Erbrechtlicher Streit um Kosten: Notarielles Nachlassverzeichnis
Das OLG Koblenz hat entschieden, dass die Kosten für die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses vom Nachlass zu tragen sind. Diese Regelung gilt jedoch nicht bei einem dürftigen Nachlass. Im vorliegenden Fall konnte die Beklagte nicht nachweisen, dass der Nachlass dürftig ist, weshalb die Klägerin nicht zur Vorauszahlung der Kosten verpflichtet ist.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Kostentragung des Nachlassverzeichnisses: Normalerweise trägt der Nachlass die Kosten für die Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses.
- Ausnahme bei dürftigem Nachlass: Bei einem dürftigen Nachlass müssen die Kosten vom Berechtigten getragen werden.
- Beweislast bei Dürftigkeit: Die Beweislast für die Dürftigkeit des Nachlasses liegt beim Erben.
- Erfolglose Beweisführung der Beklagten: Die Beklagte konnte nicht nachweisen, dass der Nachlass dürftig ist.
- Streitpunkt Darlehen und Immobilienverkauf: Unklarheiten über die Rückzahlung eines Darlehens und den Verkaufserlös einer Immobilie.
- Fehlende Belege und Widersprüche: Widersprüchliche Angaben und fehlende Belege schwächten die Argumentation der Beklagten.
- Urteil zu Gunsten der Klägerin: Die Klägerin ist nicht zur Vorauszahlung der Kosten für das notarielle Nachlassverzeichnis verpflichtet.
- Vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils: Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde festgesetzt.
Übersicht
Kostentragung bei notariellen Nachlassverzeichnissen: Ein juristischer Überblick
Im Bereich des Erbrechts begegnet man häufig der Fragestellung, wer für die Kosten bei der Erstellung notarieller Nachlassverzeichnisse aufkommen muss. Diese Frage ist besonders dann von Bedeutung, wenn es um die Aufklärung und Dokumentation des Nachlasses eines Verstorbenen geht. Solche Nachlassverzeichnisse sind essenziell, um den genauen Umfang und die Zusammensetzung des Erbes zu erfassen und festzuhalten. Hierbei spielen nicht nur die Aktiva, wie Immobilien und Forderungen, eine Rolle, sondern auch die Passiva, wie Schulden und Verbindlichkeiten des Erblassers.
Diese Thematik wirft nicht nur praktische, sondern auch rechtliche Fragen auf, wie beispielsweise die Kostentragungspflicht und deren Verteilung. Die juristische Auseinandersetzung mit solchen Fragen führt häufig zu gerichtlichen Entscheidungen, die für die Beteiligten von großer Bedeutung sind. In diesem Kontext hat das OLG Koblenz ein Urteil gefällt, welches wegweisend für die Beurteilung der Kostentragung bei der Erstellung notarieller Nachlassverzeichnisse sein kann. Tauchen Sie ein in die Welt des Erbrechts und entdecken Sie die Details dieses spannenden Urteils, das sowohl für Kläger als auch Beklagte entscheidende Bedeutung hat.
Kern des Streits: Kostentragung eines Notariellen Nachlassverzeichnisses
Im Fokus des Rechtsstreits am OLG Koblenz stand die Frage der Kostentragung für die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses. Konkret ging es um den Fall, bei dem die Klägerin die Beklagte zur Erstellung eines solchen Verzeichnisses aufforderte. Dieses Verzeichnis sollte detaillierte Auskünfte über den Nachlass des verstorbenen Erblassers, einschließlich Aktiva wie Immobilien und Passiva, geben. Von besonderem Interesse waren dabei die Angaben zu möglichen Schenkungen und Lebensversicherungen des Erblassers.
Die juristische Auseinandersetzung und ihre Wendungen
Die rechtliche Auseinandersetzung nahm ihren Lauf, als die Klägerin Berufung gegen das Teilurteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Mainz einlegte. Das Landgericht hatte die Klägerin zur Vorauszahlung der Kosten für das Nachlassverzeichnis verpflichtet. Die Klägerin argumentierte jedoch, dass laut § 2314 Abs. 2 BGB die Kosten vom Nachlass zu tragen seien, es sei denn, der Nachlass sei dürftig. Die Beklagte konnte jedoch nicht nachweisen, dass der Nachlass tatsächlich dürftig war.
