OLG Koblenz – Az.: 12 U 1634/20 – Beschluss vom 11.03.2021
1. Der Antrag des Beklagten vom 11.01.2021 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz wird abgelehnt.
2. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil der Einzelrichterin des Landgerichts Mainz vom 09.10.2020, Az. 2 O 224/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
3. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 31.03.2021.
Gründe
Der Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz ist abzulehnen, da seine eingelegte Berufung aus den nachfolgend dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 Abs. 1 S. 1 ZPO).
Das Landgericht hat den Beklagten zu Recht und mit zutreffender Begründung verurteilt, in Erfüllung des von der Erblasserin …[A] erbvertraglich ausgesetzten (Voraus-)Vermächtnisses an der Übertragung des ½-Miteigentumsanteils an dem Hausgrundstück „…[Z]“ in …[Y] mitzuwirken. Auch die Angriffe der Berufung geben zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung keinen Anlass.
Soweit der Beklagte in formeller Hinsicht die Auffassung vertritt, der Klage fehle das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis; diese hätte gegen sämtliche Mitglieder der ungeteilten Erbengemeinschaft und damit auch gegen den Kläger selbst gerichtet werden müssen, vermag der Senat seiner Argumentation nicht zu folgen. Eine solche Rechtsauffassung wird auch durch die Regelung des § 747 ZPO nicht gestützt, wonach zur Zwangsvollstreckung in einen Nachlass bei Vorhandensein mehrerer Erben, bis zur Teilung ein gegen alle Erben ergangenes Urteil erforderlich ist. Ist der Gläubiger, wie hier, selbst Miterbe, ist ein gegen ihn erlangter Titel entbehrlich (vgl. BGH NJW-RR 1988, NJW- RR Jahr 1988 Seite 710 OLG München BeckRS 2017, 117662 OLG Stuttgart NJW 1959, NJW 1959, 1735).
Auch den in materiell-rechtlicher Hinsicht mit der Berufung weiter aufrechterhaltenen Bedenken, der Kläger sei mangels Fälligkeit nicht berechtigt, die Erfüllung des Vermächtnisses zu verlangen, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Die mit der Klage geltend gemachte Vermächtniserfüllung ist entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten nicht an die Gesamterbauseinandersetzung gebunden. Dem Miterbengläubiger ist die Gesamthandsklage gegen die übrigen Miterben vor der Auseinandersetzung regelmäßig nicht versagt. Der mit einem Vorausvermächtnis bedachte Miterbe kann die Erfüllung seines Vermächtnisanspruchs auch schon vor der Erbauseinandersetzung aus dem ungeteilten Nachlass verlangen, und zwar unabhängig davon, ob er mitbeschwert ist. (OLGR Frankfurt 1999, 112 f; OLG Saarbrücken ZEV 2007, 579 f; Staudinger/Otte (2019) BGB § 2150, Rdn. 9). Sein schuldrechtlicher Anspruch gegen die Erbengemeinschaft ist Nachlassverbindlichkeit (BGH NJW 98, 682) und gemäß dem auch zwischen Miterben geltenden § 2046 BGB (OLG Celle der FamRZ 03, 1224) schon vor der Erbauseinandersetzung zu befriedigen (KG OLGZ 77, 457; OLG Saarbrücken NJW-RR 07, 1659). Auch die Gläubigerstellung des mit einem Vorausvermächtnis bedachten Miterben ist daher kein Hindernis für die Erhebung der Gesamthandsklage nach § 2059 Abs. 2 BGB (RGZ 93, 198). Der Beklagte kann sich daher nicht mit Erfolg darauf berufen, der Kläger begehre mit der Erfüllung des klagegegenständlichen Vermächtnisses eine unzulässige Teilauseinandersetzung.
Der Fälligkeit des Klageanspruchs steht hier auch nicht die Tatsache entgegen, dass die Erbengemeinschaft hinsichtlich beider Parteien mit Vorausvermächtnissen belastet ist. Die zu Gunsten beider Parteien ausgesetzten Vermächtnisse stehen erkennbar nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis, sodass ihre Erfüllung jeweils nur Zug um Zug gegen die Erfüllung des zugunsten des anderen Miterben aufgebrachten Vermächtnisses fällig wäre.
Soweit eine die Fälligkeit hindernde synallagmatische Verknüpfung des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs allenfalls in Bezug auf die unter Ziffer 3. begründete Verpflichtung des Klägers bestehen könnte, für den Fall, dass der Restnachlass nicht ausreichen sollte, den Wertausgleich für die streitgegenständliche Dachgeschosswohnung im Hause „…[Z]“ zu realisieren, ist festzuhalten, dass dieser Fall hier gerade nicht eingetreten ist. Der Restnachlass in Form des Barvermögens ist in ausreichender Höhe vorhanden, sodass die Option des zu Lasten des Klägers ausgesetzten Untervermächtnisses hier nicht zum Tragen kommt. Da der Beklagte im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits jedoch einen zu seinen Gunsten bestehenden Vermächtniserfüllungsanspruch nicht geltend macht, ist der Sachverhalt insoweit mit der Berufung nicht zur Entscheidung durch den Senat angefallen. Über die Berechtigungen dieses Anspruchs auf Seiten des Beklagten war im Berufungsverfahren daher nicht zu befinden.
