Erbfolge und Grundbuchrecht: OLG Bremen klärt Rechtslage bei Veräußerung von Grundstücken durch Vorerben
In einem kürzlich ergangenen Beschluss des Oberlandesgerichts Bremen (Az.: 3W14/23) wurde ein komplexer Fall im Schnittpunkt von Erbrecht und Grundbuchrecht behandelt. Der Fall dreht sich um die Veräußerung eines Grundstücks durch einen sogenannten „befreiten Vorerben“. Der Vorerbe hatte das Grundstück durch Erbfolge von seiner Mutter erhalten. Im Grundbuch war jedoch vermerkt, dass nach seinem Tod seine minderjährigen Kinder als Nacherben eingesetzt sind. Als der Vorerbe das Grundstück verkaufen wollte, stellte sich die Frage, ob und wie die minderjährigen Nacherben in diesem Prozess zu berücksichtigen sind.
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Übersicht
Rechtsmittel gegen Zwischenverfügung des Grundbuchamts
Das Amtsgericht Bremen – Grundbuchamt – hatte in einer Zwischenverfügung entschieden, dass die minderjährigen Nacherben vor der Löschung des Nacherbenvermerks im Grundbuch angehört werden müssen. Diese Entscheidung wurde vom Vorerben und den Käufern des Grundstücks angefochten. Das Oberlandesgericht Bremen stellte fest, dass die Beschwerde zulässig und im Ergebnis begründet ist. Die Zwischenverfügung des Grundbuchamts wurde aufgehoben.
Unzulässiger Inhalt der Zwischenverfügung
Das OLG Bremen kritisierte den Inhalt der Zwischenverfügung des Grundbuchamts als unzulässig. Eine Zwischenverfügung kommt nur bei behebbaren Hindernissen in Betracht. Das Gericht stellte fest, dass die Anhörung der minderjährigen Nacherben nicht zu der beantragten Löschung des Nacherbenvermerks führen würde. Daher sei die Zwischenverfügung irreführend und unzulässig.
Keine Bewilligung durch Testamentsvollstrecker
Das Gericht wies auch darauf hin, dass die Zustimmung eines potenziellen Testamentsvollstreckers für den Nacherbfall keine rechtliche Bedeutung hat. Die Annahmeerklärung für das Amt des Testamentsvollstreckers kann nicht vor dem Eintritt des Erbfalls abgegeben werden. Daher fehlte es an einer Bewilligung im Sinne des § 19 GBO.
Schlussbetrachtung: Klarstellung der Rechtslage
Das OLG Bremen hat mit seinem Beschluss wichtige Klarstellungen im Bereich des Erb- und Grundbuchrechts vorgenommen. Insbesondere wurde die Rechtslage bei der Veräußerung von Grundstücken durch Vorerben präzisiert. Die Entscheidung dürfte sowohl für Juristen als auch für Laien von Interesse sein, die sich mit den komplexen Fragestellungen des Erb- und Grundbuchrechts auseinandersetzen müssen.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Bremen – Az.: 3W14/23 – Beschluss vom 06.09.2023
Auf die Beschwerde der Beteiligten wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Bremen – Grundbuchamt – vom 29.06.2023 aufgehoben.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Gründe
I.
Der Beteiligte zu 1) ist Eigentümer eines Grundstücks in Bremen-[…], welches im Grundbuch des Amtsgerichts Bremen, Vorstadt R, Bl. eingetragen ist. Die Eigentümerstellung hat er aufgrund Erbfolge als befreiter Vorerbe eine Erbschaft seiner Mutter […] erlangt. In Abteilung II des Grundbuchs ist vermerkt, dass Nacherbfolge sowie Ersatznacherbfolge angeordnet ist. Nacherben des Beteiligten zu 1) sind dessen Kinder. Sie sind derzeit noch minderjährig (*2015). Ersatznacherbin ist die jeweils andere Nacherbin. Für die Nacherbinnen ist Testamentsvollstreckung angeordnet. Zukünftiger Testamentsvollstrecker soll nach einer handschriftlichen Ergänzung des notariellen Testaments der Erblasserin Herr Dr. L sein.
