Skip to content

Miterbenvollstreckung einer Zahlung für die Erbengemeinschaft

LG Neuruppin – Az.: 2 T 30/21 – Beschluss vom 24.02.2021

1. Unter Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts Oranienburg vom 18.11.2020, Az. 9 M 69/20, wird die Erinnerung des Schuldners vom 4. August 2020 zurückgewiesen.

2. Der Schuldner trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 71.454,60 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Gläubigerin und der Schuldner sind Miterben einer aus insgesamt drei Personen bestehenden Erbengemeinschaft. Vor dem Landgericht Neuruppin erwirkte die Gläubigerin am 25.7.2019 (Az. 5 O 32/18) einen Teilvergleich mit dem Schuldner, in dem sich dieser verpflichtete, an die Erbengemeinschaft, bestehend aus der Gläubigerin, dem Schuldner und der weiteren namentlich benannten Miterbin, einen Betrag in Höhe von 74.921,49 € nebst Zinsen, sowie einen weiteren monatlichen Betrag für die Nutzung eines Gewerbegrundstücks an die Erbengemeinschaft zu zahlen.

Die Gläubigerin beantragte mit Vollstreckungsauftrag vom 16.9.2020, vertreten durch ihren Verfahrensbevollmächtigten, dessen Bankverbindung im Auftragsformular unter A4 angegeben war, auf Grundlage der vollstreckbaren Ausfertigung des oben genannten Teilvergleichs nebst beigefügter Forderungsaufstellung die Zustellung der Anlagen sowie die Abnahme der Vermögensauskunft, den Erlass eines Haftbefehls und die Pfändung körperlicher Sachen gegen den Schuldner.

Obergerichtsvollzieher … lud den Schuldner unter dem 22.7.2020 zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft nach § 802f ZPO für den 11. August 2020, 10:30 Uhr.

Mit seiner 4. August 2020 beim Amtsgericht eingegangenen Erinnerung beantragt der Schuldner, die Zwangsvollstreckung durch den Obergerichtsvollzieher … aufzuheben, insbesondere die Ladung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung 11.8.2020, sowie die Zwangsvollstreckung im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig einzustellen.

Darin hat er geltend gemacht, die Gläubigerin vollstrecke eine Zahlung an sich, nicht hingegen an die Erbengemeinschaft, die jedoch aus dem zugrunde liegenden Titel als Ganze berechtigt sei. Ferner sei die Forderungshöhe falsch berechnet, da Zahlungen des Schuldners nicht bzw. falsch verrechnet worden sein.

Die Gläubigerin meint, mit dem Antrag als Mitglied der Erbengemeinschaft für diese insgesamt zu handeln. Mit Schriftsatz vom 1.9.2020 erklärte sie, Zahlungen hätten zu erfolgen auf das Konto der Erbengemeinschaft bei der …, welches zwar ausschließlich auf den Namen der Gläubigerin geführt werde, jedoch einvernehmlich mit allen Erben angelegt worden sei.

Der Schuldner bestreitet nunmehr die Berechtigung der Gläubigerin, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen für die Erbengemeinschaft gegen einen der Miterben durchzuführen.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 18.11.2020 die Ladung zur Abgabe der Vermögensauskunft aufgehoben. Aufgrund der bislang durchgeführten Vollstreckung habe sie nicht stattfinden dürfen, da die im Titel genannten Gläubiger nicht mit dem im Vollstreckungsauftrag genannten Gläubiger übereinstimmten. Im Übrigen sei der Schuldner auf die Vollstreckungsgegenklage zu verweisen.

Dagegen richtet sich die am 30.11.2020 beim Beschwerdegericht eingegangene Beschwerde der Gläubigerin. Sie macht geltend, ihre Befugnis zur Zwangsvollstreckung ergebe sich – wie auch im zugrunde liegenden Verfahren vor dem Landgericht Neuruppin – aus § 2039 BGB.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde am 29.12.2020 nicht abgeholfen und die Kostenentscheidung des Beschlusses vom 18.11.2020 insoweit ergänzt, als die Gläubiger die Kosten des Verfahrens zu tragen habe.

II.

Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist die der Erinnerung des Schuldners stattgebende Entscheidung des Amtsgerichts aufzuheben und die Erinnerung zurückzuweisen.