Zutreffend ist das Landgericht auch zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beklagte nicht in rechtswirksamer Weise substantiierte Einwände gegen die fachlichen Feststellungen des Gutachterausschusses im Rahmen der gutachterlichen Bewertung der Dachgeschosswohnung im Anwesen „…[Z]“ vorgebracht hat. Soweit der Beklagte auch mit der Berufung auf seine Ausführungen in dem Schreiben vom 01.09.2020 an seine vormaligen Prozessbevollmächtigten rekurriert und in diesem Zusammenhang vor allem auf seine Behauptung verweist, die streitgegenständliche Dachgeschosswohnung verfüge über eine Fläche von 115 m², hat dieser Sachvortrag zu Recht in erster Instanz keine Berücksichtigung gefunden. Dem diesbezüglichen tatsächlichen Vorbringen des Beklagten ist auch im Berufungsverfahren nicht nachzugehen.
In Anwaltsprozessen wird die mündliche Verhandlung durch Schriftsätze vorbereitet (§ 129 I ZPO). Hierunter sind ausschließlich anwaltliche Schriftsätze zu verstehen. Gemäß § 130 Nr. 6 ZPO hat ein ordnungsgemäßer Schriftsatz u.a. „die Unterschrift der Person zu enthalten, die den Schriftsatz verantwortet”. Mithin sind Parteischriftsätze nur dann zulässig, wenn deren Inhalt von dem Prozessbevollmächtigten verantwortet wird. Dies ist nicht bereits dann der Fall, wenn ein Rechtsanwalt den von seiner Partei selbst verfassten Schriftsatz in der mündlichen Verhandlung dem Gericht ohne Abgabe von Erklärungen überreicht oder ihn entsprechend anderweitig übermittelt (OLG Hamburg NJOZ 2007, 3065, beck-online).
So liegt der Fall hier.
Die mit Schriftsatz der vormaligen Beklagtenvertreter vom 01.09.2020 erfolgte Vorlage des an sie gerichteten Schreibens des Beklagten vom gleichen Tage lässt in keiner Weise erkennen, dass sich die damaligen Prozessbevollmächtigten die Ausarbeitung des Beklagten zu eigen machen und gegenüber dem Landgericht die Verantwortung für den Inhalt des „Beklagtenvortrags“ übernehmen wollten. Indem der vormalige Beklagtenvertreter Rechtsanwalt …[B], vertreten durch Rechtsanwältin …[C], auf die Vorlage der Anmerkungen des Beklagten hinweist und weiter formuliert: „der erhebliche Fehler des Gutachtens rügt“ (Hervorhebungen durch den Senat), gibt er klar zu erkennen, dass es sich ausschließlich um das „Gedankengut“ des Beklagten persönlich, aus dessen Provenienz handelt und daher allein ihm zuzurechnen ist, dies unabhängig von der Tatsache, dass der in Teilen wenig geordnete Inhalt des Schreibens durch die Prozessbevollmächtigten unkommentiert und nicht selektiert an das Landgericht weitergegeben wurde. Das anwaltliche Handeln beschränkte sich daher auf die tatsächliche Übermittlung von „Mandantenvorbringen“ in Form der Aushändigung des Schreibens des Beklagten und umfasste keine aus der Auseinandersetzung mit dem Gutachten hervorgebrachte eigenverantwortlichen Argumente zu den Ausführungen des Gutachterausschusses. Somit hat das Landgericht den in dem Schreiben des Beklagten enthaltenen Tatsachenvortrag zu Recht verfahrensrechtlich als nicht wirksam angesehen.
Entgegen der Ansicht des Beklagten ist dieses Vorgehen des Landgerichts auch in zivilprozessualer Hinsicht nicht zu beanstanden. Die Vorderrichterin war insbesondere nicht gehalten, den anwaltlich vertretenen Beklagten gemäß § 139 Abs. 1 ZPO darauf hinzuweisen, dass der mit Schriftsatz vom 01.09.2020 vorgelegte „persönliche Sachvortrag“ des Beklagten, für den die erstinstanzlich tätigen Prozessbevollmächtigten entsprechend den vorstehenden Ausführungen erkennbar keine Verantwortung übernehmen wollten, im Anwaltsprozess keine Berücksichtigung finden konnte. Insoweit musste es den seinerzeitigen Parteivertretern freigestellt bleiben zu entscheiden, ob sie im Hinblick auf die aus § 138 Abs. 1 ZPO resultierenden Pflichten zu einem vollständigen und wahrheitsgemäßen Sachvortrag die Verantwortung für die von ihrem Mandanten, dem Beklagten, behaupteten Tatsachen übernehmen wollten. Zu einer Einflussnahme, auf diesen allein unter berufsrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilenden Entscheidungsprozess des Parteivertreters einzuwirken, war das Landgericht auch mit Blick auf die ihm obliegende Prozessleitung nach § 139 ZPO nicht befugt, jedenfalls aber nicht verpflichtet.
Da die Berufung somit aus den dargelegten Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat, waren die von dem Beklagten für das Rechtsmittelverfahren ersuchte Prozesskostenhilfe abzulehnen. Das Gericht legt aus Kostengründen die Rücknahme des Rechtsmittels nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
Der Senat beabsichtigt, den Wert des Streitgegenstandes auf 160.000,00 € festgesetzt.