Mit Urkunde Nr. [..] der Notarin X, Bremen vom 17.02.2023 veräußerte der Beteiligte zu 1) das Grundstück an die Beteiligten zu 2) und 3). Diese beantragten über die Notarin X, Bremen, am 08.05.2023 die Auflassung des Grundstücks und Löschung des Nacherbenvermerks. Dabei wies das Amtsgericht Bremen – Grundbuchamt – mit Schreiben vom 07.06.2023 darauf hin, dass beabsichtigt sei, die minderjährigen Nacherben vor Löschung des Nacherbenvermerks anzuhören. Durch weiteres Schreiben vom 29.06.2023 legte die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Bremen – Grundbuchamt – ihre Rechtsaufassung nahe, wonach die minderjährigen Nacherben vor Löschung des Nacherbenvermerks anzuhören sei und bei der Anhörung durch einen noch zu bestellenden Ergänzungspfleger zu vertreten seien. Es bat zugleich um Einleitung des Bestellungsverfahrens und setzte eine Frist nach § 18 GBO von 6 Monaten.
Unter dem 20.07.2023 wandte sich die Notarin an den Präsidenten des Amtsgerichts und bat diesen um Vermittlung. Sie wies darauf hin, dass sie vorsorglich dem Grundbuchamt vorab eine Zustimmungserklärung des potenziellen Testamentsvollstreckers beigefügt habe. Neben einem Hinweis auf die Schwierigkeiten, die mit der Bestellung eines Pflegers verbunden seien, verweisen die Beschwerdeführer darauf, dass der Vorerbe jederzeit die Immobilie veräußern könne, es bestehe auch keine Interessekollision hinsichtlich der beantragten Löschung des Nacherbenvermerks Das an den Präsidenten des Amtsgerichts gerichtete Schreiben wurde der zuständigen Grundbuchrechtspflegerin zugeleitet. Auf Nachfrage der Rechtspflegerin an die Notarin, ob das Schreiben eine Beschwerde darstelle, legte die Notarin unter dem 08.08.2023 ausdrücklich Beschwerde gegen „die Zwischenverfügung vom 29.06.2023“ ein.
Hierauf fasste das Amtsgericht Bremen -Grundbuchamt- am 11.08.2023 einen Nichtabhilfebeschluss und legte die Sache dem Senat zur Entscheidung vor.
Das Amtsgericht Bremen – Grundbuchamt – sieht sich an der Eintragung deshalb gehindert, weil den Nacherben bislang noch kein rechtliches Gehör gewährt worden sei. Zwar sei durch die entgeltliche Verfügung das Grundstück aus dem Nachlass ausgeschieden und das Grundbuch damit unrichtig. Allerdings sei das Verfahren zur Löschung des Nacherbenvermerks ein Verfahren i.S.d. Art. 103 Abs. 1 GG, so dass den Nacherben rechtliches Gehör zu gewähren sei.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und im Ergebnis begründet. Sie führt zur Aufhebung der Zwischenverfügung vom 29.06.2023.
1.
Die Beschwerde ist zulässig.
Das Rechtsmittel ist als Beschwerde zu behandeln. Die Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten hat es nicht nur als solche bezeichnet, sondern begehrt ausdrücklich eine Entscheidung durch das OLG Bremen. Dies ist gemäß §§ 71, 72 GBO nur über eine Beschwerde zu erreichen. Sie ist, auch ohne dass die Notarin als Verfahrensbevollmächtigte dies ausdrücklich klargestellt hat, als Rechtsmittel aller Beteiligten auszulegen.
Statthaft ist die Beschwerde gem. §§ 11 Abs. 1 RPflG, 71 Abs. 1 GBO gegen Entscheidungen des Grundbuchamts. Bloße Vorbescheide oder Hinweise des Grundbuchamts auf die Rechtslage sind keine Entscheidungen (Demharter, GBO, 33. Aufl. 2023, § 18 Rn. 53; § 71 Rn. 11). Eine Entscheidung i.S. dieser Vorschrift kann auch eine Zwischenverfügung nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GBO sein (BGH NJW 1994, 1158; Demharter, aaO, § 71 Rn. 1). Dabei muss diese – wie vorliegend das Schreiben vom 29.06.2023 – nicht ausdrücklich als solche bezeichnet sein. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass sie inhaltlich den Kriterien der genannten Bestimmung genügt, d.h. konkrete Eintragungshindernisse bezeichnet und eine Frist zu deren Behebung setzt (Demharter, GBO, 33. Aufl. 2023, § 18, Rn. 29 ff.).