Beweisführung und gerichtliche Entscheidung
Das OLG Koblenz sah in seinem Urteil die Beweisführung der Beklagten als unzureichend an, um die Dürftigkeit des Nachlasses zu belegen. Besonders problematisch waren die unklaren Umstände rund um ein Darlehen und den Verkauf einer Immobilie. Die Klägerin hatte in Abrede gestellt, dass das Darlehen zurückgezahlt wurde, und die Beklagte konnte keine stichhaltigen Beweise für eine Rückzahlung vorlegen. Ebenso konnte nicht nachgewiesen werden, dass der Erlös aus dem Immobilienverkauf tatsächlich dem Erblasser zufloss.
OLG Koblenz urteilt zu Gunsten der Klägerin
Aufgrund der nicht ausreichenden Beweislage entschied das OLG Koblenz zugunsten der Klägerin. Das Gericht stellte klar, dass die Kosten für das notarielle Nachlassverzeichnis vom Nachlass zu tragen sind, da die Beklagte nicht beweisen konnte, dass der Nachlass dürftig ist. Dieses Urteil verdeutlicht die Wichtigkeit einer präzisen Beweisführung in erbrechtlichen Streitigkeiten und setzt einen wichtigen Akzent in der Frage der Kostentragung bei der Erstellung notarieller Nachlassverzeichnisse.
Das Urteil des OLG Koblenz bietet somit einen aufschlussreichen Einblick in die Behandlung solcher Fälle und unterstreicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen Dokumentation und Beweisführung in erbrechtlichen Angelegenheiten.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
Was umfasst die Kostentragung bei der Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses?
Die Kostentragung bei der Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses umfasst verschiedene Aspekte. Die Kosten für das notarielle Nachlassverzeichnis richten sich nach dem Wert des Nachlasses und werden gemäß dem Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotkG) berechnet, wobei der doppelte Gebührensatz anzuwenden ist. Beispielsweise betragen die Kosten für ein Nachlassverzeichnis bei einem Nachlasswert von 200.000 € etwa 870 € zuzüglich Mehrwertsteuer.
Die Kosten für den Notar werden aus dem Nachlass gezahlt und zählen zu den Nachlassverbindlichkeiten. Somit sind auch Pflichtteilsberechtigte an den Kosten beteiligt, da diese ihren Pflichtteil letztlich schmälern. Wenn eine Wertermittlung einzelner Nachlassgegenstände erforderlich ist, müssen zusätzlich Sachverständige bezahlt werden. Die Kosten für die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses sind somit von den Erben aus dem vorhandenen Nachlass zu bezahlen. Im Rahmen der Pflichtteilsberechnung werden diese Kosten als sogenannte Nachlasspassiva berücksichtigt, wodurch sie letztlich auch den Pflichtteilsberechtigten in Höhe seiner Pflichtteilsquote treffen.
Das vorliegende Urteil
OLG Koblenz – Az.: 12 U 2099/21 – Urteil vom 06.02.2023
1. I.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Teilurteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 03.11.2021, Aktenzeichen 5 O 342/19, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Auf den Hilfsantrag wird die Beklagte verurteilt der Klägerin Auskunft zu erteilen, durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses in Anwesenheit der Klägerin und ihres Rechtsanwaltes, so dass Auskunft zu erteilen ist,
– insbesondere über den Bestand des Nachlasses des am … verstorbenen Erblassers …[A], geb. am …, mit dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt in …[Z], so dass die Vorlage des notariellen Nachlassverzeichnisses vollständig geordnet ist und zwar in Aktiva, wie insbesondere Immobilien, Sachen, Gesellschaftsbeteiligungen, Forderungen Passiva unterteilt ist;
– über alle ergänzungspflichtigen Zuwendungen (§ 2325 BGB), also insbesondere Schenkungen, gemischte Schenkungen, die der Erblasser zu Lebzeiten getätigt hat;
– über Lebensversicherungen, einschließlich der gezahlten Prämien und sonstiger Verträge zugunsten Dritter unter Angabe des Zuwendungsvollzugs und der Zuwendungsempfänge sowie der Erlass von Forderungen nach § 397 BGB;
– die beim Erbfall tatsächlich vorhandenen Gegenstände und Forderungen;
– alle Nachlassverbindlichkeiten;
– alle unentgeltlichen Zuwendungen, Schenkungen, auch Pflicht- und Anstandsschenkungen sowie gemischte Schenkungen des Erblassers an Dritte, wie auch an die Erbin, innerhalb der letzten 10 Jahre vor dem Tod des Erblassers und auch an die Beklagte, insbesondere, selbst wenn die Schenkungen unter Vorbehalt eines teilweisen oder vollständigen Nutzungsvorbehaltes (wie z.B. Nießbrauch, Wohnungsrecht, offene oder verdeckte Treuhand u.ä.) erfolgt sind;
– alle Zuwendungen, die nach §§ 2050 BGB ff., 2316 BGB ausgleichspflichtig sein können.
