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Lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers an Grundstücksschenkung

OLG Düsseldorf – Az.: I-7 U 23/17 – Urteil vom 02.03.2018

Auf die Berufung des Klägers wird das am 18.1.2017 verkündete Teilurteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kleve aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Kleve zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei darf eine Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Parteien streiten nach dem Tod ihrer Mutter über die Rückübertragung ihrer 2013 auf die Beklagte übereigneten Grundstücke.

Die Parteien sind Geschwister. Mit Übertragungsvertrag vom 14.03.1992 (Bl. 105 ff) übertrug die Erblasserin, die Mutter der Parteien, dem Kläger zur Erhaltung des landwirtschaftlichen Betriebes den zum Betrieb gehörenden landwirtschaftlichen Grundbesitz (Flurstück …, Gebäude, Ackerland, Grünland.). Am 16.02.1993 schloss die Erblasserin mit dem Kläger einen notariellen Erb– und Erbverzichtsvertrag (Anlage K 1, Bl. 6 ff), in dessen § 2 der Kläger als alleiniger Erbe berufen wurde. Diese Erbeinsetzung ist gemäß § 5 eine vertragsgemäße Verfügung.

Die Beklagte genehmigte nicht die für sie von einem Vertreter ohne Vertretungsmacht abgegebene Erklärung, dass sie auf sämtliche Erb-, Pflichtteils–, Pflichtteilsergänzungsansprüche verzichte.

Bis 2011 wohnte die Erblasserin aufgrund eines im Übertragungsvertrag vom 14.03.1992 eingeräumten Wohnrechts unentgeltlich beim Kläger. Sie hatte lediglich die Nebenkosten zu zahlen. Am 20.08.2011 erlitt sie einen Schlaganfall und befand sich bis 30.08.2011 in stationärer Behandlung. Danach kam sie in eine Rehabilitationsklinik. Am 13.09.2011 begab sich der Notar C in die Klinik und beurkundete unter Nr. … der Urkundenrolle für 2011 eine Vorsorgevollmacht der Erblasserin für die Beklagte und für die Tochter des Klägers K. Beide waren jeweils alleinvertretungsberechtigt. Die Vollmacht umfasste das Recht, Grundbesitz zu veräußern. Die Beklagte war als Bevollmächtigte befugt, Rechtsgeschäfte mit sich im eigenen Namen vorzunehmen (Urkunde Anl. K2, Bl. 9-14 der Akte). Die Erblasserin wurde im September 2011 in die Pflegestufe 1 eingestuft, später erfolgte eine Einstufung in die Pflegestufe 2.

Im November 2011 zog die Erblasserin zu der Beklagten. Das Wohnrecht beim Kläger blieb zunächst bestehen.

Die Tochter des Klägers K veräußerte mit notariellem Kaufvertrag vom 23.11.2011 eine Teilfläche eines Waldgrundstückes der Erblasserin für 20.000 € (Vertrag Anl. K3). Dieser Verkauf ist nicht streitgegenständlich.

Am 30.12.2013 schloss die Beklagte als Vertreterin der Erblasserin mit sich selbst als von den Beschränkungen des §§ 181 BGB befreite Bevollmächtigte aufgrund der Vollmacht vom 13.09.2011 einen notariellen Vertrag (Notarassessor Dr. I als amtlich bestellter Vertreter des Notars Dr. X in Kleve, UR-Nr. 2208/2013, Anl. K6, Bl. 40 ff.). In dem Vertrag übertrug sich die Beklagte ohne Gegenleistung das Eigentum an zwei Grundstücken, das in der Flur … gelegene Flurstück …, Landwirtschaftsfläche L, 26.329 m² und das in der Flur … gelegene Flurstück …, Waldfläche, Verkehrsfläche, E, 61.655 m². Nach dem Vertrag geschah die Übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Die Beklagte wurde als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen. Die Erblasserin verstarb am 27.01.2014. Der Kläger ist ihr Alleinerbe. Mit der Klage begehrt er die Grundbuchberichtigung, hilfsweise die Rückübertragung der Grundstücke, die sich die Beklagte selbst im notariellen Vertrag vom 30.12.2013 übertragen hatte, weiter hilfsweise Zahlung.

