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Kenntnis eines gesetzlichen Erben von einem die Erbmasse aushöhlenden Vorausvermächtnis

In einem ungewöhnlichen Erbfall wurde ein Sohn enterbt und die Enkelin der vorverstorbenen Lebensgefährtin kämpfte um das Erbe. Das Gericht entschied jedoch, dass die gesetzliche Erbfolge greift, da der Erblasser keine weiteren Ersatzerben bestimmt hatte. Ein spannender Fall, der die Feinheiten des Erbrechts und die Bedeutung einer klaren Testamentsgestaltung aufzeigt.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Die Kläger, Kinder der Erblasserin, streiten um den Nachlass ihres verstorbenen Elternteils gegen die Beklagte.
  • Ein handschriftliches Testament der Erblasserin führte zu unterschiedlichen Interpretationen über die Erbeinsetzung und Vermächtnisse.
  • Die Beklagte beantragte einen Erbschein als Alleinerbin aufgrund des Testaments, während der Kläger zunächst die gesetzliche Erbfolge geltend machte und später seinen Antrag anpasste.
  • Das Nachlassgericht stellte nach Beweisaufnahme fest, dass das Testament keine Alleinerbeneinsetzung, sondern ein Vorausvermächtnis oder eine Teilungsanordnung enthält, weshalb die gesetzliche Erbfolge greife.
  • Die Kläger schlugen die Erbschaft aus und fochten das Testament wegen Testierunfähigkeit an, erhielten aber keinen abschließenden Klärung zur Testierfähigkeit durch das Nachlassgericht.
  • Das Landgericht entschied zugunsten der Kläger, die Erbschaft sei wirksam ausgeschlagen und die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten worden.
  • Die Anfechtungs- und Ausschlagungsfristen wurden durch Unsicherheiten und die späte Bekanntgabe der Vermächtnisdetails verlängert, sodass die Kläger fristgerecht handelten.
  • Das OLG Koblenz bestätigte die Entscheidung des Landgerichts, da die Erbschaftsausschlagung und -anfechtung wirksam und die Ausschlagungsfristen eingehalten worden seien.
  • Die Kläger sind somit Pflichtteilsberechtigte und die Beklagte zur Auskunft verpflichtet.
  • Das Erbscheinsverfahren der Beklagten war erfolglos, und die Kläger haben berechtigte Pflichtteilsansprüche.

Gerichtsurteil: Erben haben Anspruch auf Informationen zu Vorausvermächtnis

Das Erben kann ein komplexes Thema sein, besonders wenn es um die Verteilung von Vermögenswerten geht. Ein Vorausvermächtnis, eine Art Geschenk, das im Testament festgelegt wird, kann dabei eine wichtige Rolle spielen. Doch was passiert, wenn ein solches Vorausvermächtnis den Wert des Erbes erheblich schmälert und die gesetzlichen Erben erst nach dem Tod des Erblassers davon erfahren?

Ein solches Szenario wirft eine Reihe von rechtlichen Fragen auf. Welche Rechte haben die gesetzlichen Erben in einem solchen Fall? Können sie das Vorausvermächtnis anfechten? Und welche Rolle spielt die Kenntnis oder Unkenntnis der Erben von diesem Vorausvermächtnis?

Ein kürzlich ergangenes Gerichtsurteil hat sich mit genau diesen Fragen beschäftigt und eine wichtige Entscheidung getroffen.

Der Fall vor Gericht


Rechtliche Klärung einer umstrittenen Erbregelung

Im Mittelpunkt des Falls steht die Auslegung des Testaments eines Erblassers, der seine Tochter als Alleinerbin eingesetzt hatte. Für den Fall ihrer Ausschlagung setzte er seine Lebensgefährtin als Ersatzerbin ein. Da sowohl die Tochter das Erbe ausschlug als auch die Lebensgefährtin vorverstorben war, stellte sich die Frage, wer als Erbe eintreten sollte.

Streitpunkt: Ersatzerbin-Einsetzung der Enkelin

Die Enkelin der vorverstorbenen Lebensgefährtin beantragte einen Erbschein als Alleinerbin. Sie vertrat die Auffassung, der Erblasser hätte sie ersatzweise eingesetzt, wenn er das Vorversterben der Lebensgefährtin vorhergesehen hätte. Das Nachlassgericht gab dieser Auslegung des Testaments zunächst statt.

Entscheidung: Ausschluss des Sohnes und gesetzliche Erbfolge

Das Oberlandesgericht revidierte diese Entscheidung jedoch. Es sah im Testament eine eindeutige Enterbung des Sohnes und schloss aus, dass der Erblasser die Enkelin als Ersatzerbin vorsah. Da keine weitere Ersatzerben-Regelung getroffen wurde, greift nun die gesetzliche Erbfolge unter Ausschluss des enterbten Sohnes.

Ausführliche Begründung des Urteils

Das Gericht legte umfassend dar, warum aus dem Testament keine Einsetzung der Enkelin als Ersatzerbin ableitbar ist. Obwohl der Erblasser die Lebensgefährtin als Ersatzerbin benannte, gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass er deren Enkelin für den Fall des Vorversterbens einsetzen wollte. Auch Vollmachten an die Lebensgefährtin lassen darauf nicht schließen. Die Vorschrift zur Ersatzerben-Einsetzung von Abkömmlingen (§ 2069 BGB) ist auf andere Personen nicht anwendbar.

Die Schlüsselerkenntnisse


Das Urteil zeigt, dass bei der Testamentsauslegung strikt am erklärten Willen des Erblassers festzuhalten ist. Eine extensive Interpretation zugunsten entfernterer Personen ist unzulässig, selbst wenn dies billig erscheinen mag. Die eindeutige Enterbung des Sohnes war maßgeblich, nicht eine mutmaßliche Ersatzerbeneinsetzung der Enkelin der Lebensgefährtin. Die gesetzliche Erbfolge tritt ein, wenn der Erblasserwille versagt.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Menschen, die mit einer Enterbung konfrontiert sind – sei es als Erblasser, enterbter Erbe oder Begünstigter – hat dieses Urteil weitreichende Auswirkungen. Es zeigt deutlich, wie wichtig die präzise Formulierung eines Testaments ist. Die minutiöse Auslegung des Gerichts lässt keinen Zweifel: Die Absichten des Erblassers müssen unmissverständlich aus dem Wortlaut hervorgehen. Selbst eine enge Beziehung zu einer Person reicht nicht aus, um diese automatisch als Ersatzerbin einzusetzen, sofern dies nicht explizit festgehalten wurde.