2. Im übrigen wird die Stufenklage auf der ersten Stufe abgewiesen.
II.
Die Entscheidung über die Kosten, auch hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens, bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Berufung der Klägerin beschränkt sich darauf, dass die ihr in dem angefochtenen Teilurteil auferlegte Vorauszahlungspflicht gestrichen werden soll, also das landgerichtliche Teilurteil mit Ausnahme der in der Einleitung des Tenors zu 1. aufgenommenen Formulierungen „das auf Kosten der Klägerin zu erstellen ist“, bzw. „gegen Vorauszahlung der hierfür voraussichtlich anfallenden Kosten des notariellen Nachlassverzeichnisses durch die Klägerin“ Bestand haben soll.
Dieses mit der Berufung verfolgte Begehren der Klägerin ist erfolgreich.
Gemäß § 2314 Abs. 2 BGB fallen die Kosten der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses dem Nachlass zur Last. Unter dem Begriff Kosten werden hierbei Gebühren, notwendige Reise- und Aufenthaltskosten des Auskunftspflichtigen bzw. des anwesenden Auskunftsberechtigten oder seines Beistandes, der Wertermittlung und der amtlichen Aufnahme erfasst (Grüneberg-Weidlich, BGB, 82. Aufl., § 2314 Rndr. 18). Etwas anderes gilt hingegen bei Dürftigkeit des Nachlasses. Sollte der Nachlass dürftig sein, hat der Berechtigte die Kosten für die Erstellung des notariellen Verzeichnisses zu tragen (Grüneberg-Weidlich, BGB, 82. Aufl., § 2314 Rndr. 18). Den Nachweis der Dürftigkeit hat hierbei der Erbe zu führen (BGH IV a ZR 29/81, Urteil vom 10.11.1982, juris = NJW 1983, 1485).
Anders als das Landgericht sieht der Senat den Beweis der Dürftigkeit des Nachlasses durch die Beklagte als nicht geführt an.
Der Beklagten ist es weder gelungen zu beweisen, dass das Darlehen zu Gunsten ihrer Tochter …[B] aus dem Darlehensvertrag vom 15.10.2005 (Anlage K 35) in Höhe von 65.000 € tatsächlich von deren Vater, Herrn …[C] vollständig oder zumindest teilweise zurückgeführt worden ist und somit „dem Nachlass“ nicht doch noch ein entsprechender Zahlungsanspruch gegen …[B] zusteht, noch, dass der Verkaufserlös für die Wohnung in …[Y] nicht doch dem Erblasser zugeflossen ist und noch auf einem zur Erbmasse zählenden Konto vorhanden ist oder zumindest (vergleichbar mit der Situation bei dem Darlehen zu Gunsten von…[A]) ein Herausgabe-/Rückzahlungsanspruch am Kaufpreis besteht, der den Nachlass ebenfalls werthaltig machen würde (wird nunmehr im einzelnen ausgeführt).