Der Kläger ist der Auffassung, der Übertragungsvertrag sei gemäß § 138 BGB sittenwidrig und nichtig, weil die Beklagte die ihr gewährte Vollmacht missbräuchlich ausgeübt habe. Die Erblasserin habe eine Übertragung nicht beabsichtigt. Die Beklagte habe lediglich das Erbrecht des Klägers vereiteln wollen, indem sie durch den Missbrauch der Vollmacht das Eigentum auf sich selbst übertragen habe. Jedenfalls habe die Beklagte das Grundstück gemäß § 2287 BGB herauszugeben. Der Beklagten stehe rechnerisch ein Pflichtteil i.H.v. 23.533,33 € zu. Davon seien Beträge von 1.500 € und 1.617 € abzuziehen, die die Beklagte am 24.2.2014 und am 14.3.2015 vom Girokonto der Erblasserin abgehoben habe, so dass sich ein der Beklagten zustehender Betrag von 20.450,87 € ergebe. Dieses ist der im Hilfsantrag genannte Betrag. Der Beklagten stünde ein Pflichtteil auch in dieser Höhe nicht zu, weil er mit seinen Gegenansprüchen wegen der Vermögensverwaltung der Beklagten über das Vermögen der Erblasserin in erster Linie gegen den Pflichtteilsanspruch, in zweiter Linie gegen den von der Beklagten in dem Rechtsstreit 1 0 199/15 LG Kleve geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der Beerdigungskosten aufgerechnet habe. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 98 ff und die Beiakte verwiesen.

Der Kläger hat beantragt,

I.

die Beklagte zu verurteilen, ihre Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuches von X, Bl. … des Amtsgerichts T in Abteilung I hinsichtlich der Grundstücke Gemarkung C, Flur … und Gemarkung C, Flur … dahingehend zu erteilen, dass nicht die Beklagte, sondern der Kläger Eigentümer dieser Grundstücke ist,

hilfsweise

II.

die Beklagte zu verurteilen, die im Grundbuch von X, Bl. …(des Amtsgerichts T) eingetragenen Grundstücke Gemarkung C, Flur …, Nr. … „Landwirtschaftsfläche, L“ 2.63.29 ha und Gemarkung C, Flur …, Nr. … „Waldfläche, Verkehrsfläche, E“ 6.16.55 ha an den Kläger zu übertragen, aufzulassen und die Eintragung des Klägers als Eigentümer im Grundbuch zu bewilligen,

hilfsweise Zug um Zug gegen Zahlung von 20.415,87 €.

Mit dem Antrag zu III hat der Kläger weiter hilfsweise einen Zahlungsantrag über 142.078,46 € gestellt mit der Begründung, dieser Betrag stünde ihm hilfsweise als Wertersatz aufgrund der Übertragung der Grundstücke zu.

Die Beklagte hat Klageabweisung und mit ihrer Stufen-Widerklage Auskunft über den Bestand des Nachlasses und Zahlung ihres Pflichtteils begehrt.

Die Beklagte hat behauptet, die Erblasserin habe ausdrücklich die Übertragung der Grundstücke an die Beklagte als Dank dafür gewünscht, dass die Beklagte die Pflegeleistung übernommen habe.