Dies ist vorliegend bezüglich Bitte um „Einleitung der erforderlichen Maßnahmen beim zuständigen Familiengericht“ zur Durchführung der beabsichtigten Anhörung der Nacherben der Fall, so dass die Beschwerde insoweit statthaft ist.
2.
Die Beschwerde hat auch in der Sache im Ergebnis Erfolg und führt zu der Aufhebung der Zwischenverfügung vom 29.06.2023, soweit darin um die „Einleitung der erforderlichen Maßnahmen beim zuständigen Familiengericht“ unter Fristsetzung gebeten wird.
Denn das Grundbuchamt hat eine Zwischenverfügung mit einem nach § 18 GBO nicht zulässigen Inhalt erlassen. Eine Zwischenverfügung kommt im Fall der Grundbuchberichtigung aufgrund Unrichtigkeitsnachweises nur in Betracht, wenn die Unrichtigkeit des Grundbuchs schlüssig behauptet wird und lediglich auf die Vorlage eines fehlenden Nachweises der Grundbuchunrichtigkeit hingewirkt werden soll. Wenn jedoch bei einem Berichtigungsantrag das Grundbuch (noch) nicht unrichtig ist, muss der Antrag zurückgewiesen werden (OLG Hamm, FamRZ 2023, 1323).
a)
Die Bitte des Grundbuchamtes um „Einleitung der erforderlichen Maßnahmen beim zuständigen Familiengericht“ zur Durchführung der beabsichtigten Anhörung der Nacherben kann nicht durch eine Zwischenverfügung i.S.d. § 18 GBO den Beteiligten aufgegeben werden.
Kennzeichnend für eine Zwischenverfügung ist, dass diese nur bei behebbaren Hindernissen in Betracht kommt (Demharter, GBO, 33. Aufl. 2023, § 18, Rn. 29). Denn jeder Zwischenverfügung kommt zugleich die Aussage zu, dem Antrag werde nach Beseitigung des Hindernisses entsprochen (Demharter, aaO). Deshalb stellt sich eine Zwischenverfügung dann als irreführend für den Antragsteller dar, wenn der Antrag bei richtiger Würdigung der Sach- und Rechtslage überhaupt nicht zu der begehrten Eintragung führen kann (Demharter, aaO). Folglich sind in einer Zwischenverfügung sämtliche der Eintragung entgegenstehende Eintragungshindernisse auf einmal anzugeben (Demharter, GBO, aaO, Rn. 30).
b)
Gemessen an diesen Maßstäben hat die Zwischenverfügung vom 29.06.2023 einen unzulässigen Inhalt. Denn auch wenn die Antragsteller der Bitte des Grundbuchamtes entsprechen würden, führte dies nicht unmittelbar zu der hier u.a. beantragten Löschung des Nacherbenvermerks.
Die Löschung des Nacherbenvermerks vor Eintritt der Nacherbfolge erfolgt grundsätzlich auf Antrag (§ 13 GBO), wenn die Löschung bewilligt ist (§ 19 GBO) oder wenn Grundbuchunrichtigkeit nachgewiesen (§ 22 Abs. 1 GBO) oder offenkundig (§ 29 Abs. 1 S. 2 GBO) ist (Bauer/Schaub/Schaub, 4. Aufl. 2018, GBO § 51 Rn. 115).
An einer Bewilligung i.S.d. § 19 GBO fehlt es erkennbar. Zurecht hat das Grundbuchamt der Erklärung des privatschriftlich bestimmten Testamentsvollstreckers für den Nacherbfall Dr. L keine rechtliche Bedeutung zugemessen. Gem. § 2202 Abs. 2 S.2 BGB kann die Annahmeerklärung für das Amt des Testamentsvollstreckers nicht vor dem Eintritt des Erbfalls abgeben werden, bei Anordnung einer Testamentsvollstreckung ab Eintritt des Nacherbfalls nicht vor Eintritt der Nacherbfolge gem. § 2139 BGB (NK-BGB/Ludwig Kroiß, 6. Aufl. 2022, BGB § 2202 Rn. 10 – beck-online). Der Testamentsvollstrecker konnte aus diesem Grunde auch (noch) nicht der Löschung des Nacherbenvermerks zustimmen. Er ist auch nicht Vertreter der minderjährigen Nacherben
Soweit von den Beschwerdeführen u.a. die Löschung eines Nacherbenvermerks (§ 51 GBO) wegen Unrichtigkeit des Grundbuchs nach § 22 Abs. 1 GBO beantragt worden ist, liegen die Voraussetzungen hierfür derzeit nicht vor. Weder ist eine Grundbuchunrichtigkeit derzeit nachgewiesen i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 1 GBO noch ist diese offenkundig i.S.d. § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO.