Erblasser müssen besonders sorgfältig alle möglichen Szenarien bedenken und klar regeln. Enterbungen sollten explizit begründet, Ersatzerben eindeutig benannt werden. Für Enterbte verdeutlicht der Fall die engen rechtlichen Grenzen einer Testamentsauslegung zu ihren Gunsten. Begünstigte hingegen erfahren, dass ihr Erbanspruch auf einer detaillierten Willensbekundung des Erblassers fußen muss. Sowohl für Erblasser als auch Erben unterstreicht das Urteil die Notwendigkeit präziser Formulierungen und sorgfältiger Vorbereitung, um Konflikte und finanzielle Unsicherheit zu vermeiden.


FAQ – Häufige Fragen

Streit um Erbregelungen sind keine Seltenheit und können für alle Beteiligten eine belastende Erfahrung sein. Unsere FAQ-Rubrik bietet Ihnen fundierte Antworten auf die häufigsten Fragen rund um dieses komplexe Thema und hilft Ihnen, Ihre Rechte und Pflichten besser zu verstehen.


Wie erfolgt die Auslegung eines Testaments?

Die Auslegung eines Testaments erfolgt nach einem festgelegten Schema, um den tatsächlichen Willen des Erblassers zu ermitteln. Zunächst wird geprüft, ob eine Auslegung überhaupt erforderlich ist. Dies ist der Fall, wenn der Inhalt des Testaments unklar oder mehrdeutig ist und Zweifel am Willen des Erblassers bestehen.

Im nächsten Schritt erfolgt eine erläuternde Auslegung anhand des Wortlauts. Hierbei wird der Wortsinn der vom Erblasser verwendeten Begriffe hinterfragt. Es geht darum zu verstehen, was der Erblasser mit seinen Formulierungen tatsächlich ausdrücken wollte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass juristische Laien möglicherweise Begriffe nicht exakt im rechtlichen Sinne verwenden.

Sollte der Wortlaut allein nicht ausreichen, um den Willen des Erblassers zu ermitteln, kommt die ergänzende Auslegung zum Einsatz. Hierbei werden äußere Umstände einbezogen, die Rückschlüsse auf den Willen des Erblassers zulassen. Dazu können beispielsweise mündliche oder schriftliche Äußerungen des Erblassers zur Erbfolge gehören, die er gegenüber Zeugen gemacht hat. Auch die Lebensumstände des Erblassers können bei der Auslegung eine Rolle spielen.

Bei der Auslegung ist stets zu beachten, dass es ausschließlich um die Erforschung des Erblasserwillens geht. Die Perspektiven oder Wünsche der potenziellen Erben sind dabei nicht relevant. Der subjektive Wille des Erblassers steht im Mittelpunkt.

Eine wichtige Grenze bei der Auslegung stellt die sogenannte Andeutungstheorie dar. Sie besagt, dass das Auslegungsergebnis zumindest eine Andeutung im Wortlaut des Testaments finden muss. Es darf also nichts in das Testament hineininterpretiert werden, was dort keinerlei Anklang gefunden hat.

Für den Fall, dass nach diesen Auslegungsschritten immer noch Zweifel bestehen, greifen die gesetzlichen Auslegungsregeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Eine wichtige Regel findet sich beispielsweise in § 2087 Abs. 2 BGB. Demnach ist im Zweifel nicht anzunehmen, dass der Erblasser eine mit einzelnen Vermögensgegenständen bedachte Person als Erbe einsetzen wollte, auch wenn er diese als Erbe bezeichnet hat.

Bei der Auslegung können bestimmte Indizien eine entscheidende Rolle spielen. So kann die Zuwendung des wesentlichen Nachlasswerts sowie die Übertragung der Beisetzungsregelungen darauf hindeuten, dass der Erblasser eine Person als Alleinerben einsetzen wollte, auch wenn dies im Testament nicht ausdrücklich so formuliert wurde.

In komplexen Fällen oder bei Streitigkeiten zwischen potenziellen Erben kann die Auslegung eines Testaments durch ein Gericht erforderlich werden. Die Richter müssen dann alle verfügbaren Informationen und Umstände berücksichtigen, um den wahren Willen des Erblassers zu ermitteln.

Um spätere Auslegungsprobleme zu vermeiden, ist es ratsam, bei der Erstellung eines Testaments fachkundige Beratung in Anspruch zu nehmen. Ein Rechtsanwalt oder Notar kann dabei helfen, den letzten Willen präzise und rechtssicher zu formulieren.

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Unter welchen Voraussetzungen ist eine Enterbung wirksam?

Eine wirksame Enterbung erfordert zunächst eine formgültige letztwillige Verfügung des Erblassers. Dies kann entweder ein Testament oder ein Erbvertrag sein. Bei einem privatschriftlichen Testament muss dieses vollständig handschriftlich verfasst und unterschrieben sein. Ein notarielles Testament oder ein Erbvertrag bedürfen der notariellen Beurkundung.

Inhaltlich muss aus der letztwilligen Verfügung klar hervorgehen, dass der Erblasser eine bestimmte Person von der gesetzlichen Erbfolge ausschließen möchte. Dies kann durch eine ausdrückliche Formulierung wie „Mein Sohn soll nicht erben“ erfolgen. Alternativ kann der Erblasser auch andere Personen als Erben einsetzen und den zu Enterbenden nicht berücksichtigen.

Eine Begründung für die Enterbung ist grundsätzlich nicht erforderlich. Der Erblasser muss seine Entscheidung nicht rechtfertigen. Er kann frei darüber bestimmen, wen er als Erben einsetzen oder von der Erbfolge ausschließen möchte.