Das Landgericht hat durch Teilurteil die Klageanträge I und II abgewiesen. Über die weiteren Anträge und die Widerklage hat das Landgericht nicht entschieden. Hinsichtlich der Klageanträge zu I und II sei die Klage unbegründet. Zwar stelle die Übertragung der streitgegenständlichen Grundstücke an die Beklagte eine beeinträchtigende Schenkung im Sinne des § 2287 BGB dar, weil das Erbrecht des Klägers objektiv beeinträchtigt werde. Die Erblasserin habe aber ein lebzeitiges Eigeninteresse an der von ihr vorgenommenen Schenkung gehabt, weil nach dem Urteil eines objektiven Beobachters die Verfügung in Anbetracht der gegebenen Umstände auch unter Berücksichtigung der erbvertraglichen Bindung als billigenswert und gerechtfertigt erscheine. Die Beklagte habe nach einem Schlaganfall der Erblasserin in nicht unerheblichen Umfang Pflegeleistungen für sie erbracht. Gerade in dem Fall, in dem es dem Erblasser im Alter um seine Versorgung und gegebenenfalls auch Pflege gehe, liege ein lebzeitiges Eigeninteresse vor, wenn mit dem Geschenk einer Person, die dem Erblasser geholfen habe, der Dank abgestattet werden solle. Der Beweis dafür, dass dies im vorliegenden Fall nicht so gewesen sei, oder der Beweis für objektive Umstände, aus denen sich der Schluss auf eine Beeinträchtigungsabsicht ziehen ließe, sei dem Kläger nicht gelungen. Der Wert der Pflegeleistung zum Zeitpunkt der Schenkung unterhalb des Wertes der Grundstücke sei unerheblich, da zum Zeitpunkt der Schenkung der Tod der Erblasserin nicht absehbar gewesen sei. Da die Voraussetzungen des §§ 2287 BGB nicht vorlägen, sei die Verfügung auch nicht nach § 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit unwirksam.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er rügt, dass das Landgericht ein prozessual unzulässiges Teilurteil erlassen habe, weil sich der Rechtsstreit nicht in abgrenzbare Teile habe untergliedern lassen. Die Ansprüche zu I und II stünden im direkten Zusammenhang mit dem weiter hilfsweise gestellten Antrag zu III, mit dem der Kläger einen Wertersatzanspruch aus §§ 2287, 812 BGB bezüglich der auf die Beklagte übertragenen Grundstücke geltend gemacht habe. Die Klageanträge zu I und II könnten daher nicht isoliert vom Klageantrag zu III betrachtet werden. Außerdem habe das Landgericht verkannt, dass es an einem lebzeitigen Eigeninteresse für die Übertragung der Grundstücke fehle. Im Innenverhältnis habe die Beklagte die Vorsorgevollmacht überhaupt nicht benutzen dürfen, weil die Erblasserin noch geschäftsfähig gewesen sei. Daher sei die Vorsorgevollmacht missbräuchlich benutzt worden.

Von der Grundstücksübertragung habe er erst nachträglich erfahren. Er wisse nicht genau, was ihr zugrunde gelegen habe. Seine Mutter sei zwar mit seiner Ehefrau nicht gerade einverstanden gewesen, aber deswegen habe es nur leichtere Spannungen gegeben. Die Übertragung des Grundstücks an die Beklagte durch sie selbst belege die Benachteiligungsabsicht der Beklagten, da in dem Vertrag nicht einmal von der Dankbarkeit für die in der Vergangenheit bereits geleisteten Pflegeleistung, sondern von einer Übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge die Rede sei. Daraus ergebe sich, dass ausschließlich beabsichtigt gewesen sei, die Grundstücke entgegen dem Erb- und Erbverzichtsvertrag von 1993 auf die Beklagte zu übertragen. Selbst wenn die Erblasserin zum Zeitpunkt der Übertragung noch gesund gewesen sei, habe sie zum Zeitpunkt des Übertragungsvertrages mit einem Lebensalter von 88 Jahren ausweislich der Sterbetafel 2009/2011 eine Lebenserwartung von 4,96 Jahren gehabt, was einem jährlichen Wert der Pflegeleistung von 28.793,85 € entsprochen habe. Der Wert der übertragenen Grundstücke habe mindestens 142.817,46 €, in Wahrheit wesentlich mehr, betragen.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils,

