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Mitwirkungspflicht Erben bei Erbaushöhlung durch Vermächtnis

LG Offenburg – Az.: 2 O 445/18 – Urteil vom 18.07.2019

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Zustimmung zur Auflassung des nachfolgend bezeichneten Wohnungseigentums auf den Kläger zu erteilen und die entsprechenden Grundbuchbewilligungen zur Eintragung der Eigentumsänderung auf den Kläger im Grundbuch bezüglich des nachgenannten Wohnungseigentums zu bewilligen:

Grundbuch von D. Nr. … – Wohnungsgrundbuch – 1/2 Miteigentumsanteil an dem Grundstück Flurstück Nr. … Gebäude- u. Freifläche …, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung im Erdgeschoss mit Kellerräumen und einer Garage – im Aufteilungsplan mit Nr. 1 gekennzeichnet.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Kostenrechnung seines Bevollmächtigten vom 27.08.2018 zum Betrag von 2.874,92 € freizustellen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. [Vorl. Vollstreckbarkeit]

Beschluss

Der Streitwert wird auf 160.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur einredefreien Erfüllung eines Vermächtnisses.

Der Kläger ist Enkel des am … 2017 verstorbenen Erblassers, Herrn K., die Beklagte Tochter des Erblassers. Mit Erbvertrag vom … 2008 hat der Erblasser die streitgegenständliche Wohnung, die den wesentlichen Teil des Nachlasses ausmacht, an den Kläger vermacht. Die dreiköpfige Erbengemeinschaft, zu der kraft gesetzlicher Erbfolge auch die Beklagte gehört, stand kurz davor, dieses Vermächtnis absprachegemäß durch Verkauf der streitgegenständlichen Immobilie und anschließender Aufteilung des Kaufpreises zu erfüllen. Für die Wohnung war bereits eine Käuferin gefunden, die im Sommer 2018 bereit war, einen Kaufpreis in Höhe von 160.000,00 € zu zahlen. Aus dem Kaufpreis sollte auch der Kläger einen näher zu bestimmenden Anteil bekommen. Im Notartermin war die Beklagte im Gegensatz zu den anderen beiden Miterben aber nicht bereit, den diesbezüglichen Kaufvertrag zu unterzeichnen. Zum Vertragsschluss kam es aufgrund ihrer Weigerungshaltung mithin nicht. Die Beklagte wurde deshalb vom Kläger in der Folgezeit mehrmals (u.a. mit anwaltlichem Schreiben vom 24.07.2018, 21.08.2018, 27.08.2018 und 25.09.2018) zur Mitwirkung an der Erfüllung des Vermächtnisses unter Fristsetzung und Klageandrohung aufgefordert. Zu einer Mitwirkung am Verkauf der Immobilie oder an deren Übereignung auf den Kläger kam es in der Folgezeit dennoch nicht.

Der Kläger ist der Ansicht, dass der Beklagten keinerlei Gegenrechte gegen seinen Vermächtniserfüllungsanspruch zustehen, insbesondere sei die Beklagte als Miterbin keine Pflichtteilsberechtigte, sodass sie keinen Pflichtteilsanspruch Zug-um-Zug gegen Vermächtniserfüllung und erst recht nicht gegen den Kläger als bloßen Vermächtnisnehmer einwenden könne.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Zustimmung zur Auflassung des nachfolgend bezeichneten Wohnungseigentums auf den Kläger zu erteilen und die entsprechenden Grundbuchbewilligungen zur Eintragung der Eigentumsänderung auf den Kläger im Grundbuch bezüglich des nachgenannten Wohnungseigentums zu bewilligen:

Grundbuch von D. Nr. … – Wohnungsgrundbuch – 1/2 Miteigentumsanteil an dem Grundstück Flurstück Nr. … Gebäude- u. Freifläche …, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung im Erdgeschoss mit Kellerräumen und einer Garage – im Aufteilungsplan mit Nr. 1 gekennzeichnet.