Bei der Enterbung naher Angehöriger wie Kindern, Ehegatten oder Eltern ist jedoch zu beachten, dass diesen trotz Enterbung ein gesetzlicher Pflichtteilsanspruch zusteht. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Um auch den Pflichtteil zu entziehen, müssen die strengen Voraussetzungen des § 2333 BGB erfüllt sein. Dazu zählen etwa schwere Verfehlungen des Pflichtteilsberechtigten gegenüber dem Erblasser wie Tötungsversuche, schwere Körperverletzungen oder gravierende Verletzungen von Unterhaltspflichten.

Die Wirksamkeit einer Enterbung kann durch verschiedene Umstände beeinträchtigt werden. Dazu gehören Formfehler bei der Errichtung des Testaments, Testierunfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung oder Willensmängel wie Irrtum oder Drohung. In solchen Fällen kann das Testament unter Umständen angefochten werden.

Bei der Enterbung von Abkömmlingen ist zu beachten, dass diese sich grundsätzlich auch auf deren Nachkommen erstreckt. Will der Erblasser dies verhindern, muss er dies ausdrücklich im Testament regeln.

Eine wirksame Enterbung setzt voraus, dass der Enterbte überhaupt gesetzlicher Erbe wäre. Personen, die ohnehin nicht zur gesetzlichen Erbfolge berufen sind, können nicht enterbt werden. Dies betrifft etwa entferntere Verwandte, wenn nähere Verwandte vorhanden sind.

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Wer hat Anspruch auf den Pflichtteil?

Der Pflichtteil ist ein gesetzlich garantierter Mindestanteil am Nachlass, den bestimmte nahe Angehörige des Erblassers beanspruchen können, selbst wenn sie durch Testament oder Erbvertrag von der Erbfolge ausgeschlossen wurden. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) regelt in den §§ 2303 ff., wer pflichtteilsberechtigt ist.

Zu den pflichtteilsberechtigten Personen gehören die Abkömmlinge des Erblassers, also dessen Kinder, Enkel und Urenkel. Dabei ist zu beachten, dass Enkel und Urenkel nur dann einen Pflichtteilsanspruch haben, wenn ihre Eltern bzw. Großeltern bereits verstorben sind oder auf ihr Erbe verzichtet haben. Adoptivkinder sind leiblichen Kindern gleichgestellt und somit ebenfalls pflichtteilsberechtigt.

Neben den Abkömmlingen hat auch der überlebende Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner einen Anspruch auf den Pflichtteil. Dies gilt unabhängig davon, in welchem Güterstand die Ehe geführt wurde.

Die Eltern des Erblassers sind nur dann pflichtteilsberechtigt, wenn der Verstorbene keine Abkömmlinge hinterlassen hat. Geschwister des Erblassers haben hingegen keinen Anspruch auf einen Pflichtteil.

Die Höhe des Pflichtteils beträgt stets die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Um den konkreten Pflichtteilsanspruch zu ermitteln, muss zunächst der Wert des Nachlasses festgestellt werden. Anschließend wird berechnet, wie hoch der gesetzliche Erbteil des Pflichtteilsberechtigten wäre, wenn keine testamentarische Regelung getroffen worden wäre. Von diesem Betrag steht dem Pflichtteilsberechtigten die Hälfte zu.

Der Pflichtteilsanspruch ist ein reiner Geldanspruch. Der Berechtigte kann also nicht die Herausgabe bestimmter Nachlassgegenstände verlangen, sondern lediglich die Auszahlung eines Geldbetrages.

Im Erbfall spielt der Pflichtteil eine wichtige Rolle, da er die Testierfreiheit des Erblassers einschränkt. Selbst wenn der Erblasser eine Person enterben möchte, kann er den Pflichtteilsanspruch nicht vollständig ausschließen. Nur in sehr schwerwiegenden Fällen, die im Gesetz abschließend geregelt sind, ist eine Entziehung des Pflichtteils möglich.

Für Erben kann der Pflichtteilsanspruch eine erhebliche finanzielle Belastung darstellen. Sie müssen den Pflichtteil aus dem geerbten Vermögen begleichen, was insbesondere bei illiquiden Vermögenswerten wie Immobilien zu Problemen führen kann.

Der Pflichtteilsanspruch verjährt grundsätzlich drei Jahre nach Kenntnis des Erbfalls und der Enterbung. Die absolute Verjährungsfrist beträgt 30 Jahre nach dem Erbfall.

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Welche Rechtsfolgen treten bei einer Ausschlagung der Erbschaft ein?

Bei einer Ausschlagung der Erbschaft treten bedeutsame rechtliche Konsequenzen ein. Die Ausschlagung stellt eine ausdrückliche Erklärung dar, mit der eine Person die Erbschaft und alle damit verbundenen Rechte und Pflichten ablehnt.

Eine wirksame Ausschlagung setzt voraus, dass sie innerhalb einer Frist von sechs Wochen erfolgt. Diese Frist beginnt, sobald der potenzielle Erbe von der Erbschaft Kenntnis erlangt. Es ist dabei unerheblich, ob der Erbe bereits den genauen Inhalt oder Wert des Erbes kennt. Die strikte Einhaltung dieser Frist ist von großer Bedeutung, da eine verspätete Ausschlagung in der Regel unwirksam ist.

Die zentrale Rechtsfolge einer wirksamen Ausschlagung besteht darin, dass der Anfall der Erbschaft an den Ausschlagenden als nicht erfolgt gilt. Dies bedeutet, dass die ausschlagende Person rechtlich so behandelt wird, als wäre sie nie Erbe geworden. Folglich entfallen sämtliche mit der Erbschaft verbundenen Rechte und Pflichten für den Ausschlagenden.

Nach der Ausschlagung fällt die Erbschaft automatisch demjenigen zu, der berufen wäre, wenn der Ausschlagende zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht gelebt hätte. Dies kann beispielsweise ein im Testament benannter Ersatzerbe sein. Fehlt eine solche Bestimmung, kommen die gesetzlichen Regelungen zur Anwendung. In diesem Fall würde die Erbschaft an den nächsten gesetzlichen Erben übergehen.