1. Der Schuldner kann sich mit der Erinnerung gemäß § 766 Abs. 1 ZPO gegen die Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft wenden. Mit der Erinnerung können Einwände gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung erhoben oder Verstöße des Gerichtsvollziehers gegen das von ihm bei der Zwangsvollstreckung zu beobachtende Verfahren gerügt werden (§ 766 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Gerichtsvollzieher ist im Rahmen der ihm obliegenden Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen nach § 802 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO befugt, eine Vermögensauskunft des Schuldners (§ 802 c ZPO) einzuholen. Die Ladung des Schuldners zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft (§ 802 f Abs. 1 ZPO) ist Teil des Verfahrens zur Abnahme der Vermögensauskunft und damit Teil der Zwangsvollstreckung (BGH, Beschluss vom 16.6.2016 – I ZB 58/15, NJW 2016, 3455 Rn. 9, m. w. N.).

Der Erinnerung des Schuldners fehlt es auch nicht am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, obwohl der angefochtene Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft bereits verstrichen ist. Zwar ist die gegen eine bestimmte Vollstreckungsmaßnahme gerichtete Erinnerung bereits mit deren Beendigung unzulässig, auch wenn das Vollstreckungsverfahren im Ganzen andauert (BGH, Beschluss vom 21.12.2004 – IXa ZB 324/03, NZM 2005, 193; MüKoZPO, 6. Aufl. 2020, § 766 Rn. 48). Mit der Terminsladung zur Abgabe der Vermögensauskunft beginnt das Verfahren der Vollstreckungsmaßnahme „Abgabe der Vermögensauskunft“ (vgl. BGH, Beschluss vom 16.6.2016 – I ZB 58/15, NJW 2016, 3455 Rn. 9). Es ist noch nicht abgeschlossen, weil ein unentschuldigtes Nichterscheinen zum Erlass eines Haftbefehls nach § 802g ZPO führen kann (vgl. LG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Juli 1985 – 25 T 233/85 –, juris; LG Bonn, Beschluss vom 26.04.2013 – 4 T 140/13, das – allein – wegen des zwischenzeitlichen Erlasses eines Haftbefehls ein Rechtsschutzbedürfnis für die Erinnerung gegen die Terminsladung verneint; die Zulässigkeit der gegen die Erinnerung gerichteten sofortigen Beschwerde ohne weitere Problematisierung bejahend LG Stuttgart, Beschluss vom 12.4.2018 – 19 T 486/17, BeckRS 2018, 36374 Rn. 14; ein Rechtsschutzbedürfnis hingegen verneinend LG Dortmund, Beschluss vom 10. April 2014 – 9 T 89/14 –, Rn. 3, juris, sowie AG Dortmund, Beschluss vom 6. Dezember 2013 – 245 M 1487/13 –, juris, wobei die Entscheidungsgründe so aufgefasst werden, dass der Schuldner zum Termin nicht erschienen ist).

Die Erinnerung des Schuldners, die zuletzt auf die Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung mit der Begründung gerichtet ist, die Gläubigerin sei nicht berechtigt, eine Zahlung für die Erbengemeinschaft gegen einen Miterben zu vollstrecken, hat keinen Erfolg.

Dieser Einwand ist im Verfahren über die Erinnerung nach § 766 ZPO nicht zu berücksichtigen. Es ist nicht Sache des mit der Vollstreckung des Titels befassten Vollstreckungsorgans, die Wirksamkeit der Klausel am Inhalt des Titels zu messen. Über dahingehende Einwendungen des Schuldners gegen die Klausel entscheidet gemäß § 732 ZPO vielmehr dasjenige Gericht, dessen Geschäftsstelle die Vollstreckungsklausel erteilt hat. Sie sind der Nachprüfung durch das Vollstreckungsorgan entzogen und können deshalb auch nicht im Erinnerungsverfahren nach § 766 ZPO vor dem Vollstreckungsgericht und dem ihm übergeordneten Beschwerdegericht geltend gemacht werden (BGH, Beschluss vom 1.2.2017 – VII ZB 22/16, NJW-RR 2017, 510 Rn. 13.) Eine vollstreckbare Ausfertigung des Teilvergleichs vom 25.7.2019 ist der Gläubigerin am 12.2.2020 erteilt worden (5 ff. d.A.; Ausfertigungsvermerk Bl. 9).

