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Nachlasspflegervergütung bei teilmittellosem Nachlass

Abrechnung nach Stundensatz

OLG Celle – Az.: 6 W 142/19 – Beschluss vom 20.03.2020

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.301,28 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 14. Juni 2018 gemäß § 1961 BGB Nachlasspflegschaft für die unbekannten Erben angeordnet und den Beteiligten zu 1. zum Nachlasspfleger bestellt (Bl. 12 ff. d. A.). Es hat festgestellt, dass der Nachlasspfleger das Amt berufsmäßig ausübt. Mit Antrag vom 14. Mai 2019 (Bl. 45 f. d. A.) hat der Beteiligte zu 1. für den Zeitraum vom 14. Juni 2018 bis 14. Mai 2019 eine Vergütungsfestsetzung in Höhe von 2.972,89 € brutto beantragt. Die Vergütungssumme hat der Beteiligte zu 1. wie folgt berechnet:

23,517 Stunden x 80 € 1.881,33 € zzgl. 19 % Umsatzsteuer  357,45 € gesamt 2.238,79 €

In Höhe dieses Betrages hat Beteiligte zu 1. die Entnahme aus dem Nachlass beantragt.

Für weitere 14,733 Stunden hat der Beteiligte zu 1. einen Stundensatz von 33,50 € angesetzt, weil insoweit Nachlass zur Begleichung der Vergütung nach Abzug der 2.238,79 € nicht mehr vorhanden wäre. Gegen die Staatskasse festzusetzen hat der Beteiligte zu 1. beantragt:

14,733 Stunden x 33,50 € =    493,57 €

Auslagen 123,33 €

Zwischensumme 616,90 €

zzgl. 19 % Umsatzsteuer 117,21 €

gesamt 734,11 €

Das Amtsgericht hat nach Anhörung der Bezirksrevisorin die Vergütung mit dem angefochtenen Beschluss auf aus der Staatskasse zu erstattende 1.671,61 € festgesetzt (Bl. 75 f. d. A.). Den darüberhinausgehenden Vergütungsfestsetzungsantrag hat das Amtsgericht abgelehnt. Es hat die Vergütung wie folgt berechnet:

38,25 Stunden (entsprechend 2.295 Minuten) x 33,50 € =

1.281,38 € zzgl. Ersatz von umsatzsteuerpflichtigen Aufwendungen 123,33 €

Zwischensumme 1.404,71 €

zzgl. 19 % Umsatzsteuer 266,90 €

Festsetzungsbetrag 1.671, 61 €

Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass der Nachlasspfleger einen Anspruch auf Vergütung und Ersatz von Aufwendungen gemäß § 1915 BGB, § 168 FamFG, §§ 1835, 1836 Abs. 1 BGB, § 1 Abs. 2, 3 VBVG a. F. habe. Die von dem Beteiligten zu 1. in seinem Abrechnungsantrag vorgenommene Splittung der Stundensätze, die auf der Annahme beruhe, dass der Nachlass so lange als werthaltig zu betrachten sei, wie liquide Mittel vorhanden seien, sei nicht zu folgen. Entgegen der Auffassung der Oberlandesgerichte Stuttgart (8 W 110/17) und Frankfurt (21 W 75/18) sei mit dem OLG Celle (Beschluss vom 28. Juli 2018, – 6 W 90/18 – unveröffentlicht) der gesamte Nachlass als mittellos anzusehen, weil er nicht ausreichend sei, um den gesamten Vergütungsanspruch aufbringen zu können. Dies folge aus § 1836 c, § 1836 d Nr.1 BGB i.V.m. § 1915 BGB. Bei Mittellosigkeit des Nachlasses bemesse sich die Höhe der Vergütung anhand der im VBVG zugrunde gelegten Stundensätze, wobei die Gesetzesbegründung des § 1836 d BGB keine Wahlmöglichkeit des Pflegers aufzeige, sondern nur sichergestellt werden solle, dass in dieser Konstellation der Anspruch komplett gegen die Staatskasse geltend zu machen sei, was als Erleichterung für den Nachlasspfleger gedacht gewesen sei.

Dagegen wendet der Beteiligte zu 1. sich mit der Beschwerde, mit der er seinen ursprünglichen Vergütungsantrag unter Aufrechterhaltung seiner Rechtsauffassung zur Zulässigkeit eines sogenannten gesplitteten Vergütungsantrags in voller Höhe weiterverfolgt. Es bestünde ein Wahlrecht des Vormundes, gegen wen er seinen Vergütungsanspruch bei teilweiser Leistungsfähigkeit stelle.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Die Höhe der dem Beteiligten zu 1 nach § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB zustehenden Vergütung bestimmt sich im vorliegenden Fall nicht teilweise nach § 1915 Abs. 1 Satz 2 BGB und teilweise nach § 12 VBVG i. V. m. § 3 Abs. 1 bis 3 VBVG a.F., sondern im gesamten Umfang nach § 3 VBVB a. F.

a) Eine von den Stundensätzen des § 3 VBVB abweichende, sich nach den für die Führung der Pflegschaft nutzbaren Fachkenntnissen und dem Umfang und der Schwierigkeit der Pflegschaftsgeschäfte richtende Vergütungshöhe, kommt nur in Betracht, „sofern der Pflegling nicht mittellos ist“ (§ 1915 Abs. 1 Satz 2, letzter Halbsatz BGB). Im vorliegenden Fall ist der Nachlass mittellos.