Das Grundbuch, in das ein Nacherbenvermerk (§ 51 GBO) eingetragen ist, wird unrichtig (§ 22 GBO), wenn das Grundstück aus dem Nachlass ausscheidet (Demharter, 33. Aufl. 2023, § 51, Rn. 42b; BGH, NJW 2014, 1593, Rn. 11). Ein Grundstück ist dann aus dem Nachlass ausgeschieden, wenn die Veräußerung des Vorerben voll wirksam war (Demharter, aaO unter Hinweis auf OLG Hamm, RPfleger 1991, 59. KG, Rpfleger 1993, 236), d.h. eine spätere Unwirksamkeit gemäß § 2113 Abs. 2 BGB nicht mehr eintreten kann.
Dies kann bei befreiter Vorerbschaft gemäß §§ 2136, 2113 Abs. 1 BGB durch Verfügung des Vorerben auch ohne Zustimmung des Nacherben geschehen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 12. Januar 2023 – 20 W 196/22 –, Rn. 18, juris). Unwirksam ist nur eine (ganz oder teilweise) unentgeltliche Verfügung (§§ 2113 Abs. 2, 2136 BGB (OLG Frankfurt, aaO). Unentgeltlichkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn mit der Verfügung des Vorerben über einen Nachlassgegenstand dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert objektiv keine oder keine gleichwertige, in den Nachlass zu erbringende Gegenleistung gegenübersteht und der Vorerbe subjektiv das Fehlen oder die Ungleichwertigkeit der Gegenleistung erkannt hat oder nach dem Maßstab ordnungsgemäßer Verwaltung hätte erkenn müssen (BGH NJW 1984, 2037, 2038 m.w.N. – beck-online; Grüneberg/Weidlich, BGB, 82. Aufl., § 2113 Rn. 10).
Folglich müsste es entweder offenkundig (§ 29 GBO) oder nachgewiesen (§ 22 GBO) sein, dass vorliegend keine (teilweise) unentgeltliche Verfügung des befreiten Vorerben vorliegt.
Die nicht gegebene (Teil-) Unentgeltlichkeit selbst kann als Ergebnis einer rechtlichen Würdigung nicht nachgewiesen werden; vielmehr müssen die Umstände, aus denen sich die fehlende (Teil-) Unentgeltlichkeit ergibt, vom Antragsteller belegt werden. Das Grundbuchamt muss an diesen Nachweis strenge Anforderungen stellen, da es unter Durchbrechung des Bewilligungsgrundsatzes eine Löschung des Nacherbenvermerks und damit eines Schutzes für die Nacherben vornehmen soll (Schrandt/Kalb in: Keller/Munzig, KEHE Grundbuchrecht – Kommentar, § 22 [Berichtigung des Grundbuchs], Rn. 103).
Der Beweis, dass keine unentgeltliche Verfügung vorliegt, kann im Grundbuchverfahren grundsätzlich nur in der Form des § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO, also durch öffentliche Urkunden geführt werden (OLG Hamm, Beschluss vom 17. Februar 2005 – 15 W 460/04 –, juris). Da eine Beweisführung bezüglich der nicht gegebenen (Teil-) Unentgeltlichkeit jedoch in dieser Form regelmäßig nicht möglich ist, ist das Grundbuchamt berechtigt und verpflichtet, unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Falles und der vorgelegten Urkunden eine freie Beweiswürdigung vorzunehmen, ob die Entgeltlichkeit nicht als offenkundig i.S.d. § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO anzusehen ist (Demharter, GBO, 33. Aufl., § 52, Rn. 24). Dem Grundbuchamt ist dabei eine eigene Beweisaufnahme zur Frage der Unentgeltlichkeit verwehrt (OLG Hamm, aaO). Das Grundbuchamt hat im Rahmen der freien Beweiswürdigung nämlich keine eigenen Nachforschungen und Ermittlungen anzustellen (Demharter, GBO, 33. Aufl. 2023, § 52, Rn. 24 i.V.m. § § 51, Rn. 42b).
