne Weiteres ändern kann. Der Zweck liegt primär in der Absicherung des Partners.

Beispiel: Das handschriftliche Dokument in diesem Fall enthielt ein gemeinschaftliches Testament, das die Eheleute zur gegenseitigen Alleinerben einsetzte und Regelungen für den zeitversetzten Tod enthielt.

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Geldvermächtnis

Ein Geldvermächtnis ist eine spezifische Anordnung im Testament, die einer bestimmten Person einen festen Geldbetrag zuweist, ohne sie jedoch zum Erben im eigentlichen Sinne zu machen.
Der Erblasser steuert durch ein Vermächtnis die genaue Verteilung spezieller Werte, wobei der eingesetzte Erbe die Pflicht hat, diese Zuwendung aus dem Nachlass zu erfüllen.

Beispiel: Die gemeinsame Tochter der Erblasser sollte laut detaillierter Schlusserbeneinsetzung ein Geldvermächtnis erhalten, während ihr Bruder das Wohngrundstück zugesprochen bekam.

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Pflichtteilsstrafklausel

Juristen bezeichnen die Pflichtteilsstrafklausel als ein klassisches Instrument in Ehegattentestamenten, das die Kinder mit dem Entzug ihres Erbes nach dem Tod des zweiten Elternteils sanktioniert, falls sie ihren Pflichtteil bereits nach dem ersten Erbfall fordern.
Diese Regelung sichert den überlebenden Partner finanziell ab, da sie verhindert, dass das Vermögen durch sofortige Auszahlungen an die Kinder geschmälert wird. Die Existenz dieser Klausel ist ein starkes Indiz für die geplante gestaffelte Erbfolge.

Beispiel: Die Pflichtteilsstrafklausel im Testament der Eheleute belegte für das Oberlandesgericht unwiderlegbar, dass die detaillierten Regelungen für den Regelfall des nacheinander eintretenden Todes gedacht waren.

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Schlusserbeneinsetzung

Als Schlusserbeneinsetzung definieren Erbrechtsexperten die konkrete Bestimmung im gemeinschaftlichen Testament, welche Personen das Vermögen erhalten sollen, nachdem der länger lebende Ehepartner verstorben ist.
Diese Verfügungen sind zentral für die langfristige Nachlassplanung und dienen dazu, den sogenannten zweiten Erbfall präzise zu regeln und eine ungeordnete gesetzliche Erbfolge zu verhindern.

Beispiel: Die umfassenden Regelungen zur Schlusserbeneinsetzung, die die Aufteilung von Immobilien vorsahen, sprachen laut Gericht gegen die enge Auslegung als reine Katastrophenklausel.

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Testamentsauslegung

Die Testamentsauslegung ist die juristische Methode, bei der Gerichte den wahren Willen des Erblassers erforschen müssen, um zu verstehen, was dieser mit einer unklaren oder missverständlichen Formulierung tatsächlich bezweckt hat.
Richter sind gemäß § 133 BGB verpflichtet, nicht am buchstäblichen Wortlaut zu haften, sondern das gesamte Dokument so zu deuten, dass die letztwillige Verfügung im Zweifel Erfolg hat und zur Geltung kommt (§ 2084 BGB).

Beispiel: Das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt wandte eine umfassende Testamentsauslegung an, um die missverständliche Katastrophenklausel im Kontext der Systematik des gesamten Testaments zu interpretieren.

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Das vorliegende Urteil


Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt – Az.: 2 Wx 58/23 – Beschluss vom 30.09.2024


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