1. die Beklagte zu verurteilen, ihre Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuches von X, Bl. … des Amtsgerichts T in Abteilung I hinsichtlich der Grundstücke Gemarkung C, Flur …, Nr. … und Gemarkung C, Flur …, Nr. … dahingehend zu erteilen, dass nicht die Beklagte, sondern der Kläger Eigentümer dieser Grundstücke ist,

2. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, die im Grundbuch von X, Bl. … (des Amtsgerichts T) eingetragenen Grundstücke Gemarkung C, Flur …, Nr. … „Landwirtschaftsfläche, L“ 2.63.29 ha und Gemarkung C, Flur …, Nr. … „Waldfläche, Verkehrsfläche, E“ 6.16.55 ha an den Kläger zu übertragen, aufzulassen und die Eintragung des Klägers als Eigentümer im Grundbuch zu bewilligen,

hilfsweise Zug um Zug gegen Zahlung von 20.415,87 €

und das „erstinstanzliche Verfahren“ aufzuheben und die Sache zur erneuten mündlichen Verhandlung und Entscheidung an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt, die Zurückweisung der Berufung.

Das Teilurteil sei zulässig, weil dem Kläger kein Wertersatzanspruch zustehe. Die Erblasserin habe ein lebzeitiges Eigeninteresse gehabt. Im November 2011 habe sie den Wunsch geäußert, dass die Beklagte das Grundstück bekomme, weil der Kläger schon zu Lebzeiten so viel bekommen habe, er solle nicht noch mehr verkaufen oder „verschulden“. Das Landgericht habe lediglich über den Zahlungsantrag nicht entscheiden können, weil der Pflichtteilsanspruch der Höhe nach noch ermittelt werden müsse. Das lebzeitige Eigeninteresse sei einer materiellen Bewertung nicht zugänglich. Es sei ausreichend, dass überhaupt ein lebzeitiges Eigeninteresse vorhanden gewesen sei.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt und wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge gemäß § 540 ZPO auf das landgerichtliche Urteil verwiesen. Die Akte 1 O 199/15 LG Kleve = Senat, I-7 U 22/17, war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die zulässige Berufung hat insoweit vorläufigen Erfolg, als das Teilurteil gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO aufzuheben und der Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen ist.

1.

Ein Teilurteil darf nur ergehen, wenn es von der Entscheidung über den Rest des geltend gemachten prozessualen Anspruchs unabhängig ist, so dass die Gefahr einander widerstreitender Erkenntnisse, auch durch das Rechtsmittelgericht, nicht besteht (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2016 – VI ZR 395/15 –, juris, NJW 2017, 1745; BGH, Urteil vom 25. November 2003 – VI ZR 8/03 = MDR 2004, 589). Eine Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ist namentlich dann gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann (BGH, Urteil vom 29. März 2011 – VI ZR 117/10 –, BGHZ 189, 79ff, Rn 15). Das gilt auch für in einem Eventualverhältnis stehende Anträge, wenn mit der Entscheidung über den Hauptantrag derjenigen über den Hilfsantrag sachlich vorgegriffen wird (BGH, Urteil vom 20. Juni 2017 – XI ZR 72/16 –, NJW-RR 2017, 1197 Rn. 17).