Bei der freien Beweiswürdigung darf das Grundbuchamt Regeln der Lebenserfahrung und der Wahrscheinlichkeit heranziehen (OLG Hamm, aaO). Eine entgeltliche Verfügung ist somit dann anzunehmen, wenn die dafür maßgebenden Beweggründe im Einzelnen angegeben werden, verständlich und der Wirklichkeit gerecht werdend erscheinen und begründete Zweifel an der Pflichtmäßigkeit der Handlung nicht ersichtlich sind (OLG Stuttgart BWNotZ 2018, 28; OLG München, Beschluss vom 2. September 2014 – 34 Wx 415/13 –, juris). Bei einem Rechtsgeschäft zwischen dem Vorerben und einem unbeteiligten Dritten kann man in aller Regel von einer entgeltlichen Verfügung ausgehen, wenn das Gegenteil nicht gerade – wie bei einer Schenkung – offenkundig ist (BeckOK GBO/Zeiser, 50. Ed. 1.8.2023, GBO § 51 Rn. 86).
Ob danach vorliegend von einer vollwirksamen, nicht teilweise unentgeltlichen Verfügung des befreiten Vorerben ausgegangen werden kann, ist derzeit für den Senat nicht zu beurteilen. Weder sind die Beweggründe für die Veräußerung aus dem Akteninhalt erkennbar noch ist ersichtlich, aufgrund welcher Tatsachen die Beteiligten davon ausgehen, dass es sich vorliegend nicht um ein teilweise unentgeltliches Geschäft handelt. Es ist nicht ersichtlich, wie der vereinbarte Preis ermittelt worden ist; die Beteiligung eines Maklers mit eigenem Provisionsinteresse scheint vermutlich nicht gegeben zu sein. Um den Prüfungsmaßstab des Grundbuchamtes näher abschätzen zu können wäre es zudem erforderlich, anzugeben, in welchem Nähe- oder ggf. Verwandtschaftsverhältnis die Erwerber zum Vorerben stehen.
Da es an diesen Angaben durch die Beschwerdeführer derzeit fehlt, kann nicht ohne weiteres von einer nicht möglicherweise teilweise unentgeltlichen, vollwirksamen Verfügung des befreiten Vorerben ausgegangen werden. Bei richtiger Behandlung der Sache hätte das Grundbuchamt daher einen entsprechenden Hinweis erteilen und bei fehlendem weiteren Vortrag den Antrag, soweit er auch auf die Löschung des Nacherbenvermerks gerichtet ist, durch Beschluss zurückweisen müssen. Denn im grundbuchrechtlichen Antragsverfahren gilt der Beibringungsgrundsatz (vgl. Bauer/Schaub/Bayer/Meier-Wehrsdorfer, 4. Aufl. 2018, GBO § 29 Rn. 4). Das Grundbuchamt ist nicht berechtigt, selbst Ermittlungen und Beweiserhebungen eigenständig anzustellen (vgl. OLG München, Beschluss vom 28. Februar 2005 – 32 Wx 17/05 – Rn.19, juris m. w. N.). Ebenso ist es nicht Aufgabe des Grundbuchamtes, den Antragstellern einen möglichen Sachverhalt zu unterbreiten, mit dem ein Eintragungshindernis nicht bestünde, den die Antragsteller selbst aber nicht vorgetragen haben (BGH, Beschluss vom 28. April 2022 – V ZB 4/21 –, Rn. 15, juris). Sollte es vorliegend unter Beachtung der aufgezeigten Anforderungen Tatsachen geben, die es zulassen, von einer nicht teilunentgeltlichen Verfügung des befreiten Vorerben auszugehen, so wären diese von den Beteiligten als für sie günstig spätestens mit der Beschwerdeschrift darzulegen gewesen (vgl. § 27 FamFG). Dies ist indes nicht der Fall.
3.