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von der Kostenrechnung seines Bevollmächtigten vom 27.08.2018 zum Betrag von 2.874,92 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt, sie entsprechend dem Klageantrag unter Ziffer I. unter Verwahrung gegen die Kostenlast zu verurteilen, allerdings nur Zug-um-Zug gegen Zahlung des Pflichtteils, im Übrigen Klageabweisung.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass ihr als Erbin ein Pflichtteilsanspruch gegen den Kläger zustehe, da ihr durch die Vermächtniserfüllung weniger bliebe als ihr gesetzlicher Pflichtteil. Da ihr somit ein Zurückbehaltungsrecht gegen die Forderung des Klägers zustehe, seien auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten mangels Verzuges nicht geschuldet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird verwiesen auf die Schriftsätze des Klägers vom 23.10.2018, 06.12.2018 und 10.01.2019 sowie die Schriftsätze der Beklagten vom 23.11.2018 und 12.03.2019.

Im Übrigen wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom … 2019.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagte aufgrund ihres sog. eingeschränkten Anerkenntnisses, jedenfalls aufgrund der Verfügung im Erbvertrag vom … 2008 einen Anspruch auf Abgabe der zur Übertragung des Eigentums an der streitgegenständlichen Wohnung erforderlichen Erklärungen.

Ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB gestützt auf einen (unbezifferten) Pflichtteilsanspruch steht der beklagten Tochter des Erblassers gegen den Kläger dagegen nicht zu.

Im Grundsatz steht der Pflichtteil nur demjenigen Abkömmling des Erblassers zu, der – wie hier nicht – durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen ist, § 2303 Abs. 1 BGB. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind insbesondere in den §§ 2305 und 2306 BGB geregelt:

1.) So will etwa § 2306 BGB verhindern, dass der Erblasser – wie vorliegend – den Nachlass durch Beschwerungen mit Vermächtnissen zulasten der Erben aushöhlt, indem er den Erben die Möglichkeit gewährt, ihren Erbteil auszuschlagen und als Mindestbeteiligung am Nachlass trotzdem zumindest ihren Pflichtteil zu verlangen (vgl. MüKo-BGB/Lange, 7. Aufl. 2017, § 2306 Rn. 1).

Die Beklagte hatte gemäß § 2306 Abs. 1 Hs. 2 BGB i.V.m. §§ 1942 ff. BGB mithin 6 Wochen ab Kenntnis von der Beschwerung des Nachlasses mit dem Vermächtnis Zeit, sich zu überlegen, ob sie ausschlägt und ihren Pflichtteil geltend macht oder ob sie die Erbeinsetzung mit der Beschwerung annimmt.

Von ihrem Recht zur Ausschlagung ab Kenntnis der Beschwerung hat die Beklagte keinen Gebrauch gemacht. Sie hat deshalb an der Erfüllung des Vermächtnisses mitzuwirken, selbst wenn dadurch ihr Erbteil fast vollständig entwertet wird (vgl. Lange, aaO, Rn. 18; Riedel in: Uricher. Erbrecht, 3. Aufl. 2017 § 4 Pflichtteilsrecht Rn. 65).

2.) Ein Anspruch auf den „Zusatzpflichtteil“ i.S.v. § 2305 BGB scheitert – unabhängig von der Frage der Anwendbarkeit neben § 2306 BGB – jedenfalls daran, dass sich dieser Anspruch gegen die Miterben, nicht aber gegen einen Vermächtnisnehmer richtet.

3.) Andere Ansprüche auf die ein Zurückbehaltungsrecht gestützt werden könnte sind nicht ersichtlich.

II.

Der Kläger hat darüber hinaus Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 S. 1 BGB wegen Verzugs der Beklagten mit ihrer Verpflichtung zur Mitwirkung an der Erfüllung des Vermächtnisses aus § 2174 BGB.

Den Verzugseintritt verhindernde Einreden gegen den vorgenannten Vermächtniserfüllungsanspruch stehen der Beklagten nicht zu, vgl. die Ausführungen unter Ziffer I.

Dem Klägervertreter steht eine 1,3 Geschäftsgebühr nach §§ 2, 13 RVG, Nr. 2300 VV aus einem Gegenstandswert von 160.000,00 € zzgl. Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV und Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV zu. Dies ergibt einen Betrag in Höhe von 2.874,92 €.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Daraus, dass die Beklagte den Hauptanspruch Zug-um-Zug anerkannt hat (sog. Anerkenntnis Zug-um-Zug / eingeschränktes Anerkenntnis), ergeben sich vorliegend keine Besonderheiten, da der Kläger weder seinen Klageantrag angepasst hatte noch die Beklagte mit ihrem Zurückbehaltungsrecht durchgedrungen ist (vgl. Arz, NJW 2014, 2828).

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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