So liegt es hier. Vorfrage sämtlicher mit der Klage geltend gemachter Ansprüche ist die Wirksamkeit der Übertragung der Grundstücke der Erblasserin auf die Beklagte. Während der mit dem Klageantrag zu I. geltend gemachte Anspruch auf Grundbuchberichtigung nur besteht, wenn die Übertragung unwirksam war, setzen die mit den Anträgen zu II. und III. geltend gemachten Ansprüche aus § 2287 BGB und aus § 2329 BGB voraus, dass sie der Beklagten wirksam geschenkt und übereignet worden sind. Soweit der mit dem Antrag zu III. geltend gemachte Zahlungsanspruch auf § 2287 BGB gestützt wird, ist ebenso wie bei der Entscheidung über den Antrag zu II. zu prüfen, ob ein lebzeitiges Eigeninteresse der Erblasserin an einer Schenkung bestand. Überdies kommt es sowohl für den Antrag zu II. als auch für den Antrag zu III. auf das Bestehen und die Höhe etwaiger Pflichtteilsansprüche der Beklagten an. Übersteigen diese die Hälfte des Grundstückswertes nicht, besteht ein Herausgabeanspruch aus § 2287 BGB Zug um Zug gegen Zahlung des Pflichtteils; anderenfalls hat der Vertragserbe einen Zahlungsanspruch (BGH, Urteil vom 28. September 1983 – IVa ZR 168/82 –, BGHZ 88, 269-273, NJW 1984, 121).

Dagegen ergibt sich eine Unzulässigkeit des Teilurteils nicht daraus, dass die Widerklage anhängig ist. Zwar hängt die Höhe des mit ihr verfolgten Pflichtteilsanspruchs der Beklagten ebenfalls davon ab, ob das in den Klageanträgen bezeichnete Grundstück oder zumindest ein Anspruch auf seine Rückübereignung zum Nachlass gehört. Dies muss aber erst in der Leistungsstufe abschließend entschieden werden. Die Gefahr des Widerspruchs zu einer dort ergehenden Entscheidung steht einer Entscheidung durch Teilurteil bei der Stufenklage – auch der Stufenwiderklage – nicht entgegen (BGH, Urteil vom 16. Juni 2010 – VIII ZR 62/09 –, NJW-RR 2011, 189 Rn. 24 ff.). Über den in der 1. Stufe geltend gemachten Widerklageantrag auf Verurteilung zur Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses kann unabhängig davon entschieden werden.

2.

Eine Sachentscheidung des Senats über die Anträge zu I. und II. ist nicht möglich, weil sie ebenfalls ein unzulässiges Teilurteil darstellte. Zwar könnte der Senat die Sache auch wegen der von dem Landgericht nicht beschiedenen Teile an sich ziehen (vgl. Zöller-Heßler, ZPO, 32. Aufl., § 538 Rn. 55). Der Sachverhalt bedarf aber noch in erheblichem Umfang der Aufklärung.

a)

Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand besteht kein Anspruch gemäß §§ 817 oder 894 BGB, weil die Vollmacht nicht gemäß § 138 BGB nichtig war und der Inhalt des Grundbuchs mit der wirklichen Rechtslage in Einklang steht. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Anspruch gemäß § 817 BGB (schuldrechtlicher Berichtigungsanspruch) oder gemäß § 894 BGB (die geltend gemachte Grundbuchberichtigung) besteht. Leistete die Erblasserin, deren Rechte der Kläger als Erbe geltend macht, durch den Übertragungsvertrag, wären bei Unwirksamkeit der Vollmacht sowohl Grund- als auch Erfüllungsgeschäft nichtig.

Das Grundbuch ist nicht unrichtig, weil die Auflassung im Insichgeschäft nach § 181 BGB nicht gemäß § 138 BGB wegen Vollmachtmissbrauchs nichtig war. Die Voraussetzungen hat der Kläger nicht unter Beweis gestellt.

Wenn ein Vertreter mit dem Vertragsgegner gezielt zum Nachteil des Vertretenen ein Geschäft abschließt, verstößt das Geschäft wegen einer sittenwidrigen Kollusion gegen die guten Sitten und ist nichtig (§ 138 BGB; vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 1988 – VI ZR 233/87, NJW 1989, 26 f.; Urteil vom 14. Juni 2000 – VIII ZR 218/99, NJW 2000, 2896, 2697). Aus diesem Grund ist auch ein Vertrag nichtig, wenn ein von den Voraussetzungen des § 181 BGB befreiter Bevollmächtigter seine Vollmacht missbraucht, um mit sich als Geschäftsgegner ein Geschäft zum Nachteil des Vertretenen abzuschließen (BGH Urteil vom 28. Januar 2014 – II ZR 371/12 –, juris , ZIP 2014, 615; BGH, Urteil vom 13. September 2011 – VI ZR 229/09, ZIP 2011, 2005 Rn. 9; BGH Urteil vom 25. Februar 2002 – II ZR 374/00, ZIP 2002, 753).