Für das weitere Verfahren weist der Senat – insoweit ohne Rechtsbindung – auf Folgendes hin:
Sofern die Beschwerdeführer im weiteren Verlauf dieses Verfahren dem Grundbuchamt weitere Tatsachen beibringen, so sind diese zunächst durch das allein dazu berufene Grundbuchamt frei dahingehend zu würdigen, ob diese Tatsachen im Falle ihrer Wahrheit, eine teilweise Unentgeltlichkeit der Verfügung ausschließen könnten. Käme das Grundbuchamt dabei zu dem Ergebnis, dass dies nicht der Fall ist, wäre der Antrag zur Löschung des Nacherbenvermerks zurückzuweisen, da die Grundbuchunrichtigkeit dann nicht zu erkennen wäre.
Sollte das Grundbuchamt indes zu der Überzeugung gelangen, dass eine entgeltliche, d.h. nicht auch nur teilweise unentgeltliche Verfügung schlüssig dargelegt worden ist, dann wären die Nacherben vor Löschung des Nacherbenvermerks anzuhören (OLG Frankfurt, Beschluss vom 13. September 2018 – 20 W 197/18 –, Rn. 21, juris; OLG Bamberg BeckRS 2015, 15073 Rn. 6; OLG München, Beschluss vom 23. Dezember 2019 – 34 Wx 468/19 –, Rn. 14, juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. März 2012 – I-3 Wx 299/11 –, Rn. 14, juris).
Die Durchführung der Anhörung zur Gewährung rechtlichen Gehörs ist Aufgabe des Grundbuchamts. Dieses hat die Ermittlung der am Antragsverfahren materiell Beteiligten und deshalb auch formell zu Beteiligenden selbst von Amts wegen durchzuführen (Demharter, GBO, 33. Aufl. 2023, § 1 Rn. 41); insbesondere dann wenn die Ermittlung der Gewährung des rechtlichen Gehörs dient (OLG München, Beschluss vom 23. Dezember 2019 – 34 Wx 468/19 –, Rn. 14, juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. März 2012 – I-3 Wx 299/11 –, Rn. 14, juris).
Bevor das Grundbuchamt die Bestellung eines Pflegers beim zuständigen Familiengericht zur Durchführung der Anhörung anregt, wäre es gehalten, zu prüfen, ob eine Anhörung der Mutter der minderjährigen Nacherben zur Gewährung rechtlichen Gehörs der Nacherben ausreichend sein könnte. Dafür müsste zunächst feststehen, dass die Mutter (auch) sorgeberechtigt ist, was bisher noch nicht dargelegt worden ist. Die Kindesmutter wäre in diesem Fall zu den von den Beteiligten beigebrachten Tatsachen, soweit sie das Grundbuchamt für schlüssig im Sinne des Nachweises der Entgeltlichkeit des Geschäfts hält, anzuhören. Sollte die Kindesmutter die tatsächlichen Angaben, die für eine nicht gegebene Unentgeltlichkeit schlüssig beigebracht werden, bestätigen bzw. nicht bestreiten, dann dürfte die Kindesmutter dadurch ein „tatsächliches Zugeständnis“ hinsichtlich der Entgeltlichkeit der Verfügung des Vorerben abgegeben haben (vgl. Bauer/Schaub/Schaub, 4. Aufl. 2018, GBO § 51 Rn. 149; KG, OLGZ 1968, 337 S. 341 a.E). Damit läge weder die Vertretung bei einem Rechtsgeschäft mit dem Ehegatten gem. §§ 1629 Abs. 2 S.1, 1824 Abs.1 Nr.1 BGB noch eine Zustimmung zur Verfügung über ein Grundstück gem. §§ 1643 Abs.1, 1850 Nr. 1 oder ein anderes genehmigungspflichtiges Rechtsgeschäft vor. In diesem Fall wäre weder ein Ergänzungspfleger zu bestellen noch eine familiengerichtliche Genehmigung einzuholen (dazu Bauer/Schaub/Schaub, 4. Aufl. 2018, GBO § 51 Rn. 149).
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil für Beschwerden in Grundbuchsachen Gebühren nur dann anfallen, wenn diese verworfen oder zurückgewiesen werden (vgl. Ziffer 14510 des Kostenverzeichnisses, Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GNotKG).