Ein praktisches Beispiel verdeutlicht diese Regelung: Wenn eine Tochter die Erbschaft ihres verstorbenen Vaters ausschlägt und im Testament kein Ersatzerbe benannt ist, würde die Erbschaft an ihre eigenen Kinder – also die Enkel des Erblassers – übergehen. Sollten keine Kinder vorhanden sein, kämen andere Verwandte gemäß der gesetzlichen Erbfolge in Betracht.

Die Ausschlagung hat auch steuerrechtliche Auswirkungen. Bei demjenigen, der anstelle des Ausschlagenden erbt, entsteht die Erbschaftsteuerpflicht erst mit dem Zeitpunkt der Ausschlagung. Dies kann in bestimmten Konstellationen zu steuerlichen Vorteilen führen, etwa wenn durch die Ausschlagung ein größeres Freibetragsvolumen genutzt werden kann.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Ausschlagung grundsätzlich unwiderruflich ist. In Ausnahmefällen, etwa wenn nach der Ausschlagung bisher unbekannte Vermögenswerte auftauchen, besteht die Möglichkeit, die Ausschlagung innerhalb von sechs Wochen ab Kenntnis dieser neuen Umstände anzufechten.

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In welchen Fällen tritt die gesetzliche Erbfolge ein?

Die gesetzliche Erbfolge tritt ein, wenn der Erblasser keine gültige letztwillige Verfügung hinterlassen hat. Dies ist der Fall, wenn kein Testament oder Erbvertrag existiert oder diese unwirksam sind. Auch wenn der Erblasser nur über einen Teil seines Vermögens testamentarisch verfügt hat, gilt für den restlichen Teil die gesetzliche Erbfolge.

Ein weiterer Grund für das Eintreten der gesetzlichen Erbfolge ist die Ausschlagung des Erbes durch den testamentarisch eingesetzten Erben. In diesem Fall rückt der nächste gesetzliche Erbe nach, als wäre der Ausschlagende bereits verstorben.

Die gesetzliche Erbfolge greift zudem, wenn ein Testament erfolgreich angefochten wurde. Eine Anfechtung kann beispielsweise wegen Irrtums, arglistiger Täuschung oder Drohung erfolgen. Wird das Testament für unwirksam erklärt, tritt an seine Stelle die gesetzliche Erbfolge.

Auch bei formalen Mängeln des Testaments kommt es zur gesetzlichen Erbfolge. Ein handschriftliches Testament muss vollständig eigenhändig geschrieben und unterschrieben sein. Fehlt die Unterschrift oder wurde das Testament mit dem Computer erstellt, ist es ungültig.

Die Testierfähigkeit des Erblassers spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. War der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht testierfähig, etwa aufgrund einer psychischen Erkrankung, ist das Testament unwirksam und die gesetzliche Erbfolge tritt ein.

Selbst wenn ein gültiges Testament vorliegt, kann die gesetzliche Erbfolge teilweise relevant werden. Dies ist der Fall, wenn Pflichtteilsberechtigte enterbt wurden und ihren Pflichtteilsanspruch geltend machen. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils und steht Ehegatten, Kindern und unter Umständen den Eltern des Erblassers zu.

Bei der Enterbung eines Kindes durch den Erblasser ist zu beachten, dass das Kind zwar nicht als Erbe eingesetzt wird, aber dennoch einen Anspruch auf den Pflichtteil hat. Dieser Anspruch richtet sich gegen die eingesetzten Erben und beläuft sich auf die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils.