Die Beklagte hat dargelegt, dass die Übertragung des Grundstücks mit der Mutter besprochen war und sie konkret wusste, dass sie zum Notar ging und alles in die Wege geleitet habe. Der Kläger hat für seinen Vortrag, die Beklagte habe ohne Kenntnis der Erblasserin das Grundstück an sich ausschließlich zum Zwecke der Beeinträchtigung des Klägers übertragen, keinen Beweis angeboten. Darauf hat das Landgericht hingewiesen (Bl. 196 d.A.). Die bloße Übertragung allein ist kein ausreichendes Indiz, da die Erblasserin bei der Beklagten wohnte und von ihr gepflegt wurde. Da der Kläger für die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts beweispflichtig ist, bedurfte es nicht der Vernehmung der gegenbeweislich benannten Zeugen.

b)

Nach dem Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat besteht ein Anspruch des Klägers gemäß § 2287 BGB.

Gemäß § 2287 Abs. 1 BGB kann der Vertragserbe, nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern, wenn der Erblasser in der Absicht, den Vertrags- bzw. Schlusserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht hat. Da die Benachteiligungsabsicht mit der Absicht, den Beschenkten zu begünstigen, meist untrennbar verbunden ist, wäre sie – von Ausnahmefällen abgesehen – in einer solchen Lage praktisch immer gegeben (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 1972, IV ZR 125/70, BGHZ 59, 343, 350). Dennoch greift die Vorschrift nicht zwangsläufig bei jeder Schenkung ein. Erforderlich ist vielmehr, dass der Erblasser das ihm verbliebene Recht zu lebzeitigen Verfügungen missbraucht hat. Ein solcher Missbrauch liegt vor, wenn der alleinige Zweck die Vereitelung des Eigentumsübergangs des verschenkten Gegenstandes an den Erben beim Erbfall ist. Sie liegt nicht vor, wenn der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der von ihm vorgenommenen Schenkung hatte (BGH, Urteil vom 23. September 1981, IVa ZR 185/80, BGHZ 82, 274, 282). Ein lebzeitiges Eigeninteresse ist anzunehmen, wenn nach dem Urteil eines objektiven Beobachters die Verfügung in Anbetracht der gegebenen Umstände auch unter Berücksichtigung der erbvertraglichen Bindung als billigenswert und gerechtfertigt erscheint (BGH, Urteil vom 12. Juni 1980, IVa ZR 5/80, BGHZ 77, 264, 266). Ein derartiges Interesse kommt etwa dann in Betracht, wenn es dem Erblasser im Alter um seine Versorgung und gegebenenfalls auch Pflege geht (BGH, Urteile vom 27. Januar 1982, IVa ZR 240/80, BGHZ 83, 44, 46; vom 23. September 1981, IVa ZR 185/80, NJW 1982, 43 unter 3) oder wenn der Erblasser in der Erfüllung einer sittlichen Verpflichtung handelt, er etwa mit dem Geschenk einer Person, die ihm in besonderem Maße geholfen hat, seinen Dank abstatten will.