Die Klägerin hat durchgängig in Abrede gestellt (siehe unter anderem Schriftsätze des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 09.04.2020 und vom 18.09.2020), dass das Darlehen über 65.000,00 € tatsächlich zurückgezahlt wurde. Die Beklagte hat dagegen behauptet, das Darlehen sei vollständig zurückgezahlt worden und sich zum Beweis für diese Behauptung auf den in der Sitzung vom 19.08.2020 von ihrem Prozessbevollmächtigten überreichten „Aufhebungsvertrag“ (Aufhebung Darlehensvertrag) vom 15.07.2009 berufen. Nach der Überzeugung des Senats reicht die Vorlage dieses Schriftstückes aber nicht aus, um den Beweis für die behauptete Darlehensrückführung zu erbringen. Das Schriftstück weist insoweit bereits Widersprüche auf, die auch den Senat an seiner inhaltlichen Richtigkeit zweifeln lassen. So ist in dem Schriftstück vom 15.07.2009 von dem am 15.10.2005 geschlossenen Darlehensvertrag über den Betrag von 66.000 € die Rede. Der Darlehensvertrag vom 15.10.2005 verhält sich aber (lediglich) über einen Betrag von 65.000 €. Eine Ausräumung dieses Widerspruchs von Seiten der Beklagten ist nicht erfolgt. Davon unabhängig ist in dem Schriftstück ausgeführt, dass die Gesamtsumme am 15.07.2009 von den Eheleuten … [C] zurückgezahlt worden sei. Es existiert aber lediglich eine Kontoauszugszweitschrift der …[D] (Anlage K 60), die einen Zahlungseingang in Höhe von 10.000 € mit dem Vermerk „…[C] 55232 …[Z] Kredit…[B]“ aufweist. Ein entsprechender Beleg über die Zahlung der weiteren 55.000 € (oder 56.000 € ?) ist hingegen von der Beklagten nicht vorgelegt worden. Auch hat die Beklagte trotz des durchgängigen vehementen Bestreitens der Klägerin nicht belastbar dargelegt, wann und wie genau es zu der Rückführung der weiteren 55.000 € (oder 56.000 € ?) gekommen sein soll. Die Beklagte erklärt vielmehr ausdrücklich, weitere Auskünfte könne sie nicht geben (Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 22.04.2022). Weshalb dies so ist, lässt sie in diesem Zusammenhang völlig offen. Nach alldem sieht der Senat den Beweis für die Rückführung des Darlehens als nicht erbracht an. Die Folge hieraus ist, dass „dem Nachlass“ nach dem derzeitigen Sachstand nach wie vor ein Darlehensrückzahlungsanspruch gegen die Tochter der Beklagten zusteht, der Nachlass somit bereits unter diesem Gesichtspunkt nicht als dürftig anzusehen ist.
Gleiches gilt im Ergebnis bezüglich der Wohnung in …[Y]. Gemäß dem insoweit unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin (siehe unter anderem Schriftsätze des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 09.04.2020 und vom 10.08.2020) wurde diese Wohnung von dem Erblasser ohne die Aufnahme eines Kredites bezahlt, wobei der Erblasser davon ausging und dies auch entsprechend kommunizierte, dass er Eigentümer dieser Wohnung sei. Tatsächlich war aber die Beklagte als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen (Anlage K 28). Die Klägerin hat weiter durchgängig in Abrede gestellt (Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 31.05.2022), dass es nach dem Erwerb der Wohnung zu einer Rückzahlung des Kaufpreises durch die Beklagte an den Erblasser gekommen ist. Eine solche Rückzahlung ist von der Beklagten in der Folgezeit auch nicht belastbar dargelegt worden. Insofern liegt es aber auch hier nahe, dass der Verkaufserlös doch dem Erblasser zugeflossen ist und noch auf einem zur Erbmasse zählenden Konto vorhanden ist, bzw. dass gegenüber der Beklagten nach wie vor ein Herausgabe-/Rückzahlungsanspruch an dem Kaufpreis besteht. Auch insoweit wäre von einer Werthaltigkeit des Nachlasses auszugehen.
Nach alldem ist der Klägerin vom Landgericht zu Unrecht die Kostentragungspflicht für die Erstellung des von ihr begehrten notariellen Nachlassverzeichnis auferlegt worden.
Die Berufung der Klägerin ist somit erfolgreich.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 3.000,00 € festgesetzt.