Um weiteren Streitigkeiten zwischen den Parteien über die streitige Rechtsfrage vorzubeugen, wird noch Folgendes ausgeführt: Es bestehen keine Bedenken an der Berechtigung der Gläubigerin zur Beitreibung des titulierten Anspruchs – diese folgt aus § 2039 BGB (KG, Beschluss vom 10.1.1957 – 1 W 2673/56, NJW 1957, 1154; MüKoBGB/Gergen, 8. Aufl. 2020, BGB § 2039 Rn. 30; BeckOK BGB/Lohmann, 56. Ed. 1.11.2020 Rn. 12, BGB § 2039 Rn. 12 m. zahlr. N. aus der Lit.). Diese Vorschrift berechtigt den einzelnen Miterben dazu, eine zum Nachlass gehörende Forderung als gesetzlicher Prozessstandschafter für die Erbengemeinschaft geltend zu machen. § 2039 S. 1 BGB erfasst dabei auch den Fall, dass sich die Forderung gegen einen der Miterben richtet (BGH, Urteil vom 27.1.2016 – XII ZR 33/15, ZEV 2016, 267 Rn. 14; LG Karlsruhe, Beschluss vom 11.4.2016 – 5 T 171/15, BeckRS 2016, 116703). Auf diese Weise hat die Gläubigerin auch den der Zwangsvollstreckung zugrunde liegenden Titel erwirkt. Kann ein Miterbe auf diese Weise klagen und im Rahmen eines Erkenntnisverfahrens einen vollstreckbaren Titel erwirken, so muss er auch ohne Rücksicht auf den Willen der anderen Miterben die Zwangsvollstreckung zugunsten der Erbengemeinschaft betreiben können (vgl. bereits KG, Beschluss vom 10.1.1957 – 1 W 2673/56, NJW 1957, 1154; LG Karlsruhe Beschluss vom 11.4.2016 – 5 T 171/15, BeckRS 2016, 116703). Jeder Miterbe, der allein oder mit anderen Titelgläubiger ist, kann auch nach der jüngst ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung eine vollstreckbare Ausfertigung des Titels verlangen, die nur ihn als Vollstreckungsgläubiger ausweist. Voraussetzung ist aber, dass die beabsichtigte Zwangsvollstreckung zugunsten aller Miterben durchgeführt wird, der Erlös der Zwangsvollstreckung also allen Miterben zugutekommt. Grundsätzlich bedarf es (aber) bei der Erteilung einer Vollstreckungsklausel zugunsten eines Miterben keines besonderen Hinweises darauf, dass Leistungen an alle Miterben erfolgen müssen, da sich dies aus dem zugrunde liegenden Titel zu ergeben hat (BGH, Beschluss vom 4.11.2020 – VII ZB 69/18 -, Rn. 16 ff.) und hier ergibt.

2. Soweit das Amtsgericht den Schuldner im Übrigen auf die Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) verwiesen hat, ist dies hinsichtlich der vom Schuldner beanstandeten Zahlungsverrechnungen und damit dem materiellen Einwand der Erfüllung zutreffend. Auch insoweit dringt er mit seiner Erinnerung nicht durch.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, diejenige über den Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens auf § 3 ZPO. Insoweit war, da der Schuldner (auch) die Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung als Ganze begehrt hat, von der im Beschwerdeverfahren der der Vollstreckung zugrunde gelegten Hauptforderung von 107.181,19 € (s. Bl. 28 d.A.) auszugehen, wobei diese um 1/3 zu kürzen war, nämlich um den dem Beklagten als Miterben in der Sache zustehenden Betrags.

Die Übertragung des Verfahrens auf die Kammer gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO war mangels grundsätzlicher Bedeutung nicht angezeigt. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschluss vom 27.3.2003 – V ZR 291/02, NJW 2003, 1943). Allenfalls von grundsätzlicher Bedeutung erscheint die Frage der Zulässigkeit der Erinnerung des Schuldners nach Verstreichen des Termins zur Abgabe der Vermögensauskunft unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses. Allerdings ist diese Frage nicht entscheidungserheblich, da die Erinnerung, sofern das Gericht von ihrer Unzulässigkeit ausgegangen wäre, ebenfalls ohne Erfolg geblieben wäre.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Dies ist nur dann nach § 574 Abs. 2 und 3 Satz 1 ZPO angezeigt und erforderlich, wenn die aufgeworfene (Rechts-)Frage entscheidungserheblich ist (BGH, Beschluss vom 15.3.2018 – V ZB 149/17, NJW-RR 2018, 761 Rn. 5). Diese Voraussetzungen lagen aus den genannten Gründen nicht vor.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Erbrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Erbrecht. Vom rechtssicheren Testament über den Pflichtteilsanspruch bis hin zur Erbausschlagung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Erbrecht einfach erklärt

Erbrechtliche Urteile und Beiträge

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!