In ihrer Anhörung vor dem Senat haben die Parteien die Motivationslage klargestellt. Der Kläger hat eingeräumt, dass die Unzufriedenheit der Mutter mit seiner Ehefrau nur zu leichten Spannungen führte. Der Senat kann diese Befindlichkeit der Mutter als Beweggrund untergewichten, denn nach den Angaben des Klägers bestimmte sie nicht die Grundstücksübertragung. Die Beklagte hat – im Gegensatz zur Annahme des Urteils des Landgerichts – vor dem Senat eingeräumt, dass eine Gegenleistung für die Pflege nicht die Motivation der Mutter für die Grundstücksübertragung gewesen sei. Nach ihren Angaben sollte die Übertragung nach dem Wunsch der Mutter, die von der Übertragung gewusst habe, auf sie als Tochter deswegen erfolgen, weil der Kläger schon zu Lebzeiten genug erhalten hatte, er nicht noch mehr erhalten sollte, weil sie fürchtete, er werde den Rest verkaufen oder „verschulden“, also versilbern,  beleihen oder sonst verlieren. Diese von der Beklagten eingeräumte Motivation spiegelt sich in der notariellen Übertragungsurkunde wieder: Sie dokumentiert keine Pflegeverpflichtung oder eine Gegenleistung für die gewährte Pflege, sondern eine Übertragung im Wege der „vorweggenommen Erbfolge“. Das bezeichnet eine unentgeltliche Übertragung aus erbrechtlicher Motivation, da sie möglicherweise für die Berechnung von Pflichtteilsansprüchen Bedeutung haben kann (vgl. dazu BGH, Urteil vom 27. Januar 2010 – IV ZR 91/09 –, BGHZ 183, 376). Damit kommt klar zum Ausdruck, dass die Mutter auch nach dem Vortrag der Beklagten die Regelung aus dem Erbvertrag, dass der Kläger Erbe sein sollte, durch eine unentgeltliche, schenkweise Weggabe der Grundstücke korrigieren wollte. Das ist der Grundfall des § 2287 BGB: Die Erblasserin verschenkte die Grundstücke in der Absicht, den Beklagten als Vertragserben zu beeinträchtigen.

c)

Eine Verurteilung der Beklagten kann allerdings derzeit nicht erfolgen, weil die Beklagte nur Zug um Zug gegen Zahlung des Pflichtteils verurteilt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 1983 – IVa ZR 168/82 –, BGHZ 88, 269-273, NJW 1984, 121, 122). Vertragserbe und Schlusserbe müssen bei ihrer Erberwartung mit der Pflichtteilslast rechnen. Sie sind gegebenenfalls vor dem Beschenkten zur Ergänzung des Pflichtteils wegen Schenkungen verpflichtet. Demgemäß kann auch ihr Anspruch aus § 2287 BGB nur soweit reichen, wie sie in ihrer berechtigten Erberwartung beeinträchtigt werden. Da sie die Pflichtteilsansprüche vorab zu erfüllen haben oder ohne die beeinträchtigende Schenkung zu erfüllen hätten, sind sie von vornherein nicht im Sinne von § 2287 BGB beeinträchtigt, soweit ein Geschenk des Erblassers an den Pflichtteilsberechtigten dessen Pflichtteil zu decken geeignet ist. Der Bereicherungsanspruch aus § 2287 BGB ist auf das beschränkt, was nach Begleichung des Pflichtteils übrig bleibt. Deshalb muss der Kläger zugleich den Pflichtteil der Beklagten an diese auskehren. Es mag dahingestellt bleiben, ob das Zurückbehaltungsrecht gegen den Anspruch aus § 2287 BGB nach dem Wert des Geschenks oder dem Gesamtwert des Nachlasses zu berechnen ist (vgl. dazu Ruby/Schindler ZEV 2018, 21, 23 m.w.N.). Der Wert des Grundstücks bedarf bereits für die Entscheidung des Hilfsantrages zu II jedenfalls der Aufklärung.

III.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten. Das Urteil wird gemäß § 708 Nr. 10, 711 ZPO für vorläufig vollstreckbar erklärt. Es besteht kein Grund zur Zulassung der Revision.

Streitwert: 155.000 €. Maßgebend ist das wirtschaftliche Interesse an der Erlangung der Eigentumsstellung der Flurstücke. Die unterschiedlichen Anträge und Anspruchsgrundlagen (§ 894/§ 2287 BGB) erhöhen das wirtschaftliche Interesse nicht).

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