Die gesetzliche Erbfolge kann auch dann relevant werden, wenn der Erblasser in seinem Testament ausdrücklich auf sie verweist. Er kann beispielsweise bestimmen, dass für einen Teil seines Vermögens die gesetzliche Erbfolge gelten soll.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Pflichtteil: Der Pflichtteil ist der gesetzlich vorgeschriebene Mindestanteil am Nachlass, der bestimmten Personen zwingend zustehen muss. Hierzu zählen Abkömmlinge des Erblassers wie Kinder und Enkel, aber auch der Ehegatte. Der Erblasser kann diese Personen zwar enterben, ihnen steht dann aber der Pflichtteil zu. Dieser beläuft sich auf die Hälfte des gesetzlichen Erbanteils.
  • Enterbung: Die Enterbung bedeutet den Ausschluss eines gesetzlichen Erben von der Erbfolge durch eine entsprechende letztwillige Verfügung des Erblassers im Testament. Eine Enterbung muss im Testament ausdrücklich erklärt und begründet werden. Häufige Gründe sind beispielsweise Undankbarkeit oder schwerwiegendes Fehlverhalten. Trotz Enterbung hat der Enterbte jedoch Anspruch auf den Pflichtteil.
  • Ersatzerbe: Ein Ersatzerbe ist eine Person, die vom Erblasser testamentarisch für den Fall bestimmt wird, dass der zunächst eingesetzte Erbe die Erbschaft nicht antritt. Der Ersatzerbe rückt dann an dessen Stelle. Bei Abkömmlingen des Erblassers ist gesetzlich geregelt, dass deren Kinder als Ersatzerben eintreten (§ 2069 BGB). Für andere Personen muss eine Ersatzerbeneinsetzung ausdrücklich erfolgen.
  • Erbausschlagung: Die Erbausschlagung ist die Ablehnung der Erbschaft durch den vom Erblasser eingesetzten oder gesetzlichen Erben. Sie muss innerhalb einer bestimmten Frist erklärt werden und bewirkt, dass der Erbe nicht in die Rechtsstellung des Erblassers eintritt. Die Folgen richten sich nach dem Testament, etwa dem Vorhandensein von Ersatzerben oder dem Eintritt der gesetzlichen Erbfolge.
  • Gesetzliche Erbfolge: Liegt keine wirksame letztwillige Verfügung des Erblassers vor oder deckt diese nicht alle Fälle ab, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Hier folgt die Erbfolge dem Verwandtschaftsgrad der potenziellen Erben. Vorrang haben die Abkömmlinge, dann der Ehegatte und zuletzt die Eltern und deren Abkömmlinge. Die Reihenfolge ist gesetzlich festgelegt.
  • Testamentsauslegung: Bei der Auslegung eines Testaments gilt es, den wahren Willen des Erblassers zu ermitteln. Hierzu werden Auslegungsmethoden wie die subjektive und objektive Auslegung angewandt. Entscheidend sind der Wortlaut sowie weitere Indizien, um den Erblasserwillen festzustellen. Die Testamentsauslegung ist vor allem dann wichtig, wenn Unklarheiten bestehen.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 194 BGB (Annahme der Erbschaft): Die Annahme einer Erbschaft kann ausdrücklich oder stillschweigend durch Handlungen erfolgen, die nur einem Erben zustehen, wie etwa die Beantragung eines Erbscheins. Im vorliegenden Fall hatte der Kläger zu 1. zunächst einen Erbschein beantragt, was als stillschweigende Annahme der Erbschaft gewertet werden könnte.
  • § 1954 BGB (Anfechtung der Annahme der Erbschaft): Die Annahme einer Erbschaft kann unter bestimmten Voraussetzungen angefochten werden, z.B. wenn der Erbe über den Inhalt des Testaments irrt. Im vorliegenden Fall haben die Kläger die Annahme der Erbschaft angefochten, da sie zunächst davon ausgingen, dass das Testament nur eine Teilungsanordnung enthielt.
  • §§ 2078, 2079 BGB (Ausschlagung der Erbschaft): Eine Erbschaft kann innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis vom Erbfall und vom Berufungsgrund ausgeschlagen werden. Die Kläger haben die Erbschaft nach Kenntnis vom Testament und der darin enthaltenen Teilungsanordnung ausgeschlagen.
  • § 2303 BGB (Pflichtteilsrecht): Der Pflichtteil ist ein gesetzlich festgelegter Mindestanteil am Nachlass, der bestimmten nahen Verwandten des Erblassers zusteht. Im vorliegenden Fall machen die Kläger Pflichtteilsansprüche geltend, nachdem sie die Erbschaft ausgeschlagen haben.
  • § 2306 BGB (Verjährung des Pflichtteilsanspruchs): Der Pflichtteilsanspruch verjährt in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis von dem Eintritt des Erbfalls und von dem Grund seiner Berufung erlangt. Im vorliegenden Fall ist strittig, wann die Kläger Kenntnis von den Beschränkungen und Beschwerungen des Testaments erlangt haben und ob ihre Pflichtteilsansprüche verjährt sind.

Das vorliegende Urteil

OLG Koblenz – Az.: 12 U 50/21 – Beschluss vom 24.11.2021

Lesen Sie hier das Urteil…

 

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 30.12.2020, Az.: 3 O 292/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 14.12.2021.

Gründe

I.

Die Parteien, Kinder der Erblasserin, streiten um den Nachlass der am 29.05.2013 verstorbenen …[A]. Die Kläger machen zunächst in erster Stufe einen Auskunftsanspruch als Pflichtteilsberechtigte gegen die Beklagte geltend.

Nachdem der Kläger zu 1. zunächst vor dem Amtsgericht – Nachlassgericht – Bad Sobernheim einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge beantragt hatte, welcher die Parteien als Erben zu je 1/5 ausweisen sollte, beantragte die Beklagte ihrerseits unter Vorlage eines handschriftlichen Testaments der Erblasserin vom 29.12.2010 einen Erbschein für sich als Alleinerbin. Der Kläger zu 1. ergänzte am 20.09.2013 seinen ursprünglichen Erbscheinsantrag vom 10.08.2013 um die Angabe, dass entgegen seiner vorherigen Annahme ein Testament der Erblasserin vorhanden sei, welches jedoch lediglich eine Teilungsanordnung oder Vermächtnisanordnung enthalte. Nachdem er von dem Erbscheinsantrag der Beklagten Kenntnis erhalten hatte, erklärte der Kläger zu 1. mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 11.11.2013 gegenüber dem Amtsgericht Bad Sobernheim die Anfechtung des Testaments wegen Testierunfähigkeit der Erblasserin. Das Nachlassgericht erhob im folgenden Beweis zur Frage der Testierfähigkeit der Erblasserin durch Vernehmung von Zeugen und Einholung eines Sachverständigengutachtens. Durch Verfügung vom 05.09.2017 (Bl. 980 der beigezogenen Nachlassakte 7 VI 298/13 AG Bad Sobernheim) wies das Nachlassgericht die Beteiligten schließlich darauf hin, dass entgegen der aus dem Verfahrensablauf abzuleitenden Vermutung, dass es sich bei dem letzten Willen der Erblasserin um ein Testament und eine Alleinerbeneinsetzung der Beklagten handeln dürfte, vielmehr von einem Vorausvermächtnis oder einer Teilungsanordnung auszugehen sei. Daher komme nur die gesetzliche Erbfolge in Betracht. Es sei daher beabsichtigt, den Antrag der Beklagten auf Erbscheinserteilung zurückzuweisen und den Erbscheinsantrag wie von dem Kläger zu 1. beantragt aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu erteilen. Daraufhin fochten die Kläger durch Erklärung vom 29.09.2017 gegenüber dem Nachlassgericht die Annahme der Erbschaft an und schlugen die Erbschaft nach der Erblasserin aus. Das Nachlassgericht erteilte am 11.12.2017 der Beklagten einen Erbschein als alleinige Erbin.

Im vorliegenden Verfahren streiten die Parteien um die Frage, ob die Kläger aufgrund der am 29.09.2017 erklärten Ausschlagung und Anfechtung Pflichtteilsberechtigte geworden sind und daher die beantragte Auskunft von der Beklagten verlangen können. Die Beklagte ist der Auffassung, mit der Erklärung vom 29.09.2017 hätten die Kläger die gesetzlichen Anfechtungs- und Ausschlagungsfristen versäumt, da sie bereits durch die Übersendung des Testaments am 02.09.2013 Kenntnis von den Beschränkungen und Beschwerungen des Testaments erhalten hätten. Im Übrigen sei dem handschriftlichen Testament eine Einsetzung der Beklagten als Alleinerbin zu entnehmen, da das dort erwähnte Hausgrundstück den wesentlichen Vermögensbestandteil der Erblasserin dargestellt habe.