aa) Der Senat bleibt bei seiner zuletzt im Beschluss vom 28. Juni 2018 (6 W 90/18 – unveröffentlicht) geäußerten Auffassung, dass im Gesetz bestimmt ist, wann Mittellosigkeit im Sinne des § 1915 Abs. 1 Satz 2 BGB vorliegt, nämlich in den Fällen des § 1836 d Nr. 1 BGB, wenn Aufwendungsersatz oder die Vergütung „aus dem einzusetzenden Einkommen oder Vermögen nicht oder nur zum Teil oder nur in Raten aufgebracht werden kann.“ Denn § 1915 Abs. 1 Satz 1 BGB verweist auf die entsprechende Anwendung der für die Vormundschaft geltenden Vorschriften, „soweit sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt“. Dass insoweit auch die §§ 1835 ff. BGB für den Aufwendungs- und Vergütungsanspruch des Pflegers entsprechend gelten, also z. B. ein Vergütungsanspruch gemäß § 1915 Abs. 1 Satz 1, § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB nur bei berufsmäßig geführten Pflegschaften besteht, nimmt auch der Beteiligte zu 1 nicht in Abrede.

Soweit das OLG Frankfurt (Beschluss vom 29. Juni 2018 – 21 W 75/18, juris) unter Zitierung von Zimmermann (Die Nachlasspflegschaft, 3. Aufl. Rn. 745) und Jochum/Pohl (Nachlasspflegschaft, 5. Aufl., Rn. 875 ff.), das OLG Stuttgart (Beschluss vom 29. Mai 2017 – 8 W 110/17, juris) ohne nähere Begründung sowie das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 8. November 2019 – I – 3 Wx 62/18) bei sog. teilmittellosem Nachlass eine Abrechnung nach gespaltenem Stundensatz innerhalb eines Abrechnungszeitraums für zulässig erachten, überzeugt dies den Senat nicht. Das OLG Frankfurt argumentiert damit, dass § 1836 c BGB nach einhelliger Auffassung nicht auf die Nachlasspflegschaft zutreffe, weil den Erben kein Schonvermögen einzuräumen sei, § 1836 d mit der vorgenannten Vorschrift in engem Zusammenhang stehe und § 1836 d Nr. 2 BGB, wonach Mittellosigkeit vorliege, wenn der Mündel den Aufwendungsersatz oder die Vergütung nur im Wege gerichtlicher Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen aufbringen könne, ebenfalls nicht auf den Erben übertragbar sei. Warum jedoch § 1836 d Nr. 1 BGB für den Nachlass nicht gelten soll, erschließt sich dem Senat aus der Begründung des OLG Frankfurt nicht; eine in ein Abhängigkeitsverhältnis gestellte Systematik von § 1836 d Nr. 1 und 2 BGB ist für den Senat nicht ersichtlich („oder“). Der Verweis des OLG Frankfurt (a. a. O. Rn. 24) auf die Gesetzesbegründung des Betreuungsrechtsänderungsgesetzes (BT-Drs. 13/7158 S. 29) erscheint mit Rücksicht darauf, dass der Gesetzentwurf BT-Drs. 13/7158 nicht der endgültigen Fassung der §§ 1836 c und d BGB entspricht, welche auf die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 1. April 1998 (BT-Drs. 13/10331) zurückgeht, zumindest fragwürdig. Im Übrigen vertritt Zimmermann (Die Nachlasspflegschaft) in der 4. Auflage (dort Rn. 768) wie der Senat die Auffassung, dass der Stundensatz bei teilmittellosem Nachlass sowohl für die aus dem Nachlassvermögen zu zahlende Teilvergütung wie für die aus dem Vermögen zu zahlende Teilvergütung einheitlich nach VBVG (im Beispielsfall bei Zimmermann, a. a. O., 33,50 € für einen Anwalt) zu bestimmen ist.

bb) Die von dem Amtsgericht vorgenommene Berechnung der Vergütung mit einem Stundensatz von 33,50 € gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG a. F. (vgl. Übergangsregelung in § 12 VBVG) für den gesamten zeitlichen Aufwand ist daher nicht zu beanstanden. Soweit die Vergütung als aus der Staatskasse zu leisten und nicht als dem Nachlass zu entnehmen festgesetzt worden ist, ist der Beteiligte zu 1 dadurch nicht beschwert.

b) Darauf, dass der Beteiligte zu 1 den Stundensatz von 80 € nicht hinreichend begründet hat, weil sein Vergütungsantrag sich nicht zu seinen für die Pflegschaft nutzbaren Fachkenntnissen und dem Umfang und Schwierigkeit der Pflegschaft verhält, kommt es danach nicht an.

2. Einer Entscheidung über die Kosten bedarf es nicht. Die Pflicht, die Gerichtsgebühren des erfolglosen Beschwerdeverfahrens zu tragen, folgt aus dem Gesetz (§ 25 Abs. 1, § 22 Abs. 1 GNotKG). Die Erstattung notwendiger Aufwendungen kommt nicht in Betracht, weil sich niemand in einem der Beschwerde entgegengesetzten Sinn am Beschwerdeverfahren beteiligt hat.

Für die Wertfestsetzung ist § 61 Abs. 1 Satz 1 GNotKG maßgeblich.

Im Hinblick auf die abweichenden Rechtsauffassungen u.a. der Oberlandesgerichte Frankfurt (a.a.O.), Stuttgart (a.a.O.) und Düsseldorf (a.a.O.) zur Frage der Anwendbarkeit von § 1836 d Nr. 1 BGB auf Fälle der Nachlasspflegschaft lässt der Senat die Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FamFG zu.

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