Das Landgericht hat dem Auskunftsantrag der Kläger (unter Abweisung eines von den Klägern zusätzlich bereits vorab gestellten Teilzahlungsantrags) stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Erbschaft sei von den Klägern wirksam ausgeschlagen, bzw., soweit eine Annahme erfolgt sei, die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten worden. Die Kläger seien ursprünglich Erben kraft gesetzlicher Erbfolge geworden, da das Testament vom 29.12.2010 keine Erbeinsetzung der Beklagten als Alleinerbin enthalte, sondern lediglich eine Teilungsanordnung oder ein Vorausvermächtnis. Durch die Erklärung vom 29.09.2017 sei eine fristgerechte Ausschlagung bzw. Anfechtung der Annahme der Erbschaft erklärt worden, da die sechswöchige Frist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen gewesen sei. Angesichts der Unsicherheit über die Testierfähigkeit der Erblasserin sei die für den Fristablauf der Anfechtungs-/Ausschlagungsfrist erforderliche Kenntnis von der Wirksamkeit des Testaments sowie von den in diesem enthaltenen Beschränkungen und Beschwerungen bei den Klägern nicht gegeben gewesen. Dementsprechend seien die von den Klägern nunmehr geltend gemachten Pflichtteilsansprüche auch nicht verjährt.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens mit ihrer Berufung, insbesondere führt sie an, dass das Landgericht den geänderten Erbscheinsantrag des Klägers zu Ziffer 1. vom 20.09.2013 nicht mit in seine Überlegungen einbezogen habe. Wenn die Kenntnis der Kläger vom Testament zu diesem Zeitpunkt vorgelegen habe, könnten sie sich nicht nachträglich im Irrtum befunden haben.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht weder gemäß §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO auf einer Rechtsverletzung, d. h. einer Nichtanwendung oder unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung. Zutreffend hat das Landgericht entschieden, dass den Klägern der geltend gemachte Auskunftsanspruch in der ersten Stufe der Stufenklage aus § 2314 Abs. 1 Satz 1 und 3 BGB zusteht, weil sie die Erbschaft nach der Erblasserin wirksam ausgeschlagen haben (§§ 1942 Abs. 1, 2306 Abs. 1 BGB) und, soweit sie diese angenommen hatten, die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten haben (§§ 1954 Abs. 1, 119 BGB).

1. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht angenommen, dass die Kläger ursprünglich Erben kraft gesetzlicher Erbfolge geworden waren, weil das handschriftliche Testament der Erblasserin vom 29.12.2010 tatsächlich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht deren Einsetzung als Alleinerbin, sondern (nur) ein Vorausvermächtnis über das Hausgrundstück der Beklagten in …[Z] enthält. Der überzeugenden und erschöpfenden Begründung des Landgerichts auf Seiten 12 bis 16 des landgerichtlichen Urteils ist aus Sicht des Senats nichts hinzuzufügen; der Senat schließt sich vollumfänglich der landgerichtlichen Beurteilung an, so dass zur Vermeidung von Wiederholungen vollständig auf die Ausführungen des Landgerichts zur Auslegung des Testaments Bezug genommen werden kann.

Die Ausführungen in der Berufungsbegründung unter Ziffer 1 (S. 1 bis 8 Mitte der Berufungsbegründung), die die bereits erstinstanzlich vorgebrachten Argumente wiederholen und vertiefen, führen zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Insbesondere vermag der Senat, ebenso wie das Landgericht, nicht der Auffassung der Beklagten zu folgen, die Erblasserin habe der Beklagten aufgrund der Zuwendung des Hauses mit Grundstück an sie „als alleinige Erbin“ ihr gesamtes Erbe als Alleinerbin zugewandt. Die Annahme, aus Sicht der Erblasserin sei das in der Schweiz vorhandene Barvermögen (in erheblicher Größenordnung) angesichts der Gefahr, „gesperrt“ zu werden, als „steuerlich verstrickt“, unsicher und letztlich mit Null zu bewerten gewesen, überzeugt nicht. Für diesen von der Beklagten unterstellten Fall hätte es auch aus Sicht des Senats nahe gelegen, die Beklagte ohne weitere Bezugnahme auf das Haus (und ohne Erwähnung des in der Schweiz befindlichen Barvermögens) schlicht als Alleinerbin einzusetzen, was gerade nicht geschehen ist.

2. Zutreffend hat das Landgericht darüber hinaus angenommen, dass die Kläger durch ihre Erklärung vom 29.09.2017 (Bl. 991 der beigezogenen Nachlassakte 7 VI 298/13 AG Bad Sobernheim) die Erbschaft nach der Erblasserin ausschlagen (§ 1942 Abs. 1 BGB) und – soweit sie die Erbschaft angenommen hatten – die Annahme anfechten konnten (§ 1954 Abs. 1 BGB), da die Ausschlagungs- und Anfechtungsfrist der § 1944 Abs. 1, 2 BGB und § 1954 Abs. 1 BGB zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war. Grundsätzlich richtet sich die Ausschlagungsfrist nach § 1944 Abs. 2 Satz 1 BGB. Ihr Beginn erfordert demnach die Kenntnis vom Erbfall sowie die Kenntnis vom Berufungsgrund. § 2306 Abs. 1 BGB erweitert diese allgemeinen Voraussetzungen für den Beginn der Ausschlagungsfrist, indem er zusätzlich fordert, dass der Pflichtteilsberechtigte von der Beschränkung oder der Beschwerung im Sinne von § 2306 Abs. 1 Kenntnis erlangt, so dass die Ausschlagungsfrist erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen beginnen kann.

Die „Kenntnis“ des Betroffenen, die den Beginn der Ausschlagungsfrist in Lauf setzt, setzt ein zuverlässiges Erfahren der in Betracht kommenden Umstände voraus, aufgrund dessen ein Handeln von dem Betroffenen erwartet werden kann. Ein Irrtum im Bereich der Tatsachen kann Kenntnis in diesem Sinne ebenso verhindern wie eine irrige rechtliche Beurteilung, wenn deren Gründe nicht von vornherein von der Hand zu weisen sind (BGH, Urteil vom 19.02.1968, III ZR 196/65, BeckRS 1968, 31172225 = LM Nr. 4 zu § 2306 BGB; BGH, Urteil vom 05.07.2000, IV ZR 180/99, NJW-RR 2000, 1530 = ZEV 2000, 401). Eine fahrlässige Unkenntnis steht dabei der Kenntnis nicht gleich; die Beweislast dafür, dass die Kläger die Wirksamkeit des angeordneten Vermächtnisses im Sinne von § 2306 gekannt haben, trägt die Beklagte (vgl. BGH NJW-RR 2000, 1530; BGH, BeckRS 1968, 31172225).

Bei der Beantragung des Erbscheins aufgrund gesetzlicher Erbfolge durch den Kläger zu 1. am 10.08.2013 (Bl. 1 ff. der Nachlassakte) war den Klägern das handschriftliche Testament der Erblasserin vom 29.12.2010 noch nicht bekannt. Erhalten haben sie dieses – wie zwischen den Parteien unstreitig ist – am 02.09.2013. Entgegen der auch in der Berufung weiterhin vertretenen Auffassung der Beklagten führte die bloße Kenntnis dieses Testaments indes noch nicht zum Beginn der sechswöchigen Ausschlagungs- und Anfechtungsfrist. Zutreffend weist zwar die Berufung darauf hin, dass sich das Landgericht in seinem Urteil insoweit nicht damit auseinandergesetzt hat, dass der Kläger den am 10.08.2013 gestellten Erbscheinsantrag durch Ergänzung vom 20.09.2013 (Bl. 20 ff. der Nachlassakte) um die Angabe ergänzt hat, dass ihm inzwischen bekannt geworden sei, dass es ein privatschriftliches Testament vom 29.12.2010, eröffnet von dem Nachlassgericht Frankfurt am Main, gebe. In dem ergänzten Erbscheinsantrag vom 20.09.2013 stützt der Kläger den Erbscheinsantrag weiterhin auf den Eintritt der gesetzlichen Erbfolge, da das Testament lediglich eine Teilungsanordnung oder ein Vorausvermächtnis enthalte. Daraus wird deutlich, dass die Kläger zu diesem Zeitpunkt weiterhin vom Eintritt der gesetzlichen Erbfolge ausgingen. Erst mit Schreiben des Amtsgerichts Bad Sobernheim vom 23.10.2013 (Bl. 683 der Nachlassakte) wurden die Kläger von dem Erbscheinsantrag der Beklagten in Kenntnis gesetzt, die aus dem Testament vom 29.12.2010 ein alleiniges Erbrecht für sich ableitete. Bis zu diesem Zeitpunkt befanden sich die Kläger in der – bei einer Zugrundelegung der als zutreffend unterstellten beklagtenseitigen Testamentsauslegung – unzutreffenden Annahme über die Bedeutung und Tragweite des handschriftlichen Testaments. Mit dem Erbscheinsantrag der Beklagten entstanden Zweifel an der bis dahin von ihnen angenommenen Rechtslage, jedenfalls als Kinder insgesamt aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu Erben berufen zu sein. Im Anschluss an diese Erkenntnis kam es am 11.11.2013 zur Anfechtung des Testaments durch den Kläger zu 1.. Aufgrund der widerstreitenden Erbscheinsanträge der Beteiligten schloss sich vor dem Nachlassgericht ein umfangreiches Verfahren mit Beweisaufnahme zur Klärung der Testierfähigkeit der Erblasserin an. Durch Verfügung vom 21.03.2014 (Bl. 108 der Nachlassakte) wies der damalige Abteilungsrichter die Beteiligten darauf hin, dass es darauf ankomme, „ob die letztwillige Verfügung als Teilungsanordnung auszulegen … (sei) oder als Einsetzung der Antragstellerin …[D] als Alleinerbin. In letzterem Falle soll ein Sachverständigengutachten eingeholt werden zur Frage der Testierfähigkeit der Erblasserin zum Zeitpunkt der Erstellung der letztwilligen Verfügung vom 29.12.2010 im Hinblick auf die seitens des Antragstellers Herr …[B] (Kläger zu 1) sowie seitens Frau …[C] (Klägerin zu 2) geäußerten Bedenken“. Es schloss sich eine Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen und Einholung des angekündigten Sachverständigengutachtens an, wobei das Verfahren sich über drei Jahre hinzog. So wurde durch Beweisbeschluss vom 05.08.2014 (Bl. 178 d. Beiakten) die Vernehmung von Zeugen und durch Beschluss vom 24.03.2016 (Bl. 370 ff. d. Beiakten) die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet. Angesichts des Verlaufs des Verfahrens und des zitierten gerichtlichen Hinweises durften die Kläger während des gesamten Zeitraums der sich hinziehenden Beweisaufnahme annehmen, dass das Nachlassgericht die Testierfähigkeit der Erblasserin und damit die Wirksamkeit des Testamentes abschließend klären werde, so dass sich ihre erbrechtliche Stellung erst nach Abschluss dieser nachlassgerichtlichen Beweisaufnahme abschließend bestimmen lassen würde.

Mit Verfügung vom 04.09.2017 (Bl. 980 der Nachlassakte) wurden die Beteiligten des Erbscheinsverfahrens vom Nachlassgericht darauf hingewiesen, dass es „entgegen der aus dem Verfahrenslauf abzuleitenden Vermutung, dass es sich bei dem letzten Willen der Erblasserin um ein Testament und eine Alleinerben-Einsetzung der Frau …[D] (Beklagten) handeln dürfte, vielmehr von einem Vorausvermächtnis oder einer Teilungsanordnung“ ausgehe; es folgen nähere Ausführungen des Nachlassrichters zur Begründung. Weiter heißt es in der Verfügung:

„Mangels Vorliegen eines Testaments kommt daher nur die gesetzliche Erbfolge in Betracht. Insofern kam es vorliegend auch nicht auf die Frage der Testierfähigkeit der Erblasserin an. Soweit in diesem Verfahren Beweise zur Testierfähigkeit der Erblasserin erhoben wurden, werden diese Kosten niedergeschlagen …. Das Gericht beabsichtigt daher den Antrag von Frau …[D] vom 16.09.2013 auf Ausstellung eines Erbscheins als Alleinerbin zurückzuweisen und den Erbschein wie von …[B] vom 24.09.2013 in Verbindung mit dem Erbscheinsantrag vom 13.08.2013, nach dem die fünf Kinder der Erblasserin zu je 1/5 erben, beantragt auszustellen“.

Erst aufgrund dieses gerichtlichen Hinweises hatte das Verfahren einen Stand erreicht, der den Klägern Gewissheit über die Auslegung des Testaments der Erblasserin durch das Nachlassgericht gab und ihnen die Gewissheit verschaffte, dass das Nachlassgericht die Testierfähigkeit der Erblasserin und die Wirksamkeit des Testamentes nicht abschließend klären werde (vgl. OLG München, Beschluss vom 28.08.2006, ZEV 2006, 554, 555). Bis zu diesem Zeitpunkt befanden sich die Kläger über das Bestehen und den Umfang ihres Erbrechts in Ungewissheit, §§ 1954, 119 Abs. 2, 2306 Abs. 1 BGB. Da sich nach dem Verlauf der Beweisaufnahme und vor dem Hintergrund der nunmehr angekündigten Entscheidung des Nachlassgerichts abzeichnete, dass der von ihnen zu führende Beweis einer Testierunfähigkeit der Erblasserin bei Testamentserrichtung kaum sicher zu führen sein werde, entschlossen sie sich angesichts der dann als wirksam anzusehenden Vermächtnisanordnung, die ihr gesetzliches Erbrecht erheblich beschwerte (§ 2306 Abs. 1 BGB), zur Ausschlagung des Erbes, um sodann gemäß § 2306 Abs. 1 den Pflichtteil geltend zu machen.

Dabei kann offen bleiben, inwieweit dieser gerichtliche Hinweis vom 05.09.2017 den Klägern Gewissheit über ihre erbrechtliche Stellung verschaffte, da das Nachlassgericht die Frage der Wirksamkeit des Testamentes gerade keiner abschließenden Klärung zuzuführen gedachte. In jedem Fall – und nur darauf kommt es an – bestand bis dahin aber noch keine hinreichende Klarheit, dass der Beklagten kein Erbschein als Alleinerbin zu erteilen war, sondern ihr nur ein Vermächtnis zustand, so dass seitens der Kläger auch die Fristen zur Anfechtung der Erbschaftsannahme und Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs noch nicht in Gang gesetzt worden waren. Frühestens durch die Verfügung vom 05.09.2017 erlangten die Kläger somit Kenntnis im Sinne des § 2306 Abs. 1 BGB und der eingangs dargelegten Rechtsprechung über die Beschwerung ihres Erbes mit einem Vermächtnis. Die bis dahin andauernden Zweifel, ob der Beklagten aufgrund des Testaments ein alleiniges Erbrecht zustand oder die Kläger (gemeinsam mit der Beklagten) aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu Erben berufen waren (und inwieweit dieses Erbe durch ein Vermächtnis zu Gunsten der Beklagten belastet sein könnte), ergaben sich gerade aufgrund des Verlaufs des Erbscheinsverfahrens, das gleichermaßen zu einem Schwebezustand nach dem Erbscheinsantrag der Beklagten und der Anfechtung des Testaments führte. Angesichts dieser Besonderheiten im zeitlichen Ablauf des Nachlassverfahrens war die sechswöchige Frist zur Erbausschlagung bzw. Anfechtung der Annahme der Erbschaft, wie das Landgericht zutreffend gesehen hat, noch nicht abgelaufen. Die am 29.09.2017 von den Klägern erklärte Anfechtung der Erbschaftsannahme und Ausschlagung wegen Irrtums über eine wesentliche Eigenschaft war daher wirksam. Die Beklagte ist, wie auch durch Erbschein vom 11.12.2017 bestätigt, Alleinerbin nach der Erblasserin geworden.

An dieser Stelle besteht Veranlassung, ergänzend darauf hinzuweisen, dass der an die Beklagte am 11.12.2017 erteilte Erbschein aus Sicht des Senats als falsch anzusehen und daher gemäß § 2561 BGB einzuziehen wäre, wenn die von den Klägern erklärte Erbausschlagung als nicht wirksam anzusehen wäre. Hiervon geht indes keine der Parteien aus, da auch der Prozessbevollmächtigte der Beklagten im Nachlassverfahren selbst ausdrücklich die Auffassung vertreten hat, die von den Klägern erklärten Anfechtungen/Ausschlagungen seien als wirksam anzusehen (Schriftsatz vom 17.11.2017, Bl. 1006 der Nachlassakte). Wie oben bereits angesprochen, teilt auch der Senat voll umfänglich die rechtliche Einschätzung des Landgerichts (und Nachlassgerichts), dass das Testament vom 29.12.2010 nicht als Alleinerbeneinsetzung der Beklagten anzusehen ist, so dass die Beklagte letztlich nicht aufgrund des Testaments, sondern aufgrund der Erbausschlagung der Kläger alleinige Erbin der Erblasserin geworden ist. Dann kann aber auch die Frist für die Geltendmachung der Pflichtteilansprüche nicht zu einem früheren Zeitpunkt in Gang gesetzt worden sein.

Die Beklagte ist den Klägern als Pflichtteilsberechtigten daher zur Auskunft verpflichtet.

Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt der Senat aus Kostengründen die Rücknahme des Rechtsmittels nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).

Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 3.000,00 € festzusetzen.

 


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